Umsetzung freinetpädagogischer Ansätze
in der Grundschule Harmonie
Bachelorarbeit
im Studiengang Fachbezogene Bildungswissenschaften
des Fachbereiches 12 Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Bremen
von
Verfasserinnen:
Antonia Specht Gesa Balke
Robert-Bunsen-Str. 72 Katrepel 12
28357 Bremen 27711 Osterholz-Scharmbeck
Matrikelnr. 2244792 Matrikelnr. 2245178
Betreuerinnen:
1. Prüferin: Anja Oettinger
2. Prüferin: Barbara Daiber
Abgabetermin:
12. August 2010

 


»Unsere Aufgabe ist es, eine Pädagogik zu finden, bei der das Kind soviel wie möglich die Richtung, in die es gehen soll, auswählt.«
»Darum bemüht sich unsere Pädagogik, indem sie dem Kind soviel wie möglich das Wort gibt, … ihm ein Maximum an Initiative überlässt, und indem sie bestrebt ist, es mehr aufzumuntern als zu dirigieren.«
»Die Demokratie von morgen wird durch die Demokratie in der Schule vorbereitet.«
»Man kann nur in Würde erziehen.
Respektiert die Kinder so, wie diese ihre Lehrer respektieren sollen,
das ist eine der ersten Bedingungen zur Erneuerung der Schule.«
(Freinet zitiert nach Hagstedt 2003, S. 271)
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ................................................................................................................ 4
2 Theoretische Grundlagen ....................................................................................... 7
2.1 Célestin Freinet ......................................................................................................... 7
2.1.1 Lebenslauf von Célestin Freinet ........................................................................................ 7
2.1.2 Bausteine der Freinet-Pädagogik ..................................................................................... 10
2.1.2.1 Freie Entfaltung der Persönlichkeit (Antonia Specht) ............................................ 11
2.1.2.2 Die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt (Antonia Specht) .................... 15
2.1.2.3 Selbstverantwortung des Kindes (Gesa Balke) ....................................................... 17
2.1.2.4 Kooperative Arbeit und gegenseitige Verantwortlichkeit (Gesa Balke) ................ 22
2.1.3 Das Demokratieverständnis Célestin Freinets ................................................................. 26
2.2 Grundschule Harmonie .......................................................................................... 30
2.2.1 Grundschule Harmonie .................................................................................................... 30
2.2.2 Pädagogisches Konzept der Grundschule Harmonie ....................................................... 33
2.2.2.1 Umgang mit Vielfalt und Unterrichtsqualität (Gesa Balke) ................................... 33
2.2.2.2 Verantwortung (Gesa Balke) .................................................................................. 36
2.2.2.3 Schulklima, Schulleben und außerschulische Lernpartner (Antonia Specht) ......... 39
2.2.2.4 Schule als lernende Institution (Antonia Specht) .................................................... 41
3 Forschungsdesign ................................................................................................. 44
3.1 Explikation der Fragestellung ............................................................................... 44
3.2 Dokumentenanalyse ............................................................................................... 47
3.2.1 Vorstellung der Methode ................................................................................................. 47
3.2.2 Datenerhebung ................................................................................................................. 49
3.2.3 Datenauswertung ............................................................................................................. 50
3.2.4 Reflexion der Forschungsmethode .................................................................................. 56
3.3 Experteninterview mit Leitfragen ......................................................................... 58
3.3.1 Vorstellung der Methode (Antonia Specht) ..................................................................... 58
3.3.2 Datenerhebung ................................................................................................................. 60
3.3.3 Datenauswertung ............................................................................................................. 61
3.3.4 Reflexion der Forschungsmethode .................................................................................. 66
Inhaltsverzeichnis
- 3 -
3.4 Teilnehmende Beobachtung .................................................................................. 69
3.4.1 Vorstellung der Methode (Gesa Balke) ........................................................................... 69
3.4.2 Datenerhebung ................................................................................................................. 71
3.4.3 Datenauswertung ............................................................................................................. 76
3.4.4 Reflexion der Forschungsmethode .................................................................................. 94
4 Zusammenfassung ................................................................................................ 96
5 Fazit ..................................................................................................................... 100
6 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 103
Anlagen ....................................................................................................................... 106
Eidesstattliche Erklärung ........................................................................................... 161
1. Einleitung
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1 EinleitungEinleitung
Demokratie wird in der gegenwärtigen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland täglich gefordert. Obwohl die Bedeutsamkeit von Demokratie somit in den deutschen Schulen auf der Hand liegen sollte, findet diese dort nur selten ihre Anwendung. Von so vielen gepredigt, doch von so wenigen gelebt! Der Schein von Demokratie wird durch sporadische und unbedeutsame Mitbestimmungsmöglichkeiten gewahrt. Auf diese Weise findet eine Verantwortungsübernahme durch die Kinder nur in einem geringen Maße statt. Die Qual der Wahl zwischen dem täglichen Tafeldienst, dem Verteilerdienst oder auch dem Blumendienst zeigt den Grad der Mitbestimmung von Kindern in vielen gegenwärtigen Grundschulen.
Doch es geht auch anders! Diese Erkenntnis hatte der französische Pädagoge Célestin Freinet schon vor rund 100 Jahren, indem er die Demokratisierung von Schule forderte. Sein damit einhergehendes demokratisches Verständnis von Schule findet sich in dem vorangestellten Zitat wieder, das über der gesamten Arbeit steht. Dieses scheint eine Idealvorstellung zu sein, der kaum eine Schule gerecht werden kann. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Grundschule Harmonie in Eitorf bei Köln bildet eine solche Ausnahme. Hier wird Demokratie GROSS geschrieben. Aus diesem Grund beschäftigt sich die folgende Arbeit mit der Frage nach der „Umsetzung freinetpädagogischer Ansätze in der Grundschule Harmonie“ mit dem Schwerpunkt eines demokratischen Verständnisses von Schule. Ausgehend davon ist es zusätzlich unser Anliegen zu untersuchen, wie die Kinder der Grundschule Harmonie mit den demokratischen Strukturen an dieser Schule umgehen und wie sie diese nutzen bzw. in der Lage dazu sind.
Das Thema begründet sich aus zweierlei Hinsicht. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht begründet sich unser Thema dahingehend, dass die Freinet-Pädagogik einen Ansatz darstellt, der Schule reformieren und somit modernisieren kann. Speziell in Bezug auf die Demokratisierung von Schule besteht eine Notwendigkeit, Schule dahingehend zu entwickeln, dass den Kindern eine Verantwortung für ihr eigenes Lernen zugesprochen wird. Célestin Freinet liefert diesbezüglich Möglichkeiten. Die Anwendung dieser möchten wir in der Grundschule Harmonie untersuchen. Ausgehend von unserer persönlichen Sicht trägt unser Thema ebenfalls eine Relevanz. Die Grundlage für unser Interesse an der Freinet-Pädagogik entsprang dem Seminar „Gestaltung von Lernumgebungen: Freinet-Pädagogik“, das wir im Rahmen unseres Studiums belegten. Infolgedessen entwickelten wir beide ein persönliches Interesse daran, uns mit einer alternativen Gestaltung von
1. Einleitung
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Schule und damit auch von Unterricht zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang sind wir auf die Grundschule Harmonie und deren Schulkonzept gestoßen. Hier findet sich unsere persönliche Relevanz für das Thema unserer Bachelorarbeit wieder.
Bevor wir den Aufbau unserer Arbeit näher erläutern, möchten wir erwähnen, dass wir die Bachelorarbeit zu zweit geschrieben haben. Im Inhaltsverzeichnis erhalten die LeserInnen eine Auskunft darüber, welche Inhalte einzeln und welche in Zusammenarbeit entstanden sind.
Der Aufbau unserer Arbeit ist besonders durch zwei Hauptteile gekennzeichnet. Im ersten Teil ist es für die Untersuchung unseres Forschungsthemas bedeutsam, eine theoretische Grundlage dafür zu schaffen. So ist es für die Erforschung der freinetpädagogischen Ansätze in der Grundschule Harmonie in einem ersten Schritt wichtig, das Leben und Schaffen des Reformpädagogen Célestin Freinets vorzustellen. Daran anschließend folgt eine Auseinandersetzung mit seiner Pädagogik. Dieser Schritt dient zum einen dazu, die Philosophie der Freinet-Pädagogik begreiflich zu machen, um somit zum anderen einen späteren Vergleich mit der Grundschule Harmonie zu ermöglichen. Da der Schwerpunkt der Arbeit auf dem Demokratieverständnis Freinets beruht, folgt danach die Darlegung dessen. Dazu werden wir den Begriff Demokratie zunächst definieren.
Die theoretische Grundlage beinhaltet außerdem die Vorstellung der Grundschule Harmonie sowie deren pädagogisches Konzept. Diese Struktur begründet sich darin, dass die Schule unseren Forschungsgegenstand darstellt. Ein Vergleich zur Freinet-Pädagogik kann nur dann stattfinden, wenn auch die Grundschule Harmonie mit ihrem Schulkonzept im Vorfeld vorgestellt wird.
Im zweiten Teil unserer Arbeit findet die eigentliche empirische Untersuchung ihre Anwendung. Diese basiert überwiegend auf Daten, die wir während einer Hospitationswoche vom 26.04-30.04.2010 in der Grundschule Harmonie erhoben haben. Nachdem wir in einer Explikation erneut unser Forschungsvorhaben auf den Punkt bringen und unser weiteres Vorgehen vorstellen, kommt es zur Auseinandersetzung mit herangezogenen Forschungsmethoden, die zur Beantwortung unserer Fragestellung dienen sollen. Hierfür werden wir zunächst die Methode der Dokumentenanalyse anwenden. Daran anschließend wird die Methode des Experteninterviews mit dem Schulleiter der Grundschule Harmonie Gegenstand unserer Arbeit sein. Schließlich bildet die Methode der teilnehmenden Beobachtung den Abschluss unserer Forschungsarbeit. Unsere Vorgehensweise kennzeichnet sich dabei durch einen Vierschritt. Nachdem es zuerst zu
1. Einleitung
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einer Vorstellung der Methode kommen wird, werden wir danach die Datenerhebung dieser beschreiben. Im Zentrum dieses Vierschritts steht die eigentliche Auswertung der erhobenen Daten durch die Methode. Zuletzt wird es zu einer Reflexion der Forschungsmethode kommen.
Nach den zwei Hauptteilen unserer Arbeit kommt es zu einer Zusammenfassung unserer empirischen Untersuchung und damit zur endgültigen Beantwortung unserer Fragestellung.
Den letzten Teil bildet das Fazit über die gesamte Arbeit. Hier werden wir sowohl zusammen als auch jeweils einzeln zu einem Endresümee kommen.
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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2 Theoretische GrundlagenTheoretische Grundlagen
2.1 Célestin Freinet
2.1.1 Lebenslauf von Célestin Freinet
Célestin Freinet wurde am 15.10.1896 in Gars, einem kleinen Dorf in Südfrankreich, geboren. Als Sohn einer kleinbäuerlichen Familie lebte er mit seinen sieben Geschwistern in einfachen Verhältnissen, sodass er schon früh mithelfen musste, die Familie zu ernähren (vgl. Jörg 2007, S. 93). Durch das ländliche Leben entwickelte Freinet eine enge Verbundenheit zur Natur und „[dieser] Hintergrund bleibt eine Inspirationsquelle seiner Pädagogik (…)“ (Skiera 2003, S. 312) (vgl. Skiera 2003, S. 312). Seine schulische Laufbahn empfand Freinet oftmals als negativ. Diese Erinnerungen aus der Kindheit waren für ihn ein Anstoß dafür, Schule zu verändern (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 14).
Célestin war ein guter Schüler und wurde infolgedessen vom Lehrerkollegium für ein Lehrerstudium empfohlen. Daraufhin begann er 1913 das Lehrerseminar, auch „Ecole Normale d’instituteurs“ genannt (vgl. Skiera 2003, S. 312). Mit dem Vorschlag eines Lehrerstudiums ermöglichte seine Schule Freinet diesen akademischen Werdegang, der zu dieser Zeit für sein soziales Milieu die Ausnahme bildete. 1915 musste Freinet sein Lehrerstudium beenden, da er in den Kriegsdienst eingezogen wurde. Während des 1. Weltkrieges erlitt Freinet eine schwere Lungenschussverletzung (vgl. Jörg 2007, S. 93). Aufgrund dieser Kriegsverletzung und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen in der Ausübung des Lehrerberufes schließen heutzutage viele daraus, dass sich die in Freinets Konzept bestehende Selbsttätigkeit der Kinder darauf zurückführen lässt. Diese Annahme ist allerdings kontrovers umstritten (vgl. Dietrich 1995, S. 14). Bedingt durch seine schwere Lungenverletzung verbrachte Freinet vier Jahre lang in Lazaretten und Sanatorien. Diese Phase seines Lebens nutzte er, um sich mit der zu dieser Zeit aktuellen Pädagogik auseinanderzusetzen, „(…) die eine natürliche, naturnahe und kindgemäße Erziehung propagiert“ (Jörg 2007, S. 94) (vgl. Jörg 2007, S. 93f).
Trotz seiner Kriegsverletzungen konnte Freinet 1920 seine erste Anstellung in einer Dorfschule in Bar-sur-Loup antreten. „Hier beginnt nun in den nächsten Jahren die Entwicklung der Freinet-Pädagogik zu einer weltweiten pädagogischen und politisch-pädagogischen Bewegung“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 14). Auch dort beschäftigte er sich weiterhin mit reformpädagogischen Ansätzen seiner Zeit und knüpfte Kontakte zu internationalen Reformpädagogen wie beispielsweise Ovide Decroly oder Peter Petersen
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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(vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 14f). Darüber hinaus nutze er die pädagogischen Ideen dieser bedeutenden PädagogInnen, um sie selbst in seiner Arbeit als Lehrer in Bar-sur-Loup zu erproben. Auf dieser Basis entwickelte Freinet seine individuelle Konzeption, in der sich einzelne Elemente verschiedener reformpädagogischer Ansätze wiederfinden (vgl. Dietrich 1995, S. 16). Ein Beispiel ist das Drucken von Schüleraufsätzen, das er als Anregung von Ovide Decroly übernahm, um „(…) den Kindern das Wort zu geben“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 15) (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 14f). Dieser Leitspruch bildete damals wie heute die Grundlage der Freinet-Pädagogik.
Im Rahmen des Reichsgrundschulgesetzes wurde 1920 in Deutschland entschieden, dass „(…) fortan die Kinder aller sozialen Schichten ohne Unterschied wenigstens während der ersten vier Jahre die damals erstmalig sogenannte ‚Volksschule‘ besuchen mußten“ (Jörg 2007, S. 94). Dieses neue Gesetz entsprach den pädagogischen und besonders politischen Vorstellungen Freinets, dass „(…) allen Kindern aller Volksschichten ohne Unterschied des Standes die gleichen Ausbildungschancen geboten und dadurch soziale Ungerechtigkeiten abgebaut werden“ (Jörg 2007, S. 94) (vgl. Jörg 2007, S. 94).
Im Jahr 1924 wurde deutlich, dass Freinets Ideen Anklang in der internationalen Pädagogik gefunden haben. Mit dem Ziel einer Neuorientierung von Schule sowie seinen politischen Absichten der Gleichberechtigung bei Bildungschancen gründete er im selben Jahr gemeinsam mit Gleichgesinnten eine eigene Kooperative, die „Cooperative de l’Enseignement Laic“ (C.E.L.), aus der sich später die Bewegung der „Ecole Moderne“ entwickelte. Aufgrund der politischen Ziele ist die Pädagogik Freinets von anderen Reformpädagogen seiner Zeit zu unterscheiden (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 15).
Im Jahr 1926 heiratete Célestin seine Frau Elise, die seine pädagogischen Ansichten teilte und half diese weiterzuentwickeln. Somit wurde sie für Freinets Arbeit zur engsten Vertrauten. In diesem Zeitraum trat Freinet der kommunistischen Partei Frankreichs bei, die er jedoch in den Fünfzigern wieder verließ (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 15). Die Gründe dafür waren von Anfang an bestehende Differenzen in Bezug auf die Sichtweise von Schule (vgl. Jörg 2007, S. 97).
Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Freinet und der Schulbürokratie kam es 1928 zu einer Versetzung nach St. Paul, da sich die traditionelle Schule durch die zunehmend popularisierte Ecole Moderne in Frage gestellt sah (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 15). 1935 gründete Célestin gemeinsam mit seiner Frau Elise ein privates Landerziehungsheim in Vence. Dies zeigte deutlich, dass er sich aufgrund seiner persönlichen Ideale vom
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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staatlichen Schulwesen abwendete und somit eigene Wege einschlug (vgl. Jörg 2007, S. 98). Sein Landerziehungsheim gestaltete Freinet nach seinen Vorstellungen, indem er „(…) die sinnvolle und schöpferische Arbeit des Kindes und die Arbeit, die zur Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes entscheidend beiträgt“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 15) in den Mittelpunkt kindlichen Alltags stellt (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 15).
In der Zeit von 1941–1944 befand sich Célestin Freinet aufgrund des 2. Weltkrieges in einem Internierungslager. Dies war der Entstehungsort fundamental bedeutender Schriften seiner Pädagogik wie zum Beispiel das von ihm verfasste Buch „L’Ecole Moderne Française“.
Nach dem 2. Weltkrieg konnten Freinet und seine Frau Elise ihr Landerziehungsheim erneut eröffnen und ihre pädagogische Arbeit in Vence fortsetzen. Es folgen weitere schriftliche Arbeiten des Ehepaars Freinet, die heute als zentrale Werke seiner Pädagogik gelten (vgl. Eichelbeger, Filice 2003, S. 15f).
Für die internationale Organisierung der Freinet-Bewegung wurde im Jahr 1961 die „Féderation Internationale des Mouvements de l’Ecole Moderne“ (FIMEM) gegründet. Zu dieser Zeit hatte sich die Freinet-Pädagogik längst zu einer weltweit bekannten Bewegung mit zahlreichen Anhängern entwickelt.
Im Alter von 70 Jahren starb Célestin Freinet 1966 in Vence. Mit seinem Tod „verliert [die Freinet-Bewegung] zwar ihren Gründer und ihre Galionsfigur aber nicht ihre pädagogische Bedeutung als schulerneuernde pädagogische Kraft“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 16) (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 16).
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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2.1.2 Bausteine der Freinet-Pädagogik
Nachdem Célestin Freinet als Mensch, Lehrer, Reformpädagoge und politisch aktiver Bürger vorgestellt wurde, soll nun in einem nächsten Schritt das Konzept der Freinet-Pädagogik in den Mittelpunkt gestellt werden.
Für die Entwicklung seiner Pädagogik mit dem Ziel der Veränderung der herkömmlichen Schule ließ sich Freinet, wie bereits im Lebenslauf dargestellt, von den führenden ReformpädagogInnen inspirieren: „Er erprobte Arbeitsformen und Lernmittel, die von den großen Anregern der internationalen Reformpädagogik entwickelt wurden, und baute deren Ideen produktiv in seine Organisation der Arbeit im Klassenzimmer ein“ (Dietrich 1995, S. 16) (vgl. Dietrich 1995, S. 16). Somit verstand es Freinet, seine Pädagogik aus ausgewählten, schon bestehenden theoretischen Ansätzen zusammenzuführen und diese darüber hinaus auch praktisch umzusetzen. Der Zusammenhang zwischen Célestin Freinet und der Reformpädagogik wird vor allem durch die „Pädagogik vom Kinde aus“ deutlich (vgl. Köster 2005, S. 76): „(…) um sich zu bilden, genügt es nicht, daß das Kind jeden Stoff in sich hineinfrißt, den man ihm mehr oder weniger spannend serviert: es muß selbst handeln, selbst schöpferisch sein. Und es muß vor allem in einer angemessenen Umgebung leben können (…)“ (Freinet zitiert nach Köster 2005, S. 76).
Die Konzeption der modernen Schule beinhaltet nach Freinet den politischen Anspruch einer „Schule des Volkes“. Dies wurde bereits im Lebenslauf deutlich, soll an dieser Stelle allerdings noch einmal hervorgehoben werden: „Es geht ihm nicht um eine Eliteschule, sondern um eine Schule für alle, in der gerade auch die in der Gesellschaft am meisten Benachteiligten sich entfalten können“ (Baillet 1999, S. 16). Darum war es sein Ziel, die Freinet-Pädagogik nicht in privaten Schulen, sondern in öffentlichen Schulen zu etablieren (vgl. Baillet 1999, S. 16).
In Anlehnung an Dietlinde Baillet, einem aktiven Mitglied der französischen Freinetbewegung „Institut Coopératif de l’Ecole Moderne“ (ICEM) (vgl. Baillet 1999, S. 10), sollen die Grundzüge der Feinet-Pädagogik im Folgenden detaillierter dargelegt werden. Baillet nennt hier die vier Prinzipien „Freie Entfaltung der Persönlichkeit“, „Kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt“, „Selbstverantwortung des Kindes“ und „Kooperative Arbeit und gegenseitige Verantwortlichkeit“, die im weiteren Verlauf der Arbeit näher erläutert werden, um wesentliche Aspekte der Freinet-Pädagogik vorzustellen (vgl. Baillet 1999, S. 17ff). Darüber hinaus werden diese Aspekte zum Teil durch zusätzlich wichtige Inhalte der Pädagogik Freinets ergänzt. Hierbei kann aufgrund der Komplexität kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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2.1.2.1 Freie Entfaltung der Persönlichkeit (Antonia Specht)
Dietlinde Baillet beschreibt mit der „Freien Entfaltung der Persönlichkeit“ eines der wesentlichen Grundprinzipien Freinets Pädagogik, denn sein Ziel war es, pädagogische Wege zu eröffnen, „die es dem Schüler möglich machen, zu einer möglichst selbstständigen, vollkommenen und harmonischen Entfaltung all seiner Anlagen und Kräfte zu gelangen“ (Freinet zitiert nach Köster 2005, S. 63) (vgl. Köster 2005, S. 63). Baillet geht vertiefend darauf ein und betont, dass „alle Kinder (…) ein natürliches Mitteilungs- und Kommunikationsbedürfnis [haben]“ (Baillet 1983, S. 17) und dass ErzieherInnen dem Kind nur gerecht werden können, wenn ihnen das „(…) Recht auf freie Entfaltung [der] Persönlichkeit“ (Baillet 1983, S. 17) gewährleistet werde. Des Weiteren sei dabei entscheidend, dass jedes Kind die Freiheit bekomme, über die Technik des Mitteilens selber zu bestimmen. Diesbezüglich fasst Baillet vier Unterrichtstechniken zusammen, die eine freie Entfaltung der Persönlichkeit möglich machen sollen: Freier Text, Schuldruckerei, Klassenzeitung und Korrespondenz (vgl. Baillet 1983, S. 17).
Dietlinde Baillet nennt den „Freien Text“ als eine zentrale Unterrichtstechnik der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Da der Freie Text eine Form des „Freien Ausdrucks“ ist, soll vorab auf dieses wesentliche Element der Freinet-Pädagogik eingegangen werden.
Der Freie Ausdruck steht als zentrales Grundprinzip über dem gesamten Unterricht von Freinet. Er soll den Kindern die Möglichkeit geben, sich individuell auf verschiedenen Ebenen auszudrücken und mitzuteilen (vgl. Jörg 2007, S. 100). Ingrid Dietrich stellt vier Ebenen vor, die den Freien Ausdruck umfassen: verbal, bildlich, körperlich und musikalisch. Die verbale Ebene besteht aus dem Freien Text, die bildliche drückt sich in Form von Bildern, Zeichnungen und Collagen aus. In Elementen wie Pantomime, Tanz, Rollenspiel oder Theater können Kinder sich körperlich ausdrücken und mitteilen. Die musikalische Ebene des Freien Ausdrucks umfasst den Umgang mit Musik in jeglicher Form. Darüber hinaus schließt Dietrich Dialoge zu ausgewählten Themen in den kindlichen Ausdruck mit ein (vgl. Dietrich 1995, S. 27). Der Freie Ausdruck begründet sich vor allem darin, dass „(…) das Kind nicht in von Erwachsenen vorher festgelegten Formen gepreßt und ‚dressiert‘ [wird]; es kann sein ganzes Menschensein voll entfalten“ (Jörg 2007, S. 107) (vgl. Jörg 2007, S. 107).
Da sich der Freie Ausdruck meistens in Form des Freien Textes im Unterricht wiederfindet (vgl. Dietrich 1995, S. 33), hebt Baillet diese Unterrichtstechnik in diesem Zusammenhang hervor. Den Ausdruck „Freier Text“ hat Freinet der Reformpädagogik entnommen, um das
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Schreiben in seinen Klassen von dem in der traditionellen Schule, definiert über Aufsätze und Diktate, abzugrenzen. Der Freie Text ist für Freinet „(…) eingebettet in Prozesse wirklicher Kommunikation sich mitzuteilen und schreibend seine Gedanken, Erlebnisse, Träume, Phantasien zu bearbeiten, und zwar frei von den Zwängen zeitlicher, formaler und inhaltlicher Vorgabe der schulischen Rituale“ (Laun 1983, S. 66) (vgl. Laun 1983, S.66). Roland Laun erläutert in Anlehnung an P. Clanché fünf Freiheiten, die bei der freien Textproduktion gewährleistet sind. Zunächst darf das Kind entscheiden, wo es seinen Text schreiben möchte. Es gibt somit keinen festgelegten Ort und alle SchülerInnen haben eine räumliche Freiheit. Des Weiteren kann frei entschieden werden, wann geschrieben wird. Es gibt keine festgelegten Stunden, in denen die Kinder schreiben müssen und so entstehen an einem Tag beispielsweise mehrere Texte und daraufhin mehrere Wochen gar keiner. Somit beinhaltet das Freie Schreiben eine zeitliche Freiheit. Ebenfalls autonom sind die Kinder in der Wahl des Schreibzeugs, da sie frei wählen können, auf welchem Papier sie mit welchem Schreibstift schreiben wollen. Die Auswahl des Papiers ist für viele Kinder besonders wichtig. Weiterhin wird der produzierte Text der Kinder nicht nach orthographischen/grammatischen Kriterien bewertet, was nicht bedeutet, dass keine Methoden bezüglich Rechtschreibung angewendet werden. Die letzte und fünfte Freiheit, die Laun aufzeigt, ist die graphische. Bei der Textproduktion können die SchreiberInnen selber über die Schriftart, Schriftgröße und Textlänge entscheiden (vgl. Laun 1983, S. 66). Diese fünf Freiheiten bezüglich des Freien Textes gilt es den Kindern zu gewährleisten, um dem Verständnis Freinets darüber gerecht zu werden. Darüber hinaus ist zusätzlich zu erwähnen, dass die Kinder frei sind in ihrer Wahl des Themas (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 31). Dies führt zu einer „(…) wesentlich produktiveren und natürlichen schriftlichen Ausdrucksform (…) als im Rahmen eines vorgegebenen Themas“ (Köster 2005, S. 72).
Seine Würdigung, Vervielfältigung und Veröffentlichung findet der Freie Text in der Schuldruckerei.
Die Schuldruckerei ist die Unterrichtstechnik, mit der Freinet seine größte Bekanntheit erreichte: „Das Drucken in der Schule und der Austausch der gedruckten Texte wurde (…) zur populärsten Arbeitstechnik der Freinet-Bewegung“ (Sippel 2003, S. 60) (vgl. Sippel 2003, S. 60). Sie verkörpert den Leitgedanken der Freinet-Pädagogik: „Den Kindern das Wort geben, damit sie erleben können, dass ihr Leben durch ihre eigene Initiative
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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gestaltbar ist, veränderbar ist und dass sie dafür Verantwortung tragen“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 33).
Freinet verfolgte viele Ziele mit der Einführung der Schuldruckerei. Primär ging es ihm zunächst darum, dass die Kinder sich für einen längeren Zeitraum mit ihren eigenen Texten beschäftigen. Darüber hinaus sollten sie die Rollen des Autors, Setzers, Druckers, Buchbinders, Verlegers und Buchhändlers einnehmen (vgl. Köster 2005, S. 70f). Elise Freinet betonte, wie wichtig die Druckerei als Werkzeug für die Freiheit des Ausdrucks und der Aktivität der Kinder sei. Gemeinsam mit Hans Jörg hatte sie die Vorteile dieser besonderen Technik zusammengefasst. Beispiele sind „manuelle Geschicklichkeit“, „Gespür für den korrekten Satzbau“ sowie „Sinn für persönliche und gemeinsame Verantwortlichkeit“ (vgl. Freinet, E. 2009, S. 29f). Girardin macht überdies in einem Artikel über Freinet deutlich, welche Bedeutung die Druckerei für das Kind hat (vgl. Laun 1983, S. 68):
„(…) Beim Drucken wird die Sprache von den Händen der Kinder auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, sie ist keine anonyme Formulierung mehr, sondern wird ihre eigene Schöpfung. Die Kinder, die über die technischen Mittel für ihre Arbeit verfügen, können von nun an der traditionellen Passivität des Unterrichteten den Rücken kehren und machen sich zum ‚Subjekt‘ ihrer Erziehung (…)“ (Girardin zitiert nach Laun 1983, S. 68).
Dieses Zitat lässt erkennen, dass sich die Grundgedanken Freinets über die kindliche Erziehung sowie das Lernen in der Schule in der Arbeit mit der Schuldruckerei widerspiegeln.
Eine weitere pädagogische Bedeutung ist die Würdigung der Texte. Die Kinder fühlen sich ernst genommen und bekommen das Gefühl, dass ihre Worte Bedeutung haben (vgl. Köster 2005, S. 71). Die gedruckten Buchstaben gleichen einem offiziellen Text von Erwachsenen (vgl. Baillet 1999, S. 18), was deutlich macht, dass die Kinder einen gleichwertigen Teil der Gesellschaft darstellen.
Die fertig gedruckten Texte der Kinder können zu einer Klassenzeitung zusammengefasst werden.
Die Klassenzeitung als dritte Unterrichtstechnik zur Freien Entfaltung der Persönlichkeit beschreibt Baillet aufgrund der frei ausgewählten Inhalte, wie beispielsweise Freie Texte,
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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Bilder und andere Produkte der Kinder, als „Werkzeug des freien Ausdrucks“ (vgl. Baillet 1999, S. 18). Sie drückt die Arbeit der gesamten Klasse aus und stellt das Produkt dar, mit dem die Klasse an die Öffentlichkeit geht. Die Kinder lernen dabei, Verantwortung für ihre veröffentlichten Texte und Bilder zu übernehmen. Darüber hinaus soll den SchülerInnen durch das eigene Drucken einer veröffentlichten Zeitung deutlich gemacht werden, „(…) daß Gedrucktes nicht unantastbar ist“ (Laun 1983, S. 70) (vgl. Laun 1983, S. 70). „Durch die Gestaltung einer Zeitung ergibt dann sich die didaktische Gelegenheit, ‚den Kindern das Wort zu geben‘“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 34).
Die letzte Unterrichtstechnik, die Dietlinde Baillet bezüglich der Freien Entfaltung zur Persönlichkeit aufzählt, stellt die Korrespondenz dar. Der Grundgedanke dahinter ist, dass „[zwei] Klassen einer gleichen Altersstufe und etwa der gleichen Größe (…) untereinander in [stetigen] Abständen Briefe, Geschichten, Tonkassetten, Bilder, gedruckte Texte etc. (…) [austauschen]“ (Köster 2005, S. 74). Die Schuldruckerei sowie die Freie Arbeit stellen dabei den Ausgangspunkt dar (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 34). Das hauptsächliche Ziel der Korrespondenz liegt darin, dass die Kinder sich in einem gemeinsamen Prozess über Erfahrungen und Ergebnisse der eigenen Arbeit austauschen. Es kommt zu einem Austausch verschiedener Regionen. Die SchülerInnen können noch einen Schritt weiter gehen und eine internationale Korrespondenz einrichten (vgl. Laun 1983, S. 71). Diese begründet sich auch heute noch in ihrer Aktualität, da im Laufe der Zeit ein gemeinsames Europa entstanden ist (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 34). Die Kinder erweitern ihren Horizont, indem das vorher Fremde zu einem Bestandteil ihres Wissens wird (vgl. Bruns 2001, S. 58).
Eine produktive und erfolgreiche Korrespondenz zeichnet sich durch eine Partnerschaft aus, die „(…) völlig in das Leben und die Arbeit der Klasse integriert [ist] (…)“ (Köster 2005, S. 74). Ziel dabei ist es, „(…) nicht mehr lediglich für sich selbst und die eigene Klasse [zu] arbeiten, sondern ebenso für die Austauschpartner, mit denen sich zudem auch sehr enge freundschaftliche Beziehungen entwickeln können“ (Köster 2005, S.74f) (vgl. Köster 2005, S. 74f). In diesem Punkt liegt eine zentrale Begründung der Korrespondenz: die Motivation. Das natürliche Mitteilungsbedürfnis eines Kindes wird befriedigt und die Kommunikation ist authentisch (vgl. Baillet 1999, S. 19), da sie aus der Realität stammt: „(…) wenn Korrespondenz [funktioniert], wird genau wie in der Familie das Kind niemals leid, aus seinem Leben zu erzählen (…)“ (Freinet 1981, S. 27).
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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Diese vier aufgeführten Unterrichtstechniken basieren auf dem Mitteilungsdrang der Kinder und entsprechen somit der Freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Im traditionellen Unterricht wird ein bestimmtes Wissen an jeden einzelnen getragen. Freinet bevorzugt den umgekehrten Weg: „Er führt zunächst vom individuellen Erlebnis und der individuellen Gestaltung zur Mitteilung in der Gruppe (…)“ (Baillet 1999, S. 20) (vgl. Baillet 1999, S. 19f).
