Walter Hövel
Eine nicht-staatliche glückliche zweite Lehrer*innenbildung

 

Ein paar Vorbemerkungen
Bald 69 Jahre alt und glücklich pensioniert, sehe ich wie schwer sich der Staat und seine Schulen tun ihre Praxis zu verbessern oder zu verändern. Befreit von der Last der täglichen Arbeit, konnte ich durch Lehraufträge an Unis und Hochschulen in Bremen, Köln, Linz und Klagenfurt fortsetzen, was ich vorher nebenher tat.

 

Ich berate heute einige Schulen, werde als Referent zu Vorträgen und Seminaren gerufen und genieße mehr denn je mein ehemaliges Doppelleben in der Praxis der Schule und der Theorie der Lehrer*innenbildung in Weiter-, Fort- und Ausbildung. Ich weiß, dass der Blickwinkel eines seltenen Exemplars wie mich von einigen Menschen gefragt und gewürdigt wird. Ich schreibe und veröffentliche mehr denn je und werde eingebunden in eine europäische Weiterentwicklung von Bildung und Lernen.

 

Die Entwicklung der Eitorfer[1] Schulpolitik ist erschreckend rückwärtsgewandt. Die Inklusion ist in dieser Umgebung zu einer Verschärfung der Ausgrenzung durch Feststellung des Förderbedarfs geworden. Die Zahl der armen Kinder, die in der Bildung benachteiligt wird, steigt. In NRW ist eine FDP-Politikerin Schulministerin. Universitäten und Hochschulen „befreien sich vom Firlefanz“ der Kunst, der Musik, der Reformpädagogik oder anderer Bezüge zur Praxis.

 

Mein Engagement findet hauptsächlich in deutschsprachigen Regionen Europas statt. Allerorten, ob in Südtirol, in Köln und Umgebung, im Süden der Republik, in Luxemburg, der Schweiz, Österreich, Südamerika oder Belgien stehen junge und ältere Menschen mit demokratisch-menschenrechtlichen Ideen auf, um sich gegen einen spürbaren Rechtsruck im bürgerlichen Lager zu stellen. Viele solcher Menschen sind an vielen öffentlichen und privaten Schulen und in vielen Ausbildungen des In- und Auslands anzutreffen.

 

Die Begegnung mit einer neuen Alternative
Mitten in dieser doppelten Bewegung dieser bewegten Zeit treffe ich auf die Entstehung und den Anspruch eines „glücklichen Referendariats“.

 

Da haben sich Menschen unter der Leitung Martin Kramers zusammengefunden, die dem nur in Deutschland üblichen Monopol auf eine zweite Ausbildungsphase im Lehrerberuf, entgegentreten. Ich bin begeistert von den Ideen und dem Mut dieser Menschen.

 

Sie erheben diesen Anspruch nicht nur für die Primarschule, sondern gerade im Bereich der ersten und zweiten Sekundarschule.

 

Ihr Ansatz ist der der Menschenrechte und der Systemik. Sie bieten jungen Menschen vernünftig bezahlte Arbeitsplätze an Schulen[2] und eine gut organisierte, sprich „glückliche“ andere Ausbildung.

 

Sie ist dadurch glücklich, dass die Re-, besser „Proferendare“ als Auszubildende 40 Kursthemen und Kursleiter*innen zur Auswahl haben. Ob sie jung oder alt sind, es wird ihnen für alle Fächer und Aspekte der notwendigen Bildung von Lehrer*innen, Modernes und Systemisches, was es Gutes auf dem Markt gibt, angeboten. Die Auszubildenden suchen sich selbst aus, wer sie bildet, mit wem sie sich selber bilden. Und hinzu kommt der Anspruch, dass sie lernen sich selbst zu fähigen und glücklichen Profis zu bilden.

 

Hier treffe ich auf erfahrene Ausbilder wie Claus-Dieter Kaul, Uschi Resch oder Ernst Fritz-Schubert. Hier kommen Menschen aus der Wirtschaft oder aus den MINT-Fortbildungen der Stiftungen zusammen. Hier sind erfahrene Montis, Freinis, Waldorfianern oder andere reformpädagogische Richtungen vertreten. Hier treffen Menschen der Fächer, aber auch Nichtlehrer*innen aus künstlerischen und naturwissenschaftlichen Wissenschaften und Berufen zusammen.

