Walter Hövel
Zu den Grünen und anderen Kräften
Zu Michael Jägers „Revolutionär Öko: Früher sollten die Kommunisten den Kapitalismus überwinden. Heute könnten die Grünen den Job machen.
Vor Menschen wie Michael Jäger habe ich natürlich einen mächtigen Respekt. So einer wie er ist für mich ein studierter, intellektueller, „echter“ Linker. Ich gehe schon in die Knie, wenn ich so einen Namen höre und habe das Gefühl, es ist schwer mein kleines Licht am Brennen zu erhalten. Er erscheint mir wirklich belesen, gebildet, fundiert.
Ich wage kaum ihn zu kritisieren. Eher orientiere ich mich gerne an solchen „großen Menschen“. Ich mache das gerne, indem ich Gemeinsamkeiten, die spannenden Begegnungen mit ihnen suche. Wir beide scheinen Antonio Gramcsi zu mögen. Zumindest hatten wir Kontakt zum Feminismus. Wir haben beide (für recht kurze Zeit) bei oder mit den Grünen gearbeitet. Wir waren beide „auf Schulung“. Wir befassen uns mit „Strategien“. Wir verließen „die Kommunisten“, weil es uns allzu heftig an Demokratie fehlte. Wir geben es nicht auf laut zu denken. Und ich fühle mich selbst gerade heute gerne als „Linker“– und unterstelle das auch Michael Jäger -
Ich versuche nun nicht - wie das „Linke“ so gerne tun – den „Unterschied“ unserer Positonen herauszuarbeiten. Nein! Ich bin einfach froh, dass es denkende und handende Menschen gibt, die versuchen eine bessere, nicht kapitalistische Welt zu schaffen.
Ich stelle mich einfach gerne neben Michael Jäger. Ich lese „seine“ Zeitung, den Freitag. Ich schreibe in der Zeitung bei meinen Lehrer*innen und er dort. Mensch tut eben was sie oder er kann. Viel ist das nicht. Aber es ist besser, es wird etwas getan als schweigend immer wieder in die Vergangenheit „unserer“ Geschichte hineinzulaufen.
Nun fragt mich mein alter Freund und Weggefährte Frank Karolcak, was ich von Michael Jägers Geschriebenen1 halte. Er fragt, wie ich mit „seiner Widersprüchlichkeit“, die auch in diesem wunderbaren Artikel deutlich wird, umgehen kann.
Ich möchte dies sofort – in einem Gedanken – beantworten. Er ist so schlau und weiß so viel, dass sein Alter und seine Vergangenheit keine Möglichkeit einer wirklichen gesellschaftlichen Veränderung mehr sehen. Alte Linke erscheinen mir oft zu pessimistisch. Ich bin froh, wenn sie sich eines „eigenen Realismus“ zu bemächtigen. Wer strahlt schon einen optimistischen Realismus aus. Ein Helmut Schmidt wollte Visionäre sogar zum Psychiater schicken.
Michael Jäger weiß immer, warum es geht, wenn nichts geht. Er kann „das Ende der Welt und der Menschheit“ immer mit Fakten belegen. Er kann sogar belegen, dass das, was er selbst will, gar nicht geht.
Es ist eben die Erfahrung mit einem „kommunistischen Weltsystem“ das versuchte gegen jede ökologische und historische Vernunft aus feudalen Verhaltnissen, „den Kapitalismus überspringend“ direkt in den Sozialismus, gar Kommunismus zu gelangen. Heute wissen wir, dass das einfach „Quatsch“ war.
Er „rechnet“ zu wenig mit jungen Menschen und deren Nachkommen, die die Welt und die Gegenwart anders sehen als er. Ja, sie wissen weniger. Sie werden wieder „Fehler“ machen. Sie sind nicht so “weitsichtig“. Sie verstehen sich nicht, oder wenn doch, anders „antikapitalstisch“. Viele wollen sogar „mit Politik“ nichts zu tun haben, verstehen sich „als unpolitisch“, obwohl viele von ihnen sehr verantwortlich, auch gesellschaftlich agieren.
Jetzt müssten wir von „Vertrauen in Menschen“ reden. Und natürlich ist das schwer, weil wir in der klaren Mehrheit auf Kapitalsmus und Konsum setzend den „Weltkarren“ und die Welt schon so kaputt fuhren, dass Michael Jägers Skepsis mehr als verständlich ist. Und natürlich haben die Menschen gerade die Chance sich selbst abzuschaffen.
