Ulli Schulte

Die Suche nach dem Goldenen Ei

oder

dem eigenständigen Lernen der Kinder in der Mathematik

 

Seit einigen Jahren arbeiten wir an der Frage, wie die Kinder an unserer Schule ihre mathematischen Kompetenzen und Fähigkeiten, ihr mathematisches Verständnis und Denken entdecken, entwickeln, stärken und schulen können.

 

Es ist die Frage danach, wie sich ein Konzept des „Natürlichen Mathematik-unterrichtes“ an unserer Schule umsetzen lässt, dass den Kindern als Schlüssel zur Welt der Mathematik Freude, Herausforderung, Begeisterung, Anstrengung sowie Einsicht und Übersichtet bietet.

 

Dabei geht es uns um einen lebendigen individuellen, selbstgesteuerten Prozess jedes Kindes und zugleich um anregende, produktive und fachliche Impulse von anderen Kindern oder Erwachsenen (Menschen).

 

Es geht darum, den eigenen mathematischen Lern- und Entwicklungsprozess in einen Austausch zu bringen mit denen der anderen Kinder und Erwachsenen.

 

Wie erhalten Kinder, losgelöst von einer lehrgangsgeleiteten, durch ein Arbeitsheft vorgegebene/eingeschränkte Mathematik, die Übersicht, den Überblick und die vor allem die Einsicht in die Inhalte und vielfältigen Möglichkeiten der Mathematik.

 

(lehrgangsloser Mathematikunterricht)

 

Unser Weg führte uns mit der Frage nach der Parallelität zwischen dem Lese- Schreibprozess und der Entwicklung mathematischer Kompetenzen zu einem Pendant der Anlauttabelle, unserem Mathetor.

 

Das Mathetor veranschaulicht mathematische Inhalte, es bietet jedoch hauptsächlich eine übersichtliche Darstellung der mathematischen Handlungsmöglichkeiten.

 

Es erweitert sowohl bei den Kindern als auch bei den Lehrerinnen und Lehrern das Verständnis für die unterschiedlichen Handlungsfelder und vielfältigen Möglichkeiten des Mathematiklernens. Nicht mehr nur das Rechnen Aufgaben, das Arbeiten an bzw. das Abarbeiten gegebener Aufgaben in einem Arbeits- oder Übungsheft bedeutet „Mathematik machen“, sondern gerade das Einsicht und Verständnis bietende Handeln wird zum zentralen Gegenstand des Lernens.

 

In der gemeinsamen Planung in den Kreisen oder Klassenräten können die Kinder ihre Arbeiten/ihre Vorhaben absprechen sowie deren Umsetzung und Ergebnisse austauschen. Es entstanden zunehmend Mathematikkreise, in denen die Kinder über ihr mathematisches Handeln, ihre Vorgehensweisen diskutierten und begründeten, ihre Erklärungen und ihr Verständnis überprüften und reflektierten.

 

Diese Mathematikkreise hatten das Bedürfnis/die Notwendigkeit nach einer größeren Sammlung an intelligenten, herausfordernden, komplexen oder problemhaltigen Aufgaben zur Folge. Auch die Erfahrungen mit den Mathematikaufgaben der Vergleichsarbeiten, das heißt die Freude/Begeisterung der Kinder an deren Bearbeitung, verdeutlichten das.

 

So arbeiten wir kontinuierlich an der Zusammenstellung entsprechender Aufgaben.

 

Gleichzeitig führten wir den klassenübergreifenden Adam-Riese-Kreis, in dem vorrangig an diesen problemhaltigen und herausfordernden Aufgaben gearbeitet wird, als Mathematikangebot ein. Hier ist es uns wichtig, dass die Kinder ihre Herangehensweise, ihre Lösungswege und Lösungen selber ausprobieren, entdecken und erhandeln, um anschließend auszutauschen, zu argumentieren und ihre mathematischen Entdeckungen und Erkenntnisse zu veranschaulichen, zu versprachlichen. Der Inhalt des Adam-Riese-Kreises wird über die beiden wöchentlich wechselnden Teilnehmer der Klassen in das Klassengeschen eingebracht. Gleichzeitig sichern die Vertreter der Klassen ihren eigenen Lernzuwachs noch einmal ab. (reflektieren)

 

In der weiteren Entwicklung unserer Schule richteten wir jahrgangsgemischte Klassen (1. bis 4. Schuljahr in einer Lerngruppe) ein, in denen die Kinder natürlich mit unterschiedlichsten mathematischen (Vor-) Kenntnissen und Kompetenzen agieren und ganz selbstverständlich auch über ihren jeweiligen Jahrgang hinaus mathematisch handeln und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse erweitern.

