Die fehlenden Abbildungen werde ich so schnell wie möglich, also sobald ich es kann,
nachliefern.
Wir freuen uns immer wieder und zunehmend, dass Studierende und Wissenschaftlerinnen verschiedener Hochschulen unsere Schule auswählen, um sie zu untersuchen und zu beschreiben. So entstehen Aufsätze, Artikel, Seminar-, Examens- oder gar Doktorarbeiten, die das Wirken unserer Schule darstellen.
Unsere „eigenen“ Lehramtsanwärter schreiben seit Jahren hervorragende und für uns wichtige Arbeiten. Andere Examensarbeiten zur Ersten Staatsprüfung für Lehrerinnen und Lehrer von verschiedenen Hochschulen, wie Siegen, Köln, Koblenz, Oldenburg, Bremen, Kassel, aber auch in Klagenfurt, Wien oder Zagreb, begleiten wir.
Wir wissen durch solche Arbeiten, dass die ehemaligen Schülerinnen und Schüler unserer Schule erfolgreiche Schul- und Studienkarrieren absolvierten. Wir wurden mit anderen Schulen erfolgreich verglichen. Eindrücke von Besuchern unserer Schule wurden in einer Doktorarbeit evaluiert. Ebenfalls können wir immer wieder verschiedene Berichte und Dokumentationen ins Netzt stellen.
Daphne Eisen, Walter Hövel
. Unsere Jahrgangsmischung
aus der Sicht der Eltern
Nun führte Daphne Eisen von der Universität Köln im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit[1] eine Untersuchung zum altersgemischten Lernen an der Grundschule Harmonie durch. Sie befragte Eltern aus 4 Klassen und erhielt einen Rücklauf von über 50%.
Ihre Arbeit scheint uns u.a. deshalb so wichtig, weil es im Jahr 2009 in Deutschland nur wenige Schulen mit einer konsequenten Mischung der ersten vier Jahrgänge und somit auch kaum entsprechende Untersuchungen gibt. Zum anderen ist sie so wichtig, weil sie aus der Sicht der Eltern evaluiert. Es wird von vielen „im Namen“ oder „im Sinne“ von Eltern gesprochen, aber oft genug um ihre berechtigten Sorgen und Beschwerden zu transportieren oder um bildungspolitische Botschaften als Elternmeinung zu kaschieren. Weniger häufig kommen sie zu Wort, wenn sie Schule positiv erleben konnten und dies mit wissenschaftlichen Methoden untermauert wird.
In ihrer reichhaltigen Begründung schreibt Daphne Eisen u.a.:
„Die Einführung jahrgangsgemischter Klassen ist nicht mit einem veränderten Unterrichtskonzept gleichzusetzen, es werden lediglich Rahmenbedingungen verändert, die die LehrerInnen mit verändertem Handeln ergänzen müssen. Methoden und Materialien zur Unterrichtsgestaltung spielen ebenso eine wichtige Rolle wie eine innere Grundhaltung, die die Heterogenität und Vielfalt konkret als Chance zur Verbesserung des Unterrichts versteht.
Jahrgangsmischung bedeutet eher selten eine Vermischung aller vier Jahrgänge, wie in der Eitorfer Schule, sondern in der Regel das gemeinsame Unterrichten der ersten und zweiten Klasse sowie der dritten und vierten Klasse.
Die LehrerInnen der Eitorfer Harmonie Schule entschieden sich gemeinsam mit den Eltern für die Vermischung aller vier Jahrgänge. Dies musste aus der eigentlich logischen Einsicht heraus geschehen, nur so ein Lehren und Lernen nach dem schon vorher bestehenden Konzept vernünftig umsetzen zu können. Hauptargument war die Einsicht, dass bei einer Verteilung auf das 1./2. und 3./4. Schuljahr genau genommen immer noch davon ausgegangen wird, dass die individuelle Entwicklung der SchülerInnen in Beziehung zu Alter und Klassenstufe gesetzt werden kann.
Nur bei Berücksichtigung aller vier Jahrgänge kann jedoch von einer wirklichen Vermischung der Jahrgänge und damit von Vielfalt und dem sich daraus ergebenden Potential gesprochen werden. Diese Einsicht wird durch vielfältige Gründe für altersgemischtes Lernen untermauert, die die Grundschule Harmonie mit der Einführung ihrer Altersmischung formulierte: “
· Soziale Sicherheit: Stigmatisierungen (wie beispielsweise durch Klassenwiederholungen) werden verhindert. Kinder bekommen ihre Zeit in ihrer Gemeinschaft.
