Walter Hövel
Meine Methode Naturelle

 

beim ersten Jahr Englischlernen

 

 

 

 

 

Im folgenden werde ich über ein halbes Jahr Englischunterricht in einer 5.Klasse einer nordrhein-westfälischen Schule beschreiben. In dieser Klasse versuchte ich, den herkömmlichen Englischunterricht nicht nur durch Freinetmethoden und -prinzipien zu verbessern und zu erweitern*,sondern einen neuen Weg des Lernens zu gehen, wobei ich mich am Begriff der "Methode Naturelle" der Freinetpädagogik orientierte.

 

 

 

Das Unterrichten in dieser Klasse war alles andere als einfach. Die Klasse war "schwierig". Die Mehrzahl der in der Klasse unterrichtenden Kolleginnen klagte über diesen "Verein", der alles tat, um das "geordnete" Unterrichten unmöglich zu machen. Mir ging es nicht viel besser. Oft brauchte ich von meinen kümmerlichen 45 Minuten gut 20 Minuten, um überhaupt ans Arbeiten zu kommen.

 

 

 

Ganze Stunden, insgesamt mindestens drei Wochen, verbrachten wir nicht mit Englisch, sondern mit Kreisgesprächen, gruppenpädagogischen Übungen, Meditations- und Entspannungsübun-gen,Vertrauensspielen und Techniken des Boaltheaters. (In der Beschreibung des Unterrichts werde ich diesen Teil der Geschichte weglassen.)

 

 

 

In der ersten Englischstunde des 5. Schuljahrs einer Gesamtschulklasse fange ich mit der Aufforderung an: "Bitte schreibt alle einen englischen Satz auf". Ich gehe von Schülerin zu Schüler und korrigiere Rechtschreibung, Semantik und Grammatik. Aber da ist nicht viel zu verbessern.

 

 

 

Wer seinen Satz fertig hat, schreibt ihn an die Tafel“; bis alle Sätze dort stehen:

 

 

 

Do you speak English? (mehrfach)

 

No, I don't.

 

Have you got a car?

 

My name is Anja Kunz.

 

Good night Lucky Luke.

 

Good night mum.

 

Have you opened the window and shut the door?

 

Good morning, my name is Alf (mehrfach)

 

Are you ready?

 

What comes first?

 

What's your name? (mehrfach)

 

School, no!

 

It is English!

 

"Good morning", says Roger Rabbit

 

I love you

 

 

 

Nun werden die Sätze, teils von mir, teils von den Schülerinnen, vorgelesen und übersetzt. Dann bitte ich sie, sich alle Satze genau anzugucken und zu sagen, was sie anhand der Sätze über die englische Sprache herausfinden.

 

 

 

Als erstes finden sie heraus, das "alle Wörter klein geschrieben werden,außer Satzanfänge, Eigennamen und das I". Sie fahren fort: "die reden anders als sie schreiben", "Viele englische Wörter klingen ähnlich wie deutsche Wörter", "der, die, das, des, dem u.s.w. heißt immer nur the", "Das th gibt's bei uns nicht".

 

 

 

Meine Rolle in diesem Analyseprozess ist eine sehr aktive. Ich bestätige,korrigiere und erkläre, z.B. den Verwandtschaftsgrad der beiden Sprachen. Aber ich versuche, nicht "zu tricksen", indem ich ihre Aufmerksamkeit dazu benutze, sie auf Sachverhalte zu orientieren, die ich für wichtig halte. Aber ich beantworte und helfe immer dort, wo sie selber Fragen haben: "Manchmal verdrehen sie die Satze so, z.B. mit diesem „do“. „Warum?" oder "Wieso ist an opened dieses „ed“ an dem Wort?" Ich gehe hier soweit, das wir wir open und love ins Simple Present, Simple Past und Present Perfect bringen. Ich erkläre ihnen, das es regelmäßige und unregelmäßige Verben gibt, und das wir erst mal die Finger von den unregelmäßigen lassen.

 

 

 

In der zweiten und dritten Stunde schreiben wir die Sätze ab, üben die Aussprache. Gemeinsam holen wir alle einzelnen Wörter aus den Sätzen (name, morning, rabbit, car, school,etc.). Diese werden von allen in ein Vokabelheft eingetragen. Ich bevorzuge diese konventionelle Form der Vokabelsammlung, weil sie mir die effektivste zu sein scheint.

 

 

 

Schon in dieser Phase begann ich, mit den Kindern wo immer es möglich war, die Schritte unseres Lernen und die Methoden abzusprechen und abzustimmen. Die Kinder entschieden also, dass sie mit Vokabelheften und nicht mit Vokabelkarteien oder gar ohne Vokabelregister arbeiten wollten.

 

 

 

Sie entschieden, wie lange sie die Sätze analysieren wollten, was sie in späteren Arbeitsphasen übrigens nur noch einmal tun wollten. Dieses Abstimmen des Lernweges hielten wir das ganze Schuljahr durch. Hierbei bot ich situationsbedingt immer mehrere Alternativen an, im Laufe der Zeit kamen immer mehr Vorschlage von den Kindern.

 

 

 

In der zweiten Stunde mache ich mit den Schülern eine Wette: "Wetten, das ihr zusammen ganz viele Farben auf Englisch kennt!". Skepsis, aber auch Interesse an der Herausforderung. Sie beginnen: green, brown, blue, orange, ...yellow, red, white, black, ... pink, lilac (hier muss ich das "c" anhängen), silver, gold. Nur das "grey" fehlt an der ersten Farbpalette. Sie sind beeindruckt davon, das sie schon so viel Englisch können.

 

 

 

In der vierten Stunde werde ich übermütig: "Wetten, das ihr alle Zahlen auf Englisch könnt!". Und sie schaffen es!! Bis "100" können sie alle Zahlen, irgendwer weiß immer weiter, auch wenn es bei "20" oder "30" zu stocken scheint. Nun schreibe ich Zahlen an die Tafel: 199, dann 999, dann 372,758,etc. Wenn ein Versuch falsch ist, wird er aus der Klasse korrigiert, sie bekommen aber alle hin! Mein Job hierbei ist, zu ermuntern, Mut zu machen und richtiges zu bestätigen. Mein Job ist nicht und er sollte es auch während des ganzen Jahres nicht werden, dass ich durch Fehler korrigieren den Kindern zu beweisen versuchte, dass sie Englisch erst mal lernen müssten. Es war umgekehrt: Sie konnten bereits Englisch, und wir konnten gemeinsam noch mehr lernen!