 

Um nun für die Kinder der Klassen zu den verschiedenen Bereiches des Faches entsprechendes, und vor allem ansprechendes und anregendes, Ideen gebendes und veranschaulichendes Material bereit zu stellen, richteten wir einen Mathematikraum ein. Dieser Raum wird im Schulgeschehen von Kindern und Erwachsenen für individuelle Lernprozesse sowie durch verschiedenste Angebote intensiv und lebendig genutzt.

 

Mit all diesen Materialien, Werkzeugen oder in den Angeboten arbeiteten die Kinder entsprechend unseres Schulkonzeptes jahrgangsgemischt und entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten miteinander und voneinander.

 

Zunehmend zeigte sich, dass jahrgangsbezogene Arbeitshefte und Lehrgänge, die Kinder begrenzen und einschränken, sie auf ein durchschnittliches Maß an Herausforderung, Anstrengung und Leistung einstellen.

 

Es wuchs das Bedürfnis nach einem erweiterten Mathematikkonzept, einem individuellen Lernmittel, das den Kindern eine Übersicht über die Inhalte und Anforderungen der Mathematik während ihrer gesamten Grundschulzeit (und darüber hinaus) bietet.

 

Wir entwickelten unser jahrgangsübergreifendes Mathebuch. Das Buch beinhaltet den kompletten Lernstoff in Mathematik vom ersten bis zum vierten Schuljahr (inhaltsbezogene Kompetenzen des Lehrplans). Jedes Kind hat also dasselbe Mathebuch. Es ist farblich unterteilt in die einzelnen Bereiche:

 

  • Zahlen und Operationen

  • Größen und messen

  • Sachrechnen

  • Daten - Häufigkeiten - Wahrscheinlichkeiten

  • Geometrie

  • Denksport und Knobeln.

 

Einzelne Bereiche sind wiederum unterteilt in Übersicht bietende Teilbereiche, z.B:

 

Zahlen und Operationen

  1. Zahlenraum

  2. Meine Rechenwege

  3. Schnelles Rechnen

Größen und messen

  1. Geld

  2. Zeit

  3. Längen, Gewichte, Raummaße

  4. Bruchzahlen und Kommazahlen

Die Übersicht zu den einzelnen Bereich ist als Lernkarte (Mindmap) gestaltet, in der das Kind sehen kann, was es schon kann und woran es weiter arbeiten möchte. Alles was geschafft ist, darf in der entsprechenden Bereichsfarbe ausgemalt werden. So behält das Kind den Überblick über seinen Lernstand, seine Lernfortschritte und seinen Lernzuwachs.

 

Mit diesem „Buch“ wollen das eigene Denken und die Selbsteinschätzung der Kinder weiter fördern und stärken. Es soll die Kinder anregen, mittels der "Lernkarten" einen eigenen Mathe-Lernweg zu entwickeln.

 

Das entdeckende und verstehende mathematische Handeln, das Arbeiten an sinnstiftenden Aufgaben oder mathematischen Projekten, das herausfordernde und problemlösende Umgehen mit Mathematik und gerade das Austauschen, Kommunizieren und Argumentieren (prozessbezogene Kompetenzen des Lehrplans) sind uns weiterhin/mehr als zu vor entscheidende Kriterien des mathematischen Lernprozesses.

 

So enthält das Buch keine Aufgaben. Die Kinder sind aufgefordert, nach eigenen Ideen zu forschen, sich diese im Mathetreff in der Klasse, im Adam-Riese-Kreis oder im Matheraum zu holen. Dabei gehen sie ganz unterschiedliche Wege. Die einen finden und nutzen Materialien für ihre Arbeit, den anderen liegt eher die Umsetzung mathematikbezogener Projekte. Sie eröffnen beispielsweise einen Schreibwaren-laden, in dem sie Sammelmappen bestellen, diese bedrucken und anschließend verkaufen. Sie begreifen auf diese Weise die Bedeutung von Einkaufs- und Verkaufspreisen, sie zählen ihre Einnahmen, errechnen ihren Umsatz und ihren Gewinn, sie bündeln, wechseln und wandeln um oder trainieren ihre Fertigkeit im Kopfrechnen.

 

Immer wieder sind die Kinder in den Kreisen oder Klassenräten mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern sowie Lehrerinnen und Lehrern im Gespräch über ihr mathematisches Handeln und ihre mathematischen Kompetenzen. Nach individuellem Bedarf gibt es für einzelne Kinder auch Kopiervorlagen zum Einheften oder das eigene, jahrgangsbezogene oder themengebundene (Geometrie, Sachrechnen) Arbeitsheft.

 

Die Selbst- und Leistungseinschätzung der Kinder unterstützend bieten wir, ggf. empfehlen wir, immer wieder Überforderungstests oder Lernstandskontrollen an. Vor allem aber bleiben wir mit den Kindern und Eltern auf der Grundlage des eigenen Mathekonzeptes in intensivem Austausch und Beratungsgespräch.