 

Die Ausbildung, die im entweder im September 2018 oder 2020 startet, wird von einem pädagogischen Beirat gestützt, in dem ich mitmachen kann. Der Zufall wollte es, dass unsere Kollegin Eva Schulz den Sohn Martin Kramers in Tübingen unterrichtete und mich weiterempfahl. Dafür ein riesiges Dankeschön!

 

Ich selbst bevorzuge den Begriff des Lernens, nicht das von Martin Kramer in den Fokus genommene Unterrichten. Da – und woanders gibt es verschiedene Meinungen. Doch angesichts der Übereinstimmungen - und der meines Erachtens Größe der Bedeutung des Projekts -, sehe ich so etwas als nachgeordnet an. Ich bin mir sicher, dass dieses Projekt bereits jetzt eine notwendige Bereicherung der pädagogischen Wirklichkeit zur Folge hat.

 

Ich bin mir sicher, dass diese Ausbildung Kleinode entlassen wird, die Schule und Lernen nach vorne bringen.

 

Im Folgenden kommt Martin Kramers Broschüre in Auszügen, Kürzungen und Satzveränderungen meinerseits, selbst zu Wort

 

Martin Kramer
Das glückliche Proferendariat

 


„Eintrittskarte“ für Dozenten und Mentoren
Alle Themen von Bildung und Ausbildung können konsequent systemisch-konstruktivistisch gedacht, erklärt und gelebt werden.

 

Das Glückliche Referendariat möchte keine „bessere“ Lehrerausbildung sein, jedoch der bestehenden eine Alternative danebenstellen. Somit besitzt die Teilnahme am Glücklichen Referendariat auch eine politische Dimension.

 

Jeder Mitgestalter soll wissen, auf was er oder sie sich einlässt, welche grundlegende Haltung sie mit den andern Mitstreiter*innen teilt. Glück lässt sich nicht erzwingen. Das Folgende stellt eine Art „Eintrittskarte“ für Sie dar, damit Sie wissen, ob Sie im „richtigen“ Film sind bzw. ob diese subjektive Sichtweise für Sie passend ist.

 

Ziel der Ausbildung
Der Grundgedanke des Glücklichen Referendariats ist das individuelle Wachstum zu fördern. Die Ausbildung verfolgt nicht das Ziel einen oder den „richtigen“ PROferendar „herzustellen“, etwa im Sinne eines Kopiervorgangs. Der PROferendar soll nicht so werden wie sein Kursleiter!

 

Grundlegend ist die Auffassung, dass jeder Teilnehmer selbst den passenden Unterricht für sich und seine Schüler findet: Das Ideal ist eine doppelte Passgenauigkeit. Das Glückliche Referendariat ist somit alles andere als eine leichte Ausbildung

 

Wer davon ausgeht, dass die eigenen Erfahrungen und das eigene Unterrichtskonzept auch das „Richtige“ für die PROs sind, der soll den Vergleich wagen: Er soll die Schuhe ausziehen oder zumindest eine Kopie von ihnen weitergeben. Es könnte schon sein, dass das Konzept so passt.

 

Teil eines Ausbildungssystems – mehr als nur ein Baustein
Ein System ist mehr als eine Ansammlung verschiedener vernetzter Workshops und Seminare. Damit aus Bausteinen ein System wird, müssen diese miteinander kommunizieren. Das Glückliche Referendariat strebt eine doppelte Vernetzung an, indem (I) Dozenten und (II) Bausteine miteinander kommunizieren:

 

(I)           Dozenten werden zu einem System

 

Das Dozententreffen ist als Begegnung eine notwendige Bedingung zur Teilnahme am Glücklichen Referendariat. Hier treffen sich hochkarätige Leute, die ein Netzwerk, eine Art familiäre Struktur bilden möchten. Die Verantwortung der doppelten Passung liegt jetzt bei Ihnen: „Passt mein Baustein in ein sinnvolles Ganzes, zum Gesamtkonzept ebenso wie er zu mir passt?“

 

Auf dem zweitägigen Dozententreffen wurden die Seminare/Workshops gegenseitig.