 

 

 

In der fünften Stunde beginne ich mit der Wiederholung der Zahlen, dann folgt die Aufforderung zu zweit eine kurze Unterhaltung auf Englisch zu schreiben und diese vorzuführen. Diese Vorführungen nenne ich "English theatre, scene one, two, etc.

 

 

 

 

 

vergleiche hierzu: "Freie Arbeit im Englischunterricht - Zur Entwicklung reformpädagogischer Ansätze", In: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis, Heft 2,1989, Cornelsen; so wie ln: Fragen und Versuche, Heft 44

 

- vergleiche: "Theater der Unterdrückten",In: Freinet - Pädagogik, Ein Werk- und Atelierbuch, Bremen 1986

 

Hier einige Beispiele:

 

 

 

"Are you ready?" - "No, I'm looking for my jacket."

 

"Are you lucky?" - "No, I'm not."

 

"Is the window open?" - "Yes, it is.""Are you my daddy?" - "No, I'm not."

 

"Is it a black night?" - "It's not."

 

"Have you got a horse?" - "No, I have not"

 

"What is on?" - "Nothing is on!"

 

"Is the window open?" - "No, it's closed."

 

"I have your car ready." - "Well, okay, I'll come."

 

"Is your hair red or black?" - "My hair is red. And yours?" - "My hair is black.'

 

"The car is ready!" - "Oh, very nice, very fine, oh, super!"

 

 

 

Fünf dieser Kurzdialoge führen Kinder vor der ganzen Klasse vor, die anderen scheuen sich. So werden am Schluss der Stunde alle Dialoge in den Tischgruppen gleichzeitig vorgetragen. In der nachfolgenden Stunde schreiben sie alle Dialoge an die Tafel und übertragen alle in ihre Hefte. Meine Aufgabe war es wieder, alle Texte zu korrigieren, indem ich einfach verbesserte, als die Kinder fertig waren und den Text zu mir brachten. Wenn sie mich nach einem ihnen unbekannten Wort fragten, so schrieb ich es auf einen Zettel und sprach es deutlich aus. Auch führte ich hier den Gebrauch eines zweisprachigen Wörterbuchs ein, indem ich jeder Tischgruppe eines auf den Tisch legte. Die siebte Stunde beginn mit dem nochmaligen Lesen der Dialoge.

 

 

 

Nun müssen wir über den weiteren Verlauf unserer Arbeit entscheiden. Die Analyse (wie in der ersten Stunde) der Dialoge wird abgelehnt. Stattdessen entscheiden die Schülerinnen, dass ich nun an der Reihe bin, ihnen einmal richtig schweres Englisch beizubringen. Ich stelle ihnen kurz die bilinguale Dialogtechnik* vor und sie entscheiden sich mit knapper Mehrheit gegen das Schreiben einer eigenen Geschichte auf Englisch.

 

 

 

Also einigen wir uns darauf, erst das eine, dann das andere zu tun.

 

 

 

Und dies ist der Text:

 

 

 

The Pleasure Trip

 

Commander: We're all in the same boat.

 

Crew: We're all in the same boat.

 

Man: Don*t believe him.

 

He only wants to put this idea into your heads.

 

 

 

Commander: What do you mean?

 

Man: You're telling a pack of lies.

 

 

 

Commander: You'll regret that!

 

You'll regret that!
Man: I can't help telling the truth.

 

 

 

Commander: Truth is a notion that can be loosely interpreted.

 

We're all in the same boat.

 

Crew: We're all in the same boat!

 

(mit vier Bildern)

 

 

 

Stefan Eschbach,Crazy Dialogues,Die neue bilinguale Methode,Kohl,ISBN 3-924177-91-0

 

Wolfgang Butzkaram,Praxis und Theorie dermbilingualen Methode,Quelle & Meyer,Heidelbergm198

 

Die Abfolge der nächsten vier Stunden sieht wie folgt aus:

 

Ich löse die Sitzordnung in Tischgruppen auf, da nun Frontalunterricht angesagt ist. In Hufeisenform sitzend, auf den Tischen nichts anderes als das Arbeitsblatt, können die Schülerinnen mich nun angucken. Ich lese den Text vor, dann wird er sofort übersetzt, mit Hilfe der Schülerinnen,wörtlich und frei, so das der Sinn des Textes allen präsent ist. Nun werden die Satze einzeln von mir vorgetragen und von allen wiederholt. Hierbei wird jeder Satz einmal leise, einmal laut gesprochen, mal geflüstert, mal geschrieben,sogar gesungen oder rhythmisiert. Jeder Satz wird mit einer bestimmten Gestik und Mimik verbunden.

 

 

 

Bei "We're all in the same boat" wird gerudert, das Gesicht vor Anstrengung verzogen, bei "You'll regret that" mit dem Finger gedroht, bei "You're telling a pack of lies" stehen alle Schülerinnen auf. Dann lasse ich die Sätze von einzelnen Schülerinnen wiederholen. Nun gebe ich nur Satzanfänge, Satzteile, einzelne Wörter, deutsche Übersetzungen vor, damit die Sätze komplett wiederholt werden. Nun lasse ich das Blatt tn der Mitte längst knicken, so dass die Schülerinnen zunächst nur den Text sehen.

 

 

 

Dann lese ich einen der Sätze vor und die Schülerinnen antworten z.B.: "It's picture number two.“ Dann umgekehrt, ich frage: "Which sentences belong to picture number four?". Nun folgt das "lip-reading". Ich forme die Lippen zu den Sätzen, ohne sie zu sprechen und die Schülerinnen erraten den Satz. So gehe ich auch mit der Mimik und Gestik um. Es folgt die Substitution - Phase: Aus "Wir sind alle im gleichen Boot" wird "Wir sind alle im gleichen Auto,

 

im gleichen Fenster, in der gleichen Schule". Ich greife also auf Wörter zurück, die sie bereits kennen. Nun substituieren die Schülerinnen frei. "We're all in the same disco, pullover, submarine, pig, etc.".