Der Begriff „Arbeit“ ist ein wesentlicher Kernbegriff der Freinet-Pädagogik, weshalb er abschließend neben den von Baillet aufgeführten Unterrichtstechniken zur Freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit in den Fokus gestellt werden soll. Der Spruch „par la vie – pour la vie – par le travail“ prägt Freinets Verständnis von Lernen: „‚Durch das Leben‘ soll ‚für das Leben‘ und ‚durch die Arbeit‘ gelernt werden“ (Bruns 2002, S. 41f). Freinet hat eine ganz bestimmte Vorstellung vom Begriff Arbeit. Er grenzt ihn von der traditionellen Bedeutung der „Fließarbeit“ ab und „(…) wehrt sich [somit] gegen entfremdende Tätigkeiten, in der der Mensch selber nur noch Teil einer Maschine ist (…)“ (Bruns 2002, S. 41f). Vielmehr versteht Freinet unter Arbeit „(…) eine Tätigkeit, bei der physisch und geistig gearbeitet bzw. gehandelt wird und der Mensch sich gleichzeitig ‚gut‘ fühlt, d. h. eine sinnvolle Tätigkeit ausübt, die ihn erfüllt, weil sie einen Zweck hat und dem Individuum und der Gemeinschaft dient“ (Bruns 2002, S. 42f) (vgl. Bruns 2002, S. 41ff). Darüber hinaus geht Freinet von dem Verständnis aus, dass Kinder von Anfang an das Bedürfnis haben zu arbeiten, so wie ihre Eltern es ebenfalls tun. Er bezeichnet das Spiel als „unkindliche Tätigkeit“, der das Kind nur nachgeht, weil es keine herausfordernde Aufgabe bekommt (vgl. Laun 1983, S. 39). Somit plädiert er dafür, dass Erziehung dem natürlichen Bedürfnis des Kindes nach Arbeit gerecht werden müsse (vgl. Köster 2005, S. 68). „Arbeit dient der Befriedigung körperlicher und seelischer Bedürfnisse, die zur vollen Entfaltung eines menschenwürdigen Lebens unabdingbar sind“ (Laun 1983, S. 39). Dies stellt die Begründung der Arbeit zur Freien Entfaltung der Persönlichkeit dar.
2.1.2.2 Die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt (Antonia Specht)
Die Unterstützung sowie Erhaltung des „Wissensdurst[es] des Kindes“ sind wesentliche Ziele Freinets (vgl. Köster 2005, S. 69). Da die Neugier der Kinder sich oftmals auf ihren Alltag und ihre Umgebung bezieht (vgl. Baillet 1999, S. 20), ist es ein zentraler Baustein der Freinet-Pädagogik, sich kritisch mit der eigenen Umwelt auseinanderzusetzen. Dies findet in den meisten Fällen außerhalb der Schule statt: „(…) in Handwerksbetrieben,
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Fabriken, Stadtteilen, Bauerhöfen usw., oder in der Natur“ (Baillet 1999, S. 20). Eine wichtige Erfahrung, die den Kindern dabei zugute kommt, ist die „(…) Einheit von theoretischer und praktischer Arbeit“ (Baillet 1999, S. 20).
Eine Lerntechnik, die Célestin Freinet hierbei anwendet, ist das Tastende Versuchen (tâtonnement expérimental). Der deutsche Begriff entspricht nur unvollkommen der eigentlichen Bedeutung, jedoch wurde bisher noch kein besserer Ausdruck gefunden. Er umfasst „(…) im wesentlichen ein forschendes Verhalten angesichts einer Fragestellung (…)“ (Baillet 1999, S. 20) (vgl. Baillet 1999, S. 20). Dieses Lernen kann auch als „entdeckendes Lernen“ bezeichnet werden, da Freinet davon ausgeht, dass „(…) das menschliche Wissen (…) jedes Mal im Wesentlichen neu ‚entdeckt‘ werden muß“ (Laun 1983, S. 41) (vgl. Laun 1983, S. 41). Laun definiert entdeckendes Lernen darüber, dass „(…) die Kinder selbstständig, in tastenden Versuchen, eigenen Fragestellungen nachgehen, daß sie Versuche und Experimente durchführen, um selbst Antworten zu finden“ (Laun 1983, S. 119) (vgl. Laun 1983, S. 119). Diese Definition deckt sich mit den Zielen des Tastenden Versuchens. Christian Bermon, Direktor einer Schule nach Freinet’schen Prinzipien, führt weiter aus: „Das ‚tastende Versuchen’ ist die einzige Möglichkeit, Menschen heranzubilden, die fähig sind, zu erfinden, nicht nur zu reproduzieren“ (Bermon zitiert nach Baillet 1999, S. 21) (vgl. Baillet 1999, S. 21). Des Weiteren begründet sich diese Lerntechnik darin, dass nicht das Wissen als Endergebnis entscheidend ist, sondern der Weg und die Erfahrungen, die dorthin geführt haben (vgl. Laun 1983, S. 42). Daran anschließend sind die von Dietlinde Baillet aufgestellten Etappen zu nennen, die ein Kind beim Tastenden Versuchen durchläuft. Die erste Etappe umfasst eine Feststellung oder Beobachtung, die aufgrund der Faktoren wie Neugierde, Staunen oder das Bedürfnis zu verstehen entwickelt werden. Darauf folgend werden diese Feststellungen oder Beobachtungen dargelegt und es wird versucht, sie in einen Zusammenhang zu bringen. Die dritte Etappe stellt daraufhin die Reaktion dar, indem weitere Beispiele für die Feststellung gesucht werden. Es wird diskutiert und kommt zur Aufstellung von Hypothesen. Die Untersuchungen stellen danach die vierte Etappe dar. Das Kind versucht, die aufgestellte Hypothese durch Experimente und Untersuchungen zu prüfen und zu belegen. Dies führt zu einer fundierten Neuformulierung der Beobachtung und zu neuen Feststellungen, dem fünften Schritt des Tastenden Versuchens. Der letzte Schritt ist die erneute Untersuchung der neu formulierten Erkenntnisse, um die Unsicherheiten immer weiter einzugrenzen (vgl. Baillet 1999, S. 21). Dieser Prozess, den die Kinder durchlaufen, begründet sich in mehreren Aspekten. Zum einen ist der
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Ausgangspunkt kindorientiert, da sich die Fragestellung aus den Interessen des Kindes heraus entwickelt. Die Motivation ist folglich aus dem Inneren des Kindes entstanden. Zum anderen wird die Antwort darauf nicht vorgegebnen, sondern vom Kind selber erarbeitet. Das Kind bekommt eine Lerntechnik an die Hand, die es ihm ermöglicht, die Antwort selber herauszufinden. Somit beruht das Ergebnis auf den selbst gemachten Erfahrungen des Kindes: „(…) das Erlebnis (samt emotionalem Aspekt) wird mittels Hand, Augen und Gehirn durch Experimente und sich daraus ergebende Schlußfolgerung nachvollzogen“ (Baillet 1999, S. 23). Dies führt vor allem auch zu einer nachhaltigen Aneignung des Lerngegenstandes. „Das Lernen aus der Konfrontation mit seiner Lebensrealität bereitet das Kind darauf vor, diese in aktiver Weise zu beherrschen, es steht der immer komplexer werdenden Umwelt nicht hilflos und passiv gegenüber“ (Baillet 1999, S. 23) (vgl. Baillet 1999, S. 22f). Dieses abschließende Zitat macht die Wichtigkeit des Tastenden Versuchens deutlich und begründet den zentralen Stellenwert in der Pädagogik von Freinet.
Abschließend ist unabhängig von Dietlinde Baillet zu erwähnen, dass die Auseinandersetzung mit der Umwelt sowie der Anwendung des Tastenden Versuchens nach Freinet einen Bezug zum Leben haben muss: „Das Leben ist es, das man im Unterricht zu fassen bekommen muß, und zwar nicht ein formales, von der Schule geprägtes Leben, sondern das wirkliche, echte Leben, das von den Kindern erlebte Leben“ (Freinet zitiert nach Bruns 2002, S. 40) (vgl. Bruns 2002, S. 40). Für Freinet impliziert das Leben „(…) Natur, Lebensfreude, Natürlichkeit, Ursprünglichkeit und Naturverbundenheit (…)“ (Laun 1983, S. 38) sowie „(…) eigene Erfahrungen machen, aktiv handelnd die Dinge dieser Welt erproben und ihnen auf den Grund gehen“ (Laun 1983, S. 38). Es ist das Ziel, eine „(…) Brücke zwischen Leben, Arbeit und Schule (…) zu schlagen“ (Dietrich zitiert nach Bruns 2002, S. 40f) und deshalb unabdingbar, das alltägliche Leben als Bestandteil der Schule zu sehen. Zwei Beispiele zur Umsetzung sind Erkundungen sowie der Besuch eines örtlichen Betriebs (vgl. Köster 2005, S. 67).
2.1.2.3 Selbstverantwortung des Kindes (Gesa Balke)
Das nach Dietlinde Baillet dritte Grundprinzip der Freinet-Pädagogik ist die „Selbstverantwortung des Kindes“. Während in der traditionellen Schule der Ablauf sowie die Organisation des schulischen Unterrichtsgeschehens fast ausschließlich Aufgabe der Lehrpersonen ist, werden die Kinder bei Freinet vollständig und bewusst in diese Entscheidungsprozesse miteinbezogen (vgl. Baillet 1999, S. 190).
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„Dabei lernt der Freinet-Schüler sich selbst zu organisieren, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen, Kontakt aufzunehmen, Absprachen einzuhalten – kurz: soziales Verhalten und Arbeitstechniken, die lebensnotwendig sind“ (Baillet 1999, S. 191).
Die Aufgabe der Lehrperson besteht darin, die SchülerInnen dahin zu führen, „(…) selbst über ihre Arbeitsinteressen zu entscheiden und diesen Interessen entsprechend die Arbeit einer gewissen Zeiteinheit (Tag, Woche usw.) zu organisieren, und zwar in Abhängigkeit von ihrem persönlichen Arbeitsrhythmus“ (Baillet 1999, S. 24). Auf diese Weise arbeitet das Kind sinnvoll, motivierter und darüber hinaus auch effektiver (vgl. Baillet 1999, S. 24). Würde die Lehrperson allen Kindern zur selben Zeit dieselbe Aufgabe auftragen, wie es in vielen herkömmlichen Schulen immer noch der Fall ist, könnte sie niemals jedem Kind mit seiner individuellen Persönlichkeit gerecht werden (vgl. Baillet 1999, S. 23).
Des Weiteren ermöglicht die selbstständige Arbeit, wie bereits genannt, dass jedes Kind entsprechend seinem individuellem Rhythmus arbeiten kann und somit „(…) bleibt auch dem langsameren Kind eine Versagersituation erspart“ (Baillet 1999, S. 24). Die Entwicklung der Kinder ist stets durch Erfolg gekennzeichnet, denn sie machen an sich selbst gemessen kontinuierliche Fortschritte und entwickeln sich weiter (vgl. Baillet 1999, S. 24).
Obwohl die individuellen Interessen der Kinder primär im Vordergrund seiner Pädagogik stehen, hat Célestin Freinet immer auch die vorgeschriebenen Lehrpläne berücksichtigt. In einem Jahresplan hat er alle vorgegebenen Lehrinhalte und Ziele festgehalten und diese als Orientierungshilfe und Überblick dafür genutzt, was die Kinder im Laufe des Jahres bereits gelernt haben bzw. noch lernen müssen (vgl. Freinet 1981, S. 65). Der Jahresplan wird zwar von Dietlinde Baillet nicht explizit genannt, dennoch sollte er hier erwähnt werden. Das folgende Zitat von Freinet beschreibt sein Verhältnis zu den vorgegebenen Lehrinhalten: „Dieser Plan dient mir also als Führer und als Gewissen, denn er erinnert mich jeden Augenblick daran, daß ich trotzdem den Lehrprogrammen zu folgen habe“ (Freinet 1981, S. 67).
Die Organisation der eigenen Arbeit erfolgt bei Freinet mit Hilfe eines individuell erstellten wöchentlichen Arbeitsplans. „Die Schulwoche beginnt deshalb damit, daß jeder Schüler in seinen Arbeitsplan einträgt, was er im Laufe der Woche be- und erarbeiten will“ (Freinet 1981, S.153). Hierfür erhält jedes Kind einen vorgefertigten Arbeitsplan, in dem das Vorhaben der Woche eingetragen wird. Einzutragende Bereiche nach Freinet sind: „Raumlehre“, „Rechnen“, „Rechtschreibung“ und „Sprachlehre“. Neben den eben
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genannten Bereichen können auch eigene Themen individuell bearbeitet werden. Diese werden ebenfalls in dem wöchentlichen Arbeitsplan vermerkt.
Zum Wochenabschluss kennzeichnen die SchülerInnen, was sie in der Woche geschafft bzw. nicht geschafft haben oder ob sie darüber hinaus noch zusätzliche Aufgaben erledigen konnten (vgl. Freinet 1981, S. 153). Auf diese Weise bekommt jedes Kind im Laufe der Zeit einen immer transparenteren Überblick über seine eigenen Leistungen (vgl. Jörg 2007, S. 103). „Durch Selbsttätigkeit und Selbstverantwortung wird die Selbstständigkeit des jungen Menschen systematisch gefordert und gefördert“ (Jörg 2007, S. 104). So werden die Kinder einer Freinet-Klasse schon frühzeitig zu mündigen BürgerInnen erzogen (vgl. Jörg 2007, S. 104).
Freinets Anliegen war es „(…) durch eine zum Lernen anregende Gestaltung des Lernfeldes seine Schüler [zu] motivieren, sich selbst mit allen nur erdenklichen Lernbereichen und Lerngegenständen auseinanderzusetzen“ (Jörg 2007, S.101). Hierfür errichtete er in den Klassen so genannte Arbeitsateliers, die unabhängig von Baillet an dieser Stelle verortet werden sollen. Dabei ist zu betonen, dass keines der Ateliers dem anderen gleicht, sondern dass diese sich vielmehr je nach Funktion und Ausstattung voneinander unterscheiden lassen (vgl. Jörg 2007, S. 102). „Eine Arbeitsecke für die Arbeitsplanung und den Wissenserwerb mit Quellen- und Dokumentensammlung“, „eine Arbeitsecke für naturwissenschaftliche Experimente“, „eine Arbeitsecke für Versuche und Beobachtungen von Pflanzen und Tieren“ sind hier als drei exemplarische Bespiele für die Gestaltung der Arbeitsateliers zu nennen. Die Einrichtung der Arbeitsateliers in den Klassen wählte Célestin Freinet bewusst, da er eine räumliche Trennung zwischen Hand- und Kopfarbeit konsequent ablehnte (vgl. Jörg 2007, S. 102). Durch das Vorhandensein der Arbeitsateliers sollen den Kindern einer Freinet-Klasse vielfältige Handlungs- und Nutzungsmöglichkeiten geboten werden (vgl. Sippel 2003, S. 62). Darüber hinaus bietet diese Form der Raumgestaltung den Kindern die Möglichkeit sowohl gemeinschaftlich als auch alleine arbeiten zu können (vgl. Freinet 1965, S. 56).
Grundsätzlich ist hervorzuheben, dass Freinet genaue Vorstellungen darüber besaß, wie eine „moderne Schule“ auszusehen hat. Aus diesem Grund sollen hier einige von Freinets Forderungen bezüglich der Raumgestaltung vorgestellt werden, obwohl Dietlinde Baillet in der Beschreibung der vier Prinzipien der Freinet-Pädagogik darauf nicht näher eingeht. Célstin Freinet forderte neben den Arbeitsateliers unter anderem auch Wandregale mit eigenen Fächern für jedes Kind, die Abschaffung der auf Podien befindlichen Lehrerpulte und dessen Umfunktionierung zu „kleineren Werktischen“ oder „Ausstellungsbänken“,
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eine vermehrte Nutzung der Schultafeln sowie eine gute natürliche Beleuchtung durch Fenster zum Hinausblicken. Des Weiteren sollten geneigte Schulbänke abgeschafft und durch praktische Tische, auf denen gemalt, geschrieben, studiert und gelesen werden kann, ersetzt werden. Ebenso sollte das Aneinanderreihen von Tischen Möglichkeiten bieten, in Gruppen zu arbeiten. Freinet betont „[man] sollte die Tische so aufstellen und die Klassen so einrichten, daß ein Maximum an freiem Raum übrigbleibt“ (Freinet 1965, S. 62) (vgl. Freinet 1965, S. 61f).
Neben den Ateliers und der speziellen Raumgestaltung, denen Freinet eine zentrale Funktion zuschreibt, sind an dieser Stelle auch die Arbeitsmittel zu nennen. Diese dienen den SchülerInnen zur eigenständigen Bearbeitung von Arbeits- bzw. Wochenplänen (vgl. Baillet 1999, S. 24). „Da Freinet die herkömmlichen Schulbücher ablehnt, weil sie nur zu Langeweile erziehen, ein guter Schüler sie in kürzester Zeit ausgelesen hat und sie ihn dann nicht mehr interessieren, sorgt er für andere Lernmaterialien“ (Jörg 2007, S. 103). Dietlinde Baillet nennt in ihrem Werk „Freinet-praktisch“ die „Karteien zur Selbstkorrektur“, die „Arbeitskartei für praktische Vorhaben und Experimente“, die „Arbeitsbibliothek“ sowie eine in der Klasse angelegte „Dokumentensammlung“ (vgl. Baillet 1999, S. 24). Im Folgenden sollen diese eben genannten Arbeitsmittel Freinets näher vorstellgestellt werden.
Die Selbstlernkartei (Fichiers autocorrectifs) „(…) dient der selbstständigen Aneignung von Grundkenntnissen und –fertigkeiten und behandelt systematisch einzuübende Lernstoffe (z. B. in Mathematik, Raumlehre, Grammatik, Rechtschreibung, Biologie, Erdkunde)“ (Sippel 2003, S. 66). Der Aufbau der Selbstlernkartei sieht dabei in den meisten Fällen so aus, dass die Kinder zunächst eine Informationskarte mit der Erläuterung eines Sachverhalts lesen und im Anschluss daran folgt eine Aufgabenkarte. Nach der eigenständigen Lösung der Aufgabenkarte können die SchülerInnen ihre Ergebnisse mit der Lösungskarte und dem dazugehörigen Lösungsweg abgleichen (vgl. Jörg 2007, S. 112). Schließlich werden die bearbeiteten Karten mit der jeweiligen Nummer in den individuellen Arbeitsplan eingetragen (vgl. Sippel 2003, S. 66).
Die Arbeitsmittelkartei für kooperative Arbeiten (Fichier de Travail Coopératif) beinhaltet mehr als 2000 Sachblätter. „Sie gibt Anregungen zu physikalisch-naturwissenschaftlichen Versuchen, Bauanleitungen, Informationen zu allgemeinen (Schüler-)Fragen“ (Sippel 2003, S. 66). Die Inhalte der Sachblätter sind vor allem für die Arbeit in kleineren Gruppen vorgesehen. Im Gegensatz zur Selbstlernkartei werden die
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Lösungen den Kindern nicht vorgegeben. Stattdessen sollen die SchülerInnen eigene Vermutungen aufstellen, um so mögliche Lösungswege zu finden (vgl. Sippel 2003, S. 66).
Die Arbeitsbücherei (Bibliothéque de Travail) „(…) besteht aus einer Sammlung von über 1500 Sachheften zu verschiedenen Themenbereichen (z. B. aus der Wirtschaft, Natur, Technik, Kunst, Geschichte)“ (Sippel 2003, S. 66). Herausgegeben wurde die Sammlung von der C.E.L. (Coopérative de L´Énseignement Laic) in Frankreich (vgl. Baillet 1999, S. 252). „Sie ist gegliedert in: BTJ = BT-Junior = Arbeitshefte für Grundschüler, BT = Arbeitshefte für Schüler der Sekundarstufe I, BT2 = Arbeitshefte speziell für die Sekundarstufe II, BTS = BT-Sonore = audio-visuelles Arbeitsmaterial“ (Jörg 2007, S. 111). „Ein übergreifendes, dreispaltiges Register (geordnet nach Sachgebieten, Alphabet des Titels, Ordnungsnummern) erlaubt es den Schülerinnen und Schülern zu einem bestimmten Wissensgebiet eine Reihe von Arbeitsheften zusammenzustellen, die ein breites Spektrum an lehrreichen Informationen bieten“ (Sippel 2003, S. 66). Hierbei ist zu erwähnen, dass in den Texten ausschließlich sachliche Informationen vorliegen, da Rückschlüsse oder dergleichen allein als Aufgabe der Kinder angesehen werden (vgl. Jörg 2007, S. 111).
Die Nachschlagekartei und Dokumentensammlung (Fichiers documentaires) versorgt die Kinder mit Kurzinformationen. Diese sind nach Sachgebiet sowie nach dem Alphabet geordnet. Ergänzend hierzu besitzen viele Freinet-Klassen auch so genannte Einhängeordner, diese sind ebenfalls nach Sachgebieten geordnet. Dadurch können die Kinder selbsttätig werden und zu eigenen Themen arbeiten (vgl. Sippel 2003, S. 66).
Einige der traditionellen Arbeitsmittel Freinets wurden mittlerweile elektronisiert, wie beispielsweise die in Anlehnung an die fichiers documentaires entwickelte Wortschatzkartei für den Fremdsprachenunterricht (vgl. Sippel 2003, S. 66f).
Ein wichtiger Bestandteil der durch Selbstverantwortung charakterisierten Freiarbeit besteht darin, dass die SchülerInnen lernen, sich ihre Arbeit selbst einzuteilen und diese somit eigenständig zu organisieren. So kann es durchaus auch vorkommen, dass das Kind feststellt, dass sein individueller Lernplan aufgrund eines ungeplanten Verlaufs seiner Arbeit nicht aufgeht. Durch das Auftreten solcher Planungsschwierigkeiten lernt das Kind, diesen für das nächste Mal zu optimieren (vgl. Baillet 1999, S. 24).
Ein weiterer Aspekt der Selbstverantwortung besteht in der Bewertung der eigenen Arbeit. Die Kinder müssen demnach also auch lernen, ihre Arbeiten einzuschätzen. Eine solche Selbsteinschätzung kann ganz unterschiedlicher Art sein, beispielsweise in Form
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einer mündlichen Reflexion im Tages- oder Wochenabschlusskreis oder aber auch in einer schriftlichen Selbstreflexion (vgl. Baillet 1999, S. 24f). In seinem Buch „Les techniques Freinet de l´École Moderne“, dass von Hans Jörg übersetzt, bearbeitet und von selbigem unter dem Titel „Praxis der Freinet-Pädagogik“ herausgegeben wurde, nennt Célestin Freinet die persönliche Leistungskurve (graphique personnel). Eine solche Leistungstabelle ist jedem Arbeitsplan beigegeben und dient der Beurteilung einzelner fachlicher Leistungen der Kinder durch sich selbst oder eine Lehrperson. Neben den schulischen Leistungen werden auch das Arbeits- und Sozialverhalten bewertet, wobei die Klasse gemeinsam für jedes Kind über einzelne Aspekte, wie beispielsweise den Gemeinschaftssinn, abstimmt. Alle Leistungskurven werden von den SchülerInnen in einem speziellen Heft (Carnet annuel des plans de travail) gesammelt, um eine gute Übersicht über die schulischen Leistungen eines jeden Kindes zu erhalten. Dadurch können die LehrerInnen dem Kind mit Hilfe der Kurve aufzeigen, in welchen Bereichen es noch mehr tun muss (vgl. Freinet 1981, S. 155). „Obwohl Freinet selbst diese Art der Leistungsbeurteilung praktizierte, wenden sich viele seiner Anhänger gegen diesen in Form einer ‚Fieberkurve‘ sichtbar gemachten Leistungsvergleich“ (Jörg 2007, S. 104). In der Erläuterung der Grundprinzipien Freinets betont Dietlinde Baillet in Bezug auf den Bewertungsaspekt: „Wichtig dabei ist wohl vor allem, daß der Schüler die Abhängigkeit vom fremden Urteil überwindet und selbst die Fähigkeit entwickelt, seine Arbeit kritisch zu beurteilen, und zwar sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht“ (Baillet 1999, S. 25) (vgl. Baillet 1999, S. 25).
2.1.2.4 Kooperative Arbeit und gegenseitige Verantwortlichkeit (Gesa Balke)
Nach der vorherigen Auseinandersetzung mit dreien der vier von Dietlinde Baillet genannten Grundprinzipien der Freinet-Pädagogik folgt nun das vierte und somit letzte Grundprinzip Freinets. Hierbei handelt es sich nach Baillet um die „kooperative Arbeit und gegenseitige Verantwortlichkeit“ (vgl. Baillet 1999, S. 25).
Freinets Pädagogik sieht vor, dass die SchülerInnen gemeinsam mit der Lehrperson ihren schulischen Alltag gestalten (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 21). „An Stelle der Autoritätsbeziehung tritt die Integration des Lehrers als Partner“ (Baillet 1999, S. 25). In der herkömmlichen Schule wird den Kindern meist nur in Bezug auf unwichtige Dinge eine „Entscheidungskompetenz“ sowie „Mitverantwortung“ zugesprochen. Dies ist in der Freinet-Pädagogik keinesfalls der Fall, denn die vermeintliche Mitverantwortung der SchülerInnen der traditionellen Schule steht im absoluten Gegensatz zu der täglich gelebten Mitverantwortung der Kinder einer Freinet-Klasse (vgl. Jörg 2007, S. 107). Diese
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genannte Verantwortungsübernahme wird hervorgerufen durch die Mitgestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten eines jeden Kindes (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 20). Neben der Kooperation mit der Lehrperson steht die gemeinsame Zusammenarbeit der Kinder. So haben diese stets die Möglichkeit, bei allen Themen und Lernbereichen zu kooperieren (vgl. Jörg 2007, S. 100). Das gemeinschaftliche Miteinander der Kinder bei Freinet ist ein Kontrast zur traditionellen Schule, in der oftmals ein Konkurrenzverhältnis unter den Kindern vorliegt (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 20). Ebenso wie die gemeinsame Arbeit und Kooperation in einer Klassengemeinschaft charakterisiert sich auch die Arbeit innerhalb der Lehrerschaft (vgl. Baillet 1999, S. 26).
Nach Baillet ist die Klassenversammlung ein zentrales Moment der kooperativen Arbeit und gegenseitigen Verantwortlichkeit (vgl. Baillet 1999, S. 26). „Die Klassenversammlung (der Klassenrat) ist der Ort, an dem Schüler und Lehrer gemeinsam die Arbeit organisieren: planen, Arbeit und Zeit einteilen, Ämter verteilen, Bilanzen ziehen, Probleme besprechen usw.“ (Baillet 1999, S. 202). Hieran kann bereits aufgezeigt werden, dass die Klassenversammlung ein bedeutsames demokratisches Forum in der Freinet-Pädagogik darstellt, denn hier wird den Kindern das Wort gegeben. „Die Kinder erleben im Rahmen der Klassengemeinschaft demokratisches Handeln, wobei die Verantwortung des Einzelnen für das Leben in einer Gemeinschaft als politisches Verhalten zu erkennen gilt“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 25). Neben den gemeinschaftlichen Interessen haben die Kinder auch stets die Möglichkeit, individuelle Anliegen in die Klassenversammlung einzubringen. Die Klassenversammlung findet gewöhnlich einmal pro Woche statt. Bei besonderen Anliegen kann diese auch mehrmals in der Woche einberufen werden. Die Leitung der Klassenversammlung wird von einem oder mehreren Kindern der Klasse übernommen. Nach Freinet wird das Amt der Klassenversammlungsleitung als PräsidentIn bezeichnet. Diese/r fungiert je nach Vereinbarung der Amtszeit einmal oder mehrmals. „Der Präsidenten/die Präsidentin leitet den Klassenrat, beachtet die Punkte der Tagesordnung, erteilt das Wort, sorgt für die Einhaltung der Gesprächsregeln, führt Abstimmungen durch und hält Beschlüsse fest“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 26) (vgl. Eichelberger, Filie 2003, S. 25f). Darüber hinaus gibt es immer auch ProtokollantInnen (vgl. Freinet 1981, S. 160). Diese haben die Aufgabe, die Themen, Beschlüsse und Ergebnisse des Klassenrats schriftlich festzuhalten.
Die jeweiligen Inhalte der Tagesordnung einer Klassenversammlung werden im Laufe einer Woche mit Hilfe der so genannten Wandzeitung (Journal mural) zusammengetragen. „Die Wandzeitung gibt sozusagen jeden Tag den Pulsschlag der
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schulischen Gemeinschaft an, in die das Kind sich einordnet“ (Freinet, E. 2009, S. 111). Hierbei gliedert sich die Wandzeitung in die Bereiche: „Ich kritisiere“, „Ich beglückwünsche“, „Ich möchte gerne“, „Ich habe verwirklicht“. In dem von H. Jörg herausgegebenen Werk „Erziehung ohne Zwang“ betont Elise Freinet, dass die Lehrperson stets darauf achten sollte, dass die jeweiligen Punkte relativ ausgeglichen sind. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, „(…) muß man den vom rechten Weg Abgewichenen helfen, den richtigen Weg wiederzufinden“ (Freinet, E. 2009, S. 111) (vgl. Freinet, E. 2009, S. 111). Célestin Freinet sieht die Wandzeitung als Medium, um „(…) die Kinder zu Ehrlichkeit gegen sich und andere und zur Selbstkritik [zu] erziehen“ (Freinet 1981, S. 156) (vgl. Freinet 1981, S. 156).
Jede Klassenversammlung beginnt nach Freinet damit, dass die Arbeitsergebnisse der letzten Woche präsentiert werden. Dies können beispielsweise in der Druckerei entstandene Texte, Zeichnungen oder besondere Werkstücke sein. „Durch die Ausstellung der Arbeitsergebnisse will man erreichen, daß ein gutes Klima für die Versammlung entsteht, denn sie zeigt immer zuerst etwas Positives, bevor man in die Kritik über negative Ereignisse eintritt“ (Freinet 1981, S. 159) (vgl. Freinet 1981, S. 159). Im Anschluss an die Eröffnung der Klassenversammlung verlesen die ProtokollführerInnen das Protokoll der vorherigen Woche. Nun werden durch die Leitung der PräsidentInnen die einzelnen Punkte der Wandzeitung abgearbeitet und diskutiert (vgl. Freinet 1981, S. 160).
Das Treffen von Entscheidungen wird in der Klassenversammlung basisdemokratisch vollzogen, indem alle TeilnehmerInnen eine Stimme haben. Alle Beschlüsse eines Klassenrats sind verbindlich und somit für alle gültig. Dies gilt auch für die jeweilige Lehrperson. Sie ist Teil der Gruppe und besitzt ebenfalls nur eine Stimme. Das bedeutet, dass die SchülerInnen auch Beschlüsse entgegen der Lehrperson fällen können. Als gleichwertiges Mitglied des Klassenrats kann die Lehrperson aber auch eigene Themen, Wünsche oder Anmerkungen einbringen oder gar solche, die für bestimmte Kinder relevant sind (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 26). Célestin Freinet beschreibt die Rolle der Lehrperson im Klassenrat als die des „unparteiischen Schiedsrichters“ (vgl. Freinet 1981, S. 160).
„Die Grundidee der Einrichtung eines Klassenrats ist das Erlernen von demokratischen und sozialen Umgangsformen mit Verantwortung und Konsequenzen“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 26). Die Art und Weise, wie die Klassenmitglieder miteinander umgehen, entscheidet über Erfolg und Misserfolg einer Klassenratssitzung. Darüber hinaus lernen die Kinder durch die Klassenversammlung, anderen zuzuhören, sich auf das gegenwärtige
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Thema zu beziehen, zu warten bis man dran ist, Fehler als Chance zu sehen sowie auf Minderheiten Rücksicht zu nehmen und andere Meinungen bedächtig zu tragen (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 26).
So erleben die Kinder praktisch, „(…) daß eine Gruppe nicht ohne Lebensregeln funktionieren kann“ (Baillet 1999, S. 26). Im Klassenrat werden Auseinandersetzungen in der Gruppe genannt und gemeinsam besprochen (vgl. Baillet 1999, S. 26). Dadurch kommt es laut Freinet zu einer moralischen Erziehung der SchülerInnen (vgl. Freinet 1981, S. 160). Ebenfalls ist es bedeutsam, dass die Kinder durch die Klassenversammlung erfahren, dass nicht zwingend für jedes Problem eine Lösung gefunden werden kann. So lernen sie „(…) die Problematik eines demokratischen Zusammenlebens kennen, in dem Freiheit immer gekoppelt ist mit Frustration“ (Baillet 1999, S. 26). Funktioniert der Klassenrat, entwickelt sich in der Klasse ein „(…) befreiendes Klima. Statt auf Gehorsam und Selektion beruht die Tätigkeit der Kinder auf Initiativen, auf gegenseitigem Vertrauen und auf gegenseitiger Hilfe“ (Baillet 1999, S. 26) (vgl. Baillet 1999, S. 26).
Der Klassenrat ist der Innbegriff einer kooperativen Arbeit sowie einer gegenseitigen Verantwortlichkeit, was der vorangestellte Text deutlich macht.
Alles in allem ist am Ende noch zu erwähnen, dass sich die Freinet-Pädagogik im Wandel der Gesellschaft mit ihr weiterentwickelt, was stets im Sinne Freinets war: „Als Ergebnis liegt kein geschlossenes oder tendenziell abschließbares (…) Schulkonzept vor, vielmehr ein kaum überschaubarer, empirisch und kollektiv erarbeiteter Schatz an pädagogisch-technischen Verfahren und organisatorischen Formen, die der (…) Weiterentwicklung offenstehen“ (Skiera 2003, S. 318). Ein Beispiel für die Weiterentwicklung der Freinet-Pädagogik stellt die Korrespondenz dar. Anstelle eines Briefaustausches zwischen den Partnerschulen tritt heute die elektronische Mail via Computer ein (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 160). E-Mails und der moderne Drucker stellen neue Medien in der Freinet-Pädagogik dar, die die Schuldruckerei ablösen (vgl. Dietrich 1995, S. 84).
Die Freinet-Pädagogik findet auch heute noch ihre Anwendung in den Schulen. Insbesondere in der Primarstufe können Begriffe wie „Wochenplanarbeit“ und „offener Unterricht“ in Ansätzen immer auch auf Freinet zurückgeführt werden (vgl. Skiera 2003, S. 327). Allerdings hat „(…) Freinets Kritik am öffentlichen Schulsystem (…) auch heute (…) nichts von ihrer Berechtigung verloren“ (Dietrich 1995, S. 19) (vgl. Dietrich 1995, S. 19).
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2.1.3 Das Demokratieverständnis Célestin Freinets
Die im oberen Teil dargelegten Bausteine der Freinet-Pädagogik haben bereits gezeigt, dass das demokratische Verständnis Célestin Freinets sich in allen Bereichen seiner Pädagogik widerspiegelt. In einem nächsten Schritt soll dieses umfassende Verständnis von Demokratie noch einmal zusammenführt und verdeutlicht werden. Die Vorgehensweise begründet sich darin, dass das Demokratieverständnis den wesentlichen Schwerpunkt dieser Arbeit darstellt.
Bevor der Blick auf Freinet gelenkt wird, soll sowohl eine Definition von Demokratie als auch die oftmals vorliegende Bedeutung von Demokratie in den gegenwärtigen Grundschulen vorangestellt werden.
