Kollegium Harmonie
Auf dem Weg zu einem neuen Englischlernen
Der Ausgangsgedanke
Kinder können aus eigener Kraft, aus der eigenen Erfahrung, aus eigenen Kenntnissen der „Fremd“sprache und Erkenntnissen über Sprache und Sprachen, aus ihrer existenten Umgebung heraus, selbst Englisch lernen und wir müssen diesen Vorgang in der Schule „nur noch“ organisieren
Begründung
Vielerschulorts wird Englisch nicht gelehrt, um die Sprache zu können, sondern um Englischklassenarbeiten schreiben zu können.
Zum Glück für die Lernenden wird aber trotz Schule und ihrer Didaktik gelernt, weil das Lernen der Menschen nicht wirklich zu verhindern ist. Wir leben zwar nicht in Hongkong, Delhi oder einem EU-Mitarbeiter-Viertel in Luxemburg leben, aber in der sich globalisierenden Gemeinde Europa, die Englisch, wie die USA, Indien, Irland, Kenia oder Australien als Verkehrssprache ausgewählt bekam oder auswählte.
Wir haben zwei Möglichkeiten, um mit dem Lernen der englischen Sprache zu beginnen: Ich setze voraus, dass der Kenntnisstand bei Kindern gering und zudem verschieden entwickelt ist. Ich setze voraus dass das „zufällige“ Lernen des Einzelnen, wenn es denn stattfindet, unvollständig, fehlerhaft und beliebig ist. Aber ich lasse sie die Sprache selbst erobern.
Weniger Englisch lehren, aber mehr Englisch lernen
Im zweiten Fall ist diese „Gefahr“ den Schulbuchverlagen und der Mehrzahl der LehrerInnen zu groß. Sie zwingen die Lernenden in die unterstellte Ausgangslage, dass sie nichts können. Von nun an lernen diese gemeinsam, „damit sie erst gar nichts Falsches übernehmen“. Sie lernen gleichschrittig und im Einzelschritt vollständig, fehlerfrei, wissenschaftlich geordnet und begründet. Die Sprache wird zudem von einer allmächtigen, also der Sprache mächtigen SprachlehrerIn vermittelt.
Die Ergebnisse werden einer Gaußschen Normalverteilungskurve zugeordnet. Wenige lernen sehr gut oder nicht, viele lernen gut oder mangelhaft, die meisten befriedigend oder ausreichend. Das wiederum wird am vermeintlich vorhandenen Durchschnitt der deutschen Schule gemessen und nicht etwa am Lernerfolg der zwei- bis fünfjährigen kleinen Neuseeländer, Philippinen oder Malteser, die diese Sprache oft ohne Schule lernten.
Die Gründe für gesteigerte Erfolge dieser Vermittlungsart liegen fast immer bei der Lehrperson, wenn diese eine Beziehung als Grundlage des Lernens herstellen kann. Sie bietet fachdidaktisch geschult, die emotionale Bereitschaft zum Lernen durch Authentizität einer Lehrer-Persönlichkeit. Sie oder er kann bei ungetrübter Sachkenntniss die Gelassenheit vorhandenen Selbstbewusstseins gegen typisches schulmeisterliches Verhalten einsetzen.
In der Auffassung der Hirn- und Lernforschung geschieht dies aber nicht, weil nun die „Methode“ so erfolgreich sein muss, sondern weil der Lernende so animiert und selbst motiviert ist, dass seine Selbststeuerungsmechanismen des Lernens in Gang gesetzt werden. Ihr oder sein Gehirn kann die Verknüpfungen und Schaltmuster aktivieren und die Blockaden des Lernens treten nicht auf.
Wir wissen um die Rolle der professionellen, psychisch gesunden und zum Dialog mit Kindern fähigen Erwachsenen-Persönlichkeit. Aber sie versucht nicht, diese Menschen zum Herrscher über den Lernprozess zu machen, sondern sie setzt auf die menschliche Gabe des individuellen und gemeinsamen selbst bestimmten und selbst organisierten Konstruieren von Welt und Persönlichkeit durch Lernen und Leben.
Dies bedeutet für den Fremdsprachenerwerb und den Erwerb der bereits in der direkten Umgebung des Lerners existierenden englischen Sprache, dass die bereits entwickelte individuelle und die vorhandene Kompetenz der Lerngruppe anerkannt wird, Diese wird zur Grundlage der Arbeit gemacht und von hier aus nicht mit dem Ziel einer gleichen Beherrschung der englischen Sprache durch alle, sondern mit dem Ziel verschiedener Sprachentwicklung und Sprachkompetenz des Einzelnen versehen. Dieser Prozess wird sowohl individuell als auch kooperativ in der Gemeinschaft der Lernenden mit ihrer Umwelt gestaltet.