 

 

 

Sie substituieren Unsinniges, Pfiffiges und Neues, lassen sich alle möglichen Wörter einfallen. Ihre Englischkenntnisse sind dabei nahezu unbegrenzt. So wird jeder Satz verändert oder erweitert.

 

 

 

In der letzten Phase wird der Text von den Schülerinnen umgeschrieben. Einige verändern nur einzelne Wörter, andere den ganzen Inhalt, Die neuen Texte werden vorgelesen. Einige spielten die neuen Texte vor.

 

 

 

Die nächste Stunde ist die Stunde vor der Klassenfahrt, so dass ich noch nicht mit dem beschlossenen Programm fortfahre. Wir wiederholen einzelne Vokabeln und spielen wieder "Wetten das". Diesmal sind "animals" an der Reihe. "rabbit, horse, cat, tiger, duck, swan, f ish, cow, crocodile, butterfly, pig, fly, hen, dog, bird, mouse, elephant, dragon, snake, hippo und monkey" ist das bereits aktiv vorhandene Vokabular.

 

 

 

In dieser Stunde führe ich auch eine Technik aus der Gestaltpädagogik ein. Auf die Frage "How do you feel today?" antworten die Schülerinnen mit einer Farbe, z.B.: "I feel red". Diese Antwort wurde mit der Zeit immer mehr erweitert: "I feel like a blue mouse", " I feel like seven black nights", "I feel like twenty-seven pink teachers between bananas" oder " I feel like millions of happy yellow flies flying round a candle".

 

 

 

In den nächsten Stunden schreiben die Schülerinnen ihre ersten eigenen Geschichten. Als Hilfestellung biete ich ihnen einige kopierte Seiten aus "Oxford Children's Picture Dictionary"

 

Einige schreiben alleine, andere zu zweit. Wieder gebe ich hier und da ein Wort an, korrigiere Texte, ansonsten habe ich wenig zu tun. Sie hocken zusammen, reden mit einander, schlagen im Wörterbuch nach, einige laufen immer wieder durch die Klasse, beschäftigen sich (scheinbar) auch mit anderen Dingen, aber nach spätestens zwei Unterrichtsstunden sind alle Texte fertig.

 

 

 

Hier einige Beispiele:

 

 

 

At the Zoo

 

The dolphin is a big fish. He lives in the zoo. The monkeys eat bananas. Keepers shake the kids.

 

A boy waves the lion. In the basin there are snakes and crocodiles. A keeper feeds penguins. In a big cage there is an eagle. Many tigers and lions have fresh meat in their cages. A little girl rides on a camel. There are elephans, bears, pandas, hippos and giraffes.

 

 

 

In the rocket it is small.

 

This is an astronaut.

 

This is a space shuttle.

 

This is the sun.

 

This is a space suit.

 

This is a moon.

 

The orbit is nice.

 

This is a world.

 

This is a satellite.

 

This is a planet.

 

This is a star.

 

This is a launch-pad.

 

This is a space station.

 

This is a cotrol-room.

 

This is a space capsule.

 

 

 

The pig is pink.

 

The elephant is red.

 

The horse us brown.

 

The rabbit is black.

 

The cow is black and white.

 

The hen is brown.

 

The cat is white,
The dog is black.

 

 

The plant is green.

 

The lemon is yellow.

 

Milk is white.

 

Sheeps are white.

 

Ponies are brown.

 

 

 

On the farm

 

The farmer must ----- get up---- early ---- in the morning. … The horse pulls the cart with hay in(to) the stable. The son twies (tries to catch)the butterfly (---).The shephard (???) the sheep. The cow (???) fed, the ducks are simming (???), the chicken pick oats.

 

 

 

(und mehr Geschichten. Teilweise mit den Buch, dem Wörterbuch oder mir geschrieben)

 

 

 

Mit den Texten arbeiten wir auf verschiedene Weise: sie werden vorgelesen, die Aussprache wird geübt, einige werden an die Tafel geschrieben, wir korrigieren sie gemeinsam, ich erkläre nicht die Fehler, sondern den richtigen Gebrauch der Sprache, wir schreiben wichtige Vokabeln in die Vokabelhefte, sichern das Verständnis der Texte ab, freuen uns gemeinsam über die geschriebenen Texte.

 

 

 

Zum zweiten und letzten Mal gelingt es mit den Schülerinnen einen der Texte an der Tafel zu analysieren. Sie interessiert doch, wie die englische Aussprache funktioniert. Die Schülerinnen sammeln folgende Regeln: Ein "e" am Schluss eines Wortes wird nicht ausgesprochen, ebenso das "e" vor einem "s" am Ende des Wortes. Sie machen sich gegenseitig vor, wie das "th" ausgesprochen wird, alle Wörter werden irgendwie zusammengezogen, "ph" ist wie "f", "oo" wie "u","i" wie "i" oder "ei", etc. ,etc.

 

 

 

Hierbei war es nicht wichtig (!), ob diese Regeln stimmten. Natürlich hatte ich ihnen zeigen können, das z.B. bei "cages" das "e" wohl ausgesprochen wird oder ein "u" sehr wohl als "u" gesprochen werden kann. Entscheidend war nur, dass sie ihre Wege zur Analyse der Sprache gingen, das sie ihre Lernwege erprobten, und dass ich ihnen Bestätigung und Würdigung gab.

 

 

 

Der Erfolg war verblüffend. Wenn bisher einige Schülerinnen noch zögerlich, ängstlich und fehlerhaft in der Aussprache waren, so begann nun ein großer Teil fließender und mit weniger Fehlern zu lesen und zu sprechen. Es war eben nicht das "sinnlose" oder "entfremdete" Nachmachen englischer Intonation, wie sie Schulbücher so gerne anbieten, sondern sinn-volles und eigenes Produzieren von Textinhalten, Aussprache, Grammatik und Semantik.

 

 

 

So hört Jens, der im "üblichen" Englischunterricht zum Fünferkandidaten gemacht worden wäre, seinen Text mit den Worten auf: "English is good, English is super", und er wird sich bis

 

zum Ende des Schuljahres auf ein "befriedigend" steigern.