Der Begriff der Demokratie ist in seiner Komplexität schwer zu erfassen. Demokratie ist in erster Linie die „(…) Kontrolle der Macht des Staates durch Gewaltenteilung, der Geltung der Menschenrechte und der Möglichkeit einer Opposition mit Aussicht auf Regierungsübernahme. Die Bindung der Staatsgewalt an den Souverän, das Volk, geschieht durch periodische Wahlen, die der jeweiligen Regierung nur eine ‚Herrschaft auf Zeit‘ ermöglichen“ (Hesselberger 2002, S. 42). Des Weiteren wird der Begriff inhaltlich dadurch geprägt, dass er „(…) als eine Lebensordnung [gesehen wird], die von Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde ausgeht und versucht, den Anspruch auf Herrschaft durch das Volk nicht nur im staatlichen Bereich, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verwirklichen“ (Hesselberger 2002, S. 42) (vgl. Hesselberger 2002, S. 42).
In der Realisierung dessen wird im Hinblick auf die Institution Schule von „Demokratischer Erziehung“ gesprochen. Diese wird nach Andreas Flitner wie folgt definiert: „(…) eine Erziehung, welche der Staats- und Gesellschaftsform ‚Demokratieʼ entspricht, sich mit ihren Prinzipien im Einklang befindet, ihr zuarbeitet in dem Sinn, daß sie die Kinder befähigt, Demokraten zu werden, Bürgerinnen und Bürger eines demokratischen Gemeinwesens, wenn möglich sogar entschiedene Verwirklicher und Verteidiger der Demokratie“ (Flitner zitiert nach Gläser 1998, S. 125). Nach Flitner existieren drei Bereiche, in denen durch Schule demokratische Erziehung geleistet werden kann: „in ihrer institutionellen Verfasstheit“, „in ihrer Inhaltlichkeit“ und „in ihrer sozialen Kultur des täglichen Zusammenlebens“ (vgl. Gläser 1998, S. 125).
Für das Verständnis von Demokratie ist der Begriff Partizipation zu nennen, dieser findet auch in der Schule seine Bedeutung und soll in einem späteren Teil der Arbeit zum Thema gemacht werden. „Er beinhaltet Mitwirkung, Mitbestimmung und Teilhabe an Entscheidungen, die einen selbst und andere betreffen. Partizipieren heißt beteiligt sein,
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teilnehmen und teilhaben können, heißt mitdenken, mitreden, mitplanen, mitentscheiden und mitgestalten können. »Können« verweist zum einen auf die Notwendigkeit, die Möglichkeit zur Partizipation zu erhalten, zum anderen auf die Fähigkeit, partizipativ teilnehmen zu können“ (Burk, Speck-Hamdan, Wedekind 2003, S. 10).
Trotz eingehender wissenschaftlicher Auseinandersetzung damit, wie mit Demokratie in der Schule umgegangen werden sollte, ist diese oft unterrepräsentiert. So ist bereits die erste Belehrung zu Schulbeginn, dass die Demokratie in der Schule ihre Grenzen habe: „Eure Klassenlehrerin könnt ihr Euch nicht auswählen. Mit welchen Kindern ihr ab heute am Tisch sitzt, habt nicht ihr zu bestimmen. (…). Wie viel Zeit ihr im Klassenraum täglich zu verbringen habt, ist landesweit festgelegt. Wann die Verkehrszeichen zum Thema werden sollen, steht im Rahmenplan, den ihr nicht ändern könnt“ (Hagstedt 2003, S. 271). Dieses Zitat macht eine unumstrittene Tatsache deutlich: „(…) die Schule wird von Erwachsenen regiert, von allgegenwärtigen Herrschern (Hausmeistern, Schulleitern, Lehrern) oder heimlichen Mächten (Kultusbehörden, Lehrmittelverlagen usw.). Was Lehrplankommission und Schulbuchlektoren (fernab der Schule), was Stundenplanmacher, Elternvertreter (für die ganze Schule) entschieden haben, steht im Unterricht kaum mehr zur Disposition“ (Hagstedt 2003, S. 272). Die Bilanz, die man hieraus ziehen kann, ist, dass die Freiheiten der Kinder stets eingeschränkt sind, im Besonderen durch das Vorhandensein zahlreicher Pflichten. Weniger wird ihnen die Möglichkeit geboten, Verantwortung zu übernehmen und den Unterricht mitzugestalten. Auf diese Weise finden die Rechte der Kinder im alltäglichen Schulleben kaum eine Beachtung (vgl. Hagstedt 2003, S. 271f).
Wie bereits unter dem Punkt „Bausteine der Freinet-Pädagogik“ (siehe 2.1.2) erwähnt, unterscheidet sich das Verständnis Freinets von Demokratie in der Grundschule wesentlich von dem der eben genannten gegenwärtigen Schulen (vgl. Bruns 2002, S. 30). „Mündigkeit, Verantwortung und Initiative erwachsen nicht plötzlich in einem jungen Menschen, sobald er die Schule verlässt. Die Fähigkeit Gemeinschaft und damit auch das eigene Leben zu gestalten, muss sich von Anfang an entwickeln dürfen. Dazu kann Schule im Sinne der Freinet-Pädagogik einen Beitrag leisten“ (Daschke, Hölzel 2005, S. 43). An dieser Stelle ist zu betonen, dass Freinet den Begriff der Demokratie nicht als solchen konkret benutzte (vgl. Bruns 2002, S. 30). Vielmehr war seine Intension, Demokratie in ihrer Ganzheitlichkeit in der Schule zu leben (vgl. Bruns 2002, S. 14f).
Diese Ganzheitlichkeit des Demokratieverständnisses Freinets kann mit Hilfe der vier Prinzipien der Freinet-Pädagogik nach Dietlinde Baillet (siehe 2.1.2) aufgezeigt werden.
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Jedes dieser Prinzipien ist „(…) mit demokratischen Ideen sehr stark verknüpft“ (Bruns 2002, S. 31). Die Selbstbestimmung als demokratisches Prinzip lässt sich dem Prinzip der Freien Entfaltung der Persönlichkeit zuordnen. Durch den ebenfalls darunter fallenden Freien Ausdruck lernen die Kinder ihre inneren Bedürfnisse sowie deren freie Äußerung kennen (vgl. Bruns 2002, S. 31). Im Sinne Célestin Freinets ist an dieser Stelle besonders die Sprache hervorzuheben. Speziell die Freien Texte der Kinder sind in Bezug auf die Demokratisierung von Schule bedeutsam, „(…) weil damit zugleich die freie Meinungsäußerung der Kinder und sie selbst eine Aufwertung und Anerkennung erfahren“ (Hagstedt 2003, S. 277). Der Freie Text steht in Verbindung zur Schuldruckerei, zur Klassenzeitung und zur Korrespondenz. Diese demokratischen Einrichtungen fördern eine demokratische Lebensweise der Kinder in der Schule ungemein (vgl. Hagstdt 2003, S. 277f).
Auch das zweite Prinzip Baillets, die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt, impliziert ein demokratisches Handeln von Kindern. Erst wenn Kinder sich aktiv mit der Umwelt auseinandersetzen, kann eine Partizipation daran stattfinden. Nur so kann es auch zu einer Veränderung der Umwelt kommen. Das dritte Prinzip, die Selbstverantwortlichkeit, „(…) wie sie die Schüler bei Freinet durch die eigene Wahl der Arbeit aus einem individuellen Arbeitsplan mit der Möglichkeit zur Selbstkorrektur und der eigenen Einschätzung der geleisteten Arbeit lernen, entspricht der demokratischen Voraussetzung, daß die Menschen lernen, für ihr Handeln Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen mitzutragen“ (Bruns 2002, S. 31f) (vgl. Bruns 2002, S. 31f). Besonders die Arbeitstechniken bzw. Arbeitsmittel der Freinet-Pädagogik machen ein demokratisches Handeln der Kinder in der Schule möglich. Die „Selbstlernkartei“, die „Arbeitsmittelkartei“, die „Arbeitsbibliothek“ sowie die „Nachschlagekartei und Dokumentensammlung“ sind an dieser Stelle zu nennen. Die Raumgestaltung sowie die Arbeitsateliers stellen die Rahmenbedingungen dar, denn nur in solch einer Lernumgebung kann selbstverantwortliches und damit auch demokratisches Lernen stattfinden.
Das Demokratieverständnis der Freinet-Pädagogik spiegelt sich am deutlichsten in dem vierten Prinzip Baillets, „Kooperation und gegenseitige Verantwortlichkeit“, wider. Hierbei ist es entscheidend, nicht nur seine eigenen Interessen sondern auch die der Gemeinschaft in den Blick zu nehmen. Hier wird die gegenseitige Verantwortung in den Mittelpunkt gestellt mit dem Ziel eines gemeinsamen Handelns, das in ein gemeinschaftliches Ergebnis müden soll. „Um gemeinsam zu arbeiten, muß man sich aufeinander abstimmen, sich einbringen können, andere Meinungen und Ideen zulassen
2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet
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und zu einem Konsens gelangen. Diese schwierige Arbeit von Entscheidungsfindung, Kooperation und Verantwortlichkeit wird in dem Freinet’schen Element des Klassenrats gebündelt“ (Bruns 2002, S. 32) (vgl. Bruns 2002, S. 32). Voraussetzung für eine gelingende Kooperation ist die Festlegung gemeinsamer Regeln. Diese demokratischen Handlungsabläufe innerhalb einer Klasse verleihen den SchülerInnen einen Bürgerstatus. „Freinet spricht von Bürgerverantwortung und ernennt ausdrücklich Selbstverantwortliche für bestimmte Aufgaben und Ämter, sogenannte »Responsabilités«“ (Hagstedt 2003, S. 275) (vgl. Hagstedt 2003, S. 275).
Die Freinet-Pädagogik bereitet die Kinder auf das spätere Leben vor: „Schon in der Schule erleben sie täglich in Ernstsituationen das, was das Funktionieren einer auf demokratischen Spielregeln aufgebauten Gesellschaft ausmacht“ (Jörg 2007, S. 100) (vgl. Jörg 2007, S. 100).
Abschließend ist zu erwähnen, dass kein Anspruch auf Vollständigkeit des demokratischen Verständnisses Célestin Freinets erhoben werden kann. Dennoch lässt sich erkennen, dass Freinet nicht nur punktuell Demokratie in das Schulleben integriert und stundenweise praktiziert, sondern dass Demokratie vielmehr als das Grundverständnis von Schulleben definiert wird. Diese ganzheitliche Betrachtung macht die Freinet-Pädagogik aus.
2. Theoretische Grundlagen - Grundschule Harmonie
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2.2 Grundschule Harmonie
2.2.1 Grundschule Harmonie
Die Grund- und Europaschule Harmonie ist eine von vier Grundschulen in Eitorf und befindet sich „(…) in einem Neubaugebiet (…)“ (K. G. H.1 2007, S. 8) im Ortsteil Harmonie (vgl. Gemeinde Eitorf 1 2010). Demnach ist die Schule nach diesem benannt und nicht der Wortbedeutung wegen. Eitorf umfasst 19.650 EinwohnerInnen und befindet sich im Rhein-Sieg-Kreis. Dieser liegt in der Nähe von Köln im Bundesland Nordrhein-Westfalen (vgl. Gemeinde Eitorf 2 2010).
Die heute bestehende staatliche Grundschule Harmonie wurde 1995/96 erbaut und eröffnet. Ihre Entstehungsphase ist durch einige Schwierigkeiten gekennzeichnet. So lag zum Zeitpunkt der Schuleröffnung kein Schulkonzept vor und das Kollegium war sich bis drei Tage vor der Eröffnung unbekannt. Darüber hinaus wurden keine staatlichen Förder- und Modellprogramme entwickelt, keine Elterninitiativen gegründet oder gar wissenschaftliche Beratung eingeholt. Außerdem wurden keine zusätzlichen Stellen und Mittel zur Verfügung gestellt. Trotz dieser problematischen Ausgangssituation hat es sich der damalige und heutige Schulleiter Walter Hövel mit seinem Kollegium zur Aufgabe gemacht, eine selbstorganisierte und „sich selbst verantwortende Schule“ zu entwickeln (vgl. K. G. H. 2007, S. 8):
„So entstand eine Schule auf ihrem eigenen Weg, geleitet von der Vorstellung alles tun zu können und zu wollen, was staatliche Mittel, inhaltliche und strukturelle Rahmenbedingungen, eine Kommune, Eltern und die eigene Ausbildung und Einstellung zulassen, wenn nicht Be-Lehren, Unter-Richten und Ver-Schulen, sondern Lernen, Kinder als Menschen und Lebenswirklichkeit im Mittelpunkt eines Hauses des Lernens stehen“ (K. G. H. 2007, S. 8).
Es besuchen rund 200 SchülerInnen die Grundschule Harmonie (vgl. K. G. H. 2007, S. 9). Die Schülerschaft setzt sich folgendermaßen zusammen: Sie gehört überwiegend der unteren bis mittleren Mittelschicht an. Knapp 1/3 der Kinder leben in sozial schwachen Familien. Ebenfalls 1/3 der Kinder an dieser Schule weisen einen Migrationshintergrund
1 „Kollegium der Grundschule Harmonie“ wird im weiteren Verlauf der Arbeit aufgrund besserer Lesbarkeit mit K. G. H. abgekürzt
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(türkisch, kurdisch, russisch, ukrainisch, polnisch und Sinti) auf (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 2).
Das Lehrerkollegium besteht aktuell aus neun fest eingestellten Lehrkräften, wobei Walter Hövel dabei als Schulleiter fungiert und eine Lehrerin als Inklusionslehrerin arbeitet. Weitere MitarbeiterInnen sind zurzeit sechs Lehramtsanwärterinnen, sechs Studentinnen des Studiengangs „Entwicklung und Inklusion“, vier Nachmittagsbetreuerinnen, zwei KünstlerInnen, ein Hausmeister und Administrator sowie zwei Küchenfachkräfte. Auch der Grundschullehrer und Erziehungswissenschaftler Falko Peschel ist ein Mitglied des Teams (vgl. K. G. H. 1 2010).
Da Walter Hövel den Kopf der Grundschule Harmonie darstellt, soll nun sein beruflicher Werdegang kurz dargelegt werden. Zunächst studierte Walter Hövel Grund- und Hauptschullehramt mit den Fächern Englisch, Kunst und katholische Religion an einer Universität in Köln und beendete das Studium erfolgreich im Jahr 1973. Nach dem Studium arbeitete Hövel an einer Berufsschule, einer Fachoberschule, an Hauptschulen sowie an einer Gesamtschule. Darüber hinaus war er seit 1982 auch in der internationalen Fort- und Weiterbildung tätig und bekam seit 1985 immer wieder Lehraufträge deutscher und europäischer Universitäten und Hochschulen. Ab dem Jahr 1990 richtete sich sein Interesse auf die Arbeit an Grundschulen im Rhein-Sieg-Kreis, die 1995 in seiner Arbeit als Schulleiter der Grundschule Harmonie mündete (vgl. K. G. H. 2 2010).
Der Tagesablauf der Grundschule Harmonie hat eine Struktur, an der sich alle Beteiligten im Rahmen ihrer Arbeit orientieren können. Diese wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch ersichtlich (siehe 3.2.3) (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 4). Die Strukturierung der Woche erfolgt über feste Bestandteile der Grundschule Harmonie wie Montagsversammlung, Kinderuniversität, Englischzeit, Kinderparlament und Adam-Riese-Kreis (Mathe) (vgl. K. G. H. 3 2010). Die Woche beginnt mit der Montagsversammlung, an der in der Regel die ganze Schule teilnimmt, um anstehende Ereignisse der kommende Woche zu besprechen. Außerdem werden die Geburtstagskinder der letzten Woche gefeiert. Die Leitung der Montagsversammlung übernimmt Walter Hövel (vgl. K. G. H. 2007, S. 10). Andere ausgewählte Elemente der Wochenstrukturierung werden im nächsten Teil der Arbeit, im Rahmen der Beschreibung des pädagogischen Konzepts der Schule, zum Gegenstand der Betrachtung gemacht.
2. Theoretische Grundlagen - Grundschule Harmonie
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Das pädagogische Konzept der Grundschule Harmonie beinhaltet in seinem Kern „(…) das Lernen zum eigenverantwortlichen Lernen [und] die Erziehung zum selbstständig verantworteten Verhalten“ (K. G. H. 4 2010). Darüber hinaus werden „(…) Lernarrangements in kooperativen demokratischen Strukturen [geschaffen] [sowie sich] (…) an jedem einzelnen Menschen und seinen individuellen Lernbedürfnissen [orientiert]“ (K. G. H. 4 2010).
Eine detailliertere Beschreibung des pädagogischen Konzepts der Grundschule Harmonie wird im Folgenden der nächste Schritt dieser Arbeit sein.
2. Theoretische Grundlagen - Grundschule Harmonie
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2.2.2 Pädagogisches Konzept der Grundschule Harmonie
Bevor das pädagogische Konzept der Grundschule Harmonie vorgestellt wird, soll betont werden, dass hierbei kein Anspruch auf Vollständigkeit gewährleistet werden kann. Grund hierfür ist die Komplexität des pädagogischen Konzepts der Grundschule Harmonie, durch die eine Beschreibung des Konzepts dutzende Seiten im Rahmen dieser Arbeit einnehmen könnte. Die Intension dahinter ist allerdings, einen Einblick in die Arbeit der Grundschule Harmonie zu geben. Anstatt jedes Detail ausführlich darzulegen, wie beispielsweise den Umgang mit den einzelnen Fächern, gilt an dieser Stelle vielmehr die Absicht, die Philosophie sowie deren Umsetzung in dieser Schule zu vermitteln.
Für die Vorstellung und Beschreibung des pädagogischen Konzepts der Grundschule Harmonie wurden unterschiedliche Quellen herangezogen. Grundlage hierfür stellt die Internetseite der Schule dar. Unsere primäre Informationsquelle ist die von W. Hövel, Ch. Schaumann und U. Schulte verfasste „Beschreibung der Grundschule Harmonie“. In Anlehnung daran wurden die Aspekte „Umgang mit Vielfalt und Unterrichtsqualität“, „Verantwortung“, „Schulklima, Schulleben und außerschulische Lernpartner“ sowie „Schule als lernende Institution“ herangezogen und zusätzlich mit dem Schulkonzept der Schule erläutert.
2.2.2.1 Umgang mit Vielfalt und Unterrichtsqualität (Gesa Balke)
„Der Gedanke, die Vielfalt von Menschen als Herauforderung und Chance anzunehmen, prägt unsere tägliche Arbeit in solcher Weise, dass die Punkte Vielfalt und Unterrichtsqualität für uns nicht voneinander zu trennen sind“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3). Dieses aus der Beschreibung der Grundschule Harmonie stammende Zitat lässt erkennen, dass die Grundschule Harmonie die Heterogenität der Kinder anerkennt und nutzt. Für die Gestaltung des Unterrichts haben sich Eltern und Lehrpersonen vor einigen Jahren gemeinsam dazu entschlossen Jahrgangsübergreifende Klassen einzuführen.
„Durch diese Klassenzusammensetzung fordern wir Vielfalt bewusst heraus, da wir diese als Chance für das soziale, personale und schulische Lernen sehen“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3.). Somit lernen die SchülerInnen „miteinander“ sowie „voneinander“ und sind folglich sowohl „Lernende“ als auch „Lehrende“.
Dementsprechend können alle Kinder kooperativ und gemeinschaftlich an bestimmten Themen arbeiten. Des Weiteren bilden sich Freundschaften über die eigene Altersgrenze eines Kindes hinaus. Zukünftige Schulkinder haben an der Grundschule Harmonie die
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Möglichkeit, einige Tage am Schulleben teilzunehmen, um sich anschließend eine eigene Klasse auszuwählen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3).
Der in der Grundschule Harmonie vorzufindende Unterricht zeichnet sich durch ein hohes Maß an selbstgesteuertem und eigenverantwortlichem Lernen aus. Die Gestaltung des Schulalltags sieht daher so aus, dass die Kinder über ihr eigenes Lernen bestimmen können. Dadurch können sie „ (…) an dem (…) arbeiten, was für sie wichtig und sinnvoll ist“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3). Aufgrund des angestrebten eigenverantwortlichen Lernens sind in der Grundschule Harmonie weder Stundenpläne noch Schulbücher vorzufinden. Auch liegen keine vorgefertigten Wochenpläne, Tagespläne oder gar vorgegebene Arbeitsblätter vor. „Jeder Lerntag wird von jedem einzelnen Kind in der Gemeinschaft der Klasse oder anderer von der gesamten Schule angebotenen Lerngruppen bestimmt“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3). „Ausgangspunkt und Zielpunkt des individuellen Lernens in kooperativer Verantwortung ist der Kreis. Hier treffen sich die Kinder mehrmals am Tag, um ihre Arbeit zu planen, zu verabreden, zu überprüfen, zu präsentieren und auszuwerten. Sie lernen sich Ziele zu setzen und Probleme zu nennen“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3) (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3). Hier wird deutlich, dass jedes Kind an jedem Tag mehrmals neu entscheiden kann, was es lernen möchte.
Für die eigenständige Gestaltung ihrer Arbeit bekommen die Kinder den ganzen Vormittag zur Verfügung gestellt (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 4). Die in der Schule befindliche Bibliothek sowie die zahlreichen Angebote von Büchern in der gesamten Schule [„Unsere Schule ist eine Bibliothek“ (K. G. H. 2007, S. 51)] können dafür beispielsweise von den Kindern genutzt werden (vgl. K. G. H. 2007, S. 51). Auch die Druckerei ist eine beliebte Anlaufstelle der Kinder bei der Gestaltung ihres Schultages (vgl. K. G. H. 2007, S. 54).
Diese Form des selbstbestimmten Arbeitens bewirkt eine Sinngebung auf Seiten der Kinder. „So vielfältig wie die Menschen an unserer Schule sind, so vielfältig sind auch Lern- und Arbeitsformen, Themen und Lernangebote“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3.) (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 3). Den Abschluss einer jeden Arbeit bildet ihre Präsentation. Hierbei lassen sich unterschiedliche Präsentationsmöglichkeiten wie eine Power-Point-Präsentation oder ein mündlicher Vortrag nennen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 4).
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Dem Projektlernen wird in der Grundschule Harmonie eine Bedeutung zugesprochen, indem dieses sowohl in Einzel- als auch in Gruppenarbeiten bzw. in der ganzen Klasse regelmäßig stattfindet. Darüber hinaus werden auch klassenübergreifende Projekte gemeinsam geplant und durchgeführt. Dies kann sowohl zwei als auch mehrere Klassen betreffen. Außerdem werden einige Projekte von Gästen, SchulpraktikantInnen oder StudentInnen angeboten. Daneben finden auch „klassische Projektwochen“ ihre Anwendung in der Grundschule Harmonie. Die Themen „Schule auf Reisen“ oder „Berufspraktika für Grundschüler“ sind hier als Beispiele zu nennen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 4).
Einmal in der Woche findet in der Grundschule Harmonie das Angebot der „Kinderuniversität“ statt (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 4). Die „(…) Kinderuniversität [ist] so wie Universität eigentlich sein sollte, die Gemeinschaft von Lernern und Lehrern, die dem Einzelnen Bildung zugänglich macht“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 4). Ein Thema der Kinderuniversität ist beispielsweise „Grundbegriffe der Mathematik“ (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 4).
Neben dem Projektlernen und der Kinderuniversität soll an dieser Stelle auch die „Leadershipausbildung“ hervorgehoben werden. Diese war ursprünglich ein im Rahmen der Kinderuniversität stattfindendes Projekt. Dabei gehen je zwei Kinder aus einer Klasse zu einem Projekt, für das sie entweder bereits „Spezialisten“ sind oder noch werden möchten. Hierbei liegt der Focus in der „(…) Verantwortungsübernahme für die Weitergabe und Pflege besonderer Fähigkeiten von ‚Spezialisten‘ im Rahmen der Arbeit einer kooperierenden Klasse und Schule“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S 4f.). „Computertechniken“, „Teamtraining“ und „Arbeits- und Darstellungstechniken“ können hier als exemplarische Beispiele für Expertenbereiche genannt werden (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 5).
Ein weiterer Aspekt in Bezug auf „Umgang mit Vielfalt und Unterrichtsqualität“ stellen „Selbsteinschätzung und Beratungsgespräche“ dar. Die SchülerInnen der Grundschule Harmonie sind für ihr eigenes Lernen verantwortlich. Die LehrerInnen sind dafür verantwortlich, dass die Lehrpläne des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen beachtet und erfüllt werden. Für die Gewährleistung dieser Lehrplanerfüllung erhält jedes Kind einen Gesamtüberblick bezüglich der zu lernenden Inhalte im Rahmen der vier Grundschuljahre. Für die Überprüfung der Lehrpläne existieren Selbsteinschätzungsbögen, die vom Kollegium der Grundschule Harmonie entwickelt wurden und die sowohl jedes einzelne Fach als auch das Arbeits- und Sozialverhalten des Kindes betreffen. Diese eben genannte
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Selbsteinschätzung findet einmal pro Halbjahr ihre Anwendung. Dabei erhalten das Kind selbst, dessen Eltern und die Lehrperson alle ein und den gleichen Bogen. Die ausgefüllten Bögen bilden im Anschluss daran die Basis für „ein gemeinsames Kinder-Eltern-Lehrer-Gespräch“. „Das Kind lernt sich, sein Arbeiten, seine Leistung und seine Entwicklung einzuschätzen. Die Erwachsenen erfährt es als Begleiter und Garanten dieses Prozesses“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 5). Das Ziel besteht darin, dass die SchülerInnen dazu befähigt werden, eigenständig neue „Lern- und Arbeitsschritte“ vorzunehmen.
Außerdem erhalten auch die Eltern des Kindes einen Überblick über dessen Entwicklungsstand sowie über Anforderungen der Lehrpläne und die der Schule. „Keine Note, auch kein Gutachten können diese Portfolio-Situation in ihrer Transparenz und Klarheit ersetzen“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 5). An dieser Stelle ist allgemein hinzuzufügen, dass die Gespräche mit Kindern, Eltern oder beiden sich durch den gesamten Schulalltag der Grundschule Harmonie ziehen.
Die komplette Arbeit der Schule wird von dieser als „Förder-Forder-Arbeit“ angesehen. Aus diesem Grund hat sich das Kollegium der Grundschule Harmonie zum Ziel gesetzt, die Kinder zu einer „eigenen Förderung“ sowie „Forderung“ zu erziehen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 5).
2.2.2.2 Verantwortung (Gesa Balke)
Durch den vorangegangen Abschnitt ist bereits deutlich geworden, dass dem Begriff „Verantwortung“ in der Grundschule Harmonie eine große Bedeutung zukommt. Für die positive Umsetzung eines eigenverantwortlichen Lernens betont die Schule die Notwendigkeit eines „demokratischen Miteinanders“ (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 6).
In der Grundschule Harmonie existieren vielfältige Anlässe bei denen „(…) die Eigeninitiative der Kinder und der demokratische Umgang mit allen Menschen geschult, gelebt und gepflegt werden“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 6).
Im Folgenden sollen die wichtigsten Anlässe näher vorgestellt werden. Die „Schulversammlung“ ist eine zweimal im Monat stattfindende Veranstaltung, an der die gesamte Schule teilnimmt und die ausschließlich von den SchülerInnen der Grundschule Harmonie organisiert und geleitet wird. Im Rahmen der Schulversammlung werden Präsentationen der gegenwärtigen Arbeit vorgestellt. Darüber hinaus können hier wichtige Themen angesprochen und diskutiert werden sowie gegebenenfalls gemeinsame Regelungen getroffen werden. Neben diesen genannten Gestaltungsmöglichkeiten der
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Schulversammlung gibt es situationsbedingt auch immer wieder Termine, bei denen sich beispielsweise nur die Mädchen treffen oder nur die Kinder der ersten Klassen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 6).
Des Weiteren gibt es in der Grundschule Harmonie ein so genanntes „Kinderparlament“. „Das Kinderparlament ist Sensor und Ideengeber unserer Schule“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 6). In jeder Klasse werden zwei „Delegierte“ ausgewählt, die an dem einmal wöchentlich stattfindenden Kinderparlament teilnehmen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 6). Ebenfalls anwesend ist ein von den Kindern gewählter „Kids Manager“, der in der Kinderkonferenz als Coach fungiert. Das Kinderparlament bietet Raum sich „(…) über Belange des Schullebens auszutauschen und nach Veränderungen des Zusammenlebens zu suchen“ (K. G. H. 2007, S. 35). Der Ablauf des Kinderparlaments charakterisiert sich dabei folgendermaßen: In einem ersten Schritt wird von den jeweiligen Delegierten aus ihren eigenen Klassen berichtet. „Hier kann von Ereignissen, Aktionen [und] Problemen aus den einzelnen Klassen erzählt werden“ (K. G. H. 2007, S. 35). Auf diese Weise können „(…) Ideen ausgetauscht, gesammelt, gegeneinander abgewägt, verglichen [und] ausgeweitet [werden]“ (K. G. H. 2007, S. 35).
Außerdem können im Kinderparlament jederzeit „(…) Anträge über die Veränderung von Regeln und Abläufen [des schulischen Alltags] gestellt werden (…)“ (K. G. H. 2007, S. 36). Hier wird auch die zentrale Funktion des Kinderparlaments deutlich, indem die Kinder gemeinsam „(…) aushandeln, resümieren, analysieren, auswerten von Beobachtetem, verändern und überarbeiten von Ideen, die in der Praxis nicht, oder nicht den Ansprüchen entsprechend, funktioniert haben“ (K. G. H. 2007, S. 36). Es ist zu betonen, dass die im Kinderparlament gefällten Beschlüsse gleichwertig sind mit denen des Lehrerkollegiums. Dadurch erleben die Kinder, dass sie sich tatsächlich aktiv an der Gestaltung des Schullebens beteiligen können. Des Weiteren fühlen die Kinder, „(…) dass ihre Wünsche und Bedürfnisse ernst und wichtig genommen werden, was die Bereitschaft bestärkt, etwas verändern zu wollen, sich als mündigen Bürger mit Rechten [und] Pflichten zu sehen“ (K. G. H. 2007, S. 36).
Insgesamt betrachtet bietet das Kinderparlament umfassende Möglichkeiten, die Demokratiefähigkeit der Kinder zu fördern. „Nur Menschen, die Demokratie im eigenen Wort und eigenem Handeln begriffen haben, können die Demokratie lebensfähig machen, können sie wirklich fördern, nicht für eine Zukunft, sondern für das Jetzt“ (K. G. H. 2007, S. 36) (vgl. K. G. H. 2007, S. 35f).
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Neben der Schulversammlung und dem Kinderparlament gibt es in der Grundschule Harmonie den „Klassenrat“. „Der Klassenrat ist das Herz jeder Klasse, ein Gremium, das von Kindern und dem Lehrer einer Klasse regelmäßig einberufen wird“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 6). Im Klassenrat wird die Arbeit der Kinder täglich „erfunden“, „geregelt“ und „ausgewertet“ (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 6). Hier wird nicht nur die eigene sowie die gemeinsame Arbeit geplant und ausgewertet, sondern es können vielmehr auch Probleme angesprochen und gegebenenfalls Anträge gestellt werden. Hierbei gilt, dass die Beschlüsse basisdemokratisch vollzogen werden und für alle Beteiligten gültig sind. Die Leitung des Klassenrats wird von der Präsidentin/dem Präsidenten übernommen. Die Rolle der Lehrperson wird hier als die des Begleiters definiert. „Der Klassenrat achtet darauf, dass beim Lernen gelernt wird. Oder um es noch anders zu sagen, hier wird das Lernenlernen gelernt, eine Qualifikation zur Bewältigung der Aufgaben der Zukunft“ (K. G. H. 2007, S. 33) (vgl. K. G. H. 2007, S. 33f).
Ein weiterer, unter dem Begriff Verantwortung einzuordnender Aspekt stellt das „Konfliktbewusstsein“ dar. In der Grundschule Harmonie existiert kein Streitschlichterprogramm, denn jedes Kind ist auf diesem Gebiet kompetent, „(…) weil [die Kinder] vom ersten Schultag an lernen sich mit ihren Konflikten verantwortungsvoll auseinander zu setzen“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 7). Hierfür gibt es Vereinbarungen, die in der Schulversammlung gemeinsam getroffen wurden und die den Kindern helfen aus Konfliktsituation herauszukommen. Grundsätzlich gilt, dass die SchülerInnen immer die Möglichkeit haben, ihre Konflikte anzusprechen, beispielsweise im Klassenrat. Aufgrund dieser Vorgehensweise werden die Kinder für Lösungsfindungen in Hinblick auf Konflikte fit gemacht. Der professionelle Umgang mit Konflikten kann außerdem im Rahmen der Leadershipausbildung zum Lerninhalt gemacht werden. Grundsätzlich gilt in der Grundschule Harmonie, dass „(…) [jeder] Konflikt (…) ernstgenommen [wird]“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 7).
In der Grundschule Harmonie übernehmen die Kinder nicht nur die Verantwortung für sich selbst und andere Menschen in ihrer Schule, sondern engagieren sich darüber hinaus auch für „gemeinnützige Organisationen“. Ein Beispiel hierfür sind die von den Kindern regelmäßig organisierten Spendenaktionen für das in Troisdorf befindliche Tierheim. Die Verantwortung für die Welt lässt sich jedoch insbesondere in der Auseinandersetzung mit „Fragen zur Welt“ widerspiegeln (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 7).
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2.2.2.3 Schulklima, Schulleben und außerschulische Lernpartner (Antonia Specht)
Die Grundschule Harmonie legt einen besonderen Wert auf das Schulklima und Schulleben. Die Schule soll keinesfalls ein Ort der Verpflichtung sein, sondern vielmehr ein „(…) Ort des Wohlfühlens und des Zuhauseseins“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8). Da die Grundschule Harmonie als Lebensraum der Kinder wahrgenommen wird, sollen die Kinder an der Gestaltung ihres Schullebens aktiv teilhaben. Kurz gesagt: Sie sollen „(…) ihr Leben selbst in die Hand nehmen“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8.). So liegt es beispielsweise in der Entscheidung der Kinder, wann sie essen oder trinken. Ebenfalls an der Gestaltung des Klassenraums sollen die Kinder beteiligt sein (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8): „Jede Klasse, Kinder und Lehrerinnen gestalten ihre Klassenräume nach ihren Bedürfnissen“ (K. G. H. 2007, S. 21). Darüber hinaus bestimmt die Klasse selber in einem gemeinsamen Konsens, welchen Namen sie sich geben wollen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8). Die zurzeit bestehenden Klassen heißen: „Die Fledermäuse“, „Die Mondscheindrachen“, „Die Genies“, „Die Delfine“, „Die Blumenkinder“, „Die Phönixe“, „Die Kichererbsen“ sowie „Die Eichhörnchen“. Durch die eigene Auswahl des Namens kommt es zu einer Identifikation mit der Klasse (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8), was zum Wohlfühlen in der Schule beiträgt.