 

(II)          Bausteine kommunizieren direkt

 

Beim Dozententreffen kommunizieren Menschen, aber noch keine Bausteine. Damit diese Kommunikation real werden kann, können alle Dozenten alle Bausteine gratis besuchen.

 

Farbstruktur in der Ausbildungslandschaft
Der PROferendar betritt eine Ausbildungslandschaft, die aus 40 angebotenen Seminaren besteht. Die Übersichtlichkeit dieser bunten Landschaft wird mittels einer Farbstruktur umgesetzt:

 

             Blau: Strukturelles Denken - Mathematik und Naturwissenschaft
              Rot: Kommunikation - Sprachen  (Deutsch, Englisch, Spanisch, ...)
              Grün: Beziehungen - zu Gott, zum Selbst, zu den Wurzeln, zur Gesellschaft (Religion, 
                         Geschichte, Gemeinschaftskunde, Kunst, Musik, Sport, ...)
              Gelb: Sonstiges - Überfachliches (Kommunikationsmodelle, Konstruktivismus, Hirnforschung,                  
                         Pädagogik, Schulrecht)

 

Hier ein Beispiel für den dreitägigen Kurs „Mathematik als Abenteuer“.
Strukturelles Denken, Mathematik, Naturwissenschaften – Sprache - Beziehung zum Selbst und zur Gesellschaft

 

Auf den ersten Blick erscheint das Thema blau, auf den zweiten Blick geht es jedoch auch um Versprachlichung von Inhalten, um Argumentation und Diskussionen. Schließlich ist der Anteil an kultureller Bildung nicht zu knapp.

 

Jeder Kurs erhält auf diese Weise ein Farbspektrum. Es wird nicht alles in ein Farbschema passen. Es gibt Kurse, die sich nicht direkt einem Fächerverbund zuweisen lassen, daher gibt es noch die gelbe Farbe. An dieser Stelle ein Appell: Pädagogik und Didaktik sollen nicht zum Selbstzweck da sein, sondern mit konkreter Fachlichkeit verschränkt werden. Gesucht sind daher vor allem Bausteine, die die systemisch-konstruktivistische Grundhaltung an dem, was in der Schule gelernt werden soll, exemplarisch aufzeigen: Es geht ganz konkret um Englisch, um Groß- und Kleinschreibung, um die Addition zweier Brüche, … so wichtig die grundlegende Haltung ist: Erst im Konkreten wird diese lebendig. Die große Sorge ist, dass ohne exemplarische Beispiele der PROferendar alleine vor der Gestaltung eines konkreten Themas steht und wenn es konkret wird, automatisch auf die Methoden zurückgreift, die er selbst in seiner eigenen Schulzeit erlebt hat. Daher die dringende Bitte um die Verschränkung von Fachlichkeit und Haltung.

 

Kurszusammensetzung – Blicke über den Tellerrand
Jedes Seminar, jeder Baustein im Glücklichen Referendariat stellt eine Hand dar, mit der etwas bewegt werden kann. Von Beginn der Ausbildung an soll das Verbindende, das Gemeinsame mitgedacht und die interdisziplinäre Begegnung gefördert werden. Aus diesem Grund ist das Dozententreffen als Begegnungsraum bindend, ebenso die „zweiminütige“ Teilnahme als Dozent an mindestens einem weiteren Kurs. Wenn die linke Hand weiß, was die rechte tut, dann beginnt systemisches Arbeiten.       

 

Aus diesem Grund wird den PROs die Empfehlung ausgesprochen, ganz bewusst in die Fremde zu ziehen: Ca. 25 % der Ausbildung soll mit fachfremden Bausteinen belegt werden. Ein Beispiel: Wenn ein Kurs für Mathematik SEK II ausgeschrieben ist, können PROs mit dem Schwerpunkt „Deutsch als Fremdsprache“ im Seminar sein.

 

Die Kurse werden ebenfalls an praktizierende Lehrer ausgeschrieben. Bis zu einem Drittel der Kursteilnehmer können/sollen erfahrende Lehrer sein. Eine Begegnung zwischen den Generationen ist ausdrücklich erwünscht.  

 

Doppelte Blickrichtung
Glückliche Dozenten ermöglichen glückliche Bausteine. Es ist sehr wichtig, dass Sie für Ihre Sache brennen, denn „nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.“ Ebenso wichtig wie der Blick nach innen ist der Blick nach außen:
Was benötigen junge Lehrer zu Beginn ihrer Ausbildung? - Was benötigt ein junger Geist, um sich (eigenständig) zu entwickeln?