 

 

 

In der folgenden Woche werde ich zu einer Fortbildung fahren, so dass ich die letzte Stunde noch "füllen" muss. Ich bitte die Schüler erste kleine Schritte zu einer eigenen Lyrik zu gehen und zeigen ihnen einige einfache Formen .

 

 

 

In den folgenden Tagen, während der Fortbildung, hatte ich Gelegenheit mit einigen Freunden über das bisher Erreichte nachzudenken. Die Schülerinnen hatten mir gezeigt, dass sie bereits Englisch konnten, dass ihre Umgebung von Eltern, Geschwistern, über Lieder, Werbung, Mode, Medien oder Freizeitbereich, bis hin zur Alltagssprache bereits so stark mit englischer Sprache angefüllt ist, dass die Englischfachdidaktik mit ihren Einstiegsrezepten ganz schon daneben liegt. Hier nutzt es auch nichts, dass Piepho [die professorale Heilsgestalt der damaligen Tage] bereits vor Jahren an diesen Tatbestand einging und zur Motivation der Lernenden sie hier und da bereits Bekanntes sammeln ließ. Er bieb, wie andere auch,

 

an dieser Stelle stehn, anstatt hier konsequent weiter zu machen.

 

 

 

Aber dazu muss mensch schon ein bestimmtes Menschenbild haben: Schülerinnen sind keine unwissenden Wesen, denen die neue Sprache geschickt eingelöffelt werden muss, sondern sie sind bereits kompetent und dies macht sie fähig, bei Anerkennung ihrer Kompetenz, noch mehr und besser zu lernen.

 

 

 

Auch hatte sich gezeigt, das verschiedene Freinetmethoden, wie freier Ausdruck, tastendes und forschendes Lernen, entdeckendes, selbstbestimmtes Lernen, als auch erste Schritte zu einem selbstorganisierten,demokratischen Lernen, den Schülerinnen Selbstvertrauen gibt, ihre Lernbereitschaft erhält und, ganz einfach, den Spass am Lernen nicht verdirbt.

 

 

 

Aber die Freinetpädagogik arbeitet noch mit einem anderen Begriff, der "Methode Naturelle". Als einzige "natürliche Methode" des Sprachlernens fiel uns das Leben in der muttersprach-lichen Umgebung ein. Dies kann Schule allerdings nicht organisieren (höchstens in der Ausnahmesituation der Klassenfahrt), und dies kann auch nicht mit dem freinetischen Begriffs

 

der "Methode Naturelle" gemeint sein. Viel eher ist damit als erstes gemeint, dass nicht Lehrer oder Didaktiken bestimmen sollen, wie der Mensch am besten zu lernen hat, sondern dass jeder Mensch das Recht auf seinen Lernweg hat.

 

 

 

Hier war ich mit der bisherigen Arbeit in der Klasse zwar einen Schritt nach vorne gekommen, aber die Lernsituationen waren häufig noch von mir bestimmt, zumindest aber noch oft auf

 

mich bezogen. Ich knüpfte eigentlich nur an die bisherige Kompetenz der Lerner an, lenkte sie aber immer wieder geschickt oder (un)geschickt auf fachdidaktische Lernwege.

 

 

 

Beispiele für allererste Lyr i k

 

 

 

Truth

 

You will regret that

 

I love truth

 

I love

 

 

 

Truth

 

Lucky

 

I love

 

I love good luck

 

I love my mum and Daddy

 

I am lucky

 

I will regret that

 

I love you

 

I love truth

 

I love black tigers

 

I love blue doors

 

 

 

Ich musste damit also bei vielen noch größere Möglichkeiten des Lernens versperren. Sie hatten ihre bisherigen Kenntnisse im Alltagsleben erworben, also in "echten” Lernsituationen. Englischunterricht, auch unser bisheriger, läuft immer wieder Gefahr in simulierte oder aufgesetzt- spielerische Situationen abzugleiten.

 

 

 

Die "Methode Naturelle" hingegen erfordert echte Lernsituationen, die ein echtes Lernen bei allen Lernenden zulässt, denn nur so können die Lernenden ihre naüurlichen Lernwege finden und erweitern. Alle Lernenden müssen also ihre echte Lernsituation finden, das heißt aber wiederum auch, dass sie von der Situation persönlich betroffen sein müssen, dass sie

 

sich selbst herausfordern können.

 

 

 

Dies betrifft dann nicht nur die thematisch-inhaltliche Wahl, sondern auch das Arbeitsthempo,

 

die Methode,den Lernort, als auch die Er- und Verarbeitung, also jene Elememente, die die Freinetpädagogik als ihre Techniken bezeichnet (freier Ausdruck, tastendes und entdeckendes Lernen, Dokumentation der Ergebnisse, Kooperation mit anderen, etc).

 

 

 

Auch hier fanden viele in den bisherigen Stunden einen größeren Zugang zu einer eigenen Lernpraxis, aber noch zu oft wurden diese Wege durch Mehrheitsvoten eingeschränkt.

 

 

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt der "Methode Naturelle" ist der, dass Menschen sich einerseits

 

nur mit Gewalt (Noten,Tests,Verweisen, etc) in einen gemeinsamen Lernprozes zwingen lassen, wenn ihnen gemeinsame Lernwege aufgezwungen werden, andererseits aber das Lernen in der Gemeinschaft, also auch gemeinsame Lernstrategien brauchen.

 

Wenn dies auf "natürliche Weise" gelingen soll, sind alle bekannten "gruppendynamischen

 

Phänomene" unausweichlich, also auch natürlich. Bisher war ich als Fachlehrer mit meinen maximal 4 Stunden wöchentlich so damit umgegangen, dass ich versuchte, "Störungen" selbst zu meistern.

 

 

 

Als Klassenlehrer hatte ich schon seit Jahren erfahren, dass dies nicht meine Aufgabe (alleine?) war, sondern in der Kooperation der Klasse, vor allem im Klassenrat zu bearbeiten war. Ich hatte gelernt, das die inhaltliche, soziale und psychologische Organisation

 

der individuellen als auch gemeinschaftlichen Lernprozesse das Kernstuck einer "Methode Naturelle" in der Klasse war.