Weiterhin wird das Schulleben durch das Schulgebäude und das „naturnahe Schulgelände“ geprägt (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8.). Der damalige Architekt erbaute mitten in Natur und Wiese einen Schulbungalow, in dem 200 Kinder Platz haben sollten. Er bevorzugte die Materialien Glas, Holz sowie Stein und richtete für jeden Klassenraum einen separaten Ausgang zum Schulgelände ein (vgl. K. G. H. 2007, S. 9). Dies zeigt, dass die Umgebung ein fester Bestandteil des Schullebens darstellt. Sie ist stets von Kindern, LehrerInnen sowie Eltern weiterentwickelt worden und „(…) [so] ist aus einer brach liegenden Weide ein Hügelgelände mit Teich, Tunnel, Brücke, Fußballplatz, Weidenlabyrinth, Sandkasten, Rutsche, Schaukel und vielen Sitzgelegenheiten entstanden“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8) (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8). Das Schulgelände, „(…) als Abenteuerlandschaft gestaltet (…)“ (K. G. H. 2007, S. 22), ist aufgrund der eben genannten Ausstattungen und des naturfreundlichen Charakters eine Besonderheit der Grundschule. Deshalb ist es alltäglicher Bestandteil der Kinder, dort zu arbeiten, zu forschen, zu spielen und zu verweilen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8).
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Neben der gemeinsamen Gestaltung des Schullebens ist das Schulklima ein wesentlicher Aspekt der Grundschule Harmonie. Sie legt zunächst einen besonderen Wert auf eine gemeinsame Arbeit von Kindern, LehrerInnen, MitarbeiterInnen und Eltern. Veranstaltungen, bei denen alle gemeinsam planen (Frühlingsbasar, jährliche Aktion zur Gestaltung des Schulgeländes, Sommerfest, u. a.) sollen das Schulklima und das harmonische Zusammenleben in der Grundschule fördern. Dabei ist ein respektvoller Umgang Grundgedanke der Grundschule. Daneben wird die „Atmosphäre und Beziehung“ als Grundvoraussetzung des Lernens gesehen. Die Kinder können mit allen Problemen und Schwierigkeiten, die sie nicht alleine zu lösen vermögen, zu den LehrerInnen kommen. Das Lehrerzimmer, das Schulleiterbüro sowie das Sekretariat stehen jeder Zeit für alle Kinder offen. Außerdem sind tägliche Sorgensprechstunden aller LehrerInnen eingerichtet (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8).
Die gemeinsame Gestaltung des Schullebens sowie die Schaffung eines positiven Schulklimas sind insgesamt gesehen ein wesentlicher Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Grundschule Harmonie.
Ein weiterer Grundgedanke, den die Grundschule lebt, ist die Öffnung nach innen und außen. Die Öffnung nach innen impliziert immer offen stehende Klassentüren, die ein klassenübergreifendes Arbeiten ermöglichen. Darüber hinaus stehen die Türen auch stets offen für Besucher wie Fachleute, Beobachter oder andere (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8).
Daneben ist es für die Grundschule Harmonie bedeutsam, sich nach außen hin zu öffnen: „Die Schule kooperiert mit allen Institutionen oder Vereinen, die den Kindern als geladene Gäste oder Besuchspartner Begegnungen des Lernens organisieren, wie Umweltamt, Sportvereine, andere Schulen, Künstler, Altenheimen, Chören, Universitäten, Kirchen, (…), etc.“ (K. G. H. 2007, S. 22). Ziel dabei ist es, den Kindern reale Begegnungen mit der Welt zu ermöglichen. Neben dem außerschulischen Lernen bedient sich die Schule der Methode, „(…) Experten ins Haus [zu holen]“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 9). MitarbeiterInnen der örtlichen Feuerwehr sind hier als ein Beispiel zu nennen. Eine weitere Öffnung nach außen beinhaltet für die Grundschule Harmonie die Präsentation der eigenen Schule. So wurde zum Beispiel ein selbst gedrehter Spielfilm im örtlichen Kino in Eitorf gezeigt oder ein von den Kindern gestalteter Wandbehang in der regionalen Kirche aufgehängt. Außerdem ist die eigene Sendung der Schule „Harmony-TV“ bei YouTube zu sehen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 8f).
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Ein nächster Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Grundschule Harmonie ist die Kooperation im In- und Ausland. Zunächst kommt es zu einem ständigen Austausch zwischen der Schule und Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen anderer Schulen sowie StudentInnen und DoktorantInnen aus ganz Europa, da diese ein großes Interesse an der Grundschule zeigen und sie ihr einen Besuch abstatten. Darüber hinaus steht die Schule in einer engen Zusammenarbeit mit den Universitäten Siegen, Köln, Bremen, Koblenz, Zagreb, den pädagogischen Hochschulen in Klagenfurt und Heidelberg sowie dem pädagogischen Institut in Bozen. Es kommt dabei zu einer „Kooperation zum gegenseitigen Lernnutzen“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 9) und einem nationalen sowie internationalen Austausch. Ein besonderes Projekt stellt die Partnerschaft mit einer englischen Schule dar (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 9). Mit Hilfe einer modernen und technischen Verbindung über „Skype“ können sich die Kinder beider Länder über Mikrophon, Lautsprecher und Webcam gegenseitig sehen und hören (vgl. K. G. H. 2007, S. 74). Außerdem kommt es neben einer Brief- und E-Mail-Korrespondenz zum gegenseitigen Besuch beider Schulen. Mit einer Gruppe von 30 Kindern fahren LehrerInnen und BegleiterInnen der Grundschule nach England, um dort in der Schule zu übernachten und ein gemeinsames Lernen zu ermöglichen. Genauso findet es umgekehrt statt (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 9). Dieser Grundschüleraustausch stellt eine Besonderheit der Grundschule Harmonie dar.
2.2.2.4 Schule als lernende Institution (Antonia Specht)
Die Grundschule Harmonie sieht sich „(…) als lebenden Organismus, der sich ständig weiterentwickelt, lernt und nachdenkt“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10). Die Schule wird somit als lernende Institution gesehen. Im Vordergrund dabei stehen die Kollegiumsarbeit und die daraus resultierende Professionalität und Evaluation.
Jeder Morgen beginnt für das Kollegium der Grundschule Harmonie damit, sich um 07:20 Uhr zu einer Frühkonferenz zu treffen, um wichtige organisatorische Anliegen des Tages zu besprechen (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10).
Ein fester und integrierter Bestandteil des Schulalltags der LehrerInnen ist außerdem die „Montagskonferenz“. Primäres Ziel ist es, sich gegenseitig fortzubilden und am Wissen des anderen teilzuhaben. Die Inhalte jeder Konferenz werden gemeinsam festgelegt und wechselseitig vorbereitet. Es kommt zu einem Austausch von „(…) Wissen, Erkenntnisse[n], Analysen und Strategien, wo immer sie [herkommen] (…)“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10). Es werden Ergebnisse, Erfolge, Hindernisse und Lösungen der alltäglichen Arbeit jedes Einzelnen vorgestellt. Darüber hinaus werden in
2. Theoretische Grundlagen - Grundschule Harmonie
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einem gemeinsamen Prozess Konzepte erarbeitet. Der „Aufbau von Ganztagsklassen an Halbtagsschulen“ ist an dieser Stelle als ein Beispiel zu nennen. Auch längerfristige Themen wie „Evaluieren mit Kindern“ sind ein Bestandteil der so genannten Montagskonferenz. Es kommt in einer gemeinsamen und intensiven Arbeit zur Planung der eigenen Schule (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10f). Ein entscheidender Aspekt der Grundschule Harmonie dabei ist, dass es nicht unbedingt zu einer Einigung kommen muss. Vielmehr soll „(…) die Summe all (…) [der] Verschiedenheiten und Kompetenzen (…) von jedem Einzelnen für jeden Einzelnen zum von allen vertretenden Maximalkonsens [werden]“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10). Das bedeutet, dass jede Lehrperson die Arbeit von KollegInnen als „(…) [gemeinsamen] Teil eines von mir verstandenen Konzepts [vertritt]“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10) (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10).
Ein weiteres Instrument des Austauschs und der Professionalisierung ist die einmal monatlich stattfindende „Kinderkonferenz“. Alle LehrerInnen, MitarbeiterInnen und LehramtsanwärterInnen sind Anwesende dieser Konferenz (vgl. K. G. H. 2007, S. 27). Diese impliziert „(…) kollegiale Fallberatung, Eigensupervision, Erarbeitung individueller Förderpläne und Fortbildung (…)“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10). Die entscheidende Intension dahinter ist der gemeinsame Austausch über Kinder, die hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte Auffälligkeiten zeigen. Diesbezüglich werden Erfahrungen ausgetauscht, nach Ursachen geforscht und Wege aufbereitet, dem Kind zu helfen. Dabei wird mit der örtlichen Familienberatungsstelle zusammengearbeitet (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10). Der Blick einer Kinderkonferenz kann verschieden sein: „In der einen steht mehr das Handeln und Verhalten der Lehrerin im Mittelpunkt, in den anderen die Untersuchung der Wahrnehmungs- und Denkfähigkeit des Kindes, das familiäre und soziale Umfeld, die von Eltern übertragenen Ängste oder familiären Aufstellungen (…)“ (K. G. H. 2007, S. 29). Durch die Kinderkonferenz wird eine isolierte Sicht auf Probleme vermieden und somit ein erweiterter Blick darauf gefördert (vgl. K. G. H. 2007, S. 25).
Ein weiterer Aspekt der Grundschule Harmonie als lernende Institution ist die einmal im Jahr mehrtägig stattfindende schulinterne Lehrerfortbildung (SchliLF) an der Grundschule, um intensiv am eigenen pädagogischen Konzept der Schule zu arbeiten. Einige beispielhafte Themen sind „jahrgangsübergreifender Unterricht“, „Selbsteinschätzung“ oder „Erziehung und Bildung“ (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 10).
2. Theoretische Grundlagen - Grundschule Harmonie
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Neben dem eigenen Denken der Grundschule Harmonie über kindliche, schulische oder auch erzieherische Belange werden Eltern dazu angeregt, sich ebenfalls mit diesen Themen auseinanderzusetzen. So werden sie zu Vorträgen, wie beispielsweise „Erziehung aus systematischer Sicht“, und auch zu Arbeitssitzungen, wie „Was erwarten Eltern von Schule – Was erwartet Schule von Eltern“, eingeladen.
Zusätzlich zu den internen Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Grundschule werden Fortbildungen und Bildungsveranstaltungen im In- und Ausland besucht. So nahmen einzelne KollegInnen der Schule beispielsweise am Freinet-Kongress in Lichtenstein teil (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 11).
Eine weitere Tätigkeit einer lernenden Institution ist die Reflexion der eigenen Arbeit. Sie stellt einen wichtigen Bereich der pädagogischen Arbeit der Schule dar. Zum einen wird in den eigenen Sitzungen der verschiedenen oben aufgeführten Konferenzen reflektiert. Zum anderen kommt es durch externe Fragebögen sowie Interviews mit Fachleuten zur Evaluierung. Des Weiteren ist die Grundschule Harmonie Mitglied eines Verbundes von fünf freien und staatlichen Schulen („FreinetZ“), die sich halbjährlich gegenseitig besuchen, um zu hospitieren und vor allem zu beraten. Der Grundgedanke ist, die eigene „Qualität selbst kontrollieren [zu] lassen“ (Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 11). Dies macht eine Weiterentwicklung von Schule aus (vgl. Hövel, Schaumann, Schulte 2007, S. 11).
Insgesamt stehen die Weiterentwicklung der Schule sowie jeder einzelnen Lehrperson im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit der Grundschule Harmonie. Es kommt zu einem stetigen Entwicklungsprozess und zu einer ständigen Überprüfung der eigenen Arbeit.
3. Forschungsdesign - Explikation der Fragestellung
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3 ForschungsdesignForschungsdesign
3.1 Explikation der Fragestellung
Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Pädagogik von Célestin Freinet. Wie bereits erwähnt, besitzt diese auch heute noch eine Relevanz für das gegenwärtige Schulleben. Unser Fokus stellt hierbei die Umsetzung freinetpädagogischer Ansätze in Grundschulen dar. Der Schwerpunkt dabei ist der Demokratieaspekt von Freinets alltäglicher pädagogischer Arbeit. In der Grundschule Harmonie lassen sich im Besonderen charakteristische Merkmale der Freinet-Pädagogik wiederfinden. Vor allem die demokratische Haltung aller Beteiligten an dieser Grundschule ist auffällig und lässt einen Vergleich zu Freinets Grundauffassung von Demokratie zu. Aus diesem Grund kann die Grundschule Harmonie exemplarisch für die Untersuchung unseres Forschungsvorhabens herangezogen werden.
Unser Forschungsvorhaben begründet sich in vielerlei Hinsicht. Wie bereits im Lebenslauf von Freinet (siehe 2.1.1) sowie in den Bausteinen der Freinet-Pädagogik (siehe 2.1.2) aufgezeigt, hat der Reformpädagoge Célestin Freinet durch die „Ecole Moderne“ wesentlich zur Entwicklung von Schule beigetragen. So hat er sich für eine allgemeine Schulbildung für alle Kinder eingesetzt und den Grundgedanken von Schule reformiert. Ein Beispiel hierfür ist, „den Kindern das Wort zu geben“. Es wird deutlich, dass Freinet „Demokratie als Lebensform“ anstrebt (vgl. Bruns 2001, S. 9). Dies ist besonders in der heutigen Gesellschaft von großer Relevanz, wo eine Mitwirkung aller Gesellschaftsmitglieder angestrebt wird. Das Einüben von demokratischen Einstellungen und Handlungen sollte daher so früh wie möglich, also schon in der Grundschule, begonnen werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich Grundschulen ein solches Verständnis vergegenwärtigen und ganzheitlich umsetzen, indem sie nicht nur punktuell demokratisches Handeln fördern, sondern indem die Schule eine demokratische Lebensweise vorlebt.
Die vorangegangene Argumentation der Bedeutsamkeit vom Verständnis der Demokratie als Lebensform, so wie von Freinet angestrebt, begründet die intensive Auseinandersetzung mit unserem Forschungsgegenstand im Rahmen unserer Arbeit. Für die Untersuchung von demokratischen Strukturen an der Grundschule Harmonie haben wir uns in Anlehnung an Falko Peschel (vgl. Peschel 2008, S. 99f) für drei Kriterien entschieden: „Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen“,
3. Forschungsdesign - Explikation der Fragestellung
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„Demokratisierung der sozialen Bedingungen“ und „Inhaltliche Partizipation“. Diese dienen uns bei der empirischen Untersuchung als Leitfaden.
Das erste Kriterium bezieht sich darauf, inwieweit die Organisation der Grundschule Harmonie demokratisiert ist und somit demokratisches Handeln aller Beteiligten zulässt. Hierunter fallen beispielsweise die Analyse der Tagesstruktur sowie die inhaltliche Gestaltung des Schulalltages. Beim zweiten Kriterium der Demokratisierung der sozialen Bedingungen ist es unser Ziel herauszufinden, inwieweit die Kinder an der Gestaltung des Schullebens partizipieren können. An dieser Stelle kommt für uns die Frage auf, ob es demokratische Instrumente gibt, die eine Partizipation möglich machen. Dabei soll sowohl das Individuum mit seinen Interessen als auch das Wohl der Gemeinschaft Beachtung finden.
Die inhaltliche Partizipation als letztes, von uns festgelegtes Kriterium dient der Überprüfung, in welchem Maße die Kinder an der Gestaltung ihres eigenen Lernens partizipieren können und auch wollen.
In Bezug auf die drei genannten Kriterien ist es für die Beantwortung unserer Forschungsfrage unser Interesse, diese immer auch im Hinblick auf die Freinet-Pädagogik zu betrachten.
In dem ersten Teil unserer Arbeit wurden theoretische Grundlagen über Célestin Freinet, seine Pädagogik und seine demokratische Haltung geschaffen sowie Informationen über die Grundschule Harmonie mit ihrem Schulkonzept gegeben. Diese Vorinformationen stellen die Grundlegung für unser weiteres Vorgehen im methodischen Kapitel dar. Zur Beantwortung unseres Forschungsvorhabens, die demokratischen Strukturen im Sinne Freinets in der Grundschule Harmonie darzulegen, ziehen wir im Folgenden drei unterschiedliche Methoden heran. Diese sollen im Speziellen für die Untersuchung der drei oben genannten Kriterien dienen.
Zunächst wird die Methode der Dokumentenanalyse angewendet, um das Schulkonzept hinsichtlich der Fragestellung zu untersuchen. In einem nächsten Schritt folgt ein Leitfaden orientiertes Experteninterview mit Walter Hövel, dem Schulleiter der Grundschule Harmonie. Abschließend werden wir die Methode der teilnehmenden Beobachtung einsetzen, um den Schulalltag der Kinder zu untersuchen.
Unsere Vorgehensweise diesbezüglich ist jeweils durch einen Vierschritt gekennzeichnet: Anfangs werden wir die Methoden vorstellen und begründen. Danach folgen eine Vorstellung der Datenerhebung und schließlich die Datenauswertung durch die
3. Forschungsdesign - Explikation der Fragestellung
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verschiedenen herangezogenen Erhebungsverfahren. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass wir die Auswertung und somit Interpretation aller Daten gemeinsam vollziehen werden. Der Grund hierfür stellt der erweiterte Forschungsblick und somit eine qualitativ hochwertigere Ergebnissicherung dar. Der letzte Schritt unserer Vorgehensweise beinhaltet die Reflexion der Forschungsmethode.
Im Zusammenhang unserer gesamten qualitativen Forschung haben wir im Laufe unseres Arbeitsprozesses mehrfach die Forschungsberatung sowie die Workshops von Frau Thünemann in der Universität Bremen in Anspruch genommen. Somit konnten wir unseren Forschungsblick hinsichtlich unserer drei ausgewählten Methoden erweitern.
Die Auseinandersetzung mit den Methoden unserer Forschung, durch den eben genannten Vierschritt, erfolgt nun im nächsten Teil unserer Arbeit.
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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3.2 Dokumentenanalyse
3.2.1 Vorstellung der Methode
Die erste Methode, die wir heranziehen wollen, ist die Dokumentenanalyse. Sie stellt „(…) ein klassisches Feld qualitativ-interpretativer Analyse [dar]“ (Mayring 2002, S. 46).
Die Methode hat den Anspruch einer großen Definitionsbreite. Folglich sind nicht nur Schriftstücke oder Urkunden relevante Objekte für die Dokumentenanalyse, sondern auch „(…) sämtliche gegenständlichen Zeugnisse, die als Quelle zur Erklärung menschlichen Verhaltens dienen können“ (Atteslander zitiert nach Mayring 2002, S. 47).
Ausgehend von einem humanwissenschaftlichen Verständnis kann der Begriff Dokument im Prinzip alles umfassen. So können hier sowohl „Texte“, „Filme“, „Tonbänder“ als auch Gegenstände wie beispielsweise „Werkzeuge“, „Bauten“, „Kunstgegenstände“ exemplarisch genannt werden. „Sie müssen nur interessante Schlüsse auf menschliches Denken, Fühlen und Handeln zulassen, das heißt, sie müssen interpretierbar sein, denn Dokumente werden als Objektivationen (Vergegenständlichungen) der Psyche des Urhebers (…) angesehen“ (Mayring 2002, S. 47).
In einer derartigen Vielfalt an Materialien spiegelt sich bereits der erste von zwei großen Vorteilen dieser Methode wider. So werden Zugänge eröffnet und Material erschlossen, „(…) das in klassischen Methoden wie Test- oder Verhaltensbeobachtung unter den Tisch fällt“ (Mayring 2002, S.47). Der zweite Vorteil der Dokumentenanalyse besteht darin, dass das vorliegende Material bereits durch andere erhoben wurde. Dadurch besteht für die ForscherInnen keine Gefahr, Fehler bei der Erhebung zu begehen. Die Subjektivität der ForscherInnen ist bei dieser Methode nur in Bezug auf die Dokumentenauswahl und nicht für die Erhebung relevant. „Dieser Grundgedanke wird in der Sozialforschung auch als nonreaktives Messen (…) bezeichnet, als Messen, das nicht in Reaktion auf eine Messanordnung erfolgt“ (Mayring 2002, S. 47) (vgl. Mayring 2002, S.46f).
Eine besondere Rolle wird der Dokumentanalyse zugesprochen, wenn historische Ereignisse im Vordergrund der Untersuchung stehen. „Deshalb stammen auch die Überlegungen zu systematischeren Vorgehensbeschreibungen aus den Geschichtswissenschaften“ (Mayring 2002, S. 48). Hierbei sind die Quellenkritik sowie die Quellenkunde besonders bedeutsam. Ausgehend davon sind für den Informationsgehalt von Materialien sechs Kriterien zu nennen:
1.) „Die Art des Dokuments“, 2.) „Die äußeren Merkmale“, 3.) „Die inneren Merkmale“, 4.) „Die Intendiertheit des Dokuments“, 5.) „Die Nähe des Dokuments zum Gegenstand“,
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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6.) „Die Herkunft des Dokuments“. Diese genannten Kriterien besitzen eine wichtige Funktion für die Dokumentenanalyse, dennoch sind weitere Schritte unerlässlich. So lässt sich mit Hilfe von vier unterschiedlichen Stufen der Ablauf einer Dokumentenanalyse beschreiben: 1.) Entwurf einer gezielten Fragstellung, 2.) Dokument muss definiert werden, Bestimmung des Ausgangsmaterials, 3.) Einsatz der Quellenkritik, Untersuchung darüber, wie wertvoll ein Dokument für die Fragestellung ist, 4.) Dokumenteninterpretation. Der Einsatz einer Dokumentenanalyse ist besonders dann empfehlenswert, wenn Material vorliegt und zugleich keine direkten Möglichkeiten zu Befragung, Beobachtung oder zum Messen bestehen. „Dokumentenanalysen können aber vorteilhaft in jeden Forschungsplan eingebaut werden, sobald sich Quellen anbieten“ (Mayring 2002, S. 49) (vgl. Mayring 2002, S. 47ff).
Bei der Anwendung von Dokumentenanalysen sollten die ForscherInnen sich stets vergegenwärtigen, dass Dokumente wie „Fotos“, „Texte“ und „Statistiken“ ihre eigene Struktur besitzen. Diese Struktur wird oftmals bestimmt durch den eigentlichen Verwendungszweck. „Wenn diese Struktur mit den Anforderungen an die Daten aufgrund der eigenen Fragestellung nicht kompatibel ist, kann dies zu Problemen der Selektivität führen, deren Lösung gegebenenfalls den Aufwand einer eigenen Datenerhebung übersteigt“ (Flick 2009, S. 132) (vgl. Flick 2009, S. 132).
Im Zusammenhang der Auswahl der Methoden stellt sich die Frage nach ihrer Begründung. Die Dokumentenanalyse begründet sich in mehreren Aspekten. Zunächst einmal liegt es bei der Untersuchung einer Schule nahe, das vorliegende Schulkonzept auf seinen Inhalt hin zu analysieren. Darüber hinaus besteht unser eigentlicher Verwendungszweck darin, die Inhalte des Schulkonzepts auf unsere Forschungsfrage hin zu überprüfen. In 2.2.2 wurde bereits in Ansätzen das demokratische Verständnis der Grundschule Harmonie deutlich. Dennoch soll dieses im Folgenden genauer unter die Lupe genommen werden. So ist es unser primäres Anliegen, die Dokumentenanalyse heranzuziehen, um die drei Kriterien, Demokratisierung der organisatorischen und sozialen Bedingungen sowie die inhaltliche Partizipation, zu erheben. Dadurch wird einerseits deutlich, welches demokratische Verständnis in der Schule im Hinblick auf die drei Kriterien vorzufinden ist und wie weit dieses andererseits mit dem der Freinet-Pädagogik übereinstimmt. Somit lässt die Dokumentenanalyse ohne direkten Kontakt mit der Schule bereits eine Untersuchung zu. Eine zentrale Argumentation ist überdies, dass die Dokumentenanalyse für den Vergleich von Theorie und Praxis in der Grundschule
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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Harmonie bedeutsam ist. Erst wenn man über theoretisches Wissen verfügt, kann dieses auch überprüft werden. Somit ist eine Auseinandersetzung mit dem Schulkonzept nötig, um die Beantwortung unserer Fragestellung zu gewährleisten. Die Dokumentenanalyse stellt daher einen wichtigen Schritt in Bezug auf die Untersuchung der demokratischen Strukturen im Sinne Freinets in der Grundschule Harmonie dar.
3.2.2 Datenerhebung
Für die Dokumentenanalyse haben wir in Anlehnung an Mayring die vier Stufen des Ablaufs (siehe 3.2.1) dieser Methode berücksichtigt. In Bezug auf die erste Stufe hatten wir unsere Fragestellung bei der Datenerhebung bereits vorliegen. So war es unser primäres Ziel, das Schulkonzept hinsichtlich unserer Forschungsfrage zu analysieren. Wie bereits erwähnt, diente uns die Dokumentenanalyse hauptsächlich dazu, die Demokratisierung der schulorganisatorischen und der sozialen Bedingungen sowie die inhaltliche Partizipation herauszuarbeiten. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich bei dem vorliegenden Dokument um ein Textdokument handelt. Es stammt aus einer Institution und es handelt sich hierbei um das Schulkonzept der Grundschule Harmonie. Durch diese Definition findet die zweite Stufe laut Mayring bei uns ihre Anwendung. Ebenfalls dadurch wird deutlich, dass das vorliegende Dokument eine Relevanz für unser Forschungsvorhaben hat. Ein Schulkonzept macht immer auch die Grundhaltung einer Schule deutlich, sodass ersichtlich wird, inwieweit sich das Demokratieverständnis Freinets in dieser Grundschule widerspiegelt. Somit haben wir unsere Quelle einer Kritik unterzogen, was die dritte Stufe Mayrings ausmacht. Dabei gingen wir folgendermaßen vor: Zunächst kam es durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Dokument zur Bildung von relevanten Unterkategorien, die einen Vergleich zur Freinet-Pädagogik zuließen. Diese beinhalteten unsere Kriterien der schulorganisatorischen und der sozialen Bedingungen sowie der inhaltlichen Partizipation. Anschließend haben wir das Dokument dahingehend überprüft, welche Bestandteile zum einen eine Relevanz für die genanten Kriterien mit sich brachten und zum anderen an welcher Stelle der genannten Kriterien man sie zuordnen konnte. Diesen Prozess der Dokumentenanalyse durchliefen wir unabhängig voneinander. Im Anschluss daran trugen wir unsere Ergebnisse zusammen und fanden eine gemeinsame Ordnung, die den roten Faden für den weiteren Verlauf darstellte. Die Vorgehensweise einer zunächst unabhängigen Betrachtung begründete sich darin, dass diese unseren gemeinsamen Forschungsblick erweiterte, sodass ein qualitativ besseres Forschungsergebnis erzielt werden konnte.
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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In einem letzten Schritt erfolgte die vierte Stufe einer Dokumentenanalyse nach Mayring, die Dokumenteninterpretation. Dabei orientierten wir uns an der im Vorfeld festgelegten Struktur, um das demokratische Verständnis der Grundschule Harmonie mit dem von Célestin Freinet zu vergleichen. Hierbei war es unser Anliegen, Übereinstimmungen diesbezüglich herauszuarbeiten. Zudem bezogen wir auch immer die Tatsache mit ein, dass die Freinet-Pädagogik kein starres Konzept ist, sondern neue Interpretationen ihrer Pädagogik zulässt und sogar wünscht. Abweichungen, die dennoch in Freinets Sinne wären, stellen somit ebenso einen Gegenstand unserer Betrachtung dar.
In einem nächsten Schritt werden die Ergebnisse unserer Dokumentenanalyse vorgestellt.
3.2.3 Datenauswertung
Die Auswertung der Dokumentenanalyse stellt den ersten Schritt zur Beantwortung unserer Fragestellung dar. Zunächst werden wir mit der Grundlage des Schulkonzepts die Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen in der Grundschule Harmonie analysieren. Anschließend folgt die Auswertung der Untersuchung in Bezug auf die Demokratisierung der sozialen Bedingungen und damit der demokratischen Instrumente in dieser Schule. Während unserer Datenauswertung werden wir auch immer untersuchen, ob eine inhaltliche Partizipation der Kinder aus dem Dokument ersichtlich wird. Unsere Vorgehensweise bei der Dokumentenanalyse zeichnet sich dadurch aus, dass wir stets einen Vergleich zur Freinet-Pädagogik herstellen. Die Grundlage hierfür stellen die Bausteine der Freinet-Pädagogik dar, die wir im ersten Teil unserer Arbeit dargelegt haben (siehe 2.1.2).
Beginnend mit dem Blick auf die schulorganisatorischen Bedingungen ist festzustellen, dass diese eine Demokratisierung von Lernen zulassen. Diese Feststellung kann an mehreren Aspekten der Schulorganisation festgemacht werden.
In der Grundschule Harmonie existiert keine Pausenklingel, die das Arbeiten der Kinder unterbrechen könnte. Sie können daher innerhalb der Arbeitszeiten frei wählen, wann sie eine Pause benötigen. Folglich zeigt sich hier bereits eine Möglichkeit für die SchülerInnen, in Bezug auf ihr Lernen zu partizipieren. Der Schultag in der Grundschule Harmonie beginnt mit einem offenen Schulanfang in der Zeit von 07:00–08:00 Uhr, sodass die Kinder in diesem zeitlichen Rahmen entscheiden können, wann sie in der Schule ankommen. Auch vor dem offiziellen Schulbeginn besteht schon die Möglichkeit für die Kinder, ihren individuellen Bedürfnissen in der Schule nachzugehen. Dabei stehen ihnen alle Freiheiten offen. So können sie beispielsweise ihre Arbeitsprojekte vom Vortag
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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weiterführen oder auch neue beginnen. Sie können aber auch auf dem Schulgelände forschen oder Gesellschaftsspiele spielen.
Der Schultag der Grundschule Harmonie lässt sich in zwei Unterrichtsblöcke von 120 Minuten und 105 Minuten unterteilen. Diese werden von der Schule so begründet, dass die Kinder dadurch mehr Zeit für ihre Arbeitsprozesse haben und somit mehr schaffen können. Zwischen diesen zwei Blöcken ist eine 45-minütige Pause verortet, die „(…) Zeit zu kollektiven und individuellen Handlungsspielräumen“ (K. G. H. 2007, S. 6) zulässt, aber dennoch nicht zwingend ist. Innerhalb der zwei Arbeitsphasen besteht kein „fächerzersplitteter Stundenplan“ (vgl. K. G. H. 2007, S. 6): „Es gibt kein für alle vorgeschriebenes Konzept der Arbeit oder des ‚Unterrichtens‘ in der Klasse (…)“ (K. G. H. 2007, S. 10). Stattdessen wird den Kindern eine freie Zeit für ihr individuelles, eigenverantwortliches und ganzheitliches Lernen eingeräumt. Auf diese Weise wird den Kindern eine inhaltliche Partizipation ermöglicht, aber auch gleichzeitig von ihnen gefordert. Ebenso wie die offene Ankommenszeit in der Schule charakterisiert sich auch das Ende des Schultages eines jeden Kindes. So gibt es eine so genannte flexible Langzeitgruppe von 13:30–15:00 Uhr, in der die Kinder entscheiden können, wann sie die Schule verlassen (vgl. K. G. H. 2007, S. 6). Es ist jedoch naheliegend, dass hier auch vor allem die Eltern ein Mitspracherecht besitzen.
Die bereits genannten schulorganisatorischen Bedingungen der Grundschule Harmonie machen ein demokratisches Lernen der Kinder im Sinne Freinets möglich. Sie bekommen jeden Tag Zeit, sich frei zu entfalten und somit inhaltlich zu partizipieren. Insbesondere die Öffnung des Unterrichts ohne einen vorstrukturierten Stundenplan, der Lerninhalte vorgibt und diese gleichzeitig auf eine bestimmte Zeiteinheit begrenzt, kann in Anlehnung an Freinet gesehen werden. Die Freinet-Pädagogik verfolgt das Ziel, dass die Kinder über ihr Lernen selbst bestimmen, es eigenständig organisieren und infolgedessen Verantwortung für ihren Lernweg übernehmen. Die Dokumentenanalyse zeigt hier bereits eine Parallele zwischen der Grundschule Harmonie und Freinet.
Das Dokument des Schulkonzepts bringt eine Öffnung der Räume in der gesamten Grundschule hervor (vgl. K. G. H. 2007, S. 9): „Das Lernen findet im Klassenraum, in allen Räumen der Schule, auf dem Schulgelände und außerhalb der Schule in Gemeinde und Natur statt“ (K. G. H. 2007, S. 21). Dass die Kinder ihren Arbeits- und Lernort frei wählen dürfen, zeigt erneut ein demokratisches Verständnis von Lernen. Dieses Verständnis wird auch bei Célestin Freinet deutlich. Auch ihm ist es wichtig, den Kindern die Möglichkeit verschiedener Lernorte zu bieten. So können beispielsweise die
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SchülerInnen Freinets sich ebenso frei und nach ihren Bedürfnissen in der Schule und auf dem Schulgelände bewegen.
Die bereits im oberen Teil unserer Auswertung der Dokumentenanalyse aufgezeigten schulorganisatorischen Bedingungen machen eine inhaltliche Partizipation der Kinder deutlich. Dieses Verständnis von Lernen an dieser Schule soll jedoch an dieser Stelle noch einmal ausführlicher dargestellt werden, da es eine große Bedeutung für unser Forschungsvorhaben hat:
„Die Grundschule Harmonie hat eine Vorstellung des Lernens und Lehrens entwickelt, dass das individuelle Lernen jedes einzelnen Menschen in der Kooperation mit anderen Menschen zum täglichen Lern- und Lehrprogramm macht. Jedes Kind entwickelt die eigene Planung, Durchführung, Kontrolle und Evaluation seines eigenen Lernens in seinen drei bis fünf Jahren Grundschulzeit. Es geht um die Entwicklung der eigenen Kompetenzen als Lernerpersönlichkeit und Entwicklung der Kompetenz, die Kompetenzen der Mitmenschen zu erfassen“ (K. G. H. 2007, S. 4).