 

Aber Achtung: Es ist nicht Ihre Aufgabe, den PROferendar wachsen zu lassen, das geschieht von selbst bzw. autonom und innengesteuert. Fühlen Sie sich ein in die Welt des Beginnes. Oft ist weniger mehr. Mut zur Lücke! Mut zur Gründlichkeit!

 

Bewertungen
Es gibt es im Glücklichen Referendariat statt Noten ein Portfoliokonzept. Die künftige Schule des künftigen Lehrers entscheidet (subjektiv), ob der PRO in das dortige System passt oder nicht.

 

Fortbildungskatalog
Begriffe wie „ersetzbar“ oder „austauschbar“ sind maschinelle Konzepte und lassen sich im Allgemeinen nicht auf soziale Systeme (z. B. Unterricht) übertragen. Jeder Mensch hat eine Vergangenheit, gleichsam ein Wurzelwerk seiner Herkunft, die das Bezugssystem seiner künftigen Entscheidungen darstellt. Bei technischen Systemen spielt die Vergangenheit einzelner „Bauteile“ keine Rolle. Was einer Schraube in der Vergangenheit widerfahren ist, spielt für deren „Einsatz“ keine Rolle. Sie „funktioniert“ einfach. Anders formuliert: Schrauben haben keine Wurzeln. Im Gegensatz dazu denken und handeln Lehrende und Lernende bei denselben Themen, im Umgang mit denselben Menschen unterschiedlich – einfach deswegen, weil jeder seine eigene Geschichte, seine individuelle Vita hat.

 

Heinz von Foerster spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der Mensch keine „triviale Maschine“ ist. Während der gleiche „Input“ bei einer Kaffeemaschine (Kaffeebohnen und Wasser) gleiches bewirkt (frischer Kaffee), trifft ein Mensch bei gleicher Anregung aufgrund einer internen Systemlogik Entscheidungen. Jeder, sei es der Lehrende oder der Lernende, erlebt aufgrund seiner Vergangenheit den gleichen Unterricht unterschiedlich.

 

Das ist ein wesentlicher Bestandteil des Glücklichen Referendariats: Die mechanische Logik fragt nicht nach der Vergangenheit. So spielt es im konventionellen Unterricht leider häufig keine Rolle, was der Schüler bereits oder was der Lehrer bereits erlebt hat. In einer Organisation lässt sich der ganze Mensch nicht austauschen, nicht einmal seine „Funktion“. Ein anderer Dozent mit einer anderen Vergangenheit wird denselben Kurs anders gestalten. Daher kommt der Vita in der Kursausschreibung eine hohe Bedeutung zu. Für den Empfänger ist es interessant zu wissen, wo der Kursleiter, zumindest in groben Zügen, seine Wurzeln hat.

 

Klarheit der Darstellung
„Der Lernende entscheidet, was gelehrt wurde.“ Dieser Satz will nicht falsch verstanden sein: Es kommt sehr wohl auf die Klarheit der Ausschreibung an! 

 

(II)          Handlungs- und erlebnisbasierende Fortbildungen
Die verschiedenen Seminarbausteine stellen Umgebungen für die Entwicklung des PROs dar. Demzufolge gibt es keinen „richtigen“ oder „falschen“ Baustein. Allerdings gibt es (aus Sicht des Glücklichen Referendariats) „passende“ und „unpassende“ Bausteine. Entwicklung erfolgt geistig und körperlich. Als grobe Richtlinie gilt: 2/3 der Zeit erfährt/lernt/konstruiert der PRO durch sein eigenes Handeln.

 

Systemisch-konstruktivistische Grundhaltung
Das PROferendariat basiert auf einer konstruktivistisch-systemischen Sichtweise auf Lernen und Lehren. Ausgangspunkt ist der PROferendar (PRO). Aus konstruktivistischer Sicht lässt sich dem PRO nichts beibringen, alles Denken geschieht ausschließlich in dessen (subjektiver) Wirklichkeit. Statt ihm also etwas bei-zubringen liegt es nahe, ihm etwas nahe-zubringen. Er lernt selbstständig von dem, was ihm nahe ist – das wird im Folgenden seine Umgebung genannt.