 

 

 

Hierbei gibt es keine Zeit zu verlieren, also schnell, schnell zu machen, damit der „Lernstoff“ auch bewältigt wird, sondern umgekehrt wusste ich eigentlich, dass dies natürliche Vorgänge des Lernens sind, dass sich das Sich-Zeit-Nehmen immer auszahlt. In den kommenden vier Wochen wurde ich fast die Hälfte der Zeit auf die Bearbeitung dieses Teils des Lernprozesses

 

auch als Nicht-Klassenlehrer verwenden.

 

 

 

Ich lernte den Schülerinnen mehr Raum und Zeit während der Arbeit zu lassen.

 

 

 

Nur die Auswahl der eigenen Inhalte, der Arbeitspartner und der eigenen Lernwege macht noch keinen natürlichen Lernweg. Lernende brauchen gerade in der Atmosphäre des Nicht-Gegensatzes von individuellem und gemeinschaftlichen Lernen die Akzeptanz ihrer affektiven Elemente, die oft wie "mangelnder Arbeitseifer", "Zeitvergeudung" oder "Störungen" aussehen mögen.

 

 

 

Doch die Kernfrage blieb, mit welchen Informationsquellen, mit welchen Materialien die Schülerinnen arbeiten konnten, da ja der scheinbare Idealfall des Lernens etwa in einer englischen Familie nicht zu erreichen war. Die eine Alternative wäre gewesen, die Schüler-innen dort weiterlernen zu lassen, wo sie bisher ihr Englisch gelernt hatten, nämlich außer-halb der Schule, in ihrer natürlichen Umgebung, Dies lie´ßen die speziellen Bedingungen mit viermal 45 Minuten, als auch die generellen Bedingungen der Schule, zudem ohne epochalisierten Klassenlehrerunterricht nicht zu.

 

 

 

Nur in Einzelfallen gelang es uns, die Schule zum Englischlernen zu verlassen. Die andere Alternative ergab sich aus folgender Überlegung: Wenn die Schülerinnen bereits so viel Englisch ohne die Schule gelernt hatten, da sie ausnahmslos in der Lage waren,

 

die deutsche Sprache oder Familiensprache auch ohne Schule zu lernen,verfugten sie ja auch über eigene, nichtdidaktisierte Lernstrategiekompetenzen zum Sprach- und zum Fremd-sprachenerwerb. Also brauchte ich ihnen „nur“ eine Lernlandschaft anzubieten, die einerseits

 

vielfaltig genug zum Finden eigener Interessen, andererseits vielfaltig didaktische, offen und originar ist.

 

 

 

Seit Jahren hatte ich Materialien aus englischen, amerikanischen und australischen Grund-schulen gesammelt, die sich an den Prinzipien des "discovery learnings" oder des "creative writing" orientierten, ich verfügte über Schmuckstücke aus den englischen Early-Learning-Centers, über gute Materialien unserer klassischen Englisch- Verlage, als auch über einige reformpädagogische Karteien. Ich meine damit nicht jene Karteien, die das Grammatikpauken per spielerischem Arbeitsblatt schmackhaft machen sollen, sondern eben einem bunten

 

Angebot aus den besten Ideen, die in Schule erfolgreich erprobt waren.

 

 

 

 

 

Hier als Beispiel Freie Texte von den Kindern geschrieben:

 

 

 

The English lesson
The English lesson is funny
The English teacher is funny.

 

The class is funny and loud.

 

The English teacher says „Be quiet, please.“

 

The class is loud.

 

The English teacher says louder; Be quiet!“

 

The class does not look.

 

The English teacher cries; „Be quiet.“

 

Mike cries to Babu „Lumpensack“, in German.

 

The English teacher puts Mike out of the door.

 

Now it is quiet. Ten minutes wasted.

 

 

 

(Mit allen Fehlern) In a bushes stoot a black horse. It is tame and shaggy. I will ride. I take the saddel off the horse and the horse open the eaes. So can I sihe the colors of the eaes“ I take my hands off the sholder of the horse and speak a wort with him. His name is Blacky. Than i take the bridle an the heat off Blacky.So I am ready. Than I ride in the mountens. I sing a Song. The Sun is shining and the sky is blue. Out at a beatyvull day with a wundervull horse. I ride a home.

 

 

 

My Dog

 

My dog's name is Bruno. Bruno is one year old. He is a cocker spaniel and is black and white. But the only thing is, nobody can leave him....

 

 

 

(und 2 weitere Texte)

 

 

 

 

 

Wenn ich ihnen also schon kein Lernen in der natürlichsten Sprachumgebung anbieten konnte, so konnte ich ihnen zumindest einige jener Dinge anbieten, die Lehrerinnen der englischsprachigen Länder entwickelten und benutzten, die Lernen ähnlich sehen wie unser Ansatz des selbstbestimmten und natürlichen Lernens. (Heute ist das Online noch viel einfacher).

 

 

 

Wenn ich in dieser Situation dieses Material, diesen Weg aussuchte, bedeutet dies nicht (!), dass dies die einzige Möglichkeit des Lernens war, oder dass, wenn jemand dieses Material nicht hat, ein ähnliches Unterrichten nicht möglich wäre. Andere Wege können das konsequente Weiterarbeiten mit Freien Texten, mit Literatur, Medienmaterialien, wie Kassetten, Filmen, Radio, Video oder anderen Dingen sein, die einen Zugang zu originären Informationen eröffnen.

 

 

 

In der folgenden Stunde stelle ich den Schülerinnen mein Projekt vor: "Ich bringe Dinge aus englischsprachigen Ländern mit. Ihr könnt euch alles angucken und wählt etwas aus, mit dem ihr arbeiten wollt." Viele Fragen kommen, ob sie nur lesen und schreiben müssten, ob sie nur in der Klasse arbeiten durften, ob sie auch zusammen etwas bearbeiten durften, ob ich ihnen auch helfen würde, etc, etc.