Die Organisation
Fragen Sie Schulkinder, die noch keinen Englisch“unterricht“ hatten, wie viele Tiere sie auf Englisch benennen können, welches Essen, welche Kleidung, welche Farben, welche Spielzeuge,welche Länder, welche Zahlen, welche Computerbegriffe, wie ihre Spielzeuge oder Magic-Karten heißen. Schreiben sie es sichtbar an die Tafel oder ordnen sie am Whiteboard Bild und englisches Wort sofort zu.
Arbeiten Sie mit ihnen daran, welch Verben und Adjektive sie durch Untersuchung ihres Zuhauses, beim Fernsehschauen oder sonst wo in ihrer Erfahrungswelt herausfinden, und sie werden play in Playstation und woanders go, live, drink, love, learn, wash, buy, write, oder fly und fine, better, funny, happy, sweet oder wonderful in Reklame, auf Labeln oder in Songs entdecken.
Lassen Sie sie Sätze auf Englisch schreiben, nicht nachdem Sie ihnen etwas beigebracht haben, sondern sofort und zuerst. Lassen Sie kleine Gedichte auf Englisch schreiben, lassen Sie Liedtexte umschreiben oder selbst texten.
Authentische Lehrpersonen animieren zu selbst gesteuerten Lernprozessen
Individuelle und gemeinsame Kompetenzen der Lerngruppe sind Grundlage eines zieldifferenten (!) Lernens
Helfen Sie ihnen, indem Sie ihnen eigen, wie Elfchen oder andere einfache Textformen gemacht werden, geben Sie ihnen die Wörter, die sie brauchen, öffnen Sie im Internet das Leo-Wörterbuch oder ein anderes.
Verbessern Sie, aber wie bei freien Texten nachher, nicht während des Schreibens. Bringen Sie ruhig das von den Kindern Geschriebene in die korrekte Orthographie, aber nicht als Bestrafung für fehlerhaftes Schreiben, sondern als Begegnung mit der korrekten Schreibweise. Machen Sie Englisch draus.
Lassen Sie die Verwandtschaft zwischen der deutschen, falls vorhanden, anderen Sprachen und dem Englischen untersuchen. Sie werden hunderte von Wörtern finden, die so leichter lernbar werden. Lassen Sie die SchülerInnen selbst die Strukturen der Sprache
entdecken und beschreiben. Lassen Sie sie selbst ihre Arbeitsformen herausfinden.
Spielen Sie Spiele auf Englisch mit ihnen, bieten Sie Reime mit und ohne Bewegungen an. Singen Sie englische Lieder, aber nicht diese Kinder heimelnden. Singen Sie „The River she is flowing“, „Heaven is a wonderful place“, „Lucky lips“ und auch einmal „If
you’re happy“ und „I like the flowers“. Lassen Sie kleine Dialoge, Harry-Potter-Szenen oder Szenen aus englischen Kinderbüchern spielen. Lesen Sie daraus vor, erklären Sie, arbeiten Sie am Verständnis.
Lassen Sie Bilderbücher, von Goldi Lock bis zu den Minions, Wörterbücher oder Liebesbriefe schreiben und gestalten. Geben Sie ihnen „I–spy-Bücher“, englisch Science-Karteien oder englische Computerlernspiele (viele deutsche kann man einfach auf Englisch umstellen) und lassen Sie sie damit arbeiten, auch wenn Sie nicht sofort sehen, wozu das gut ist.
Lesen Sie Harry Potter oder bekannte deutsche Märchen auf Englisch vor, Geben sie schottische und irische dazu. Lassen Sie im englischsprachigen Internet surfen, in Zeitungen und Illustrierten Englisch heraussuchen und ausschneiden. Lassen Sie englische Lieder oder Hörspiele hören, Comics lesen, englischsprachige Filme sehen, ob Laurel und Hardy, Rowling, Colfer, Tolkien, Pretchettoder Wald Disney, und, und und....
Machen Sie Ihre Klasse, Ihren Kurs zu einer Werkstatt der (Rück-)Eroberung der Sprache, die sie beherrschen lernen. Machen sie den Lernenden klar, was sie bereits alles in der Sprache kennen und können, nicht, was sie falsch machen oder von Ihnen zu lernen haben. Sie müssen sie nur können oder mit den Kindern lernen.
Englische Wörter und Sprachein sind Teil unserer Lebenswirklichkeit
Gehen Sie auf die verschiedenen Lerntypen ein. Die einen lernen eher selbstständig, mit elektronischen Medien, mit Sprachkassetten, mit englischen Schulbüchern oder Workbooks, dadurch, dass sie selbst schreiben, Bücher oder Korrespondenzen erstellen, die anderen nehmen gerne Ihre Angebote wahr, lernen direkt von Ihnen oder mit Ihrer Hilfe. Laden Sie Native Speaker ein oder suchen Sie sie auf. Mit der Zeit waren auch immer mehr bilinguale Schüler*innen da.