 

 Seine Umgebung ist sehr komplex. Sie besteht aus PROferendaren, Schülern, den Lernräumen und Lernmöglichkeiten, der Schule und ihrer Verwaltung, den Lehrerkollegen, dem Kursangebot des PROferendariats, der persönlichen Lebenssituation, den persönlichen Begabungen, usw.

 

Sichtweisen im Überblick
Der Mentor ist nicht der einzige Beobachter. Die folgende Skizze gibt einen Überblick über die sechs zentralen Beobachtungen.

 

 

 

Der Mentor (1), die Schüler im Unterricht (2), die MitPROferendare (3), die Schule bzw. die Kollegen und die Schulleitung (4) unterscheiden sich wesentlich von ihrem Standpunkt und somit von ihrer Blickrichtung, gehören aber alle zur selben Kategorie. Sie alle sind direkte und äußere Beobachter.

 

Ein anderer Standpunkt ist der eigene (5). Es handelt sich um Selbstreflexion: Der PRO vergleicht sich mit sich selbst zu einem früheren Zeitpunkt. Dieser Punkt ist sehr wichtig und wird innerhalb der Ausbildung durch ein Portfoliokonzept unterstützt. Statt Bewertungen durch das PROferendariat bildet dieses die Grundlage für Stellenbewerbungen des PROs.

 

Schließlich gibt es noch einen externen Coach (6). Er beobachtet nicht nur den PRO, sondern auch dessen Beobachter. Man spricht von einem Beobachter der zweiten Ordnung.

 

Der Mentor
Ein sehr wichtiger Teil der (Lern-)Umgebung des PROferendars ist der Mentor, da er eine Außensicht ermöglicht. Ein PROferendar kann sich niemals direkt von außen beobachten. In der Regel bemerkt er meist gar nicht, dass er sich (z. B. im Unterricht) selbst nicht sieht. Mit den Worten von Heinz von Foerster: „Wir sehen nicht, dass wir nicht sehen.“

 

Der Mentor wird zur äußeren Sehhilfe für den PROferendar. Und genau das ist seine Aufgabe: Er spiegelt das Verhalten des PROferendars. Ganz im Sinne von Jochen Grell brauchen Lehrer keine Beurteilung oder Bewertung, sondern einen Spiegel.

 

In der Skizze entspricht die innere Sichtweise der Selbstwahrnehmung (Gedankenkonstruktion des PROs), die äußere Sichtweise der Fremdwahrnehmung. Der Sehtrichter des Mentors soll andeuten, dass dieser ebenfalls nur subjektiv, von einem bestimmten Blickwinkel bzw. von seiner Position aus die Dinge wahrnimmt. In der gesamten Ausbildung des PROferendariats gibt es niemanden, der den „richtigen“ oder gar den „allgemeingültigen“ Standpunkt einnehmen könnte.

 

Für ein Reflexionsgespräch bedeutet das, dass jede (!) Äußerung subjektiv ist. Das erfordert eine Feedbackkultur. Ziel ist nicht den „guten“ oder „richtigen“ Unterricht zu finden – oder noch schlimmer: Den Lernenden dazu zu bringen, dass er „richtig guten“ Unterricht macht, etwa in dem Sinne, dass es irgendwo in der Welt den „richtig guten“ Unterricht geben würde. Ziel ist ein stimmiger Unterricht, der sowohl für den PROferendar passt, als auch für seine Schüler und zur Schule. Das Ideal ist somit Stimmigkeit und Passgenauigkeit. (Da ist mein Unterschied! W.H.)

 

Der Mentor kennt die schulische Landschaft, aber er kennt nicht das Bewusstsein des PROs. Er weiß nur die eine Hälfte, für die andere braucht es viel Empathie. Und auch wenn der Mentor die Umgebung und den PRO kennen würde, so ist es doch unmöglich, die Reaktionen beim Zusammentreffen von PRO und der schulischen Landschaft voraussagen zu können. Das System ist zu komplex. Eine Formulierung in der Art, dass „man das so und so macht“ erscheint demnach höchst unpassend. Erstens, weil es dieses allgemeine „man“ nicht gibt und zweitens, weil Unterricht stets eine Resonanzerscheinung zwischen Sender (Lehrer) und Empfänger (Schüler) ist. Was bei dem einen PROferendar, Lehrer, Referent, etc. klappt, muss beim anderen ganz und gar nicht klappen. Die Grundhaltung ist, dass der PRO selbst findet, was für ihn in der schulischen Welt stimmig ist. Aber er benötigt dringend eine äußere Wahrnehmung, einen Spiegel, um sich selbst entwickeln zu können.[3]

