Walter Hövel
Die Schule als Krieg
Jahr für Jahr ist klar, was die Kinder zu lernen haben. Sie lernen von der Familie und Kindergarten, über die Schulformen Grundschule, Sekundarstufe I, dann Oberstufe oder Berufskolleg als Sek
II, dann an Hochschulen und im Beruf, im lebenslangem Lernen, was der Staat und die Wirtschaft von ihnen verlangen, was sie Neues brauchen.
Es startet früh, was immer mehr verschult wird. Es sind Verhalten, Sport, Gesundheit, Essen, zur Schule-Gehen, Buchstabe (einem nach dem anderen), Schreiben und Lesen können oder Zahlenräume. Es sind Diktate und Tests, die Grammatik, die deutsche und englische Sprache, die gleichen Wörter und Gesetze der Mechanik, und so weiter und so fort.
Alles ist eingeteilt, Ober- und Unterschichten, Migranten, Flüchtlinge, Arbeitslose, jedes Schuljahr, jedes Fach, jede Woche, Arbeit und Ferien, jedes Kapitel im (Schul-)buch, jeder Tag, jedes Arbeitsblatt, jede Stunde, jede Werbung, jeder Quiz, jede Mail. Alles ist zerteilt, in Lernschritte und möglichst exakte Lernziele.
Wenn Lernziele dies nicht tun, wird zur Reihenfolge der Prüfungen und Tests gegriffen. Diesen mächtigen Stoff nennen wir „Stoff“.
Der Stoff muss „beherrscht“ werden. Er muss „bewältigt“ werden. Er muss durchgenommen und gefressen werden. Er soll „erledigt“ werden. Vor allen muss „Mann damit durchkommen“.
Jedes Lernziel, jeder Stoff ist wie eine kleine oder große Festung, eine Stadt oder Burg. Jedes Schuljahr ist wie ein Land, das erobert werden muss. Tests und Prüfungen sind Schlachten, auf die man vorbereitet sein muss. Der ganze Unterricht ist wie eine Übung, in der eingedrillt, eingeschliffen wird. Er ist eine Aneinanderreihung von Manövern und Exerzierübungen in Jahrgängen und Schulkasernen.
Üben, festigen, wiederholen. Sammeln, sichten, ordnen. Im Gleichschritt lernen, alle das Gleiche, Pflicht. Die Truppen immer wieder motivieren, Orden, Zertifikate und Zeugnisse, Noten werden versprochen, Beförderung durch „in die nächste Klasse aufsteigen, „versetzt“ werden. Hier und da gibt es „Ausgang“, an Wochenenden, in Ferien. Die endgültige "Befreiung": Matura, Abschluss, Abitur.
Nicht nur die Sprache ist kriegerisch. Nein, Schule ist Krieg gegen das Menschwerden. Nicht nur Namen ähneln sich, bunter Abend, Feste, körperliche Ertüchtigung, Exkursionen, Vertreten der Lehrerin oder des Lehrers. Entscheidend ist die, also ihre Einstellung zum Lernen. Wir besiegen Faulheit, Dummheit, Ungebildet-Sein, Schwänzen, Fehler, Nicht-Verstehen, Müßiggang,...
Da ist der Stoff. Er muss einverleibt werden. Er ist der Gegner, den es zu besiegen gilt. Er soll „beherrscht“ werden. Stoff erobern ist wie eine Festung einnehmen, den „inneren Schweinehund besiegen“. Oft erschien sie uneinnehmbar, aber Menschen pauken, büffeln, sie automatisieren. Bis sie es können.
Und das Tolle an der Lernzielorientierung: Sie klappt immer, Versagen tun nur Menschen!! Sie endet immer erfolgreich. Einige packen es immer den Berg, die Mauer zu erstürmen, sie erreichen das Lernziel. Tod und Verletzung sind nur für das Vaterland. Kosten eben.
Und da gibt es natürlich „die Schwächeren“, die die Mauer nie erklettern. Aber sie sorgen im Tross für die Verpflegung, für die Erste Hilfe, es sind die, die dem General die Schuhe putzen oder auf der Schreibstube hocken. Es sind im „wahren Leben“ die mit weniger Bildung, für Pflegeberufe, Verwaltung oder die, die für andere anders arbeiten. Oder sie bilden eine „Arbeitsreserve“, ohne Arbeit. Es ist der Krieg der Mächtigen gegen die Mehrheit.
Die leichtere Verletzung, etwa eine „misslungene“ Klassenarbeit, kann schnell heilen. Schwerere Verletzungen, etwa das Sitzenbleiben heilen nie oder nur sehr langsam. Tote werden den Verwandten mitgeteilt: Sie taten nicht genug. Hauptschulabschluss nach der Achten - Kein Abschluss – Sonderschulabgang, oder es gibt halt einen weiteren Arbeitslosen.
Erfolgreiche Armeen rühmen sich ihrer Erfolge, Schlachten und Eroberungen, ihrer Heerführer und Offiziere. In der Bildung sind das ErzieherInnen, LehrerInnen und HochschullehrerInnen. Sie führen ihre Truppen zu jedem Ziel. Sie fragen nicht, sie befehlen. Sie bitten nicht, das sie auch nur Befehle erhielten. Sie bestimmen, oft, auf Befehl der höchsten Vorgesetzten, welche Festung in welcher Formation eingenommen wird. Dafür üben sie. Kinder, also Menschen. „spielen“ Krieg.
Schule ist Krieg.