· Austausch der Kompetenzen: Kinder arbeiten gemeinsam an Themen und Projekten, didaktische und soziale Lerngelegenheiten werden über die Erfahrung gegenseitigen Helfens, den Austausch und das Zusammentragen von Kenntnissen und Wissen miteinander verknüpft.
· Statusveränderung: Durch die individuelle Entwicklung der Kinder wird auch ihre Position innerhalb der Lerngruppe verändert.
· Chancenerneuerung: Die sich in der Regel jährlich erneuernde Zusammensetzung der Lerngruppen verhindert Gruppenzuschreibungen wie ‚Streber’ oder ‚Heulsuse’.
· Entlastung: Besonders am Schulanfang kann die schon existierende jahrgangsübergreifende Lerngruppe mit bewährten Ritualen, Regeln und Arbeitsformen den Schulneulingen Orientierung bieten. Somit müssen Kinder und Lehrer nicht alles auf einmal aushandeln.
· Lernen durch Lernen: Altersgemischte Lerngruppen bieten viele Situationen, in denen die SchülerInnen ihr Wissen, ihre Kenntnisse und Fertigkeiten an andere Kinder vermitteln können. In ihrer Funktion als Lernhelfer lernen sie das Lernen auch für sich selbst.
· Verschiedenheit als Normalität: Differenzierung ist im jahrgangsübergreifenden Unterricht eine selbstverständliche Voraussetzung für das Lernen. Verschiedenheit bedeutet Normalität: es ist normal entsprechend der eigenen Voraussetzungen und Möglichkeiten, im eigenen Tempo und an den für das jeweilige Kind wichtigen Lerninhalten zu arbeiten.
· Über die eigene Klasse hinaus zu denken: altersgemischtes Lernen verhindert ein zu starkes altersgleiches Zusammenarbeiten. Für ein selbst gewähltes Thema finden sich potenzielle Partner in den anderen Klassen und fördern die Kommunikation zwischen den Klassen. Die Identifikation der Schule als Ganzes steigt.
· Der Besonderheit jedes Menschen gerecht werden: LehrerInnen können sich leichter auf die Anfangsentwicklungen einer geringen Anzahl von ErstklässlerInnen konzentrieren. Auch den Schul“abgänger“Innen ist leichter gerecht zu werden.
· Bereicherung der Teamarbeit: Alle LehrerInnen sind in vergleichbaren Lehr- und Lernsituationen und haben deswegen mehr Gründe, miteinander zu reden.
· Lernende Klasse: Altersmischung von Klassen bedeutet eine Herausforderung, vor allem aber mehr Vielfalt, Komplexität und überraschende
Lerneffekte.[2]
Daphne Eisen beschreibt in ihrer Arbeit: „Ziel der durchgeführten Untersuchung soll sein, einerseits Grundstimmungen, Einstellungen und Zweifel der Eltern aufzudecken andererseits mögliche bzw. offensichtliche Zusammenhänge zwischen Erwartungen, Elternbeurteilungen und den schulischen Gegebenheiten aufzudecken. Hierzu bietet es sich an, möglichst viele Eltern hinsichtlich verschiedener schulischer Komponenten, wie zum Beispiel Schulkonzept, Unterricht, Gemeinschaft usw. zu befragen.
Vorangegangen sind der Entwicklung der Fragebögen mehrere Gespräche mit dem Direktor der Schule. Informationen flossen nicht nur in die Entstehung der Fragebögen mit ein, sondern sind auch Grundlage für die folgende Erläuterung der Rahmenbedingungen.
Um eine möglichst freie Beurteilung zu erreichen, wurde die Elternbefragung anonym durchgeführt. Da die Eltern gelegentliche Befragungen gewöhnt sind, war davon auszugehen, dass auch komplexere Fragestellungen bewältigt werden können. Dies wurde durch eine Stichprobe bestätigt.
Der eigentlichen Befragung ging eine systematische Stichproben-Befragung voran, um Schwierigkeiten bei Fragestellungen wie beispielsweise Verständnisprobleme im Vorfeld zu erkennen. Zu diesem Zweck wurden zwanzig Eltern unterschiedlicher Klassen einbezogen, die den Hinweis erhielten, sich bei späterer Befragung nur dann erneut zu beteiligen, wenn es sich gegebenenfalls um ein anderes ihrer Kinder handeln sollte.