 

Das Reflexionsgespräch ist der Nährboden für das persönliche Wachstum der jungen Lehrerpersönlichkeit. Ein Hinweis auf ein gelungenes Gespräch besteht darin, dass sich beide Gesprächspartner weiterentwickelt haben. Um es ganz klar zu machen: Aufgabe des Mentors ist nicht eine geeignete Kopie (von sich oder einem Ideal) herzustellen und diese dann im Sinne der Abbildungstreue als richtig oder falsch zu „bewerten“. Ausbildung ist keine Abbildung!

 

Der Mentor soll Wege aufzeigen, ohne dabei einzuengen. Das Bild vom Wachstum einer Pflanze verdeutlicht sein Wirken: Er schafft einen Rahmen, jedoch kann er die Pflanze selbst nicht wachsen lassen. Sie gedeiht – in einer geeigneten Umgebung – ganz von selbst.

 

Zwei Prinzipien, die diametral zueinander stehen, spannen den Betreuungsraum auf: Das sorgende und das fordernde Prinzip.

 

Sorgendes Prinzip: Grundgedanke des PROferendariats ist es, einen geschützten Entfaltungsraum zu geben. Lehrersein ist ein extrem komplexer und ein sehr persönlicher Beruf, da kann man zu Beginn stark in Frage gestellt werden. Der junge Geist benötigt im Sinne von Goethe Wurzeln, ansonsten wird das mit dem Fliegen oder Unterrichten nichts.

 

Forderndes Prinzip: Aber nur Schutz, Geborgenheit und Sicherheit bergen die Gefahr des Stagnierens. Der PRO darf sich auch eine blutige Nase holen, es muss nicht alles glattgehen. Das eigene Fliegen lernt sich am besten, wenn man selbst fliegt. So soll der Mentor auf der anderen Seite zum Wachstum anstacheln, Forderungen oder Aufgaben stellen, an denen der PRO wachsen kann.

 

Die beiden Prinzipien stehen in einem paradoxen Verhältnis. Diese Paradoxie gilt es, stets aufs Neue in der konkreten Situation zu lösen. Es geht nicht darum Paradoxien zu vermeiden (diese sind der Normalfall), sondern um den beherzten Umgang mit ihnen.

 

Mentorenausbildung
Die Mentorenausbildung findet kompakt vor Beginn des PROferendariat in Form eines viertägigen Kurses mit folgenden Inhalten statt:

 

Einführung in systemisches Denken und Konstruktivismus
Feedback (Fremd- und Selbstbild)
Systemische Aufstellungsarbeit

 

Einführung in grundlegende Kommunikationsmodelle (Nachrichtenquadrat, Riemann-Thomann, Wertequadrat, Inneres Team)

 

 

 

 

Martin Kramer | Berliner Ring 41 | 72076 Tübingen
Tel: 07071 99 76 321, Email:
martinkramer2000@yahoo.de

Weitere Informationen unter www.lernzukunft.de

http://www.unterricht-als-abenteuer.de/

Der direkte Email-Kontakt zur Ausbildung:
lernzukunft@biberkor.de

 

 

 

 



[1] Eitorf ist der Ort, in dem die Grundschule Harmonie mit der Hilfe vieler Demokrat*innen auflebte

[2] Hierbei können leider viele zu Armenhäusern degenerierte öffentliche Schulen nicht mithalten

[3] Mehr über Martin Kramers Sicht in: Marin Kramer. Unterricht ist Kommunikation: Der Schüler entscheidet, was gelehrt wurde. Band 1: Konstruktion von Wissen, und: https://www.amazon.de/s/?ie=UTF8&keywords=martin+kramer&tag=hyddemsn-21&index=aps&hvadid=11953402017&hvqmt=e&hvbmt=be&hvdev=c&ref=pd_sl_69b414g863_e