Der an Freinet orientierte Englischunterricht hat nicht gegen, sondern mit den Kindern vereinbarte Lehrgänge, Lehrererklärungen, Stationen, Animationen oder Angebote. Diese dürfen nicht dazu führen, dass sich Kinder gezwungen fühlen, nicht eigene Wege gehen zu können, oder sich aus Bequemlichkeit auf die Führung der LehrerInnen verlassen.
Es geht vielmehr darum, dem individuellen Erwerb der Sprache die absolute Präferenz zu geben und gleichzeitig (!) die Kraft der kooperierenden Lerngruppe durch gemeinsame Planung, Verabredung zum Arbeiten, eigenständiges Arbeiten außer- und innerhalb der Schule (und sei es nur elektronisch), Beschaffung von Lerngegenständen, regelmäßiges Präsentieren des Erarbeiteten, Reflektion und Evaluation der Arbeit und der Leistungs-progression aller Kinder zu nutzen. Die Lernenden lernen eine Sprache, um sie sich selbst zu erobern (nicht um Tests zu bestehen) und dabei zu lernen wie sie selbst Sprachen zu lernen lernen.
Die Lehrerin oder der Lehrer werden Initiatoren oder Erhalter selbst gesteuerter individuel-ler und kooperativer Lernprozesse, Beschaffer von Fremdsprachen-Know-How, Medien und Lernideen, und sie müssen gute Transporteure der englischen Sprache sein.
Verabreden und organisieren Sie das gesamte Lernen mit den Kindern im Kreis. Der Kreis ist dafür verantwortlich, dass in der Gruppe gelernt werden kann, jedes Kind ist für sein Lernen verantwortlich und Sie als LehrerIn sind für das verantwortlich, was Sie können.
Méthode naturelle
Nicht eine künstlich gemachte Didaktik prägt den Lernweg des Einzelnen, sondern die eigene vom Menschen seit seiner Kindheit an durch sich selbst, die direkte und die sich erweiternde Umwelt geprägte Lernerpersönlichkeit. Die Systematik und die Struktur
werden nicht von außen vorgegeben, sondern sie konstruieren sich von innen heraus durch das selbst konstruierende Handeln und Lernen. Menschen sind von Natur aus lernwillige Wesen, sie lernen ihre Lernen durch eigenes Handeln, Arbeiten, Spielen, Denken, Fühlen und Sprechen. Gerade der Erwerb einer kontaktierbaren Fremdsprache kann natürlicher eine eigene Begegnung und Aneignung organisiert werden.
Kinder können bereits etwas - Nicht lehren, was sie lernen müssen
Tasten und Versuchen
Das erfolgreich bleibende Lernen ist ein Lernen in eigener Erfahrung durch Begegnung in Verschiedenheit und Vielfalt, eigene Fehlerkorrektur, ständig handelndes und erprobendes Agieren, mit dem Recht auf Irrtum, Umweg, Mühe und Erfolg. Es ist der eigene Weg der eigenen Verantwortung. Gerade eine Sprache brauchst nicht die Einschränkung durch ständige Korrektur und Beurteilung, sondern die Erfahrung des erfolgreichen oder erfolg-losen Anwendens in der Realität der Kommunikation durch Erprobung von Viabilität und Wirkung.
Angebote machen ohne einzuengen
Freier Ausdruck
Der Freie Ausdruck ist der Haupttransporteur jedes Erkenntnisgewinns und selbst ange-eigneten Lernerfolgs. Wir lernen, wir prägen unsere eigene Existenz, indem wir uns selbst produzieren. Wir konstruieren uns und unsere Welt auf der Grundlage unseres Emotio-nierens durch unsere Sprache. Wir lernen unser Handeln und Denken auszudrücken, indem wir es tun. Die Notwendigkeit des Handelns wird in der Freinetpädagogik mit dem Recht der Kinder auf ihren freien Ausdruck zu grundlegenden Lernstrategie vereint. Ich lerne Englisch, indem ich vorhandenes Sprachmaterial, Handlungs- und Kulturkompe-tenzen be- und verarbeite, Neues (wieder)erfinde und so meine eigene Sprachkompetenz, vor allem in der Begegnung mit anderen „Sprachproduzenten“ in echten oder gespielten Situationen, erweitere.
Bibliothek
Wichtiger als Schulbücher war immer das Leben. Mit dem Leben, die Menschen und die Orte der Umwelt, die Arbeit. Aus dem Leben in die Schule wurden immer Bücher und Medien geholt und vor allem die eigenen Wahrnehmungen, Erkenntnisse und Kenntnisse
in Form von eigen-sinnigen und selbst produzierten Texten, Büchern, Kunst und Ideen.