In diesem Zitat wird erneut das demokratische Verständnis von Lernen in der Grundschule Harmonie deutlich. Darüber hinaus wird aus dem Dokument des Schulkonzepts ersichtlich, dass dort jedes Kind „(…) das Recht auf seine eigene Lern- und Lebenszeit [hat]“ (K. G. H. 2007, S. 20). Aus diesem Grund entscheidet sich die Grundschule Harmonie bewusst dagegen, den SchülerInnen vorgefertigte Schulbücher oder Arbeitsblätter aufzuzwingen (vgl. K. G. H. 2007, S. 15). Denn „[das] Lernen ist Sache der Kinder“ (K. G. H. 2007, S. 26). Hieran wird die geforderte und geförderte inhaltliche Partizipation ersichtlich.
Freinets Vorstellung von Schule bzw. Lernen spiegelt sich auch hier wider, da er die Anwendung von Schulbüchern konsequent ablehnte und stattdessen das Lernen in die Hände der Kinder legte (siehe 2.1.2.3).
Neben den schulorganisatorischen Bedingungen offenbaren auch die sozialen Bedingungen den Grad einer Demokratisierung der Grundschule Harmonie. Durch die Dokumentenanalyse sind wir auf vier wesentliche demokratische Instrumente in Anlehnung an Célestin Freinet gestoßen: Der Klassenrat, das Kinderparlament, die Schulversammlung sowie die Druckerei.
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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Die Einrichtung eines Klassenrats, die wir dem Dokument entnehmen konnten, zeigt eine offensichtliche Parallele zur Freinet-Pädagogik. Schon die Übernahme des durch Freinet geprägten Begriffs „Klassenrat“ impliziert eine Gemeinsamkeit. Bei genauerer Analyse lassen sich bezogen auf die Umsetzung Unterschiede feststellen. Während Freinet den Klassenrat in der Regel einmal wöchentlich einberief, findet dieser in der Grundschule Harmonie täglich statt (vgl. K. G. H. 2007, S. 24). Außerdem konnten wir das Vorhandensein einer Wandzeitung, die in Bezug auf den Klassenrat bei Freinet herangezogen wird, aus dem Schulkonzept nicht entnehmen. Dennoch verfolgt der Klassenrat in der Freinet-Pädagogik und in der Grundschule Harmonie die gleichen Ziele. Das folgende Zitat aus dem Schulkonzept macht dies deutlich:
„Der Klassenrat oder die Klassenversammlung ist ein Kreis der Kinder und der LehrerIn, in dem gelernt wird, den eigenen Lernprozess für sich selbst, mit und in der Gemeinschaft, zunehmend und umfassend selbst zu organisieren, um der eigenen Arbeit und dem eigenen Lernen einen Sinn zu geben.
Hier wird alles besprochen, Probleme zwischen den Kindern, mit Lehrern oder anderen Menschen, Erfahrungen im Arbeitsprozess, Störungen im Arbeitsverhalten, erfolgreiche Strategien, Wissenssammlung durch Fehler erkennen, neue Erkenntnisse und Vermutungen“ (K. G. H. 2007, S. 33).
Ebenfalls lassen sich, ausgehend von dem Dokument, freinettypische Elemente im Klassenrat der Grundschule Harmonie wiederfinden. So gibt es PräsidentInnen, die die Leitung des Klassenrats übernehmen. Ihre Aufgaben bestehen wie bei Freinet darin, den Anwesenden das Wort zu erteilen sowie „(…) am Schluss eines Tagesordnungspunkts über [mögliche] Anträge [abzustimmen]“ (K. G. H. 2007, S. 34). Ferner besteht wie bei Freinet eine Verbindlichkeit der im Klassenrat gefällten Beschlüsse, die für alle Beteiligten gelten (vgl. K. G. H. 2007, S. 34; siehe 2.1.2.4).
Eine Funktion des Klassenrats in der Grundschule Harmonie ist es, ein gemeinsames Regelsystem zu entwickeln, das ein erfolgreiches Zusammenleben und damit auch demokratisches Handeln in der Klasse ermöglicht (vgl. K. G. H. 2007, S. 33). Auch bei Freinet sollen die Kinder durch den Klassenrat lernen, dass Regeln bezüglich des gemeinsamen Miteinanders Voraussetzung für ein demokratisches Leben in der Schule sind.
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Insgesamt ist nach der Betrachtung des Dokuments des Schulkonzepts ersichtlich geworden, dass der Klassenrat der Grundschule Harmonie trotz einiger Abweichungen dem Sinne Freinets entspricht.
Das zweite aus dem Dokument ersichtliche demokratische Instrument stellt das Kinderparlament dar: „Dies ist keine SV-Einrichtung oder ähnliches, sondern der Lehrerinnenkonferenz und der Eltern-Schulpflegschaft gleichgestellt“ (K. G. H. 2007, S. 18). Dieses Zitat zeigt, dass durch dieses Instrument an der Grundschule eine tatsächliche Demokratisierung von Schule stattfindet, indem „[sich] die Kinder (…) maßgeblich an Veränderungen im Schulleben [beteiligen] und erfahren, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse ernst und wichtig genommen werden, was ihre Bereitschaft bestärkt, etwas verändern zu wollen, sich als mündiger Bürger mit Rechten [und] Pflichten zu sehen“ (K. G. H. 2007, S. 36). Durch das Kinderparlament wird ein übergeordnetes Ziel der Grundschule Harmonie sowie gleichzeitig auch Freinets deutlich: „Es findet (…) keine Inszenierung von Demokratie und Leben statt, sondern ein Erleben von demokratischen Verhaltensweisen und Aushandlungsprozessen“ (K. G. H. 2007, S. 36). Bedingt durch die Erfahrungen der SchülerInnen im Kinderparlament wird deren Demokratiefähigkeit gefordert: „Nur Menschen, die Demokratie im eigenen Wort und eigenem Handeln begriffen haben, können die Demokratie lebensfähig machen, können sie wirklich fördern, nicht für eine Zukunft, sondern für das Jetzt“ (K. G. H. 2007, S. 36) (vgl. K. G. H. 2007, S. 36). Abschließend ist zu erwähnen, dass das Kinderparlament ebenso wie der Klassenrat von Kindern geleitet wird, was die Partizipation der Kinder unterstützt.
Die detaillierte Darlegung in dem Dokument bezogen auf die demokratische Funktion des Kinderparlaments macht in einem hohen Maße ersichtlich, welchen Stellenwert dieses Instrument für Demokratie und Lernen in dieser Schule hat.
Obwohl das in der Grundschule Harmonie vorzufindende Kinderparlament kein konkretes Instrument der Freinet-Pädagogik ist, entspricht dieses dennoch den Vorstellungen Célestin Freinets. Für eine Überprüfung der Umsetzung des in dem Dokument beschriebenen Kinderparlaments möchten wir diesbezüglich die Methode der teilnehmenden Beobachtung in einem späteren Teil heranziehen. Aus diesem Grund werden wir erst an dieser Stelle detaillierter auf den Vergleich zu Freinet eingehen (siehe 3.4.3).
Ein weiteres demokratisches Instrument, das wir aus dem Dokument des Schulkonzepts herausgearbeitet haben, ist die Schulversammlung in der Grundschule Harmonie. Auch hier liegt die Entscheidungskompetenz bei den Kindern, indem die Programmerstellung
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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und Durchführung „in den Händen der Kinder“ liegt. Die Schulversammlung besitzt zwei unterschiedliche Funktionen: Zum einen das Präsentieren der eigenen Arbeit und zum anderen die Thematisierung gegenwärtiger Probleme (vgl. K. G. H. 2007, S. 10). Auch hier wird Demokratie gelebt, indem den Kindern wieder eine Verantwortung zugesprochen wird. Diese findet sich in der eigenen Entscheidung der Präsentationsinhalte bzw. –formen wieder. In diesem Zusammenhang müssen die Kinder lernen, auf gemeinsamer, demokratischer Basis ein Programm für die Schulversammlung zu entwickeln. Des Weiteren findet sich die Verantwortung auch in der Entscheidung darüber wieder, welche Probleme bzw. Schwierigkeiten während der Schulversammlung zum Thema gemacht werden sollen. Besonders in der zweiten genannten Funktion wird Demokratie gefordert und gefördert, indem sich die Kinder gemeinsam über ein bestimmtes Problem austauschen und in einem weiteren Schritt zu Lösungen kommen.
Die Schulversammlung im Sinne der Grundschule Harmonie findet sich bei Célestin Freinet in dieser Weise nicht wieder. Dessen ungeachtet besitzt die Präsentation von Arbeitsergebnissen auch bei Freinet einen sehr hohen Stellenwert, auch wenn diese nicht im Rahmen einer Schulversammlung sondern meist vor dem Beginn des Klassenrats stattfand (siehe 2.1.2.4). Die freie Wahl der Präsentationsgegenstände sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung können dabei als demokratisch angesehen werden.
Die Druckerei als viertes demokratisches Instrument unterscheidet sich von den bereits vorgestellten Instrumenten darin, dass es sich hierbei nicht um eine Form der Versammlung handelt. Dennoch sehen wir die im Schulkonzept beschriebene Druckerei an dieser Stelle ebenfalls als bedeutsam an. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist die Druckerei als typisches demokratisches Element der Freinet-Pädagogik von der Grundschule Harmonie originalgetreu übernommen worden (siehe 2.1.2.1). Zum anderen kann auch hier wieder die Demokratisierung des Schullebens gesehen werden. In der Druckerei können die Kinder ihre Freien Texte drucken, sodass ihre Worte zusätzlich an Bedeutung gewinnen und gleichgestellt sind mit denen der Erwachsenen. Die SchülerInnen können ihre Meinung frei äußern, was eine demokratische Gesellschaft widerspiegelt. Auch aus diesem Grund schreibt Freinet der durch ihn im Wesentlichen geprägten Schuldruckerei eine hohe Bedeutung zu. Indem den Kindern das Wort gegeben wird, erleben sie seiner Meinung nach, wie die Welt durch ihr eigenes Handeln gestaltbar und folglich auch veränderbar ist. Folglich erkennen sie die Verantwortung für ihr Handeln (siehe 2.1.2.1).
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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Anschließend an die Erläuterung der sozialen Bedingungen in der Grundschule Harmonie möchten wir in Anlehnung an die Dokumentenanalyse die Korrespondenz nach Freinet nennen. Diese findet sich im Schulkonzept besonders in einer Korrespondenz mit einer englischen Partnerschule wieder. Die SchülerInnen können sich sowohl über E-Mails oder Skype-Verbindungen als auch durch den jährlich stattfindenden gegenseitigen Besuch austauschen (vgl. K. G. H. 2007, S. 74). Darüber hinaus haben die Kinder aus der Grundschule Harmonie stets die Möglichkeit, global zu kommunizieren, vor allem über das Internet kann eine Korrespondenz stattfinden (vgl. K. G. H. 2007, S. 68). Die Bedeutsamkeit einer Korrespondenz der SchülerInnen als demokratisches Miteinander geht aus der Freinet-Pädagogik eindeutig hervor (siehe 2.1.2.1). An der Grundschule Harmonie haben die Kinder in Bezug auf den Austausch alle Freiheiten.
Abschließend möchten wir unabhängig von den demokratischen Instrumenten den Aspekt der Selbsteinschätzung in den Mittelpunkt der Auswertung unserer Dokumentenanalyse stellen. Die Einschätzung der eigenen Arbeit besitzt in der Grundschule Harmonie laut Schulkonzept einen hohen Stellenwert (vgl. K. G. H. 2007, S. 109). „[Die] Selbsteinschätzungskultur zeigt den Kindern [im demokratischen Sinne], wie sie Verantwortung übernehmen können für ihre eigenen Kompetenzen“ (K. G. H. 2007, S. 111). Die Selbsteinschätzung der eigenen Arbeit bekommt ebenfalls bei Freinet eine große Bedeutung zugeschrieben. Ein eigenverantwortliches Lernen geht seiner Meinung nach auch immer mit einer Selbsteinschätzung auf Seiten der Kinder einher (siehe 2.1.2.3). In Bezug auf den Bewertungsaspekt ist die Grundschule Harmonie als demokratisch anzusehen.
Insgesamt gesehen hat die Dokumentenanalyse gezeigt, dass sowohl die aufgezeigte Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen als auch das Vorhandensein demokratischer Instrumente nötig sind, um das Leben und Lernen in der Grundschule Harmonie zu demokratisieren und den Kindern somit eine inhaltliche Partizipation zu ermöglichen. Die Analyse des Schulkonzepts bildet die Ausgangslage für unsere weitere Forschungsarbeit, indem wir uns in der Auswertung der folgenden Methoden immer wieder auf die Ergebnisse der Dokumentenanalyse beziehen werden.
3.2.4 Reflexion der Forschungsmethode
Die Anwendung der Methode der Dokumentenanalyse war für uns eine neue Herausforderung, da wir im Vorfeld noch keine Erfahrungen damit gemacht hatten.
3. Forschungsdesign - Dokumentenanalyse
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Deshalb verlangte sie eine umfassende Vorbereitung und intensive Auseinandersetzung von uns. In diesem Zusammenhang haben wir die Forschungsberatung von Frau Thünemann an der Universität Bremen in Anspruch genommen, um eine kompetente Dokumentenanalyse durchführen zu können.
In einer ersten Beschäftigung mit der Analyse des Schulkonzepts hatten wir Schwierigkeiten, eine Struktur in die vorhandenen Daten zu bekommen. Grund hierfür war besonders der große Umfang von 131 Seiten. Das Vorhandensein unserer drei Kriterien der Demokratisierung der schulorganisatorischen sowie sozialen Bedingungen und der inhaltlichen Partizipation war uns eine große Hilfe dabei, uns zu orientieren. Die von uns zunächst unabhängig voneinander durchgeführte Betrachtung des Dokuments kann an dieser Stelle ebenfalls positiv hervorgehoben werden. Denn so haben wir uns gegenseitig ergänzt und einen umfassenderen Blick auf das Dokument werfen können. Durch die anschließende Zusammenführung unserer Ergebnisse und deren Strukturierung gelang es uns, eine Ordnung herzustellen, die uns bei der Dokumenteninterpretation behilflich war.
Zusammenfassend betrachtet konnten wir feststellen, dass das Heranziehen dieser Methode von großer Bedeutung war. Die Begründung liegt vor allem darin, dass das Schulkonzept die Grundlage für unsere Forschungsarbeit darstellte. So diente uns das Schulkonzept auch als Vorbereitung für die Hospitationswoche in Eitorf. Ein Beispiel verdeutlicht dies. Nur durch die im Vorfeld stattfindende Auseinandersetzung mit dem Schulkonzept der Grundschule Harmonie konnten wir uns über die vorhandenen demokratischen Instrumente, wie das Kinderparlament, informieren. Auf diese Weise konnten wir gezielter untersuchen, indem wir beispielsweise bewusst das Kinderparlament aufsuchten.
Nach Abschluss der Anwendung dieser Methode der Dokumentenanalyse können wir sagen, dass diese für die Beantwortung der Demokratisierung der schulorganisatorischen und sozialen Bedingungen sowie auch der inhaltlichen Partizipation und damit auch der übergeordneten Fragestellung unserer Arbeit sinnvoll war. Die Dokumentenanalyse begründet sich besonders dadurch, dass das Schulkonzept die theoretische Grundlegung unserer folgenden Methoden darstellt.
3. Forschungsdesign - Experteninterview mit Leitfragen
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3.3 Experteninterview mit Leitfragen
3.3.1 Vorstellung der Methode (Antonia Specht)
Die zweite von uns ausgewählte Methode stellt das Experteninterview mit Leitfragen dar. Das Durchführen von Interviews zur Erhebung von Daten findet in der qualitativen Sozialforschung häufig ihre Anwendung (vgl. Nohl 2009, S. 19). Sie „(…) bezeichnen (…) eine verabredete Zusammenkunft, in der Regel eine direkte Interaktion zwischen zwei Personen, die sich auf der Basis vorab getroffener Vereinbarungen und damit festgelegter Rollenvorgaben als Interviewende und Befragte begegnen“ (Friebertshäuser, Langer 2010, S. 438). Interviews kennzeichnen sich durch einen einseitigen Informationsfluss (vgl. Friebertshäuser, Langer 2010, S. 438).
Die Art und Weise der Datenbeschaffung hängt von der Interviewtechnik ab. Das Experteninterview ist eine wichtige Interviewtechnik in der qualitativen Sozialforschung. Es dient „(…) als Instrument der Datenerhebung, das auf einen spezifischen Modus des Wissens bezogen ist – auf Expertenwissen“ (Meuser, Nagel 2010, S. 459). In diesem Zusammenhang zielt es vor allem auf den Wissensvorsprung des Befragten ab, wobei nicht jedes Wissen als Expertenwissen bezeichnet wird. Nur Wissen „(…) das sich als ‚sozial institutionalisierte Expertise‘ (…) fassen lässt und das vornehmlich an eine Berufsrolle gebunden ist“ (Meuser, Nagel 2010, S. 462), wird als solches benannt (vgl. Meuser, Nagel 2010, S. 459ff). Sie werden auch als so genannte RepräsentantInnen einer Institution oder Organisation bezeichnet (Nohl 2009, S. 21). Die Experten treten aus dem biographischen und privaten Hintergrund hervor und werden Gegenstand einer wissenschaftlichen Betrachtung (vgl. Meuser, Nagel 2010, S. 462).
Experteninterviews zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Basis von Leitfragen aufgebaut sind (vgl. Meuser, Nagel 2010, S. 459). Sie stellen somit eine offene, aber auch halbstrukturierte Interviewtechnik dar. Die Vorstrukturierung des Interviews durch einen vorab erstellten Leitfaden kann verschieden ausgeprägt sein. Sowohl die Festlegung als auch das Offenlassen der Reihenfolge formulierter Fragen sind mögliche Varianten. Der Leitfaden des Interviews begrenzt unter Umständen „(…) den Horizont möglicher Antworten“ (Friebertshäuser, Langer 2010, S. 439) (vgl. Friebertshäuser, Langer 2010, S. 439) Doch er ist unumgänglich, um „(…) das thematisch relevante Spektrum des Interviews und seines Gegenstandes [abzudecken] (…)“ (Flick 2009, S. 113) (vgl. Flick 2009, S. 113). „Die Orientierung an einem Leitfaden schließt [weiterhin] auch aus, dass das Gespräch sich in Themen verliert, die nichts zur Sache tun, und erlauben zugleich dem
3. Forschungsdesign - Experteninterview mit Leitfragen
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Experten, seine Sache und Sicht der Dinge zu extemporieren“ (Meuser, Nagel zitiert nach Nohl 2009, S. 20). Außerdem setzt die Erstellung von Leitfragen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand voraus, was von großer Bedeutung ist (vgl. Friebertshäuser, Langer 2010, S. 439). Der Interviewende muss sich bezüglich des Forschungsgegenstandes als kompetenter Gesprächspartner herausstellen, um zum einen ernst genommen zu werden und um somit zum anderen das Wissen des Experten umfassend erheben zu können (vgl. Meuser, Nagel 2010, S. 464). Ziel ist es, mit dem Interviewpartner in einen anregenden Dialog zu treten, um „(…) die individuelle Sicht (…) [seinerseits] auf das Thema zu erhalten (…)“ (Flick 2009, S. 114) (vgl. Flick 2009, S. 114). „(…) das ganze Erzählpotential [kann nur] abgeschöpft werden“ (Nohl 2009, S. 22), wenn die Experten in dem Dialog dazu angeregt werden, detailliert über ihr für den Untersuchungsgegenstand relevantes Wissen zu erzählen (vgl. Nohl 2009, S. 22).
Die genannte Vorstrukturierung durch einen Leitfaden ist nicht als starrer Ablaufplan zu verstehen. Vielmehr wird sie als Festlegung von Themenkomplexen betrachtet, innerhalb derer sich der Experte auch frei und narrativ äußern kann: „Es sind oft die narrativen Passagen, die sich als Schlüsselstellen für die Rekonstruktion des Expertenwissens erweisen“ (Meuser, Nagel 2010, S. 465) (vgl. Meuser, Nagel 2010, S. 465). Der Leitfaden soll der Erzählgenerierung nicht entgegenstehen. Vielmehr wird er als Werkzeug für die narrative Gestaltung des Interviews gesehen (vgl. Nohl 2009, S. 22). In diesem Zusammenhang ist es ebenso wichtig, auch unerwartete Themenkomplexe, die von den erstellten Leitfragen abweichen, zuzulassen und sie gegebenenfalls auch zu aktivieren, denn „[nur] so kann sichergestellt werden, dass Wissen und Erfahrungen der Expertinnen möglichst umfassend in das Interview einfließen“ (Meuser, Nagel 2010, S. 465). Hier wird die Offenheit eines Experteninterviews mit Leitfragen deutlich (vgl. Meuser, Nagel 2010, S. 465). Entscheidend während dieser offenen Interviewtechnik ist, dass der Interviewende an den richtigen Stellen Nachfragen stellt, um hinsichtlich wichtiger Themenschwerpunkte in die Tiefe zu gehen. Hier wird deutlich, dass sich das Interview vorab nicht vollständig planen lässt. Erst in der Durchführung selbst wird situationsgebunden entschieden, an welchen Stellen ausführlich nachgefragt wird und an welchen nicht (vgl. Flick 2009, S. 114f).
Ein erfolgreiches und gelingendes Experteninterview zeichnet sich dadurch aus, dass der Interviewende bei dem Experten bzw. der Expertin auf Neugierde bezüglich des Forschungsgegenstandes stößt. Nur dann ist die größtmögliche Chance vorhanden, dass dieser bzw. diese „(…) den Vorhang (…) hebt, [er bzw. sie] sich in die Karten gucken lässt,
3. Forschungsdesign - Experteninterview mit Leitfragen
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(…) [die] Geheimnisse lüftet“ (Meuser, Nagel 2010, S. 465) (vgl. Meuser, Nagel 2010, S. 465).
Für die Beantwortung unserer Fragestellung ist das leitfadenorientierte Experteninterview mit dem Schulleiter Walter Hövel als geeignete Informationsquelle zu nennen. Da er der Schulgründer und somit auch einer der Mitgründer des Schulkonzepts ist, kann er durchaus als größter Experte der Grundschule Harmonie und des Schulkonzepts gesehen werden. Aus diesem Grund ist das Interview mit ihm bedeutsam. Er kann das Grundverständnis der Schule zum Ausdruck bringen und die Umsetzung pädagogischer Zielvorstellungen mit Hilfe von Beispielen besser verdeutlichen. Somit kann er auch auf die Umsetzung der vorhandenen demokratischen Zielvorstellungen näher eingehen, sodass wir in Bezug auf die Demokratisierung organisatorischer und sozialer Bedingungen sowie auf die inhaltliche Partizipation einen Vergleich mit dem Schulkonzept herstellen können. Außerdem bekommen wir einen Eindruck davon, wie Walter Hövels Einstellung zu der Freinet-Pädagogik ist, da diese Frage Bestandteil unseres Leitfadens ist und eine große Relevanz für unser Forschungsvorhaben hat.
Des Weiteren gibt eine direkte Kommunikation besonders Aufschluss darüber, inwieweit die persönliche Einstellung von Herrn Hövel authentisch ist, denn in einem direkten Kontakt werden wahre Einstellungen deutlich. Neben den sachlichen Informationen kann somit die individuelle Sicht des Schulleiters auf den Untersuchungsgegenstand erkennbar werden. Abschließend ist eine weitere Begründung die erneute Vergleichsmöglichkeit zwischen Theorie und Praxis. Hier können die Aussagen Walter Hövels über die Grundschule Harmonie bzw. die dort vorzufindenden demokratischen Strukturen im alltäglichen Schulleben überprüft werden.
3.3.2 Datenerhebung
Während der Hospitationswoche in der Grundschule Harmonie haben wir am vierten Tag, dem 29. April 2010, von 07:45–08:50 Uhr ein Interview mit dem Schulleiter Walter Hövel durchgeführt. Die Terminabsprache erfolgte am ersten Tag unserer einwöchigen Hospitation in einem persönlichen Gespräch. Für das in seinem Büro stattfindende Interview hatten wir zwei Tonbandgeräte zur Verfügung. Bei der Befragung wechselten wir Interviewenden uns regelmäßig ab.
3. Forschungsdesign - Experteninterview mit Leitfragen
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Unser Interview2 war durch einen Leitfaden gekennzeichnet. Im Hinblick auf die Beantwortung unserer Fragestellung lag bei der Erstellung von Leitfragen unsere Intension darin, nicht sofort einen direkten Bezug zu Célestin Freinet herzustellen. Vielmehr war es unser Anliegen, das allgemeine Demokratieverständnis der Grundschule Harmonie in den Mittelpunkt zu stellen, um erst daran anschließend den Blick auf Célestin Freinet zu lenken.
Aus dieser Absicht heraus entstanden insgesamt fünf Themenkomplexe, die das relevante Themenspektrum unseres Forschungsgegenstandes abdeckten: „Demokratie an der Grundschule Harmonie“, „Demokratische Strukturen an der Grundschule Harmonie“, „Reaktionen der Kinder auf demokratische Strukturen“, „Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung demokratischer Strukturen“ und „Célestin Freinet“. Neben der sehr offen gehaltenen Einstiegsfrage „Was ist Ihnen in Ihrer Schule wichtig?“ sowie der Schlussfrage „Gibt es von Ihrer Seite noch etwas, was Sie sagen möchten?“ sind die anderen neun Interviewfragen den jeweiligen Themenkomplexen zugeordnet.
Im Folgenden sollen die Inhalte der fünf Themenkomplexe kurz vorgestellt werden. Der erste Themenkomplex bezieht sich auf das allgemeine Verständnis von Demokratie sowie auf seine Relevanz an der Grundschule. Der zweite Themenkomplex beinhaltet die konkreten demokratischen Strukturen an der Schule in Bezug auf „schulorganisatorische Bedingungen“, „inhaltliche Partizipation der Kinder“ und „soziale Bedingungen“. Der dritte Themenkomplex lenkt das Gespräch auf die Reaktionen der Kinder bezüglich der demokratischen Strukturen. das heißt, inwieweit die Kinder diese annehmen und vor allem nutzen. Daran anschließend sollen mögliche Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung demokratischer Strukturen von Walter Hövel dargelegt werden. Darüber hinaus beinhaltet dieser Themenkomplex eine weitere Frage nach der zukünftigen Arbeit bezüglich auftretender Schwierigkeiten. Den Abschluss des Interviews bildet, wie bereits erwähnt, die Lenkung auf den Reformpädagogen Célestin Freinet.
Nach der Vorstellung der Datenerhebung folgt nun ausgehend von unserer erstellten Transkription3 des Experteninterviews seine Auswertung.
3.3.3 Datenauswertung
Ausgehend von unserem Anspruch, die Auswertung der Dokumentenanalyse in ihrer Demokratisierung der sozialen Bedingungen und bezogen auf die inhaltliche Partizipation zu überprüfen, möchten wir nun die von uns erhobenen Daten des Experteninterviews
2 siehe Anlage 1
3 siehe Anlage 2
3. Forschungsdesign - Experteninterview mit Leitfragen
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auswerten. Ursprünglich war es unser Vorhaben, auch Daten bezüglich der Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen durch das Experteninterview zu erheben. Die Auswertung des Interviews zeigt allerdings, dass wir hierzu keine relevanten Daten vorliegen haben.
Unsere Einstiegsfrage „Was ist Ihnen hier an dieser Schule wichtig?“ machte bereits den hohen Stellenwert der Demokratie an der Grundschule Harmonie sichtbar. Ohne einen von uns hergestellten Bezug zur Demokratie waren seine ersten Worte, dass „(…) die Kinder nicht zum Lernen [gezwungen werden sollen]“ (Experteninterview 2010, Z. 6-7). Stattdessen verfolgt Walter Hövel das stetige Ziel, bei den Kindern eine intrinsische Motivation hervorzurufen (vgl. Experteninterview 2010, Z. 6–8). Hier wurde das Verständnis davon deutlich, dass Lernen an dieser Schule stets demokratisiert werden soll. Somit ist es das Ziel „(…) den Kindern die Verantwortung für ihr Lernen [zurück zu gegeben]“ (Experteninterview 2010, Z. 23–24) (vgl. Experteninterview 2010, Z 22–25). Hier zeigte sich bereits ein erster konkreter Hinweis darauf, dass der Schulleiter das Konzept seiner Schule kennt und es auch lebt.
Walter Hövel verdeutlichte überdies, dass er unter Demokratie in der Schule die Demokratisierung von Lernen verstehe. Für ihn „(…) [werden] Demokratie und Lernen (…) zu einer symbiotischen Einheit“ (Experteninterview 2010, Z. 123–124) (vgl. Experteninterview 2010, Z. 121–124). Den ersten Demokratisierungsvorgang sehe er darin, „(…) dass die Kinder an die Inhalte rankommen, die sie selber interessieren (…)“ (Experteninterview 2010, Z. 42–43) (vgl. Experteninterview 2010, Z. 42–43). Damit impliziert sein Verständnis von Demokratie die inhaltliche Partizipation der Kinder an der Grundschule Harmonie. Dieses spiegelt sich besonders in der Form wider, „(…) dass [die] Kinder jeden Morgen im Kreis sitzen und miteinander darüber reden, was sie tun“ (Experteninterview 2010, Z. 226–227) (vgl. Experteninterview 2010, Z. 226–227). Durch diese Aussagen Walter Hövels bestätigte sich der Umgang mit der Demokratisierung von Lernen, der aus dem Schulkonzept ersichtlich wurde.
In Bezug auf die inhaltliche Partizipation sprach der Schulleiter „(…) ausdrücklich nicht von Mitbestimmung (…), weil Mitbestimmung ist schon gepfuscht, denn [dann] bestimmen andere und ich bestimme nur mit“ (Experteninterview 2010, Z. 80–82). Vielmehr ist es der Versuch, die Kinder dazu zu bewegen, die eigenen Bedürfnisse zu hinterfragen. Das stellt für ihn sowie für die gesamte Schule der Grundschule Harmonie „(…) das Zentrum für Demokratieauffassung [dar]“ (Experteninterview 2010, Z. 87–88) (vgl. Experteninterview 2010, Z. 80–88). Trotz der Freiheit, die die Kinder durch die
3. Forschungsdesign - Experteninterview mit Leitfragen
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inhaltliche Partizipation an dieser Schule bekommen, führte Walter Hövel weiter aus, dass dennoch ein Zwang bestehe. Er bestätigte die Aussage eines Kollegen „(…) ‚wir zügeln die Kindern frei zu sein.‘ (…) Wir zwingen im Grunde genommen unsere Kinder in der Zwangsanstalt Schule, jeden Morgen zu entscheiden, was sie eigentlich tun wollen“ (Experteninterview 2010, Z. 236–239). Der Schulleiter erklärte uns, dass „(…) eine Demokratisierung dieser Schule (…) immer in dem Maße [funktioniert], wie es [der Schule] gelingt, dass möglichst viele Kinder wissen, was sie da eigentlich tun, wenn sie lernen (…)“ (Experteninterview 2010, Z. 245–247). Dies stellt seiner Aussage nach den „Strukturkern“ der Grundschule Harmonie dar. Ausgehend hiervon kann nach Hövel täglich abgelesen werden, wie demokratisch die Schule zu einem gegenwärtigen Zeitpunkt ist. Hierbei betonte er, dass es durchaus Tage gebe, an denen schlechter gelernt werde (vgl. Experteninterview 2010, Z. 234–252). Aus diesem Grund ist es wichtig, die Kinder immer wieder dahin zu führen, dass sie aus einer intrinsischen Motivation heraus ihr eigenes Lernen gestalten. Es wird erneut offensichtlich, dass Walter Hövel das Gelingen eines demokratischen Schullebens in der bewussten inhaltlichen Partizipation der Kinder sieht.
Diese Aussagen Walter Hövels zu unserem Forschungsaspekt der inhaltlichen Partizipation gehen noch einmal über die Dokumentenanalyse hinaus, indem er vertiefend auf die Bedeutung der Partizipation von Lernen in seiner Schule eingeht. In Bezug dessen macht er das Verständnis von Demokratie dieser Schule klar, in der Weise, dass die Kinder nicht nur mitbestimmen, sondern nach eigenen Bedürfnissen handeln sollen.
Hinsichtlich der Frage nach der Demokratisierung der sozialen Bedingungen nannte uns der Schulleiter neben dem Klassenrat insbesondere die Schulversammlung und das Kinderparlament als demokratische Instrumente dieser Schule. Bezüglich der Schulversammlung schilderte er uns prägnante Merkmale zur Gestaltung dieser Demokratisierung in Form von Präsentationen der Arbeiten der Kinder, aber auch der Funktion einer Problemauseinandersetzung (vgl. Experteninterview, Z. 294–304). Hövels Ausführungen zur Schulversammlung decken sich mit denen der Dokumentenanalyse.
Das zweite konkret benannte demokratische Instrument war das Kinderparlament. Einleitend dazu berichtete uns der Schulleiter: „(…) das Kinderparlament ist eben auch keine SV, ist keine Schülervertretung, die gegen jemanden anders die Interessen der Schüler vertritt, sondern (…) das Kinderparlament ist beschlussfassendes Gremium der Schule. Was die beschließen, gilt!“ (Experteninterview 2010, Z. 325–328). Hier wird das bereits in der Dokumentenanalyse hervorgehobene demokratische Verständnis des Kinderparlaments erkennbar. Die Beschlüsse der SchülerInnen sind nach Walter Hövel
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denen der LehrerInnen und Eltern gleichwertig. Dies konnten wir auch der Auswertung der Dokumentenanalyse entnehmen. Zur Veranschaulichung nannte Walter Hövel uns zwei prägnante Beispiele für die Beschlüsse aus dem Kinderparlament. Erstens erläuterte er uns den Beschluss der Kinder, für eine bestimmte Zeit auf den Schulgängen rückwärts zu gehen. Die Begründung lag in der zu hohen Lautstärke auf den Schulfluren. Zweitens ist die gegenwärtige zeitliche Organisation der Arbeitsphasen auf das Kinderparlament zurückzuführen, indem die Kinder vor etwa zwei Jahren forderten: „(…) wir wollen länger Pause und länger Schule haben“ (Experteninterview 2010, Z. 343–344). So kam es zu der 45-minütigen Pause zwischen zwei von den Kindern festgelegten Arbeitsphasen (vgl. Experteninterview 2010, Z. 325–346). Durch diesen Beschluss kann verdeutlicht werden, dass die Demokratisierung der sozialen Bedingungen mit der Partizipation an schulorganisatorischen Bedingungen einhergeht. Dies veranschaulicht, dass die Kinder an der Gestaltung von Schule tatsächlich aktiv teilhaben können. An dieser Stelle im Interview haben wir durch die genannten Beschlüsse noch einen erweiterten Blick dafür bekommen, wie Demokratie in der Grundschule Harmonie gelebt wird. Weiterhin betonte Hövel im Zusammenhang mit dem Kinderparlament, dass die Kinder nicht unterschätzt werden sollten. „Es ist das Gefährlichste, was du tun kannst. Sie analysieren im Grunde genommen die Situation viel schneller als Erwachsene es tun. Sie wissen genau, um was es geht“ (Experteninterview 2010, Z. 351–352) (vgl. Experteninterview 2010, Z. 348–352). An diesem Beispiel von Walter Hövel kann verdeutlicht werden, welche Bedeutung die demokratische Haltung der Lehrerschaft für den Erfolg einer demokratischen Schule hat. Abschließend sagte er zum Kinderparlament: „Also das Entscheidende ist da auch wieder, wir sitzen da zusammen, um über Schule zu lernen, um unsere Schule so zu bauen, so zu stricken, wie wir sie haben wollen oder wie wir sie brauchen können. (…) die Veränderungen, die ständig beschlossen werden, ausprobiert werden, gemacht werden, dienen alle dazu, dieses Lernen zu demokratisieren“ (Experteninterview 2010, Z. 359–365). Hier stellt er erneut sein Verständnis von Demokratie, das heißt die Demokratisierung von Lernen, in den Mittelpunkt.