Insgesamt wurden 20 Eltern für die Stichprobe befragt, 81 für die auswertungsrelevante Befragung. Alle Klassen wurden in die Befragung mit einbezogen“[3].
Die Ergebnisse der Untersuchung[4]:
Abbildung 2:
Schulbesuch wegen jahrgangsübergreifenden Unterricht
Anmerkung: 1 = spielte bei der Schulwahl eine entscheidende Rolle, 2 = spielte bei der Schulwahl auch eine Rolle, 3 = spielte bei der Schulwahl keine Rolle, 4 = ich habe mein Kind trotz der Altersmischung hier eingeschult
Abbildung 3:
Besseres Meistern durch jahrgangsübergreifenden Unterricht
Anmerkung: 1 = erheblich, 2 = ja, 3 = ein wenig, 4 = nein, 5 = ich weiß nicht
Abbildung 4:
Förderung durch jahrgangsübergreifenden Unterricht (Mehrfachantworten)
Anmerkung: 1 = in allgemein sozialer Hinsicht, 2 = in Hinblick auf erhöhten Lernerfolg, 3 = bei der Gewinnung von sicherem Verhalten, 4 = bei der Entwicklung von Kommunikations- und Kooperationsverhalten, 5 = bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, 6 = beim Aufbau der Lernerpersönlichkeit, 7 = bei der Förderung von Führungs- und Leitungskompetenz, 8 = andere Kriterien
„Die Frage wurde offen formuliert, um möglichst viele Aspekte zu erfassen. Fast alle Eltern gaben Gründe an, die sich mehrheitlich auf folgende drei Bereiche bezogen: Einzugsgebiet, pädagogisches Konzept der Schule beziehungsweise Kompetenz der Schule und individuelle Förderung der Kinder…Damit in Verbindung fielen vereinzelt Bemerkungen wie „kein Lernstress“, „Freiheit“, „Selbständigkeit“.
Abbildung 5:
Wichtigkeit der Jahrgangsmischung zum jetzigen Zeitpunkt
Anmerkung: 1 = ist entscheidend, 2 = spielt auch eine Rolle, 3 = spielt keine Rolle, 4 = ich lehne sie ab
Abbildung 6:
Genereller Profit von Jahrgangsübergreifendem Unterricht
Anmerkung: ! = ja, 2 = nein, 3 = weiß nicht
Abbildung 7:
Gründe für den Profit
Anmerkung: 1 = weil meinem Kind von anderen geholfen wird, 2 = weil meinem Kind von älteren Kindern geholfen wird, 3 = weil mein Kind Anderen hilft und dabei lernt, 4 = weil mein Kind jüngeren hilft und dabei lernt, 5 = wegen der Balance von Hilfe finden und Hilfe geben, 6 = weil die Lehrerin mehr Zeit für mein Kind hat
Abbildung 7:
Förderlichkeit der Schulgemeinschaft
Anmerkung: 1 = ja, 2 = nein, 3 = weiß nicht
Abbildung 8:
Entwicklungsprozess hinsichtlich der Lernstrategien
Anmerkung:1 = ja, 2 = nein, 3 = nur anfänglich, 4 = kontinuierlich bis zu diesem Zeitpunkt
Gut 57% der Eltern, die befragt wurden, konnten einen Entwicklungsprozess hinsichtlich der Lernstrategien ihrer Kinder feststellen. Eine spezielle Betrachtung der einzelnen Fragebögen zeigte, dass fast doppelt so viele Eltern aus dem zweiten und dritten Schuljahr zu dieser Prozentzahl beigetragen hatten, als aus den anderen beiden Jahrgängen. Der überwiegende Anteil des vierten Schuljahrs trug zur vierten Antwort (‚kontinuierlich bis zu diesem Zeitpunkt’) bei. Letzteres mag daran liegen, dass nach fast vier Schuljahren am Deutlichsten ein Bild von Kontinuität entstanden ist. Die hohe Beteiligung der Eltern aus dem vierten Schuljahr muss logischerweise zu einem geringeren Ankreuzen von Frage 1 (‚ja’) führen, Somit stellt sich die Frage nach der reduzierten Beteiligung der Schulanfänger-Eltern, die sich beispielsweise damit erklärt, dass ein knappes Schuljahr als Beurteilungs-Zeitraum ungenügend ist, um sich für eine Antwort mit ’ja’ zu entscheiden.