Korrespondenz
Der Kontakt von Mir zu Mir selbst, vom Ich zum Du, zum Wir in der Klasse, zu anderen Klassen und Kindern, zur Welt der Erwachsenen, zur Erfahrung der Welt als dem umfas-senden wurden in der Praxis der Freinetklasse immer realisiert, im Kreis, in der Wand-zeitung, in der Klassenzeitung, in der Präsentation, in der Korrespondenz mit anderen Klassen. Unsere Klassen lernten früh die elektronische Kommunikation als globale Kom-munikation zwischen Webcam, Chatcorner, E-Mail und Homepage zu nutzen. Was kann Sprachenlernen besseres passieren als die Möglichkeiten der digitalen Kultur zu nutzen?
Dokumentation und Arbeitsmittel
Das Lernen der Freinetklasse braucht Material in der Klasse, Papier, Farben, Tonträger, Kameras, Verkleidungen, Computer, Bücher, selbst gemachte Lernangebote für andere, Techniken und Werkzeuge wie den freien Text, die Klassenzeitung, Theaterspiel, Filme, Schattenspiel und Kassetten, Experimentierecken, etc. und viel Zeit und Raum dies anderen und sich selbst zu zeigen.
Sprache wird nicht „auswendig“ gelernt, sie braucht viel Fantasie und Kreativität und viel Ordnung und Realisation um Innen anzukommen und lebendig zu sein und zu bleiben.
Selbsteinschätzung / Eigenevaluation
Die Kinder lernen sich selbst und ihre Leistung einzuschätzen. Das Selbstbewusstsein
und das Selbst-Wert-Gefühl sind entscheidende Motoren für das Arbeiten und Lernen.
Ein Sprachunterricht, der zulässt, dass jedes Kind, jeder Lerner sein eigenes Englisch lernt, braucht anerkannte lange Phasen der Planung von Arbeit, des Ausmachens von Arbeitsverträgen, reichhaltige Methoden des Portfolios, gut vermittelte Einblicke in Lehrpläne und Leistungs-möglichkeiten, etablierte Phasen der Präsentation mit einer Kultur des Respekts vor der Arbeit des Anderen bei gleichzeitiger offener Kritik, gut entwickelte Klassen- oder Kursräte, die aus der eigenen Arbeit lernen und Kraft, Vertrauen und Wissen zu verbesserten Weiterarbeit schöpfen.
Walter Hövel
Nur 10 Jahre später
Der englischen Fachdidaktik gelang es, sich gegen die alte Fremdsprachendidaktik a la Latein und Griechisch durchzusetzen. Sie ist eine relativ moderne Fachdidaktik..
Oft gilt es Lehrer*innen erst einmal an dieses Können heranzuführen. Weiter gehende Formen und Inhalte des eigen verantwortlichem und autonomen Lernens der Kinder und Jugendlichen sind nicht leicht durchzusetzen.
Um 2006 gab es nicht mehr als diese obrigen theoretischen Gedanken. Sie wurden umgesetzt. Dies geschah nicht zu erst durch das Intellekt der Lehrer*innen oder ihre ständige Didaktisierung, sondern durch das Selberlernen der Kinder.
Wir, die Lehrer*innen boten ein Oberthema und uns selbst zur Auswahl an und überließen das Lernen den Kindern. Dieses Vertrauen reichte. Wir wissen nicht genau wie, aber bald sprachen sie
Englisch. Sie wollten es und jedes Kind fand mit der Hilfe der anderen seinen Weg.
Es waren die Sitzungen der Erwachsenen, ihr ständiges Erproben von Englischlernen in der Großgruppe aller Kinder der Schule. Es war die ständige Evaluation der eigenen Arbeit mit den Kindern. Es war Schulentwicklung, besser Lernentwicklung der Kinder.
Englisch an der Grundschule Harmonie wurde von allen (!) Lehrkräften und ohne Zuhilfenahme eines Englischwerkes oder Englischbuches durchgeführt. Vor allem die große Zahl der Lehramtsanwärterinnen in diesem Fach „zwang“ die Lehrer*innen gut zu sein. Die LAAs wollten sehr gut sein. Fast alle waren es.
Die LAAs schrieben ihre Examensarbeiten und versuchten das Erlebte in Theorien zu formen. Oft gelang es ihnen.Sie trieben nicht nur an unserer Schule das Englischlernen voran.
Vor allem war das allgemeine Lernverständns mit elektronischer Technik, Theaterspiel und zu aller erst der Ausbreitung des Rollenspiels sehr hilfreich zwischen modernster Didaktik und der Kraft des Selberlernens der Kinder.
Die Fähigkeit der Kinder selbst lernen zu können, der ständige Kontakt zur Partnerschule in England und die Vorhandenseins des Englischen überall in der Gesellschaft sorgten für ein erfolgreiches Lernen der englischen Sprache.