Zum Abschluss des Interviews lenkten wir das Thema auf den Reformpädagogen Célestin Freinet. Hier ist zu erwähnen, dass Walter Hövel Freinet bereits an einer früheren Stelle des Interviews von sich aus nannte. In Bezug auf die Demokratisierung von Lernen in der Schule betonte er die Bedeutsamkeit von Techniken und Methoden. Diese kann seiner Meinung nach die Freinet-Pädagogik liefern (vgl. Experteninterview 2010, Z. 48–50). Am Ende des Interviews führte er diesbezüglich weiter aus, dass die Freinet-Pädagogik eine
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demokratische Einstellung impliziert. Das Besondere an dieser Pädagogik ist seiner Ansicht nach vor allem, „(…) dass [sie] Techniken, Werkzeuge, Strukturen, Grundgedanken, Grundhaltungen anbietet, wo ich lerne, mit anderen zusammen, mich zu verwirklichen (…). [Also] dass [sie] ganz ganz ganz viele Mittel einem an die Hand gibt, das nicht nur zu wollen, sondern das dann auch im alltäglichen Geschäft zu verwirklichen“ (Experteninterview 2010, Z. 711–719). Walter Hövel betonte dennoch, dass die Schule die Freinet-Pädagogik nicht propagiert, sondern vielmehr Teile für sich übernommen hat. Genau an diesem Punkt erhalten wir eine zentrale Antwort auf unsere Forschungsfrage, wie freinetpädagogische Ansätze in Bezug auf das Demokratieverständnis in der Grundschule Harmonie umgesetzt werden. Er zitierte in diesem Zusammenhang einen französischen Kollegen: „Gute Leute intravisieren die Gedanken, die sie von anderen kennen gelernt haben“ (Experteninterview 2010, Z. 741–742). Er erläuterte weiter, „[dass] man also was begreift bei einem Anderen, das für sich selber mitnimmt und dass sich so zu eigen macht, dass es wieder was Anderes, was Neues wird und so versuchen wir mit Freinet umzugehen“ (Experteninterview 2010, Z. 746–748). Somit bestätigte er seine anfängliche Aussage, dass die Schule nie gesagt habe, „(…) wir werden jetzt eine Freinetschule (…). Sondern das sind alles Dinge, die nach und nach übernommen worden sind aus einer Einstellung heraus. Eben aus der Einstellung heraus, dass wir den Unterricht abschaffen wollen und die Kinder lernen dürfen“ (Experteninterview 2010, Z. 272–276). Hier wird der Umgang mit der Freinet-Pädagogik an der Grundschule Harmonie deutlich, was zur Beantwortung unserer Fragestellung entscheidend ist. Dieser Umgang ist im Sinne Freinets, denn die Vorstellungen Freinets mit dem Umgang seiner Pädagogik waren genau so, dass sie nicht gleichermaßen übernommen werden, sondern immer auch an die eigenen Bedingungen angepasst werden soll (siehe 2.1.2.4). Bezüglich unserer letzten Frage zu Célestin Freinet, zu dem Zitat „Den Kindern das Wort geben“ Stellung zu nehmen, antwortete Hövel folgendermaßen:
„Dass sie wirklich lernen, sich selbst auszudrücken, sich selbst zu verständigen, und deshalb ist ‚den Kindern das Wort geben‘ für mich ein Synonym dazu zu sagen, dass wir den Kindern die Verantwortung für ihr Lernen zurückgeben und dass das nicht funktioniert, ohne dass sie es ausdrücken können. Also sie müssen eine Sprache entwickeln können in Schule, die ihre Eigene ist, in der sie sich selber Wohlfühlen und zurechtfinden und damit sich auch entwickeln können, das ist für mich ‚den Kindern das Wort geben‘“ (Experteninterview 2010, Z. 781–787).
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Dieser Abschluss des Interviews mit dem Schulleiter Walter Hövel zeigte zum einen nochmals sein Verständnis davon, Kinder in der Schule partizipieren zu lassen. Zum anderen machte der Interviewabschluss deutlich, dass der Schulleiter Célestin Freinet und seine Pädagogik in einem hohen Maße als demokratisch ansieht.
Durch das Interview mit dem Experten Walter Hövel konnten wir seine Einstellung zur Freinet-Pädagogik in Erfahrung bringen. Diese Einstellung wird aus dem Dokument des Schulkonzepts nicht ersichtlich, was unsere Wahl der Methode des Experteninterviews noch einmal bestätigt.
Insgesamt hat uns die Methode des Experteninterviews noch einmal zusätzliche Informationen geboten, die das Schulkonzept nicht hergab. An dieser Stelle ist besonders die Unterlegung mit praktischen Beispielen zu nennen. Außerdem machte es uns deutlich, welche Rolle die Freinet-Pädagogik und ihre Umsetzung in der Grundschule Harmonie spielt. Gleichzeitig erwähnte der Befragte auch immer wieder andere Kollegen, deren Aussagen er wertschätzt und denen er eine Bedeutung für seine Schule zuschreibt. Hier bestätigte sich eine Beobachtung, die wir bereits im Rahmen der Dokumentenanalyse machten, dass sich die Grundschule Harmonie ebenso wie die Freinet-Pädagogik Erkenntnisse unterschiedlichster (Reform-)PädagogInnen zu eigen macht.
Das Interview hat zentrale Aspekte unserer Fragestellung beantwortet, dennoch ist es in einem nächsten Schritt entscheidend, die teilnehmende Beobachtung als Methode heranzuziehen, um die Praxis dahingehend zu überprüfen.
3.3.4 Reflexion der Forschungsmethode
In einem ersten Schritt unserer Reflexion des Experteninterviews möchten wir die Datenerhebung in den Blick nehmen. Zunächst ist zu erwähnen, dass wir mit hohem Respekt in das Experteninterview mit Walter Hövel gegangen sind. Der Grund liegt zum einen darin, dass Experteninterviews eine intensive Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand voraussetzen. Hierbei haben wir uns die Frage gestellt, ob unsere Vorbereitungen ausreichend waren, um dem Experten Walter Hövel kompetent gegenüber zu treten. Zum anderen waren wir im professionellen Umgang mit dieser Methode noch unerfahren und somit unsicher, da uns eine routinierte Verwendungsweise fehlte.
Die ersten Minuten des Interviews brachten uns jedoch Erleichterung, da uns beiden Walter Hövel sympathisch war. Trotz einer angenehmen Atmosphäre hatten wir während des Interviews eine gewisse Anspannung, vor allem im Hinblick darauf, ob die Daten des Interviews für die Beantwortung unserer Forschungsfrage im Hinblick auf das
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Demokratieverständnis der Grundschule eine Relevanz haben. Unser Zwiespalt war es, ihn einerseits ausreden zu lassen und andererseits das Gespräch immer wieder in die richtige Richtung zu lenken. So konnten wir auch schon während des Interviews einige Interviewfehler unsererseits erkennen. Die Auswertung bestätigte diese in höherem Maße.
In Bezug auf das Experteninterview war es unser Anliegen, Walter Hövel die Möglichkeit zu geben, narrativ zu werden. Dieses Vorhaben konnten wir auch umsetzen, jedoch in einem zu hohen Maße. Die Art und Weise Walter Hövels, auch über die Fragestellung hinaus zu antworten, unterstützte dies. Dennoch hätten wir ihn stellenweise unterbrechen müssen. Die Auswirkungen dieses Interviewfehlers sind im Transkript des Schulleiterinterviews sichtbar und zeigen einen geringen Redeanteil unsererseits. Gezieltere Nachfragen sowie eine Verständnissicherung der Frage durch uns hätten an besonderen Stellen möglicherweise noch ergiebigere Daten gesichert. Dennoch ist hervorzuheben, dass die umfassenden narrativen Passagen auch Punkte aufzeigen, die sonst unter Umständen nicht angesprochen worden wären.
Die aufgezeigten Schwierigkeiten bzw. Interviewfehler lassen sich vor allem durch unsere Unerfahrenheit bezogen auf die kompetente Anwendung dieser Methode des Experteninterviews zurückführen. Nichtsdestotrotz konnten wir durchaus viele für uns relevante Daten erheben und für die Auswertung heranziehen. Voraussetzung dafür war die Erstellung von für unsere Forschung relevanten Leitfragen. Für die Professionalität des Leitfadens hat uns die individuelle Forschungsberatung von Frau Thünemann in der Universität Bremen geholfen. Der Leitfaden war für uns vor allem dahingehend hilfreich, dem Interview einen Rahmen und somit uns eine Sicherheit zu geben. Die Bestätigung für unseren Leitfaden erhielten wir von Walter Hövel am Ende des Interviews, da er unsere Fragen besonders gelungen fand.
Die unabhängige Betrachtung des Interviews von uns beiden war ebenso wie bei der Dokumentenanalyse positiv. Schon die Erstellung eines Transkripts machte einen großen Daten- und somit auch Zeitumfang sichtbar. Dies bestätigte sich auch in der Auswertung des Interviews. Im Vergleich zur Dokumentenanalyse war es hier schwieriger einen roten Faden für die Auswertung zu finden. Dennoch haben wir einen gemeinsamen Weg gefunden, relevante Daten in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen. Das Endergebnis der Auswertung zeigt dabei deutlich, dass das Experteninterview zur Beantwortung unserer Fragestellung wesentlich beigetragen hat. Hierbei ist besonders zu betonen, dass durch die direkte Kommunikation die Einstellungen Walter Hövels authentisch wirkten. So hatten
3. Forschungsdesign - Experteninterview mit Leitfragen
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wir beide den Eindruck, dass sein Verständnis von einer demokratischen Schule aus seiner persönlichen Einstellung heraus kommt und nicht zur Wahrung eines scheinbaren Seins.
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
69
3.4 Teilnehmende Beobachtung
3.4.1 Vorstellung der Methode (Gesa Balke)
Die teilnehmende Beobachtung, als unser drittes und letztes Erhebungsverfahren, stellt in der Feldforschung eine gängige Methode dar. Diese charakterisiert sich dadurch, dass die ForscherInnen nicht als Außenstehende „passiv-registrierend“ beobachten, sondern dass sie vielmehr selbst an der zu beobachtenden „sozialen Situation“ teilnehmen. Auf diese Weise stehen ForscherInnen und Beobachtete in einer direkten und persönlichen Beziehung zueinander. Die Datenerhebung erfolgt durch die Teilnahme und die damit einhergehende größere Nähe der BeobachterInnen am Geschehen. Diese Beobachtungsform begründet sich unter anderem darin, dass die „Innenperspektive“ besser erhoben werden kann (vgl. Mayring 2002, S. 80).
Die Methode der teilnehmenden Beobachtung ist durch die von Branislaw Malinowski durchgeführten Untersuchungen „(…) von Eingeborenen in Neuguinea und Melanesien seit den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts“ (Mayring 2002, S. 81) von großer Bedeutsamkeit. Auch andere Forschungsprojekte, wie das der Chicago-Schule der Soziologie unter anderem zur „Lebenswelt von Landstreichern“, sind an dieser Stelle als bahnbrechende Untersuchungen der teilnehmenden Beobachtung zu nennen.
Die Vorgehensweise bei der teilnehmenden Beobachtung zeichnet sich durch eine relativ offene Konzipierung aus. So ist diese Methode nicht vollständig standardisiert, stattdessen „(…) wird höchstens halb-standardisiert vorgegangen“ (Mayring 2002, S. 81).
Bei standardisierten Verfahren werden Beobachtungsbögen herangezogen, auf denen bestimmte Vorkommnisse angekreuzt werden. Die im Unterschied dazu stehende teilnehmende Beobachtung als „qualitative Technik“ hat den Anspruch, offener zu sein, gleichwohl ein Beobachtungsleitfaden rat- und bedeutsam ist. Mit dem Leitfaden soll der Untersuchungsgegenstand präziser dargelegt werden. „Der Beobachter muss aber ausführliche Kommentare abgeben und auch neue Aspekte herausarbeiten können“ (Mayring 2002, S. 81) (vgl. Mayring 2002, S. 81).
Im Feld müssen die ForscherInnen nicht immer den Beobachtungsleitfaden vor sich liegen haben, zumal dies auch hinderlich wäre. Dennoch ist es wichtig, ihn zu verinnerlichen, um anschließend Beobachtungsprotokolle erstellen zu können. Diese verfolgen den Anspruch, möglichst ausführlich zu sein und können ansatzweise auch schon während der Beobachtungen in Form von Feldnotizen gemacht werden (vgl. Mayring 2002, S. 82).
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
70
„Wo immer dies möglich ist, sollten schon unter forschungsethischen Gesichtspunkten (…) Beobachtungen offen durchgeführt werden, damit die Beobachteten wissen, dass sie mit ihrer Zustimmung beobachtet werden“ (Flick 2009, S. 127).
Die Protokollierung erfolgt durch die im Vorfeld festgelegten „Beobachtungsdimensionen“ aus dem Beobachtungsleitfaden und kann außerdem auch noch durch weitere Aspekte ergänzt werden. Hierbei ist zu betonen, dass die eigentliche Protokollierung erst nach der Teilnahme im Feld erfolgt. Im Anschluss daran bildet diese die Basis für die Schlussauswertung (vgl. Mayring 2002, S. 82). Insgesamt ergibt sich in Bezug auf die teilnehmende Beobachtung folgender Ablaufplan: Schritt 1  „Bestimmung der Beobachtungsdimensionen“, „Erstellung des Beobachtungsleitfadens“, Schritt 2  „Herstellen des Kontakts zum Untersuchungsfeld“, Schritt 3  „Handeln im Feld“, „teilnehmende Beobachtung“, Schritt 4  „Feldnotizen“, „Beobachtungsprotokolle“, Schritt 5  „Schlussauswertung“ (vgl. Mayring 2002, S. 83).
Nach Spradley (1980) können für die teilnehmende Beobachtung drei unterschiedliche Phasen genannt werden: 1. „Deskriptive Beobachtung“, 2. „Fokussierte Beobachtung“ und 3. „Selektive Beobachtung“. Hierbei dient die erste Phase der Orientierung, mit dem Ziel das Untersuchungsfeld in seiner Komplexität zu erfassen. Die zweite Phase beinhaltet die zunehmende Beschränkung auf die eigentliche Fragestellung und schließlich folgt die dritte gegen Ende der Beobachtung auftretende Phase, in der eine Fokussierung auf „weitere Belege und Beispiele“ für die in der vorherigen Phase beobachteten Abläufe (vgl. Flick 2009, S. 126f).
Die qualitative Methode der teilnehmenden Beobachtung ist nicht zwangsläufig für alle Untersuchungen optimal geeignet. Daneben ergeben sich auch immer wieder unterschiedliche Probleme. „Der Zugang zum Untersuchungsfeld“ kann an dieser Stelle als ein exemplarisches Beispiel genannt werden. „Der Forscher will aufgenommen werden, akzeptiert werden, teilnehmen, ohne als Störfaktor zu wirken. Hier sind genaue Vorüberlegungen und ein vorsichtiges Herantasten nötig“ (Mayring 2002, S. 82) (vgl. Mayring 2002, S. 82). Ein weiteres Problem dieser Methode besteht darin, „(…) dass bestimmte Themen nicht unmittelbar auf der Handlungsebene zugänglich sind, sondern ausschließlich oder überwiegend in Interaktionen ‚sichtbar‘ werden, wenn also darüber gesprochen wird“ (Flick 2009, S. 127). Daher wird einiges nur in einem gemeinsam Gespräch zwischen BeobachterIn und Beobachtete/r sowie „Ad-hoc-Interviews“ thematisiert. Aus diesem Grund ist die teilnehmende Beobachtung umso effektiver, „(…)
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
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je mehr Erkenntnisse aus der Protokollierung von Handlungen resultieren und je weniger aus Berichten über Handlungen stammen“ (Flick 2009, S. 127). Nichtsdestotrotz sind „Gespräche, Befragungen und andere Datenquellen“ stets bedeutsam, wenn es um den „Erkenntnisprozess“ dieser Beobachtungsmethode geht (vgl. Flick 2009, S. 127).
Besonders gut geeignet ist die teilnehmende Beobachtung in all jenen Bereichen, die äußerlich nur schwer eingesehen werden können, die in soziale Situationen eingebunden sind sowie in Bezug auf tendenziell explorative Fragestellungen (vgl. Mayring 2002, S. 83).
Die teilnehmende Beobachtung begründet sich primär in der Überprüfung der theoretischen Informationen durch das Schulkonzept und durch das Interview, indem wir in das Feld gehen. Diese Methode ist besonders geeignet, die praktische Umsetzung einer demokratischen Lebensweise in der Schule zu untersuchen und diese in einen Vergleich zu Célestin Freinet zu setzen. Sie erfüllt in Bezug auf unser Forschungsvorhaben die Aufgabe zu überprüfen, wie mit der Demokratisierung des Schullebens auf Seiten der Kinder umgegangen bzw. wie diese genutzt wird. Aus diesem Grund soll die Methode der teilnehmenden Beobachtung besonders dazu dienen, die aus der Dokumentenanalyse erschlossene inhaltliche Partizipation der Kinder zu überprüfen. Damit einhergehend spiegelt sich folglich auch die Umsetzung der demokratischen schulorganisatorischen Bedingungen wider. Zusätzlich bietet es sich an, mit dieser Methode die Demokratisierung der sozialen Bedingungen zu überprüfen. Die teilnehmende Beobachtung bringt den Vorteil mit sich, dass wir näher am Geschehen sind und somit die Innenperspektive der Kinder besser einsehen können. Die teilnehmende Beobachtung spiegelt die tatsächliche Realität der Grundschule Harmonie wider und zeigt somit auch, inwieweit sich die Freinet-Pädagogik bezogen auf das Demokratieverständnis tatsächlich im Schulleben der Grundschule wiederfinden lässt. Daher ist diese Methode für unsere empirische Forschung unumgänglich.
3.4.2 Datenerhebung
Wie bereits oben erwähnt, ziehen wir die Methode der teilnehmenden Beobachtung hauptsächlich zur Überprüfung der inhaltlichen Partizipation sowie der Demokratisierung der sozialen Bedingungen heran. Im ersten Schritt möchten wir nun auf die Erhebung der inhaltlichen Partizipation eingehen.
Bereits am ersten Tag unserer fünftägigen Feldforschung in der Grundschule Harmonie haben wir mit der teilnehmenden Beobachtung begonnen. Diese erste Phase unserer Beobachtung orientierte sich an der ersten Phase nach Spradley (1980), der „deskriptiven
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
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Beobachtung“. Wir verfolgten somit zunächst einmal das Ziel, die Komplexität des Untersuchungsfeldes zu erfassen. Nur durch eine offene Beobachtung ist ein uneingeschränkter Blick möglich. Außerdem war es unser Anliegen, vier SchülerInnen für die gezielte teilnehmende Beobachtung auszuwählen. Am Dienstag, dem zweiten Tag unserer Hospitationswoche, begannen wir gezielt und strukturiert vier Kinder zu beobachten. Dieses Vorhaben war ursprünglich erst für den darauf folgenden Tag vorgesehen. Da wir jedoch zu Beginn unserer Hospitationswoche erfuhren, dass zwei schulische Ereignisse in dieser Woche auf dem Programm standen, musste die gezielte und strukturierte Beobachtung aufgrund von Zeitmangel bereits an diesem Tag begonnen werden.
Für die Beobachtung in Bezug auf die inhaltliche Partizipation war es unser Ziel, unterschiedliche Faktoren in der empirischen Untersuchung zu berücksichtigen, um somit umfassendere Aussagen treffen zu können. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, aus jeder Klassenstufe ein Kind auszuwählen, um herauszufinden, wie Kinder unterschiedlichen Alters und mit ihren individuellen schulischen Fähigkeiten mit der inhaltlichen Partizipation umgehen. Des Weiteren war es uns wichtig, den Genderaspekt zu berücksichtigen. Da der Anteil der Mädchen in dieser Klasse sehr gering ist und die Mädchen außerdem zum größten Teil eines Alters sind, haben wir nur ein Mädchen und drei Jungen beobachtet. Um den kulturellen Aspekt einzubeziehen, fiel die Wahl der zu beobachteten Kinder unter anderem auf das eine Kind mit Migrationshintergrund.
Aufgrund einer besseren Organisation unserer Beobachtungssequenzen kommen alle vier Kinder aus der jahrgangsübergreifenden „Blumenklasse“. In dieser Klasse befinden sich insgesamt 24 Kinder, davon sind 19 Jungen und fünf Mädchen. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund ist in dieser Klasse mit einem Kind sehr gering. Zurzeit wird die Blumenklasse von der Klassenlehrerin und einer Referendarin betreut.
Wir möchten im Folgenden nun die vier von uns ausgewählten Kinder4 kurz vorstellen. Die Informationen zu den Kindern stammen zum einen aus eigenen Beobachtungen und zum anderen aus einem Gespräch mit der Referendarin aus der Blumenklasse:
Abdel:
Abdel hat einen türkischen Migrationshintergrund. Dennoch unterscheidet er sich in seinen sprachlichen Fähigkeiten in Deutsch nicht von anderen Kindern. Er ist gerade sieben Jahre alt geworden und einer der jüngsten in der Blumenklasse. Er ist demnach einer der
4 Alle Namen wurden aufgrund der Anonymität geändert.
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
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Erstklässler der altersgemischten Gruppe. In der bislang noch kurzen Zeit an der Grundschule Harmonie hat er sich in das soziale Leben integriert und seinen persönlichen Alltag in der Schule gefunden. Seine schulischen Leistungen sind gut und besonders für das Zeichnen zeigt Abdel ein großes Interesse, was dadurch deutlich wird, dass er jede Möglichkeit nutzt, um dieser Tätigkeit nachzugehen. Besonders in seinen Interessensbereichen arbeitet Abdel selbstständig und konzentriert. Beim Ausüben von für ihn weniger interessanten Aufgaben während der Freiarbeitsphasen verliert sich Abdel des Öfteren in Ablenkungen. Es fällt ihm noch schwer, sich auch für solche Aufgaben zu motivieren und diese für einen längeren Zeitraum konzentriert zu bearbeiten.
Jan:
Jan ist sieben, wird aber demnächst acht Jahre alt und arbeitet auf dem Leistungsniveau der 2. Klasse. In seiner Entwicklung ist Jan noch sehr kindlich, was sich darin widerspiegelt, dass er oft den Kontakt zu erwachsenen Personen sucht. Auffällig hierbei ist, dass er nicht nur bei schulischen Aufgaben, sondern auch hinsichtlich der körperlichen Nähe den Kontakt zu den Erwachsenen sucht. In Bezug auf sein schulisches Leistungsniveau ist er altersentsprechend entwickelt und bringt gute Leistungen. Besonders im Bereich Mathematik fällt es ihm leicht, sich neue Dinge zu erschließen. Anstatt diese Fähigkeit zu nutzen, wählt er sich oft bereits bekannte Themen und meidet neue Herauforderungen. Jan arbeitet bevorzugt im Team und entscheidet sich im Vergleich zur freien Arbeit vorwiegend für die schulischen Angebote. Sowohl in der individuellen Arbeit als auch in den Angeboten fällt auf, dass Jan wenig selbstständig arbeitet und oft Hilfe bei anderen sucht.
Kevin:
Kevin ist zehn Jahre alt und ist nach der Wiederholung der Schuleingangsphase nun auf dem Stand der 3. Klasse. Nach dreimaligem Klassenwechsel an dieser Schule scheint er seinen Platz in der Blumenklasse gefunden zu haben. Kevin hat Schwierigkeiten, das Leistungsniveau der 3. Klasse zu erfüllen, sodass er Fördermaßnahmen benötigt. Er erhält regelmäßig von den LehrerInnen Tipps und Anregungen bezüglich für ihn relevanter Inhalte. Kevin hat einen Zwillingsbruder, der während seiner schulischen Laufbahn stets an seiner Seite ist. Die beiden gehen jedoch in ihrem schulischen Alltag auch eigene Wege und arbeiten unabhängig voneinander an individuellen Themen. Es ist zu beobachten, dass Kevin teilweise im Schatten seines Bruders steht. Besonders bezüglich der schulischen
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
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Leistungen vergleicht Kevin sich mit seinem Zwillingsbruder, was oft zu Unzufriedenheit seinerseits führt. Diese äußert sich zum Teil in Verhaltensauffälligkeiten, wie beispielsweise gezielte Ablenkung von sich und anderen Kindern. Dennoch wird Kevin wegen seiner offenen und fröhlichen Art in der Klasse geschätzt.
Julia:
Julia ist mit ihren zehn Jahren eine der Viertklässlerinnen der Blumenklasse und verlässt im Sommer die Grundschule Harmonie, um auf das Gymnasium zu gehen. In ihrer Klasse ist Julia sehr beliebt, weil sie sozial überaus kompetent ist. Diese soziale Kompetenz äußert sich in ihrer Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und Umsicht gegenüber anderen Schülern und Schülerinnen. Aus diesem Grund ist sie für viele ihrer MitschülerInnen eine beliebte Lernpartnerin. Darüber hinaus engagiert sie sich für die schulischen Belange und vertritt ihre Klasse mit einem weiteren Mitschüler wöchentlich im Kinderparlament der Grundschule Harmonie. Julias schulisches Leistungsniveau ist sehr gut. Sie arbeitet sowohl allein als auch im Team und nimmt regelmäßig die schulischen Angebote wie beispielsweise die wöchentlich stattfindende „Kinder-Uni Vorlesung“ wahr. In ihrem Arbeitsverhalten geht sie besonders strukturiert und organisiert vor, da sie in Angeboten freiwillig und eigenständig Mitschriften führt und diese gesondert abheftet.
Von Mittwoch bis Freitag begann die eigentliche, gezielte und strukturierte Beobachtung, sodass wir uns in der zweiten Phase der „fokussierten Beobachtung“ nach Spradley befanden. Diesbezüglich haben wir in festgelegten Intervallen beobachtet. Nach einer zehnminütigen Beobachtungsphase folgte stets eine fünfminütige Pause. Die Anzahl der Intervalle am Tag variierten je nach gegebener Situation von einer bis zu sechs Beobachtungsphasen. In diesem Zusammenhang haben wir es uns zum Vorteil gemacht, zu zweit zu sein. Anstatt die Beobachtung der Kinder aufzuteilen, haben wir alle Kinder gemeinsam beobachtet, um zum einen die Ganzheitlichkeit des Handelns der Kinder vollkommen zu erfassen und zum anderen zwei subjektive Sichtweisen auf das Kind zusammenzuführen. Ausgehend von unseren individuellen Feldnotizen entstanden die vorliegenden zusammengetragenen Beobachtungsprotokolle5.
In Bezug auf unsere teilnehmende Beobachtung haben wir die im Vorfeld erstellten und in den ersten beiden Tagen der Hospitation ergänzten und veränderten Items herangezogen. Diese sind in Anlehnung an die Frage „Inwieweit kann der Schüler über seine Lerninhalte
5 Siehe Anlage 3
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
75
selbst bestimmen?“ von Falko Peschel (vgl. 2002, S. 80) entstanden und angewendet worden. Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass die Formulierungen von Items entscheidend dazu beitragen, dass eine Konzentration auf das Forschungsvorhaben ermöglicht wird. Unsere eigens formulierten Items6 zur Beantwortung der Frage von Falko Peschel, die sich auf die inhaltliche Partizipation von Kindern bezieht, werden im nächsten Schritt dargelegt. Das erste Item impliziert die zu untersuchende Frage, welche demokratischen Strukturen während der Freiarbeitsphasen genutzt werden. Ausgangspunkt bei unseren Beobachtungen stellte der täglich stattfindende Morgenkreis dar, indem zwischen einerseits der individuellen Freiarbeit in den Fächern oder andererseits der Nutzung von Angeboten durch LehrerInnen, Eltern oder MitarbeiterInnen entschieden wird. Innerhalb der individuellen Freiarbeit können die Kinder entweder an eigens gewählten Themen, hauptsächlich aus dem Bereich Sachunterricht, arbeiten oder sich für eigenständiges Lernen in den Fächern entscheiden. Die Kinder können in jeder Arbeitsphase frei entscheiden, welche Art des Lernens sie präferieren. Unser Anliegen ist es herauszufinden, inwieweit die Kinder überhaupt motiviert sind, inhaltlich zu partizipieren.
Die Frage nach dem Bewusstsein des Kindes über seine aktuelle Bedürfnislage stellt das nächste Item dar. Zum einen soll deutlich werden, ob die Kinder im täglich stattfindenden Morgenkreis in der Lage sind, ihre Bedürfnisse zu äußern. Zum anderen soll in den Blick genommen werden, ob die Kinder ihre aktuellen Bedürfnisse wahrnehmen und dementsprechend eine Umplanung vornehmen bzw. vornehmen können.
Gegen Ende unserer Hospitationswoche haben wir unseren Beobachtungsschwerpunkt auf die dritte Phase, die „selektive Beobachtung“ nach Spradley, gelegt. So haben wir es uns hier zur Aufgabe gemacht, Belege für die aus den erhobenen Daten bereits herauskristallisierten Vermutungen zu finden. In diesem Zusammenhang haben wir drei der von uns beobachteten Kinder dazu befragt, welche Arbeitsform sie in ihrer Arbeitsphase bevorzugen.
Neben der ausführlichen Analyse der inhaltlichen Partizipation am Beispiel von vier ausgewählten Kindern der Grundschule Harmonie ist es daran anschließend unser Anliegen gewesen, einen Bezug zur Freinet-Pädagogik herzustellen.
Zusätzlich zur Erhebung der inhaltlichen Partizipation haben wir die Methode der teilnehmenden Beobachtung dazu genutzt, um die Demokratisierung der sozialen Bedingungen in Anlehnung an Célestin Freinet zu erforschen. Ebenfalls dazu haben wir
6 Siehe Anlage 4
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
76
wieder eigens erstellte Items7 herangezogen. Diese Items möchten wir im Folgenden vorstellen: Im Vordergrund dieser Erhebung steht nicht wie bei der inhaltlichen Partizipation das „eigene Lernen“, sondern vielmehr die Partizipation an der Gestaltung des Schullebens. Unser Interesse dabei konzentriert sich vor allem auf das Vorhandensein demokratischer Instrumente in dieser Schule, die eine Partizipation erst ermöglichen. Zentrale Fragen dabei sind, inwieweit der Schüler Verantwortung für sich selbst und auch für die Gemeinschaft übernimmt. Das impliziert folglich die Frage, ob dem Kind nur die Durchsetzung eigener Bedürfnisse wichtig ist oder ob es auch auf das Wohl der Gemeinschaft achtet. Die Fähigkeit, die Rahmenbedingungen der Demokratie einzuhalten, stellt das dritte Item dar. So ist zum Beispiel zu untersuchen, ob die Kinder andere Meinungen respektieren und ob sie kritikfähig sind.
Die Untersuchung der eben genannten Items erfolgte durch die Beobachtung der demokratischen Instrumente an der Grundschule Harmonie. Hierbei wählten wir teilweise eine besondere Form des Protokollierens der teilnehmenden Beobachtung, indem wir zusätzlich zu unseren Mitschriften8 einige Situationen mit einem Tonbandgerät aufnahmen. Die Begründung liegt in einer besseren Beantwortung der Items durch ausführliche Informationen der gesprochenen Worte der Kinder, die eine Mitschrift nicht erfassen kann.
Im nächsten Schritt wird es zur Auswertung der erhobenen Daten durch die Methode der teilnehmenden Beobachtung kommen.
3.4.3 Datenauswertung
Die vorangegangenen Auswertungen der Methoden Dokumentenanalyse und Experteninterview nahmen vor allem den Vergleich des demokratischen Verständnisses der Grundschule Harmonie und der Freinet-Pädagogik nach Célestin Freinet in den Blick. Die Datenauswertung dieser Methode, der teilnehmenden Beobachtung, konzentriert sich nur teilweise auf den Vergleich zu Freinet. Ein zentraler Blick wird darauf gelenkt, inwieweit sich die Kinder der Grundschule Harmonie, ausgehend von dem Schulkonzept, tatsächlich inhaltlich partizipieren können und inwieweit sie dies nutzen und für sich umsetzen. Die Analyse der Demokratisierung der sozialen Bedingungen wird in einem späteren Schritt Thema unserer Arbeit sein. Hier steht erneut der Bezug zur Freinet-Pädagogik im Fokus unserer Betrachtung.
7 Siehe Anlage 5
8 siehe Anlage 6
3. Forschungsdesign - Teilnehmende Beobachtung
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Im ersten Teil kommt es zur Auswertung dieser Methode in Bezug auf die inhaltliche Partizipation der Kinder an dieser Schule. Zur Analyse ziehen wir unsere Beobachtungsprotokolle basierend auf den Items der einwöchigen Hospitation heran. Die Vorgehensweise unserer Beobachtungsauswertung sieht so aus, dass wir jeweils die Beobachtungen eines Kindes im Rahmen von vier Tagen darlegen, um daran anschließend ein Gesamtfazit zu ziehen.