 

 

 

Wir stellen einige Regeln auf: Wir nehmen uns 14 Tage Zeit, wir arbeiten einzeln oder zu zweit, gearbeitet wird in der ganzen Schule, wer Hilfe braucht, bekommt sie, aber ich kann immer nur einer Gruppe oder einem Menschen helfen. Wir versuchen während der ganzen Zeit Englisch mit einander zu reden. Andere dürfen bei der Arbeit nicht gestört werden. Alle Formen des Arbeitens sind erlaubt, ob Malen, Experimentieren, Theater oder Sprechen auf Kassette. Am Schlus stellen alle ihre Ergebnisse den anderen vor.

 

Die Schülerinnen stimmen meinem Vorschlag zu. Einstimmig verpflichten sie sich, an selbst

 

zu wahlenden Aufgaben zu arbeiten.

 

 

 

Am nächsten Tag packe ich meine drei Kisten aus, verteile sie auf den Tischen und die Schüler-innen beginnen in den Dingen zu schnüffeln, beratschlagen sich, kommen zu mir, um sich Materialien erklären zu lassen, zeigen sich gegenseitig Gefundenes, einige sitzen in Ecken, um Dinge genauer zu studieren, andere stehen (auf Grund der Fülle der Materialien) unschlüssig, andere feixen herum.

 

Die ersten kommen zu mir und zeigen mir, womitm sie arbeiten wollen. Wir beratschlagen gemeinsam, wie sie damit arbeiten können. Einige beginnen gleich mit der Arbeit.

 

 

 

ln der nächsten Stunde sind wir soweit, das alle etwas gefunden hatten, einige Schülerinnen muss ich länger bei der Auswahl ihrer Materialien und Arbeitsstrategien beraten.

 

 

 

Zwei wählen das ihnen bekannte "Oxford Children's Picture Dictionary" und werden mehrere Bilder mit Bunt- und Wachsmalstiften malen. Sie suchen sich die Bildelemente aus ihrem Buch und integrieren sie in ihre Bilder. Die englischen Begriffe schreiben sie in die Bilder. Zwei wählen "Detectives from Scotland Yard", eine I5seitige illustrierte Geschichte von L.G. Alexander (Longman Structural Readers, Stage 1). Sie werden in intensivster Arbeit

 

den gesamten Text übersetzen. Sie bitten mich, die gesamte Geschichte auf Kassette zu sprechen, was sie sich wahrend der Arbeit immer wieder anhören.

 

 

 

Zwei nehmen ein "Kingfisher"-Buch aus der Serie "Fun with science" und wollen am Thema "water" (ISBN 0-86272-290-x) arbeiten.

 

 

 

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Kreatives Schreiben“ beim Verlag an der Ruhr erhältlich. Im australischen Orginal heißt sie „Crazy ideas for frenzied teachers and pupils – a survival kit for teachers of the writing process“

 

(fünf Karten aus der Kartei sind zu sehen. Die nächste Seite zeigt Bilder aus Flags (the Making of the Union Jack), eine Seite aus „Detectives from Scotland Yard“ und eine Seite aus dem Buch „Animal Homes“ mit dem Titel „On the Seashore“.

 

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Sie werden auf ihrem Tisch Experimente mit Seifenschaum, Gläsern, Schläuchen und Strohhalmen durchführen, wobei sie sich immer wieder durch die englischen Erklärungen beißen. Eine nimmt ein amerikanisches Kinderbuch "Open Sesame". Sie will Texte schreiben, wird aber immer nur lesen. Einer liest ein "Kingfisher Explorer Book" mit dem Titel "The Planets" (ISBN 0-86272-262-4), ein anderer "Stonehenge & Avebury (Pitkin Pictorials,ISBN 0-85372-305-2).

 

 

 

Zwei arbeiten mit "Print and Paint" (Knowhow Books, Usborne.ISBN 0-86020-011-6) und experimentieren mit verschiednen Maltechniken nach der englischen Anleitung. Zwei vertiefen sich in "The Superbook of Flags" (Kingfisher Kingpins,ISBN 0-86272-193-8), erarbeiten eine Wand-zeitung mit allen Flaggen der Erde und lesen und lesen. Zwei benutzen ein Ladybird Book "Dinosaurs" und werden alle Dinosaurier auf Folien zeichnen, um einen Vortrag auf Englisch zu halten. Zwei lesen "Sherlock Holmes and the Dancing Men" (Longman). Zwei machen Experimente, basteln mit "Air" (Fun with science, Kingfisher, ISBN 0-86272-287-x).

 

 

 

Eine findet ein Buch mit Nursery Rhymes und wird die ganze Zeit nichts anderes tun, als diese abschreiben. Zwei schreiben eigene Texte mit einer australischen Kartei "Fantastic

 

ideas for frenzied teachers and pupils" (Holmes McDougall Australia, ISBN 1-86251-000-7), eine andere mit Freie Texte selber schreiben in Deutsch und Englisch,Verlag an der Ruhr,ISBN 3 924884-70-6). Weiter wird gearbeit mit "Exploring Reading and Writing,,Letts,ISBN 0-85097-832-7),"Animal Homes“, Kingfisher, ISBN 0-86272-258-6) und "Your amazing Senses" (Child's Play,ISBN 0-85953-284-4).

 

 

 

Drei weitere schreiben nur eigene Texte, ohne ein direktes Hilfsmittel. Sie stöbern, wie viele andere

 

während der ganzen Zeit in anderen Materialien, die noch ausliegen.

 

 

 

Soweit glaubte ich, einen Überblick über das belalten zu haben, was die Schülerinnen taten. Die

 

Wirklichkeit der folgenden Stunden sah anders aus: Ich habe im Grunde genommen überhaupt keinen Uberblick mehr. Einige sitzen und lesen oder schreiben, andere sind auf dem Gang an den Tischen,andere wuseln und wimmeln durch die Klasse, reden mit einander, werden auch laut, arbeiten sie oder arbeiten sie nicht? Lernen sie oder nicht? Lernen sie genug? Lernen sie nicht auch falsche Dinge?

 

 

 

Wenn jetzt einer reinkomrat und dich fragt, ob das Unterricht ist? Aus anderen Fächern kannte ich freie Arbeit und projektorientiertes Arbeiten. Aber in Englisch? Und ein solches Durcheinander!