Abbildung 9:
Identifikation mit der Schule
Anmerkung: 1 = hoch, 2 = mittelmäßig, 3 = niedrig
Abbildung 10:
Kommunikation hinsichtlich der Lehr- und Lernsituation
Anmerkung: 1 = sehr gut, 2 = mittelmäßig, 3 = schlecht
Abbildung 12:
Wichtige Aspekte aus Elternsicht
Anmerkung: 1 = individuelles Tempo, 2 = sich Wohlfühlen als Lernvoraussetzung, 3 = die Harmonieatmosphäre, 4 = eigene Lerninhalte aussuchen können, 5 = Spaß am Lernen, 6 = Erhalt der Lernmotivation, 7 = guter Schulabschluss, 8 = lernen fürs Leben, 9 = demokra-tisches Miteinander leben, 10 = Kooperationsfähigkeit,, 11 = Erfolg, 12 = gute Noten
Das Sich-wohl-fühlen kreuzten 94,7% als für sie wichtig an. Eine Atmosphäre, in der Lernen nicht nur „irgendwie“ möglich ist, sondern die dazu motiviert zu lernen, sollte, so könnte man vermuten, als Grundvoraussetzung angesehen werden. Als Eltern (und auch LehrerInnen) wissen wir, dass dies an unseren Schulen kaum noch der Fall ist…Zusätzlich war den Eltern „Spaß am Lernen“ (86,8%), „demokratisches Miteinander lernen“ (84,2%), „Lernen fürs Leben“ (79%), „Kooperationsfähigkeit“ (76,3%) und „Erhalt der Lernmotivation“ (71%) sehr wichtig, Fähigkeiten und Faktoren, die für ein lebenslang motiviertes Lernen im Vordergrund stehen, während „Erfolg“ allgemein (38,5%) und „gute Noten“ (15,8%) offensichtlich zweitrangig waren, da sie sich aus individuell motiviertem Lernen prinzipiell ergeben.“
In ihrem Schlusswort schreibt Daphne Eisen:
„Dass man sich mit Gegebenheiten grundsätzlich weder abfinden muss noch soll, hat eine Institution, welche sich seit Langem mit seiner Art zu unterrichten und Schule zu leben auseinandersetzt, bewiesen: die Schule Harmonie in Eitorf. Sie hat die pädagogischen Ideen verinnerlicht und will sie auch für die SchülerInnen und Eltern begreifbar, miterlebbar machen. Um voneinander zu lernen, dies schließt Schülerschaft, Lehrerschaft und Elternschaft gleichermaßen mit ein, entschied sich die Schule gemeinsam mit den Eltern, das bestehende Konzept durch den jahrgangsübergreifenden Unterricht in allen vier Klassen zu erweitern und damit Lehr- und Lernziele sowie soziales Miteinander insgesamt zu verbessern.
Die Befragung konnte verdeutlichen, dass das Konzept der Schule im Rahmen jahrgangsübergreifenden Unterrichts, welche mit Hilfe ‚echter’ Heterogenität der SchülerInnen mehr Vielfalt in Bereichen wie Kreativität, Individualität, Lehr- und Lernprozessen zulässt, bei besorgten, interessierten Eltern ankommt. Nicht nur Eltern, die sich von vorneherein für jahrgangsgemischten Unterricht ausgesprochen hatten, sahen bei der Befragung die eindeutigen Vorteile, welche durch einen Unterricht entstehen können, der sich von vielen anderen Schulen abhebt.
Um unsere Schullandschaft, egal ob Grundschule oder weiterführende Schule, grundlegend zu verbessern, bedarf es, so das Fazit, vor allem Instanzen, die an positive, prozessorientierte Veränderung glauben und hierzu gehören neben den SchülerInnen und LehreInnen; das brachte die Studie dieser Arbeit hervor, auch die Eltern.“
[1] Daphne Eisen, Jahrgangsübergreifender Unterricht in allen vier Klassen einer Grundschule. Praktische Umsetzung und deren konzeptionelle Begründungen im Spiegel der Erwartungen und Erfahrungen von Eltern. Köln .2009
[3] Daphne Eisen, ebenda
[4] Alle folgenden Tabellen und Texte sind der Arbeit Daphne Eisens entnommen.