Zunächst möchten wir unseren Fokus auf den siebenjährigen Abdel richten. Der Beginn der gezielten Beobachtung, dem zweiten Hospitationstag in der Grundschule am 27.04.2010, stellte der Morgenkreis an diesem Tag dar. Abdel meldete sich eigenständig, um sein Vorhaben vorzubringen. Dabei entschied er sich zum einen für das individuelle Arbeiten im Bereich Deutsch und zum anderen für ein Angebot von einer Mutter in der Blumenklasse. An dieser Stelle wird bereits ersichtlich, dass es keinen festgelegten, für alle Kinder geltenden Stundenplan gibt, der die inhaltliche Partizipation einschränken würde. Dies zeigt eine getreue Unsetzung des Schulkonzepts in diesem Punkt.
Im ersten Beobachtungsintervall direkt im Anschluss an den Morgenkreis konnten wir beobachten, dass Abdel unmittelbar seiner Tätigkeit in Bezug auf individuelle Freiarbeit im Bereich Deutsch nachging. Im darauf folgenden Beobachtungsintervall wechselte Abdel den Arbeitsplatz sowie die Aktivität. Auf dem Klassenfußboden begann er, entgegen seiner ursprünglichen Planung, zu zeichnen. In der dritten und damit letzten Phase unserer Beobachtung verließ er den Klassenraum, um zwei anderen Schülern seine Zeichnung zu präsentieren und sich eine Beurteilung einzuholen. Anschließend hing er sein fertiges Bild zur späteren Präsentation an die Tafel.
Insgesamt war an diesem Tag festzustellen, dass Abdel sein ursprüngliches Vorhaben der individuellen Freiarbeit umsetzte, während er das Angebot der Mutter nicht wahrnahm und stattdessen eine weitere individuelle Aufgabe bevorzugte. Ausgehend von diesen ersten Beobachtungen war es unser Eindruck, dass Abdel bereits über wichtige Kernkompetenzen der inhaltlichen Partizipation verfügt. Zum einen war er in der Lage, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und diese im Morgenkreis zu äußern. Zum anderen hatte er durch seine Bedürfnisveränderung eine Umplanung seiner Aktivität vorgenommen und ausgeführt. Des Weiteren war eine individuelle Wahl des Arbeitsortes erkennbar, da er seinem Bedürfnis nachging, auf dem Fußboden zu arbeiten.
Am zweiten Tag unserer gezielten Beobachtung, dem 28.04.2010, meldete sich Abdel im Morgenkreis wieder freiwillig, um sein Vorhaben mitzuteilen. Hierbei handelte es sich
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erneut um die Wahl der individuellen Freiarbeit im Fach Deutsch, da es sein Bedürfnis war, eine Geschichte zu schreiben und zu lesen. Entgegen seines Vorhabens, erst eine Geschichte zu schreiben, begab sich Abdel während unseres ersten Beobachtungsintervalls direkt in die Leseecke zum Lesen. In einer weiteren Abdel betreffenden Phase der Beobachtung konnten wir erneut feststellen, dass er, wie am Vortag, eine Tätigkeit ausübte, die er im Morgenkreis nicht erwähnte. Diese beinhaltete ebenfalls Aufgaben aus dem Fach Deutsch. Dennoch schaffte er es überdies eine Geschichte zu schreiben und somit sein geplantes Vorhaben zu erfüllen. Nach der Fertigstellung der Geschichte zeigte er diese seiner Klassenlehrerin.
Dieser Tag hat unsere bereits entstandenen Eindrücke von Abdel in der Weise bestätigt, dass es erneut zu einer Umplanung kam und Abdel somit seinen situationsbezogenen Bedürfnissen nachging. Der Unterschied zum Vortag bestand darin, dass Abdel sein festgelegtes Vorhaben trotz Planänderung absolvierte. Auffällig war außerdem, dass er sich dieses Mal ausschließlich für die individuelle Freiarbeit entschieden hatte.
Am Donnerstag, den 29.04.20010, haben wir aufgrund des Interviews mit dem Schulleiter Walter Hövel nicht am Morgenkreis der Blumenklasse teilgenommen. Somit konnten wir das genaue Vorhaben Abdels dort nicht erheben. Auf Nachfrage haben wir jedoch erfahren, dass er wieder individuell und frei arbeitete. Diese Tätigkeit konnten wir allerdings nicht beobachten, da wir in einem Angebot die anderen drei Kinder beobachtet haben.
An diesem Tag kam es zu keinen weiteren Beobachtungsintervallen, da die Blumenklasse an einem Schulereignis beteiligt war.
Am letzten Tag der Hospitation und somit der teilnehmenden Beobachtung in der Grundschule Harmonie konnte Abdel wieder seine Arbeitsplanung im Morgenkreis verbalisieren. Auch an diesem Tag begann er seine Arbeit direkt im Anschluss an den Morgenkreis, brach diese jedoch nach kurzer Zeit ab. Darauf folgend widmete er sich seinem zweiten genannten Vorhaben, dem Zeichnen. Dazu verließ er nach wenigen Minuten den Raum, um einen speziellen Zeichentisch im Schulflur zu benutzen. Hieran wird die Öffnung der Räume und somit die Umsetzung der Demokratisierung schulorganisatorischer Bedingungen ersichtlich. In einem dritten Beobachtungsintervall kehrte Abdel von seiner Arbeit zurück und hing sein Bild an die Tafel in der Klasse. Die verbleibenden fünf Minuten unsere Beobachtungsphase verbrachte er ohne konkrete Tätigkeiten.
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Dieser Tag machte besonders deutlich, dass Abdel die verfügbaren Räume in der Schule nutzte und seinen Bedürfnissen nachging.
Wie in der Datenerhebung erwähnt (siehe 3.4.2), kam es am letzten Tag zu einer Befragung der Kinder bezüglich ihrer bevorzugten Lernform. Abdel berichtete uns, dass ihm das individuelle Arbeiten besser gefalle als die Nutzung von Angeboten. Diese Aussage bestätigte unsere Beobachtungen.
Ausgehend von unseren Beobachtungen innerhalb der gesamten Hospitationswoche ist bei uns der Eindruck entstanden, dass Abdel am Schulleben partizipiert und somit sein eigenes Lernen selbst bestimmt. Dieses individuelle Lernen ist dadurch gekennzeichnet, dass er seine Bedürfnisse wahrnimmt und diese im Schulalltag lebt. Dies hat des Öfteren zur Folge, dass Abdel sein Vorhaben nach Bedarf umplant. Außerdem haben wir beobachtet, dass Abdel trotz seines jungen Alters schon sehr selbstständig und diszipliniert arbeiten kann. Dies zeigt sich daran, dass er sofort nach dem Morgenkreis mit der Arbeit beginnt und sich auch nicht ablenken lässt. Im Rahmen unserer Beobachtung war jedoch auffällig, dass Abdel fast ausschließlich im Bereich Deutsch tätig war. Aufgrund der begrenzten Beobachtungszeit ist an dieser Stelle dennoch zu erwähnen, dass wir daraus keine allgemeingültige Aussage treffen können. Dies trifft auch auf alle weiteren Beobachtungsergebnisse der noch folgenden Kinder zu. Die Tatsache, dass Abdel fast ausschließlich im Bereich Deutsch arbeitete, zeigt allerdings auch im Besonderen die Möglichkeit einer tatsächlichen inhaltlichen Partizipation an der Grundschule Harmonie.
Unser zweites Kind der teilnehmenden Beobachtung ist der siebenjährige Jan. Im ersten von uns gezielt beobachteten Morgenkreis am Dienstag unserer Hospitationswoche entschied sich Jan zunächst für die individuelle Tätigkeit des Lesens. Darüber hinaus wollte er das Angebot, ein Mandala selber herzustellen, der bereits genannten Mutter in Anspruch nehmen. Die erste Beobachtungsphase zeigte, dass Jan zunächst mit dem Angebot begann. Hierbei beobachteten wir den Wunsch nach Unterstützung seinerseits. Dies äußerte sich darin, dass er vermehrt um Hilfe bat und nicht weiter arbeitete, solange er diese nicht bekam. In der direkt anschließenden zweiten Beobachtungsphase an diesem Tag zeigte sich ebenfalls sein Bedürfnis, sich helfen zu lassen. Er fragte erneut die leitende Mutter um Hilfe und versuchte durch gucken und nachfragen, mit der vorliegenden Arbeit voranzukommen. In dem letzten Jan betreffenden Beobachtungsintervall an diesem Tag war Jan noch immer in dem Angebot. Die Aufgabe, ein Mandala herzustellen, konnte er bis zu diesem Zeitpunkt alleine nicht bewältigen.
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An diesem ersten gezielten Beobachtungstag bekamen wir von Jan den Eindruck, dass er Schwierigkeiten hatte, selbstständig zu arbeiten. Es ist hervorzuheben, dass er sich Hilfe suchte, wenn er alleine nicht weiterkam. Dennoch hatten wir den Eindruck, dass er gar nicht erst versuchte, die Aufgabe zunächst selbstständig zu lösen. Aufgrund der Schwierigkeiten im Angebot, schaffte er es nicht mehr, sein individuelles Vorhaben, das Lesen, auszuführen.
Am zweiten Beobachtungstag, dem Mittwoch, kam Jan im Morgenkreis nicht mehr dazu, sein Vorhaben zu äußern, da er vorher aus der Klasse abgeholt wurde, um an einem Religionsangebot teilzunehmen. Dieses hatte er im Vorfeld gewählt. Nach einer ersten Beobachtungsphase in der Klasse, in der wir zwei der anderen Kinder beobachtet hatten, suchten wir Jan im Musikraum während des Religionsangebotes auf. Auch hier fiel wieder der starke Lehrerbezug auf, da er ständig die Hilfe der Lehrerin suchte. Wenn er diese nicht bekam, konnten wir beobachten, dass er einer themenfremden Beschäftigung nachging. Darüber hinaus war die fehlende Selbstständigkeit auch hier ein Beobachtungsergebnis. Bei der Wahl von Aufgaben entschied sich Jan sofort für das exemplarische Beispiel der Lehrerin. Dies macht deutlich, dass Jan einen vorgegebenen Rahmen benötigt, der sein Lernen strukturiert. Der zweite gezielte Hospitationstag hat bestätigt, dass er scheinbar noch wenig Verantwortung für sein Lernen übernehmen möchte und es bevorzugt, tendenziell vorgegebene Lernwege einzuschlagen.
Am dritten Tag der gezielten teilnehmenden Beobachtung konnten wir aus den oben genannten Gründen nur wenige Daten erheben. Dennoch war zu beobachten, dass Jan sich erneut in einem Angebot einer Lehrerin befand und dieses im Unterschied zu anderen Kindern bis zum Schluss wahrnahm.
Am Freitag, dem letzten Hospitationstag, führten wir die erste Beobachtungsphase bereits vor dem Morgenkreis durch. Zu diesem Zeitpunkt war Jan das einzige Kind in der Blumenklasse und arbeitete selbstständig an einem Fragebogen. Danach ging er in die Computerecke, wo er einen der Computer einschaltete. An dieser Stelle ist bezüglich der Raumgestaltung und damit auch der schulorganisatorischen Bedingungen zu erwähnen, dass es unterschiedliche bereichsspezifische Arbeitsecken in der Klasse gibt. Da Jan nicht wusste, was er am Computer machen sollte („Ich weiß gar nicht, was ich machen will!“), verließ er die Computerecke wieder und verharrte scheinbar ziellos in der Klassenmitte. Nach kurzer Zeit kehrte er jedoch zu seinem Arbeitsplatz zurück und recherchierte im Internet zum Thema Flugzeuge. An dieser Situation wurde deutlich, dass Jan zunächst Schwierigkeiten zeigte, selbstständig zu arbeiten. Dennoch war er letztlich durchaus in der
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Lage dazu. Im Morgenkreis entschied Jan sich aus eigenen Stücken für den Besuch einer Themenvorstellung durch zwei Kinder aus der Klasse. Im Anschluss daran war es sein Vorhaben, mit seinem Partner an einem gemeinsamen Thema zu arbeiten. An dieser Stelle wird ein weiterer Bestandteil der inhaltlichen Partizipation erkennbar, denn die Kinder können entscheiden, ob sie in Einzelarbeit oder gemeinschaftlich arbeiten wollen.
Sowohl im Morgenkreis als auch in der zweiten Beobachtungsphase, in der Jan an der Themenpräsentation teilnahm, war uns aufgefallen, dass er stets neben einem Erwachsenen saß. Sein Verhalten während der Präsentation war auffällig, da er scheinbar nur wenig Interesse an dem Thema zeigte. Dies machten wir an mehreren Aspekten fest: Jan schloss phasenweise die Augen, suchte Körperkontakt zu der Referendarin, drehte sich weg und spielte mit der Trommel hinter ihm und er führte Gespräche mit anderen Kindern, die nicht an der Präsentation beteiligt waren. Aus diesen Beobachtungen schlossen wir, dass Jan sich nicht aus persönlichem Interesse an dem Thema für das Angebot entschieden hatte. Dadurch wird deutlich, dass Jan Schwierigkeiten hat, sich bezüglich seines Lernens inhaltlich zu partizipieren. Jan handelt in Bezug auf Lerninhalte anscheinend nicht nach seinen Bedürfnissen, sonst hätte er die Themenpräsentation verlassen und eine andere für ihn interessante Tätigkeit ausgeübt.
Im Anschluss an das Angebot wendete sich Jan seiner Partnerarbeit zu. Im Rahmen unserer Beobachtung stach hervor, dass Jans Partner die treibende Kraft der gemeinsamen Arbeit am Computer war. Obwohl er an dieser Stelle individuell arbeitete und somit an keinem Angebot teilnahm, tat er dies nicht alleine, sondern in Zusammenarbeit mit einem anderen Kind. Die letzte Beobachtungsphase unserer Hospitation bezog sich immer noch auf die Zusammenarbeit von Jan mit seinem Themenpartner. In dieser Phase zeichnete sich das Verhalten von Jan erneut dadurch aus, dass er für sich und seinen Partner aufgrund technischer Probleme Hilfe von außen suchte. An dieser Stelle spiegelte sich sein bisheriges Verhalten wider, indem er nicht zunächst alleine versuchte, seine Probleme zu lösen, sondern gleich die Gelegenheit nutzte, sich Unterstützung zu holen.
Unser Gesamteindruck von Jan durch die Hospitationswoche ist im Vergleich zu dem fast ein Jahr jüngeren Abdel ein völlig anderer. Jan bevorzugt es, vorgefertigte Angebote zu wählen und auch innerhalb dieser sucht er festgelegte Strukturen, die ihm sein Handeln vorgeben. Nichtsdestotrotz ist er in der Lage dazu, seine Bedürfnisse im Morgenkreis zu äußern. Außerdem kann er auch während seiner Arbeit in Form von Unterstützungssuche sein Anliegen verbalisieren. Dennoch kommt es in Bezug auf seine Bedürfnisse zu keiner Umplanung innerhalb seiner Arbeit. Dies zeigt sich am Beispiel der Themenvorstellung,
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wo er kein Interesse daran zeigte und trotzdem bis zum Schluss daran teilnahm. Dieses Verhalten führt uns zu der Vermutung, dass Jan nur in geringem Maße aus intrinsischer Motivation handelt. Der Wunsch nach einem Kontakt zu Erwachsenen überwiegt die inhaltliche Partizipation in Bezug auf sein eigenes Lernen. Dennoch ist hervorzuheben, dass Jan sich durch die eigenständige Wahl der Angebote durchaus inhaltlich partizipiert, da er diese Entscheidung aus eigenen Stücken trifft. Auch kann der Grad der inhaltlichen Partizipation angesichts seines noch jungen Alters in Zukunft weiterhin zunehmen, sodass auch Jan bewusst die Verantwortung für sein eigenes Lernen übernehmen möchte.
Der zehnjährige Kevin stellt das dritte Kind unserer teilnehmenden Beobachtung dar. Im Morgenkreis des ersten gezielten Beobachtungstages entschied sich Kevin, ebenso wie Abdel und Jan, für das Angebot der Mutter, Mandalas selber herzustellen. Außerdem wollte er die Zeit nutzen, um zu schreiben und bekam zusätzlich von der Referendarin der Blumenklasse den Tipp, eine Wörterbuchübung durchzuführen. Dadurch war ausgehend von unseren Beobachtungen festzustellen, dass ein gezielter Blick seitens der Lehrerin sowie der Referendarin auf das Lernen von Kevin geworfen wurde.
Im Anschluss an den Morgenkreis begann Kevin sogleich mit den Wörterbuchübungen, woran ersichtlich wurde, dass er den Ratschlag der Referendarin annahm. Bei der Bewältigung der Aufgabe konnten wir eine Überforderung Kevins erkennen, da er diese auch nach mehrmaligem Versuch nicht eigenständig lösen konnte. Erst durch das Vorsagen der richtigen Antworten durch seine Mitschülerin Julia, die wir als letztes Kind unserer teilnehmenden Beobachtung noch betrachten werden, konnte Kevin während der ersten Beobachtungsphase diese Tätigkeit abschließen. Nun wendete sich Kevin dem Angebot zu. Das erste Beobachtungsintervall machte deutlich, dass Kevin einige Schwierigkeiten bei seiner Aktivität in Deutsch hatte. Dessen ungeachtet stellte er sich dieser Aufgabe, obwohl in Frage gestellt werden konnte, ob eine intrinsische Motivation vorhanden war bzw. vorhanden sein konnte. Dies war möglicherweise der Grund dafür, warum Kevin sich die korrekten Antworten der Wörterbuchübung vorsagen ließ und somit keine Verantwortung für sein eigenes Lernen übernommen hatte. Die zweite Beobachtungsphase zeichnete sich dadurch aus, dass Kevin auch an dieser Stelle Schwierigkeiten hatte, die Aufgabe, ein Mandala selbst herzustellen, zu bewältigen. Daraufhin reagierte er genervt, ließ sich dann allerdings in der dritten Beobachtungsphase helfen. Da ihn das Angebot voll beanspruchte, kam er nicht dazu, seinem Wunsch des Schreibens nachzugehen. In einem vierten Beobachtungsintervall dieses Tages beobachteten wir Kevin im Forum der Grundschule
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Harmonie während der Vorlesung von Walter Hövel im Rahmen der Kinderuniversität. Dieses Angebot wählte er freiwillig und er kam gut vorbereitet in die genannte Veranstaltung, indem er Schreibzeug und Klemmbrett mitbrachte. Während dieser Phase des Beobachtens war außerdem erkennbar, dass Kevin sich zu den Inhalten der Vorlesung Notizen machte und sich somit interessiert zeigte. In der direkt daran anschließenden Beobachtungsphase fünf konnten wir beobachten, dass er sein Schreibzeug sowie das Klemmbrett weglegte und ausschließlich zuhörte. Wiederum ein Beobachtungsintervall später verließ Kevin vor Abschluss der Veranstaltung nach 45 Minuten Vorlesung das Forum. Er hätte nicht mehr gekonnt, berichtete Kevin uns daraufhin auf Nachfrage. Hier zeigte sich eine Kompetenz Kevins in Bezug auf die inhaltliche Partizipation. Seinen Bedürfnissen entsprechend hatte er die Vorlesung verlassen und auf diese Weise seine ursprüngliche Planung verändert.
Insgesamt bekamen wir an diesem ersten Tag der gezielten teilnehmenden Beobachtung den Eindruck, dass Kevin aufgrund der Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Aufgaben unzufrieden wirkte, was ihn im weiteren Verlauf der Lernaufgabe entmutigte. Obwohl er sein Lernen in die eigenen Hände nehmen wollte, erhielt er ohne Nachfrage immer wieder Hilfestellungen von außen, was aus unserer Sicht seine Selbstständigkeit erschwerte. Dennoch ist zu betonen, dass Kevin für das Voranschreiten seiner Arbeit oftmals die Unterstützung anderer benötigte.
Am zweiten Beobachtungstag konnten wir Kevin leider nicht in den Fokus unserer Beobachtung nehmen, da er an der VERA-Vergleichsarbeit der dritten Klassen zum Thema „Lesen“ teilnahm.
Am darauffolgenden Tag konnten, wie bereits oben beschrieben, nur begrenzt Beobachtungen stattfinden. Nach dem Interview mit Walter Hövel fanden wir Kevin im Musikraum der Schule, wo das Angebot „Chor“ stattfand. Als Reaktion auf die Frage der Lehrerin, wer das Angebot bereits verlassen möchte, verließ Kevin den Raum, um der individuellen Freiarbeit nachzugehen. Hier wird erneut deutlich, dass Kevin seine eigenen Bedürfnisse erkennt und diesen nachgeht.
Am letzten Tag der Beobachtung war Kevin krank, sodass keine weiteren Daten erhoben wurden und daher auch keine Befragung Kevins nach seiner bevorzugten Lernform stattfinden konnte.
Insgesamt lässt sich ausgehend von unseren erhobenen Daten festhalten, dass Kevin immer wieder an die Grenzen seiner inhaltlichen Partizipation stößt. Einerseits haben wir den Eindruck gewonnen, dass er sich inhaltlich partizipieren möchte und dies auch tut.
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Andererseits benötigt er immer wieder die Hilfestellung von außen bei der Bewältigung der von ihm gewählten Aufgaben. Die häufig auftretende Überforderung könnte Kevin dahingehend demotivieren, seinen Lernweg inhaltlich mitzugestalten.
Obwohl Kevin von seiner Lehrerin oder anderen MitarbeiterInnen Tipps für die Gestaltung seiner Lerninhalte bekommt, kann er dennoch, ausgehend vom demokratischen Verständnis der Schule, frei entscheiden, ob er diese annimmt oder nicht. Gleichwohl haben wir uns die Frage gestellt, ob Kevin tatsächlich aus freien Stücken, das heißt durch seine intrinsische Motivation, den Tipp angenommen hat oder ob er sich dazu verpflichtet fühlte. Unsere Beobachtungen diesbezüglich lassen vermuten, dass Kevin nicht mit einer intrinsischen Motivation an die Bearbeitung der Aufgabe „Wörterbuchübungen“ herangegangen ist. Das machen wir daran fest, dass er mit wenig Ausdauer die Aufgabe bearbeitet hat, da er bereits nach kurzer Zeit resignierte und sich daraufhin die richtigen Lösungen vorsagen ließ.
Hier zeigt sich eine Schwierigkeit bei der Umsetzung des Demokratieverständnisses an der Grundschule Harmonie. Obwohl der inhaltlichen Partizipation der SchülerInnen in dieser Schule eine große Bedeutung zugesprochen wird, stellt diese gleichzeitig auch immer wieder eine Herausforderung für die LehrerInnen dar. So tritt in manchen Situationen das natürliche Bedürfnis einer Lehrkraft auf, den Lernweg der Kinder ein Stück weit kontrollieren zu wollen, um ihnen eine Grundbasis für den weiteren schulischen Weg zu geben. Diesen Diskurs konnten wir auch im Rahmen der morgendlichen Frühkonferenz der LehrerInnen der Grundschule Harmonie beobachten. So stößt man als Lehrperson immer wieder an Grenzen, den Kindern das vollkommene Vertrauen für ihren eigenen Bildungsweg und somit auch für ihre völlige inhaltliche Partizipation zu geben. Dieses Beispiel macht deutlich, dass stets an Schule gearbeitet werden muss. Nur so kann eine Schule, wie in diesem Falle die Grundschule Harmonie, dem Lernen eines jeden Kindes gerecht werden.
Zur weiteren Analyse der inhaltlichen Partizipation der Kinder an der Grundschule Harmonie möchten wir im Folgenden unsere Datenerhebung der teilnehmenden Beobachtung von Julia auswerten.
Laut unserem Beobachtungsprotokoll wählte Julia am ersten Tag unserer gezielten Beobachtung die Arbeit an ihrem Thema sowie das Angebot der Mutter zur Gestaltung der darauf folgenden Arbeitsphase.
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In der ersten Beobachtungsphase, die sich direkt an den Morgenkreis anschloss, befand sich Julia in dem Angebot. Dort fing sie sofort eigenständig an, den Umgang mit einem Zirkel zu erproben. Das daran anschließende zweite Beobachtungsintervall zeigte, dass Julia schnell mit dem Angebot zurechtkam und darüber hinaus den anderen Kindern bei der Erstellung ihrer Mandalas half. Während unserer dritten Phase des Beobachtens an diesem Tag konnten wir erkennen, dass Julia ihr Mandala fertigstellte und es daraufhin nur noch ausmalen musste.
Diese ersten Phasen des Beobachtens machten eine Hilfsbereitschaft und Eigenständigkeit Julias deutlich. Ihr Arbeitsverhalten erwies sich als konzentriert und effektiv, da sie relativ schnell mit dem Angebot fertig war. Im Rahmen unserer Beobachtung fiel uns jedoch auf, dass sie nicht zur Bearbeitung ihres Themas kam.
In einer vierten Beobachtungsphase befand sich Julia in der Vorlesung der Kinderuniversität. Sie hatte wie Kevin ihr Schreibzeug und ein Klemmbrett dabei. Ihr Verhalten während der Veranstaltung zeichnete sich durch eine hohe Konzentration und durch die Erstellung umfassender Notizen aus. In der nächsten Beobachtungsphase wirkte Julia immer noch konzentriert, da sie im Gegensatz zu Kevin auch dann nicht aufhörte, sich Notizen zu machen. Die sechste und damit letzte Phase der Beobachtung an diesem Tag fand ebenfalls hinsichtlich der Vorlesung im Forum der Grundschule Harmonie statt. Wir konnten beobachten, dass Julia die Kinderuniversität nach etwa 35 Minuten verließ. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass ihr langweilig war. Hierbei konnte, ebenso wie bei Kevin, festgestellt werden, dass sie ihrem individuellen Bedürfnis nachgegangen ist. In diesem Verhalten spiegelt sich eine Form der inhaltlichen Partizipation wider. Dadurch, dass sie eine so hohe Aufmerksamkeit während der Vorlesung zeigte und außerdem umfassende Mitschriften führte, wurde ihre anfänglich hohe Motivation deutlich.
Am Mittwoch, dem zweiten Tag unserer gezielten teilnehmenden Beobachtung, meldete sich Julia im Morgenkreis gleich, um ihr Vorhaben mitzuteilen. Dabei handelte es sich zum einen um ein verpflichtendes Interview mit der Referendarin der Blumenklasse und zum anderen um die selbstverantwortete Arbeit an ihrem Thema in Zusammenarbeit mit einer Mitschülerin. Darüber hinaus äußerte sie im Verlauf des Morgenkreises den Wunsch, ihren MitschülerInnen die schon seit längerem fertig gestellten Zeichnungen zu präsentieren. An dieser Stelle wird deutlich, dass Julia die Fähigkeit besitzt, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und diese zu verbalisieren. In der ersten Beobachtungsphase widmete sie sich schließlich der chronologischen Abarbeitung ihres morgendlichen Vorhabens. Da wir in der zweiten Beobachtungsphase ausschließlich Jan in den
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Mittelpunkt unserer Beobachtungen stellten, haben wir hier keine Daten über Julia erheben können. Das dritte Beobachtungsintervall macht erneut die Eigenständigkeit Julias in Bezug auf ihre Lerninhalte sichtbar. Sie besorgte sich selbstständig Fachliteratur zu ihrem Thema aus dem Klassenfundus. Anschließend nutzte sie die restliche Zeit dazu, ihrer Sitznachbarin im Fach Mathematik zu helfen. Unser daraus resultierendes Fazit war, dass Julia ihr ursprüngliches Vorhaben planmäßig umsetzen konnte und überdies noch anderen Bedürfnissen, wie dem Helfen der MitschülerInnen, nachging.
Am Donnerstag, dem 29.04.2010, befand sich Julia nach unserer Durchführung des Schulleiterinterviews im Angebot Chor. Dieses nahm sie bis zum Schluss in Anspruch. Das Singen im Musikraum sowie die Bearbeitung des eigenen Themas stellten das im Morgenkreis genannte Vorhaben des letzten Tages unserer Beobachtungen dar. Während der Datenerhebung an diesem Tag wurde Julia erst im dritten Beobachtungsintervall zur Zielperson unserer Untersuchung, da wir beim Singen im Musikraum nicht anwesend waren. In der dritten Beobachtungsphase kam Julia vom Musikraum zurück in die Blumenklasse und zeigte ihrer Themenpartnerin, was sie schon alleine am gemeinsamen Thema gearbeitet und geschafft hatte. Es folgte eine partnerschaftliche Kooperation der beiden bezüglich ihres Themas. Hieran wird sichtbar, dass die Raumgestaltung eine gemeinsame Arbeit zulässt, denn ein großer Tisch in der Mitte des Klassenzimmers steht allen Kinder sowohl in Bezug auf Einzel- als auch auf Gruppenarbeit zur Verfügung.
Insgesamt betrachtet ergab die Beobachtung von Julia hinsichtlich unserer Fragestellung nach der inhaltlichen Partizipation Folgendes: Die Gestaltung ihres eigenen Lernens zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine ausgewogene Balance zwischen der Wahrnehmung von Angeboten und der Praktizierung individueller Arbeit findet. Eine Befragung Julias bezüglich der bevorzugten Lernform bestätigte diese eben genannte Erkenntnis. Hierbei ist bei uns der Eindruck entstanden, dass sie das Gleichgewicht zwischen Angebot und individueller Freiarbeit bewusst aufgrund ihrer Verantwortung bezüglich ihres eigenen Lernweges sucht. Somit kann von gelebter inhaltlicher Partizipation gesprochen werden. Auch äußert sich die inhaltliche Partizipation Julias darin, dass sie ihren Bedürfnissen entsprechend in ihrem Schulalltag handelt. So kann es durchaus dazu kommen, dass sie ihren ursprünglichen Lernplan umwirft und neu strukturiert. In Betrachtung der eben genannten Beobachtungsergebnisse kommen wir zu dem Schluss, dass die inhaltliche Partizipation von Julia in einem Erfolg mündet und sie somit dem Schulkonzept der Grundschule Harmonie Bestätigung verleiht. In den vergangenen vier Schuljahren hat sie
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gelernt, die demokratischen Strukturen an dieser Schule optimal zu nutzen und daher auszuschöpfen.
Nachdem wir unsere Beobachtungsergebnisse für jedes der vier Kinder einzeln dargelegt haben, möchten wir sie nun zusammenführen, um somit einen wichtigen Teilaspekt unserer Fragestellung beantworten zu können. Der Fokus dabei liegt auf der Überprüfung der Demokratisierung des Schullebens in Bezug auf die inhaltliche Partizipation der Kinder in ihrem Schulalltag.
Die Ergebnisse unserer teilnehmenden Beobachtung haben gezeigt, dass Lernen in einem hohen Maße individuell ist. Dies lässt sich auch auf den Grad der inhaltlichen Partizipation eines jeden Kindes übertragen. Die Beobachtungen zeigen auf, dass die Kinder unabhängig von ihrem Alter die Möglichkeit der Partizipation ihrer Lerninhalte unterschiedlich nutzen bzw. nutzen können. An den Beobachtungsergebnissen von Abdel und Jan können wir diese allgemeingültige Aussage festmachen. Obwohl Abdel fast ein Jahr jünger ist als Jan, gelingt es ihm schon besser, die Demokratisierung des Lernens für sich zu nutzen. Aus diesem Grund ist er ein Beispiel dafür, wie das Verständnis von Lernen in der Grundschule Harmonie schon früh greifen kann. Der Migrationshintergrund hat folglich keine Auswirkungen auf den Grad seiner inhaltlichen Partizipation. Jan dagegen schöpft seine Möglichkeiten, inhaltlich zu partizipieren, noch wenig aus. Dieser Umstand ist nicht schlimm, da Jan noch genügend Zeit hat, umfassender inhaltlich zu partizipieren, um somit mehr Verantwortung für sein Lernen zu übernehmen. Dies zeigt allerdings, dass eine Schule Möglichkeiten schaffen muss, mit dieser Heterogenität im Umgang mit der inhaltlichen Partizipation der Kinder umzugehen. Die Grundschule Harmonie bietet diese Möglichkeiten, indem sie den Kindern genügend Raum und Zeit einräumt, um die Gestaltung des eignen Lernens in eigene Hände zu nehmen. Die altersübergreifenden Jahrgänge in dieser Schule unterstützen dieses zusätzlich. Zum einen gehen jene Kinder, die mehr Zeit für ihre Lernentwicklung benötigen, nicht verloren und zum anderen können sie sich an anderen Kindern orientieren, die in Bezug auf die inhaltliche Partizipation weiterentwickelt sind. An dieser Stelle ist Julia zu nennen, die ein positives Beispiel für gelingende und umfassende inhaltliche Partizipation ist. Die Beobachtung von Kevin zeigt allerdings auch, dass inhaltliche Partizipation nicht immer optimal greifen kann. Obwohl Kevin sich inhaltlich partizipieren kann, stößt er immer wieder an seine Grenzen, indem er die sich gestellten Aufgaben oft nicht alleine zu lösen vermag. Dies wirkt sich zum Teil negativ auf seine Lernmotivation aus.
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Eine weitere Form der inhaltlichen Partizipation, die wir bei den Kindern dieser Schule feststellen konnten, ist die Beschäftigung mit den eigenen Bedürfnissen. Die Bedürfniswahrnehmung und das Handeln danach werden an dieser Schule gefordert. In jeder neuen Arbeitsphase haben wir beobachtet, wie die Kinder selber über die Gestaltung ihrer Lernphasen entscheiden mussten. Somit steht eine Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen bezüglich des Lernens im Mittelpunkt des kindlichen Handelns. So kommt es, ausgehend von unseren Beobachtungen, auch immer wieder dazu, dass die Kinder aufgrund einer situationsbezogenen Bedürfnisveränderung ihren ursprünglichen Lernplan umwerfen und neu organisieren. Das kann auch ein Verlassen der Kinderuniversität sein. Den Kindern wird eine Verantwortung für den persönlichen Lernweg zugesprochen, indem sie die Lerninhalte sowie Lernorte selbst bestimmen und gestalten können. Somit handeln sie aus einer intrinsischen Motivation heraus, was den Erfolg dieser Lerninhalte sichert. Diese Demokratisierung von Lernen an dieser Schule unterscheidet sich von vielen anderen gegenwärtigen Schulen, in denen den Kindern die Lerninhalte vorgegeben werden. Diese Auswertung der teilnehmenden Beobachtung zeigt insgesamt, dass in der Grundschule Harmonie eine tatsächliche Umsetzung des Schulkonzepts stattfindet.