Aber haben „wir“ eine andere Chance als genau „mit den Mitteln, die wir benutzen“ uns selbst zu retten?
Ich glaube es ist 75.000 Jahre her, dass Vulkanausbrüche die Zahl der Menschen auf der ganzen Welt auf 1000 bis 10.000 reduzierten. Das kann uns – mit den selbst gemachten Vulkanen – wieder passieren.
Alle Menschen sind dagegen sich auszurotten. Wir arbeiten für eine Zukunft mit den Michael Jägers, den Grünen und vielen anderen gesellschaftlichen Kräften. Wir sind es, die dafür stehen, dass es eine Zukunft geben wird, die eh anders aussieht als es jede (!) Planung erlaubt sie zu sehen. Aber Zukunft wird nur hervorbringen, was wir heute grundlegen.
Ich finde in meiner Gesellschaft Teile der CDU/CSU, der SPD, sogar der FDP, die Mehrheit der Linken und Grüne als Garant
für Menschenrechte und Demokratie in meiner Gesellschaft wieder. Und jetzt die GRUENEN in der Regierung, nicht mehr!
Im Sinne Antionio Gramscis ist die Anerkennung dieser Rechte für jedes Individuum die entscheidende Voraussetzung für die Abschaffung eines Kapitalismus.
Daraus folgt wiederum, wer sich wirklich für Menschen einsetzt, MUSS sich irgendwann und irgendwo gegen Kapital und den eigenen Konsum stellen und sich zeigen. Leider verwechselten die Grünen dies mit auf die Seite des Kapitals stellen.
Die jetzt herrschenden Familien und Unternehmen wissen, dass sie ihre Macht nur behalten können, wenn es ihnen gelingt
die Probleme der Versorgung aller, des Klimawandels, des Friedens, der Bildung und der Armut vollständig zu lösen. Dies suggerieren sie erfolgreich dem Volk.
Wenn wir Menschen einen Weg in die eigene Zukunft nicht schaffen, werden sie "als Herrscher*innen" von der Erdoberfläche verschwinden! Nur das eigene Land, sich selbst schützen zu wollen, ist so dumm und falsch, wie einst die Befragung von Kriegsdienstverweigerern oder die Verbrennung von Hexen war.
Ich werde weiterhin ein Linker sein, glaube aber begriffen zu haben, dass die Welt, wie jede Frucht erst einmal grün werden muss. Erst dann kann sie weiter reifen, einige werden sogar rot. Und das Ziel kann nur das Wachsen neuer Pflanzen und Menschen sein.
Grüne sind für mich "nützliche Idioten des Kapitals", eine notwendige und reale Entwicklung der Menschen von
vielen.
Das Wachsen der Grünen ist für mich eine Antwort auf das (nicht letzte) Aufbäumen der Rechtskräfte. Die Grünen machen,
wie viele Andere sehr verschiedene, aber nächste Schritte unserer Entwicklung. Leider gehen ihre Spitzen hin und biedern sich dem Kapitalismus an. Die GRUENEN gehörten zu den ersten Bürgerlichen,
die ohne die Feudalisten dachten.
Gegen das Kapital gibt es genau diese Antwort. Und natürlich werden sie versuchen die Grünen und andere zu kaufen. Ihre Lobbyisten, Waffenhändler und Abgeordneten sind bereits bezahlt. Viele glauben, dass sie ihre Bezahlung durch die Industrie vereinbaren können mit ihrem Festhalten an ihren eigenen Glauben an Demokratie. Aber viele von ihnen sind von denen gekommen, die bereits Konsumenten, Angepasste und Unpolitische waren. Und nicht alles ist bezahlbar! Es gibt heute Bereiche wie die Versorgung mit Trinkwasser, die Vergiftung durch Glyphosat und Autoabgase, wie die Haltung von Schlachtvieh oder Raketen, die nicht mehr mehrheitsfähig sind.
In anderen Ländern heißen übrigens solche Parteien, Bewegungen und Menschen oft anders als bei uns, also Grüne.
Ein altes peruanisches Stichwort lautet: "Sie dachten wir wären Steine und warfen uns weg. Aber wir waren Samen!"
1„Revolutionär Öko“ Klima Früher sollten die Kommunisten den Kapitalismus überwinden. Heute könnten die Grünen den Job machen. In: Freitag vom Nr.17, 25.4.2019, Seite 03