 

 

 

Ich versuche wieder zu beobachten. Da sehe ich welche arbeiten, also, sie sahen für mein Lehrerauge so aus, als ob sie arbeiteten. Aber da, der macht doch alles andere als Englisch, der macht Quatsch, die traumt doch........

 

 

 

Ich unterhalte mich im Kreis mit den Schülerinnen. Natürlich lernen sie, antworten alle, das klappt, macht Spass,... ja, aber ihnen wäre auch zu laut.

 

 

 

Wir organisieren gemeinsam, wer wo arbeitet, wie arbeitet, wir stellen weitere Regeln auf, aber "bitte nicht mit dieser Form der Arbeit aufhören".

 

 

 

Ich halte also durch, auch wenn es meiner klassischen Lehrerhälfte, geformt durch die gute alte Englischdidaktik, schwer fällt.

 

 

 

Es kommt der Tag der Vorstellung der Arbeitsergebnisse. So, denke ich, nun wird sich zeigen, ob dieses Arbeiten funktioniert hat. In den letzten Jahren meines freinetischen Unterrichts

 

waren die Vortrage in Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Biologie, Wirtschaftslehre, Musik oder

 

Kunst immer die Highlights, die meine anfänglichem Unsicherheit abbauten. Hier zeigte sich immer, was noch zu tun war, aber vor allem, was die Schülerinnen alles gelernt hatten.

 

 

 

Die erste Gruppe stellt ihre "dinosaurs" vor, mein Herz schlägt höher, ein toller Vortrag. Nur, die Schülerinnen gucken etwas gelangweilt, weil sie den größten Teil des vorgetragenen Textes, gespickt mit vielen Fachtermini gar nicht verstehen. Sie scheinen aber das gute Niveau des Vortrags zu erspüren und applaudieren.

 

 

 

Dann folgt die Gruppe, die die Bilder nach englischen Anleitungen gemalt hatte. Sie hatte ich im Verdacht, nicht besonders intensiv gearbeitet zu haben. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie haben eine Unmenge von Bildern produziert, die sie vorzeigen.

 

 

 

Jetzt folgt die Gruppe mit den Wasserexperimenten. Sie hatten wirklich gut gearbeitet, mit mir ihren Vortragstext abgesprochen. Aber sie führen nur einen Versuch vor und bringen kein gescheites englisches Wort heraus. Ich verzweifle! Und die Stunde ist zu Ende.

 

 

 

In der nächsten Stunde machen die Schülerinnen mir klar, das sie überhaupt keine Vortrage halten wollen. "Wir wissen, was die anderen gemacht haben.... Wir haben auch von einander gelernt. Wir haben alle sehr viel gelernt, und das reicht!"

 

Wir einigen uns darauf, das jede Gruppe ihre wichtigsten Wörter und Redewendungen ihrer Arbeit für die Vokabelhefte vortragt und dann die Arbeit beenden.

 

 

 

Viel später wurde mir erst klar, wie wichtig und gut diese Arbeitsphase war. Die Schülerinnen hatten wirklich ungeheuer viel gelernt, der Wortschatz, die Grammatik und die Semantik hatten sich nicht nur bei den einzelnen verschieden erweitert, auf was wir bei der weiteren Arbeit immer wiederzuruckgreifen konnten, sie hatten sich auch gegenseitig Englisch beigebracht. In den nachsten Wochen und Monaten hatten Schulerinnen Redewendungen

 

und Worter parat, die ich weder frontal, noch genau diesen Schülerinnen vermittelt hatte. Sie

 

mussten sie selber weitergegeben und abgeholt haben.

 

 

 

Sie alle waren auch sicherer geworden im Gebrauch der englischen Sprache. Und hier scheint

 

mir der entscheidende Vorgang zu stecken: Ich hatte sie nicht gezwungen, auf meine oder der

 

Didaktik-Art Englisch zu lernen.

 

 

 

Ich hatte sie nicht gezwungen alles richtig machen zu müssen, ihnen also ständig nach-zuweisen, wie viele Fehler sie machten. Sie hatten ganz einfach ihren "Ansatz" gefunden. Sie lernten, was sie lernen wollten und konnten(!).

 

 

 

Sie hatten Zeit, sich zu bestätigen, dass sie Englisch lernen konnten und wollten. Hier trat nicht der berühmte Knick auf, über den sich alle Englischlehrerinnen immer so wundern; "Zu Anfang haben alle sooo eine große Lust Englisch zu lernen. Das Fach ist noch unbelastet

 

von den bisherigen Schulerfahrungen. Aber leider verliert sich das nach einiger Zeit, obwohl

 

ich wirklich mein bestes versucht habe".

 

 

Ich denke, hier war wirklich der Ansatz einer "Methode Naturelle", eines Lernens, das nicht zur Lehr-Beherrschung wird.

 

 

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Materialien der letzten Seite zeigen einen dieser Versuche.

 

Activity 3 TIMERS AND CLOCKS

 

Balancing clocks

 

The drawings that follow show some timers and clocks that you can make. Try some of these.

 

How accurate are they?

 

In your notebook, write about any problems you had when making the clocks. Say how you solved your problems. If there were any clocks or timers you could not get to work, explain why.

 

aus: Science for Primary Schools

 

SF King. Book 4A

 

London

 

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In was für eine Situation brachte ich z.B. die Gruppe mit den Wasserexperimenten! Sie hatten gut gearbeitet und wussten es. Mein Versuch, sie dann "vorzuführen", musste bei ihnen nur Unverständnis hervorgerufen haben, da es für sie keinen Sinn ergab, außer jenem, das Schule "so etwas" immer tut.

 

 

 

Sie respektiert nicht das Selbst-Gelernte, sondern alzu häufig die Lern-Domestizierung. Ich erklärte den Schülerinnen, das sie recht hatten, als sie keine Vortrage halten wollten und dass ich es respektierte, wie sie gearbeitet hatten und dass ich ihrem Lernen vertraute.

 

 

 

Dies bedeutet nicht, das "Vorträge" oder "Vorführungen" im Englischunterricht falsch am Platze sind. Sie gehörten nur nicht an diese Stelle, und sie dürfen nicht direktes oder indirektes Kontrollieren für die Lehrenden werden. Die Schülerinnen haben später etwas vorgeführt, wenn sie das Bedürfnis hatten, ihre Erarbeitungen zu präsentieren.

 

 

 

In den folgenden Stunden versuchte ich mit den Schülerinnen noch diesen anderen Weg eines natürlichen Lernens, dem Lernen an der direkten Umgebung zu gehen.

 

Mit Klebeband und Filzschreibern beschriften wir das gesamte Wortfeld "Klasse", wir untersuchen unsere gesamte Kleidung auf englische Worter. Alleine die Aufschriften und Labels in der Kleidung liefern uns über 50 verschiedene Wörter. In einer anderen Stunde gehen sie in den Ort, um englische Begriffe in Schaufenstern, auf Plakaten, Schildern, etc zu sammeln. Eine Gruppe von 5 Schülerinnen bringt es alleine auf über 100 Begriffe.

 

 

 

Der Eifer der Schulerinnen wächst mit diesen "Entdeckungen". Sie setzen nun auch außerhalb der Schule bewusst fort, was sie vorher schon unbewusst begonnen haben, sie lernen in ihrer natürlichen Umgebung Englisch. Immer haufiger stellen sie Fragen zu Dingen, die sie irgendwo entdecken.

 

 

 

Nun loöe sich auch ihr Interesse wieder von der direkten Umgebung, Sie waren beeit auch mehr zu lernen, als diese ihnen bot. Sie wählen sich Wortfelder, die sie in Gruppen mit Worterbüchern und aus dem eigenen Wissen zusammenstellen. Sie organisieren kleine Quizspiele fur andere Gruppen.

 

 

 

Ich arbeite mit Wortfeldmappen. Bilder werden Wörtern zu geordnet. Dann werden

 

die durch die Bilder verdeckten Worter von den Schülerinnen gesprochen. Zur Kontrolle

 

wird das Bild einfach hochgehoben.

 

 

 

Spatestens seit dem "We’re all in the same boat"-Dialog hatte ich mir abgewöhnt, etwas zu schwierig für die Schülerinnen zu halten. Als aber zwei Schüler nach der Mappe "The end of the 2nd World War" griffen, riet ich ihnen ab: "Das ist zu schwer" ist aber wohl nur der

 

Auslöser für unser altes Wettspiel. Nach wenigen Minuten lagen alle Bilder auf den richtigen Texten. „Zu schwierig“ ist mein Problem. Ich kann es nun an Schüler*innen abgeben.

 

 

 

Sie wollen nun etwas ganz anderes machen. Wir überlegen lange, bis der Vorschlag kommt englische Lieder zu lernen. In der nächsten Stunde singen ich gut 50 verschiedene

 

Lieder an, die Schülerinnen signalisieren per Handzeichen, welche sie singen wollen. In den nächsten Tagen und Wochen lernen wir viele, bis zum Ende des Schuljahres gut 30 Lieder, von Old McDonald über 500 Miles, Dirty old town, Tom Dooley bis hin zu Love me tender und I am sailing.

 

 

 

Mal schreibe ich die Texte an die Tafel, die Schülerinnen sie ab, mal verteile ich kopierte Texte mal singen wir so. Gemeinsam sichern wir den Sinn der Texte, üben kurz die Aussprache

 

und singen. Ich versuche nie, die Liedtexte als Motivation fur einen "höheren" Lernzweck

 

zu missbrauchen. Trotzdem behalten sie die Texte gut und werden im zukünftigen

 

Unterricht Worter und Redewendungen us Liedern brauchen.

 

 

 

Mit den Liedern kam ein Einschnitt in unsere Arbeit. Ich wusste, dass ich mit größter

 

Wahrscheinlichkeit die Klasse nach diesem Jahr abgeben wurde. Das Problem war jetzt, dass Englischlernen an der Schule leider nicht nur den Sinn hat, die englische Sprache zu lernen, sondern (vor allem?) Klassenarbeiten so zu schreiben, das mensch einem Erweiterungs-oder Grundkurs zugeteilt werden kann. Oder, um es für Gesamtschulbedingungen noch genauer

 

zu beschreiben: die "Leistungen" werden bei der Zuordnung mit dem Stand der anderen

 

Klassen verglichen.

 

 

 

Und diese Leistungen beziehen sich auf die Vorgabe des Englischbuchs. Dieses hatten wir bisher nicht angerührt. Bisher hatte ich die Frage, ob oder wann wir auch mit dem Buch arbeiten sollten, offen gelassen, da ich zwei Jahre bis zur großen auch an der Gesamtschule sozial selektierenden Differenzierungslogik herkömmlichen Englischunterrichts Zeit gehabt hatte.

 

 

 

Bisher hatten sich die Schülerinnen bei den Abstimmungen klar gegen das Buch entschieden,

 

als ich ihnen den Sachverhalt wie oben erklärte, stimmten sie dem Buchunterricht zu.

 

 

 

Drei Wochen vor Ende des Schuljahres hatten wir die parallelen Klassen überholt.

 

Einerseits lernten die Schülerinnen ihre Lektionen locker, vieles konnten sie anderes empfinden. Englisch war nie schwer.

 

 

 

Wir machten noch viele Dinge zwischendurch, ein englisches Gedicht bis zu einem eigenem Text substituieren, freie Texte schreiben, mit der Mentor-Lernhilfe Englisch arbeiten, Grammatik lernen, die noch gar nicht dran war (prepositions, Pastformen), Wortfelder lernen und natürlich viel singen.

 

 

 

Aber da tauchten auch die mir so bekannten Probleme des Englischunterrichts auf: Bei "and here's your new class" wurde das beruhmte "nef" gelesen. Ich sagte "nju", aber eine Minute später hieß es wieder "nef", einige schalteten immer wieder ab und, - die Mehrzahl lernte keine Vokabeln.

 

 

 

Und ich langweilte mich mit diesen uninteressanten, bezugslosen und sinn-losen Texten genauso wie die Schülerinnen. Aber die Schülerinnen hielten durch. Sie konnten bereits

 

Englisch und das Buch war nicht mehr ln der Lage, ihnen klar zu machen, wie „wenig sie konnten“. Sie lösten sich freudig und bereitwillig bei jeder Möglichkeit vom Buch, um auf anderen Wegen selbst zu lernen.