Die Forschungsergebnisse bezogen auf die inhaltliche Partizipation der Kinder an dieser Schule zeigen in hohem Maße Parallelen zur Freinet-Pädagogik. Célestin Freinet stellte ebenfalls die Selbstverantwortung für das eigene Lernen des Kindes in den Mittelpunkt seiner Arbeit. So sieht Freinet eine Bedeutsamkeit darin, dass die Kinder selbst über ihre Lerninhalte entscheiden und diesbezüglich ihre Zeit frei einteilen (siehe 2.1.2.3.). Darüber hinaus haben die Kinder bei Freinet sowie in der Grundschule Harmonie die Möglichkeit, den Ort ihrer Arbeit frei zu wählen. Außerdem besteht die Möglichkeit, in Einzel- oder Gruppenarbeit zu arbeiten. Dabei verfolgen sowohl Freinet als auch die Grundschule Harmonie das übergeordnete Ziel einer Arbeit der Kinder aus intrinsischer Motivation heraus. Dieser Begriff wurde zwar erst in der gegenwärtigen Gesellschaft geprägt, dennoch trifft die Bedeutung dieses Begriffs auch auf die Intension Freinets zu. Dies macht erneut die Aktualität der Freinet-Pädagogik sichtbar.
Durch die Demokratisierung von Lernen können die Kinder einer Freinet-Klasse, aber auch in der Grundschule Harmonie, tatsächlich bezogen auf ihre Lerninhalte partizipieren. Diese inhaltliche Partizipation betrifft nicht einzelne Stunden in der Woche und ist somit nur punktuell aufgegriffen, vielmehr ist diese in einer Ganzheitlichkeit zu sehen (siehe
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2.1.3). Sowohl die Freinet-Pädagogik als auch das Leitbild der Grundschule Harmonie stellen das Individuum in den Mittelpunkt ihres Verständnisses.
Durch die eben aufgezeigten Parallelen zwischen der Freinet-Pädagogik und der Grundschule Harmonie hinsichtlich der inhaltlichen Partizipation lässt sich das gleiche Demokratieverständnis erkennen.
In einem zweiten Teil der Auswertung der teilnehmenden Beobachtung möchten wir nun die Demokratisierung der sozialen Bedingungen in Anlehnung an Célestin Freinet in den Blick nehmen. Hierbei soll nicht das eigene Lernen der Kinder im Vordergrund stehen sondern vielmehr die Partizipation der Kinder an der Gestaltung des gesamten Schullebens. Die Auswertung basiert auf den in der Datenerhebung der teilnehmenden Beobachtung bereits vorgestellten Items. Im Mittelpunkt der folgenden Auswertung unserer Untersuchung hinsichtlich der sozialen Bedingungen stehen demokratische Instrumente in der Grundschule Harmonie, an denen deutlich wird, ob die Kinder die Möglichkeit bekommen, am Schulleben zu partizipieren.
Im Laufe der Hospitationswoche sind wir in Bezug auf die Demokratisierung der sozialen Bedingungen auf vier wesentliche demokratische Instrumente gestoßen, die sich auch schon durch die Dokumentenanalyse und zum Teil auch durch das Interview herauskristallisierten: der Klassenrat, das Kinderparlament, die Schulversammlung und die Druckerei (siehe 2.2.2.1 und 2.2.2.2). Die Aufgabe der Auswertung dieser Methode ist es zu überprüfen, inwieweit die Kinder tatsächlich durch diese demokratischen Instrumente am Schulleben partizipieren können. An dieser Stelle ist zu betonen, dass wir uns im Folgenden ausschließlich exemplarisch auf das Kinderparlament beziehen werden. Dies begründet sich aus vielerlei Hinsicht: Das demokratische Instrument der Schulversammlung konnten wir im Rahmen unserer Hospitationswoche nicht beobachten, weil dieses nur alle zwei Wochen stattfindet. Deshalb ist es auch nicht Gegenstand unserer Auswertung. Die explizite Auswertung des Klassenrats wäre in diesem Teil der Analyse vermutlich naheliegend gewesen. Dennoch haben wir uns ebenfalls dagegen entschieden, da im demokratischen Instrument des Kinderparlaments die Beantwortung unserer Items deutlicher im Vordergrund steht. Dies gilt auch für die Druckerei. Bezüglich des Klassenrats ist weiterhin zu betonen, dass ein Vergleich durch diesen, wie er in der Grundschule Harmonie praktiziert wird, zu der Freinet-Pädagogik nicht in diesem Maße gegeben ist, wie es unserer Meinung nach im Kinderparlament verdeutlicht werden kann. Mit Hilfe des Kinderparlaments lassen sich zahlreiche Grundgedanken Freinets in der
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Grundschule Harmonie wiederfinden. Gleichzeitig kann durch dieses demokratische Instrument erneut hervorgehoben werden, dass die Grundschule Harmonie die Freinet-Pädagogik nicht eins zu eins übernimmt, sondern die für sich relevanten Elemente heranzieht und etwas Eigenes daraus macht.
Die Auswertung eines von uns beobachteten Kinderparlaments erfolgt in einem nächsten Schritt in Anlehnung an die Freinet-Pädagogik.
Ausgehend von unserem Beobachtungsprotokoll sowie der Transkription9 des Kinderparlaments, das am dritten Tag unserer Hospitationswoche stattfand, konnten wir feststellen, dass das Kinderparlament ein demokratisches Instrument darstellt, durch das die Kinder am Schulleben partizipieren können. Darüber hinaus konnten wir zahlreiche Parallelen zur Freinet-Pädagogik erkennen. Diese Beobachtungsergebnisse möchten wir im Folgenden an einigen Beispielen festmachen.
Zunächst möchten wir die formalen Rahmenbedingungen in den Blick unserer Analyse nehmen. Die Sitzung des Kinderparlaments zeichnete sich dadurch aus, dass sie durch ein Kind geleitet wurde. Auch in der Freinet-Pädagogik sind es die Kinder, die die Leitung demokratischer Instrumente, wie beispielsweise durch den Präsidenten/die Präsidentin eines Klassenrats, übernehmen (siehe 2.1.2.4). Eine weitere Parallele lässt sich in Bezug auf das Protokollieren erkennen. Während dieses bei Freinet Aufgabe der Kinder ist, konnten wir in diesem Kinderparlament beobachten, dass der Kids-Manager Walter Hövel diese Aufgabe übernahm. Ob diese Handhabung die Regel ist, können wir aus unserer einmaligen Beobachtung nicht schließen. Der Begriff und der Einsatz des Kids-Managers stammen unabhängig von Célestin Freinet aus der Grundschule Harmonie. Eine weitere Formalie bestand in der Überprüfung der Anwesenden. Durch die Bedeutsamkeit des Einzelnen wird ein demokratisches Bewusstsein sichtbar.
Durch die teilnehmende Beobachtung stellten wir eine dem Schulkonzept getreue Realisierung des Kinderparlaments fest (siehe für den folgenden Verlauf 2.2.2.2). Der Ablauf gestaltete sich so, dass zuerst danach gefragt wurde, ob jemand etwas Wichtiges zu sagen hätte (vgl. Kinderparlament 2010, Z. 34). In diesem Zusammenhang möchten wir drei Beispiele vorbringen:
Beispiel 1: „Äh, ich sollte von meiner Klasse, ähm, ausrichten, dass wir zu viel, äh, also Sachen in der Schule haben, sodass wir gar nicht mehr zu unserer
9 Siehe Anlage 7
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eigenen Arbeit kommen“ (Kinderparlament 2010, Z. 75–76). (…) „Ähm, also ich finde es auch zu viel, weil wir kommen gar nicht mehr zur Bildervorstellung, weil immer irgendetwas ist: Rechtsschreibung oder VERA //“ (Kinderparlament 2010, Z. 144–145).
Beispiel 2: „Die Phönixe kriegen oft (…), äh, weniger Essen als die Anderen“
(Kinderparlament 2010, Z. 171).
Beispiel 3: „(…) Wir haben ja, ähm, drei Tage lang den „Verbotenen Wald“ aufgeräumt, ne. Und der ist jetzt schon wieder total verwüstet. Und ich weiß nicht, ob ich das jetzt auf der Schulversammlung sagen soll, dass wir das alle nicht ganz so in Ordnung finden (…)“ (Kinderparlament 2010, Z. 35–37).
Diese drei Beispiele machen zum einen deutlich, dass verschiedene Anliegen im Kinderparlament zum Ausdruck gebracht wurden. Zum anderen kann eine Verantwortung auf drei unterschiedlichen Ebenen festgestellt werden. Durch das erste Beispiel wollen wir zum Ausdruck bringen, dass die eigenen Bedürfnisse im Kinderparlament vertreten werden. Beim zitierten Kind handelt es sich um Julia, die wir schon in Bezug auf die Untersuchung der inhaltlichen Partizipation in den Mittelpunkt gestellt haben. In diesem Zusammenhang hatte sie in einem Morgenkreis erwähnt, dass sie ihre eigenen Bilder seit längerem schon präsentieren wollte, bislang aber noch kein geeigneter Zeitpunkt gefunden wurde. Wie an dem Zitat deutlich wird, äußerte sie ihr unbefriedigtes Bedürfnis, das auf Zeitmangel bei der individuellen Freiarbeit zurückzuführen war.
Mit dem zweiten Beispiel verlassen wir nun die Ebene des Individuums und fokussieren die nächste Stufe, einer Verantwortungsübernahme bezogen auf die eigene Klasse. Unsere Beobachtungen des Kinderparlaments, wie das zweite Beispiel belegt, machten eine Verantwortung auf dieser Ebene der Klassengemeinschaft transparent. Das zitierte Kind verbalisierte das Anliegen der Klasse, zu wenig Essen zu bekommen, und fungierte somit als Vertreter der Interessen seiner Klasse.
Die dritte angesprochene Ebene der Verantwortung betrifft die der ganzen Schule. Auch auf dieser Ebene wird im Kinderparlament diskutiert und analysiert, wie das dritte zitierte Beispiel zeigt. Ein verschmutzter Schulhof betrifft alle Kinder, sodass gemeinsame Lösungen gefunden werden müssen. Die Verantwortungsübernahme des eigenen Lernens
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beinhaltet gleichzeitig auch den Erhalt der äußeren Rahmenbedingungen, die ein erfolgreiches Lernen erst ermöglichen. Somit wird sich, wie in unserer theoretischen Grundlegung des Kinderparlaments durch die Grundschule Harmonie beschrieben, „(…) über Belange des Schullebens [ausgetauscht] und nach Veränderungen des Zusammenlebens [gesucht]“ (K. G. H. 2007, S. 35) (siehe 2.2.2.2).
Insgesamt ist basierend auf den drei genannten Ebenen erkennbar, dass die Kinder auf allen drei Ebenen partizipieren und somit an der Gestaltung des Schullebens intensiv mitwirken können. Dennoch ist zu betonen, dass hauptsächlich die dritte Ebene im Kinderparlament eine Relevanz besitzt, da das demokratische Instrument dahingehend ausgelegt ist, dass Beschlüsse bezüglich der Gemeinschaft gefällt werden. Dies impliziert gleichzeitig aber auch, dass eigene Interessen sowie die der Klassen dahinter stehen. Das Kinderparlament ist daher eine Stufe, die auf den Klassenrat aufbaut. Auch die Freinet-Pädagogik sieht die Bedeutsamkeit einer Verantwortung der Kinder für sich selbst und die Gemeinschaft. Dabei ist besonders die Kooperation und gegenseitige Verantwortlichkeit in Bezug auf den Klassenrat zu sehen (siehe 2.1.2.4).
Bei der Betrachtung des gegenseitigen Umgangs während des Kinderparlaments ist uns aufgefallen, dass die Kinder die Rahmenbedingungen der Demokratie eingehalten haben. Dies äußerte sich darin, dass jeder seine Meinung frei äußern konnte, ohne dass andere MitschülerInnen ins Wort fielen oder abfällige Worte über Äußerungen anderer aufkamen. So wurde jedes Meinungsbild bzw. jeder Kommentar akzeptiert und ernst genommen. Des Weiteren beobachteten wir, dass die Leiterin in ihrer Funktion respektiert wurde. Die Vorgehensweise im Kinderparlament zeichnete sich durch ein kommunikatives Miteinander aus. Die Auseinandersetzung mit den im Kinderparlament beschriebenen Problemen erfolgte nach einer bestimmten Struktur. Ausgehend vom exemplarischen Beispiel „zu wenig zu essen“ (vgl. Kinderparlament 2010, Z. 171–378) möchten wir einen solchen Ablauf im Folgenden darlegen: Zunächst wurde das Problem angesprochen. Anschließend folgte eine Darlegung des Problems, indem berichtet wurde, dass es zwei Essenswagen gäbe, die mehrere Klassen mit Essen versorgen müssen. So käme es dazu, dass beispielsweise die Phönixklasse als letztes ihr Essen bekäme und somit teilweise nur noch wenig Essen vorhanden sei (vgl. Kinderparlament 2010, Z. 175–196). Im nächsten Schritt diskutierten die Kinder über dieses Problem und suchten gemeinsam nach geeigneten Lösungsvorschlägen. In Bezug auf die Findung von Lösungen stellten wir fest, dass die Kinder diesbezüglich vom Kids-Manager Walter Hövel Anstöße bekamen, die schnell in Erfolge mündeten. So waren die Kinder dazu in der Lage, unterschiedliche
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Lösungsansätze einzubringen. Zwei der Lösungsvorschläge der Kinder sollen an dieser Stelle exemplarisch genannt werden. So schlug ein Kind vor, „[dass sie] in die Küche gehen und sagen, ‚wir brauchen für den Flur mit den fünf Gruppen, also Klassen, mehr Essen als auf dem anderen Flur‘ (…)“ (Kinderparlament 2010, Z. 269–270). Ein anderes Kind führte weiter aus, dass ein weiterer Essenswagen für diesen Flur angeschafft werden könne (vgl. Kinderparlament 2010, Z. 286–287). In einem letzten Schritt kam es zur Abstimmung und somit zu einem festen Beschluss der Kinder. So entschieden sich diese unter anderem mehrheitlich dafür, dass ein weiterer Essenswagen angeschafft wird (vgl. Kinderparlament 2010, Z. 331–333).
Hinsichtlich der Demokratisierung der sozialen Bedingungen lässt sich zusammenfassend sagen, dass eine Partizipation der SchülerInnen am Schulleben der Grundschule Harmonie durch das exemplarisch genannte demokratische Instrument des Kinderparlaments stattfindet. Dies wird besonders daran deutlich, dass ein vorhandenes Problem genannt und durch einen darauf folgenden demokratischen Prozess mit dem Ergebnis eines Beschlusses behoben wird. Die Umsetzung eines demokratischen Miteinanders ist überdies ein Ergebnis unserer teilnehmenden Beobachtung und bestätigt somit die getreue Umsetzung des Schulkonzepts.
In einem abschließenden Schritt möchten wir unseren Blick wieder auf Célestin Freinet und sein Verständnis von Demokratie richten, da unser primäres Forschungsinteresse darin besteht, die Grundschule Harmonie in Bezug zur Freinet-Pädagogik zu setzen.
In diesem Zusammenhang ist die Ganzheitlichkeit eines demokratischen Verständnisses zu nennen. Sowohl Freinet als auch die Grundschule Harmonie verstehen Schule als einen Ort, an dem die Kinder partizipieren können. Diese Partizipation drückt sich in beiden Fällen vor allem darin aus, dass die Kinder Probleme ansprechen, darüber diskutieren und sie analysieren, Lösungen finden und Ideen austauschen sowie basisdemokratische Beschlüsse fassen. Sie drückt sich weiterhin darin aus, dass sie tatsächlich an der Gestaltung von Schule teilhaben können. Walter Hövel fungiert zwar als „unparteiischer Schiedsrichter“, wie die Klassenlehrer bei Freinet im Klassenrat, besitzt dennoch in der Kinderparlamentssitzung eine gleichwertige Stimme. Somit kann er durch die Kinder überstimmt werden. Hier wird eine tatsächliche Umsetzung im Sinne Freinets deutlich (siehe 2.1.2.4).
Obwohl sich das Kinderparlament nicht eins zu eins in der Freinet-Pädagogik wiederfinden lässt, ist dieses ein zentrales Beispiel dafür, wie freinetpädagogische Ansätze aufgegriffen
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und in individueller Art und Weise umgesetzt werden. Diesen Umgang mit seiner Pädagogik würde Célestin Freinet befürworten.
3.4.4 Reflexion der Forschungsmethode
Die Reflexion der Forschungsmethode „teilnehmende Beobachtung“ umfasst sowohl Aspekte der Beobachtung der vier Kinder als auch Aspekte der Erforschung der demokratischen Instrumente.
Zunächst ist hervorzuheben, dass die Erstellung von Items zur Beantwortung unseres Forschungsvorhabens unabdingbar war. Nur so konnten wir einen gezielten Blick wahren, sodass konkrete Beobachtungsergebnisse entstehen konnten.
Die damit einhergehenden, von uns festgelegten Beobachtungsintervalle bezogen wir ausschließlich auf die Beobachtung der vier Kinder. Dies erwies sich als sinnvoll, weil auf diese Weise eine stetige Konzentration in den Beobachtungsphasen vorhanden war. Trotz einer hohen Konzentration war es für uns ein Vorteil, unseren Forschungsblick in den Beobachtungsintervallen gemeinsam auf dieselben Kinder zu richten. Bei der täglichen Zusammentragung unserer Beobachtungsergebnisse haben wir festgestellt, dass beim Beobachten immer auch gleichzeitig die Subjektivität des Beobachters eine Rolle spielt. Aus diesem Grund kam es immer wieder zu einer gegenseitigen Ergänzung unserer Beobachtungen, was dazu führte, dass sich unser Horizont bezüglich der Forschungsgegenstände erweiterte. Des Weiteren führte es dazu, dass wir für die Beeinflussung der Ergebnisse durch die Subjektivität des Beobachters sensibilisiert wurden. In diesem Zusammenhang war es für die Datenauswertung ebenso wichtig, zwei subjektive Betrachtungen nebeneinander zu stellen, um somit unseren Forschungsblick zu erweitern und damit dem Forschungsgegenstand gerechter zu werden. Dies gilt sowohl für die Beobachtung der vier Kinder als auch für die Erforschung der demokratischen Instrumente in der Grundschule Harmonie. Ebenfalls positiv für die Datenerhebung und somit gleichzeitig auch für die Auswertung war die Tatsache, dass die Kinder in der Grundschule Harmonie es gewöhnt sind, im Blickpunkt einer teilnehmenden Beobachtung zu sein. Daher fühlten sie sich von uns nicht gestört, wodurch ein authentisches Handeln und Verhalten der Kinder gewährleistet war.
Im Rahmen unserer Hospitationswoche fanden wir es bedauerlich, dass Kevin zwei Tage lang nicht von uns beobachtet werden konnte. Darüber hinaus hätten wir uns einen zweiten Tag offener Beobachtung gewünscht, dennoch war es im Nachhinein sinnvoll diesen Tag auch schon gezielte und strukturierte Daten zu erheben, um allgemeingültigere Aussagen über die Kinder treffen zu können. Zudem hätten wir das demokratische Instrument der
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Schulversammlung ebenfalls gerne kennengelernt, da dieses in einem engen Zusammenhang mit unserer Fragestellung steht. Es wäre interessant gewesen, die Parallelen diesbezüglich zu Célestin Freinet zu betrachten.
Alles in allem war die Methode der teilnehmenden Beobachtung im Vergleich zu den vorangegangenen Methoden der Dokumentenanalyse und des Experteninterviews die für uns zugänglichste. Dies begründet sich darin, dass wir beide bezüglich dieser Methode schon einige Erfahrungen aufweisen konnten. Gleichzeitig war die Methode der teilnehmenden Beobachtung für unsere Untersuchung eine der aufschlussreichsten Erhebungsmethoden, da wir mit ihrer Hilfe die Theorie in der Praxis überprüfen konnten. Somit hatte die Methode der teilnehmenden Beobachtung eine besondere Relevanz für die Beantwortung unserer Fragestellung, wie freinetpädagogische Ansätze in Bezug auf das Demokratieverständnis in der Grundschule Harmonie umgesetzt werden und wie die Kinder mit der daraus resultierenden inhaltlichen Partizipation umgehen.
Zusammenfassung
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4 ZusammenfassungZusammenfassung
In diesem Kapitel möchten wir noch einmal die wesentlichen Ergebnisse unserer Forschungsarbeit zusammenfassend darlegen. In Bezug auf das Thema unserer Arbeit „Umsetzung freinetpädagogischer Ansätze in der Grundschule Harmonie“ mit dem Schwerpunkt „Demokratie“ spezialisierten wir uns zur Untersuchung dessen auf drei von uns festgelegte Kriterien. Hierbei handelte es sich um die Demokratisierung der schulorganisatorischen sowie sozialen Bedingungen in der Grundschule Harmonie und die inhaltliche Partizipation der Kinder. Die herangezogenen Methoden dienten uns dabei zum einen zur Beantwortung der Kriterien und somit der übergeordneten Fragestellung. Zum anderen machten die Methoden einen Vergleich zur Freinet-Pädagogik möglich.
Im ersten Schritt möchten wir die Untersuchungsergebnisse der Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen zusammenfassen. Unsere Ergebnisse diesbezüglich stammen aus der Auswertung der Dokumentenanalyse sowie der teilnehmenden Beobachtung. Die Dokumentenanalyse zeigt, dass sich die Schulstruktur der Grundschule Harmonie durch offene Räume sowie freie Lernzeiten charakterisiert. Es besteht kein fester Stundenplan, der die Kinder in ihrem Lernen begrenzt. Diese Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen bestätigt sich durch die herangezogene Methode der teilnehmenden Beobachtung. Auch wurde dadurch ersichtlich, dass in der Grundschule Harmonie eine spezielle Raumgestaltung vorzufinden ist, die ein demokratisches Lernen ermöglicht. Dies spiegelt sich in Form von bereichspezifischen Arbeitsecken und Gemeinschaftstischen wider. Diese Art und Weise, den Klassenraum zu gestalten, können wir auch bei Célestin Freinet erkennen, da er Ateliers einrichtete und Möglichkeiten zum kooperativen Arbeiten schaffte. Weiterhin können wir feststellen, dass Freinet seine Schule ebenfalls in der Weise strukturiert hat, dass er Möglichkeiten des freien Lernens bezogen auf die Lernzeit sowie den Lernort schaffte. Somit zeigt sich an dieser Stelle eine Parallele zwischen der Grundschule Harmonie und der Freinet-Pädagogik. Bereits durch die Dokumentenanalyse, aber besonders durch die teilnehmende Beobachtung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, Schule zu demokratisieren. Damit einhergehend ist zu betonen, dass sie somit auch die Ausgangslage für die Demokratisierung der sozialen Bedingungen sowie die inhaltliche Partizipation darstellt. Es zeigt sich ein Verständnis von Schulorganisation, das Célestin Freinet von allen Schulen forderte und das folglich seinen Vorstellungen entspricht.
Zusammenfassung
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Zur Beantwortung der Frage nach der Demokratisierung der sozialen Bedingungen haben wir alle drei Methoden herangezogen. Die Dokumentenanalyse bringt hervor, dass die Grundschule Harmonie, ebenso wie die Freinet-Pädagogik, demokratische Instrumente eingerichtet hat. Hier sind der Klassenrat, die Schulversammlung, das Kinderparlament und die Druckerei zu nennen. Die Begriffe Klassenrat und Druckerei sind aus der Freinet-Pädagogik übernommen worden, wobei die Druckerei eins zu eins umgesetzt ist und der Klassenrat in Ansätzen abweicht, indem er beispielsweise täglich stattfindet. Die beiden anderen Begriffe Kinderparlament und Schulversammlung stammen nicht aus der Freinet-Pädagogik, dennoch spiegelt sich das Verständnis Freinets von Demokratie in diesen wider. Die Freinet-Pädagogik sowie die Grundschule Harmonie haben demokratische Instrumente installiert, um die Kinder dazu zu befähigen und aufzufordern, am Schulleben zu partizipieren. Darüber hinaus fordern sie zum einen die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen und zum anderen die Beachtung gemeinschaftlicher Interessen.
Das Experteninterview mit dem Schulleiter Walter Hövel bestätigt die herausgearbeiteten Ergebnisse der Dokumentenanalyse und geht noch darüber hinaus. Besonders durch das Aufführen praktischer Beispiele wird das demokratische Verständnis der Schule unterstrichen. Als zentrales Beispiel kann hier der Beschluss des Kinderparlaments genannt werden, bei dem die Kinder ihre eigenen Lernzeiten umgestalteten. Hier wird ersichtlich, dass den Kindern eine Entscheidungskompetenz zugesprochen wird. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass an der Grundschule Harmonie keine Scheindemokratie herrscht, sondern dass die Kinder sich auch an wichtigen schulorganisatorischen Strukturen beteiligen können. Diese gelebte Demokratie entspricht den Vorstellungen der Freinet-Pädagogik. Durch das Interview haben wir über die Dokumentenanalyse hinaus eine Einsicht in die Bedeutung und die Umsetzung der Freinet-Pädagogik in der Grundschule Harmonie bekommen. So ist hier zum Ausdruck gekommen, dass die Schule die Pädagogik Freinets nicht übernehmen möchte. Vielmehr zieht sie basierend auf eigenen Zielvorstellungen unterschiedliche pädagogische Überlegungen heran, um sie den eigenen Bedingungen anzupassen. Diese Vorgehensweise entspricht der Freinet-Pädagogik in vollem Umfang, da diese unter ähnlichen Bedingungen entstanden ist.
Durch die Methode der teilnehmenden Beobachtung kann eine Überprüfung des demokratischen Verständnisses der Schule vollzogen werden. Es hat sich gezeigt, dass Demokratie durch die Demokratisierung der sozialen Bedingungen wirklich an dieser Schule gelebt wird, was überdies das ausgeprägte Verständnis von Partizipation der Kinder am eigenen Schulleben deutlich macht. Durch die Teilnahme an der
Zusammenfassung
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Kinderparlamentssitzung konnten wir feststellen, dass die Kinder an dieser Schule in der Lage sind, demokratisch zu handeln bzw. demokratische Rahmenbedingungen einzuhalten. An dieser Stelle ist ebenso wie bei der Demokratisierung der schulorganisatorischen Bedingungen hervorzuheben, dass eine Demokratisierung der sozialen Bedingungen notwenig ist, um Schule in ihrer Gesamtheit zu demokratisieren.
Für die Untersuchung des Kriteriums der inhaltlichen Partizipation haben wir alle drei Methoden herangezogen, der teilnehmenden Beobachtung sprechen wir dabei allerdings eine besonders große Bedeutung zu.
Das Dokument des Schulkonzepts der Grundschule Harmonie zeigt bereits ein Verständnis von Lernen, das eine inhaltliche Partizipation impliziert. Das Interview mit dem Schulleiter Walter Hövel macht nochmals die Bedeutsamkeit einer inhaltlichen Partizipation der Kinder in der Grundschule Harmonie transparent. Schon seine ersten Worte zur allgemeinen Einstiegsfrage, was ihm an seiner Schule wichtig sei, zeigten sein Verständnis von Demokratie. Demokratie an der Grundschule Harmonie bedeutet für ihn die Demokratisierung von Lernen, was inhaltliche Partizipation impliziert. So sollen die Kinder ausgehend von einer intrinsischen Motivation über ihr individuelles Lernen selbst bestimmen. Die Anwendung der teilnehmenden Beobachtung hat uns erweiterte Erkenntnisse geliefert. Mit dieser Methode wollten wir zusätzlich herausfinden, inwieweit die Kinder die inhaltliche Partizipation annehmen und diese nutzen. Diesbezüglich konnten wir trotz gleicher Ausgangsbedingungen der Kinder einen unterschiedlichen Umgang mit der inhaltlichen Partizipation erkennen. Die Auswertung zeigte auf, dass die Kinder unabhängig von ihrem Alter die Möglichkeit der Partizipation ihrer Lerninhalte unterschiedlich nutzen bzw. nutzen können. Durch den täglichen Morgenkreis konnten wir feststellen, dass eine inhaltliche Partizipation tatsächlich gefordert und gefördert wird, indem jedes Kind seine eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und verbalisieren muss.
Insgesamt haben unsere Untersuchungsergebnisse der inhaltlichen Partizipation gezeigt, dass diese einen umfassenden Vergleich zur Freinet-Pädagogik möglich machen. Sowohl in der Grundschule Harmonie als auch bei Célestin Freinet steht die Selbstverantwortung für das eigene Lernen und somit für die eigene Bildung im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit. Diese Verantwortung dafür geht mit der Bewertung der eigenen Arbeit einher.
Alles in allem hat unsere empirische Forschungsarbeit ergeben, dass die Grundschule Harmonie Freinets Demokratieverständnis von Schule, das im Einstiegszitat veranschaulicht ist, in einem hohen Maße gerecht wird. Die Umsetzung ist jedoch nicht
Zusammenfassung
99
immer eins zu eins in das Schulkonzept der Grundschule Harmonie übertragen worden, sondern entspricht vielmehr den individuellen Zielvorstellungen der Schule. Dieser Umgang mit der Freinet-Pädagogik entspricht wiederum genau den Vorstellungen Freinets, der eine Anpassung seiner Pädagogik an die schuleigenen Bedingungen forderte. Somit ist die Grundschule Harmonie ein positives Beispiel dafür, wie die Freinet-Pädagogik in Deutschland ihre Relevanz finden kann.
Fazit
100
5 FazitFazit
In einem letzten Schritt unserer Arbeit möchten wir nun einen gemeinsamen Blick auf die gesamte Arbeit werfen. Bei einer rückblickenden Betrachtung unserer sechsmonatigen Arbeit haben wir einen intensiven Arbeitsprozess durchlaufen. Angefangen mit der Entwicklung einer Fragestellung über die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung unserer Hospitationswoche in der Grundschule Harmonie bis hin zum eigentlichen Schreibprozess.
Bei der Betrachtung unserer Hospitationswoche in Eitorf sind uns auch noch im Nachhinein viele faszinierende Eindrücke in Erinnerung geblieben. Das beeindruckende Schulgebäude, einschließlich des Geländes, weckte bei uns schon gleich das Interesse, hinter die Kulissen zu blicken und auch dort konnten wir schon am ersten Tag die Philosophie der Schule spüren. So fanden wir keine Kinder, die gezwungenermaßen mit Arbeitsblättern an ihren Tischen saßen. Vielmehr konnten wir beobachten, dass sich LehrerInnen und Kinder frei in der Schule bewegen und an jedem Ort dieser Schule, einschließlich des Lehrerzimmers, gemeinsam oder auch individuell lernten. Die in der Schule vorherrschende positive Lernatmosphäre wurde hier gleichermaßen deutlich. Wir empfanden die Schule von Beginn an als einen Ort des Wohlfühlens aller Beteiligten. Besonders imponiert hat uns das Vertrauen, das die LehrerInnen den Kindern entgegenbrachten. Schon am ersten Tag konnten wir feststellen, dass die Kinder die Verantwortung für ihren eigenen Lernweg übernahmen.
Eine Woche umfassender Datenerhebung durch die teilnehmende Beobachtung und das Experteninterview haben ausgereicht, um adäquate Forschungsergebnisse zur Beantwortung unserer Fragestellung zu erzielen. Dennoch war diese Zeit auch nötig, um allgemeingültigere Aussagen treffen zu können und einen realen Einblick in das alltägliche Schulleben zu bekommen.
Mit dem Blick auf die gesamte Arbeit konnten wir für uns das Fazit ziehen, dass alle drei von uns ausgewählten Methoden bedeutsam waren, um eine Antwort auf unsere Fragestellung herzuleiten. Die Zusammenfassung unserer Untersuchungsergebnisse zeigt, dass wir mit unserer Forschung unsere Fragestellung beantworten konnten.
In einem Gesamtblick auf unseren Arbeitsprozess können wir sagen, dass unsere Forschungsarbeit eine große Bereicherung für uns als angehende Lehrerinnen war. Da unser Interesse in Bezug auf Reformpädagogik, speziell auf die Freinet-Pädagogik, im Vorfeld schon groß war, war die Auseinandersetzung in der Grundschule Harmonie mit
Fazit
101
einer anderen Form von Schule eine praktische Einsicht, die uns für die zukünftige Arbeit neue Anregungen bot. Neben unserer Forschung bezogen auf die Bachelorarbeit konnten wir uns auch hinsichtlich unserer zukünftigen Lehrerpersönlichkeit weiterentwickeln. Eine völlige Übernahme dieses umfassenden Konzepts auf eine herkömmliche Schule kann aufgrund der schulorganisatorischen Bedingungen kaum umgesetzt werden. Dennoch gibt es immer Mittel und Wege, seinen Unterricht umzugestalten und zu demokratisieren, um den Kindern eine Verantwortung für ihren eigenen Lernweg zuzusprechen. Eben diese Erkenntnis hat uns dazu ermutigt, das auch in unserem späteren Lehrersein zu tun. Dazu könnten die umfassenden Arbeitsmittel und Methoden Célestin Freinets herangezogen und genutzt werden, genauso wie es von der Grundschule Harmonie gemacht wurde. Die Freinet-Pädagogik besitzt unserer Meinung nach auch noch heute eine Bedeutung für die gegenwärtigen Schulen, was unsere Auseinandersetzung damit begründet.
Trotz einer positiven Hervorhebung der Grundschule Harmonie ist auch diese Schule nicht davon befreit, sich stetig weiterzuentwickeln und an auftretenden Schwierigkeiten zu arbeiten. Zu dieser Erkenntnis kamen wir auch durch das Interview mit Walter Hövel, der betonte, dass seine Schule stetig an sich arbeiten müsse und dies auch wolle. In diesem Kontext hob der Schulleiter hervor, dass er seine Schule im Vergleich zu anderen nicht als besser ansehe.
Zum Abschluss unseres Fazits möchten wir nun einen Ausblick darüber geben, in welche Richtung unsere Forschungsarbeit bezogen auf die Grundschule Harmonie noch gehen könnte.
Eine erste Überlegung von uns wäre es, die vier ausgewählten Kinder auf ihrem weiteren schulischen Weg in der Grundschule Harmonie zu beobachten. An dieser Stelle wäre besonders die Untersuchung der Entwicklung von Abdel und Jan von Interesse, da diese beiden Kinder noch sehr jung sind. Darüber hinaus wäre es spannend zu erfahren, wie die Kinder in weiterführenden Schulen zurechtkommen. Hierbei könnte man untersuchen, in welchen Bereichen sie sich unter Umständen von anderen SchülerInnen abheben und in welchen Bereichen sie möglicherweise Schwierigkeiten aufweisen.
Einen weiteren Aspekt unseres Ausblicks könnte die Auseinandersetzung mit der Lehrerrolle darstellen. Vor allem durch die teilnehmende Beobachtung sowie durch Gespräche mit den LehrerInnen der Grundschule Harmonie sind wir auf eine veränderte Lehrerrolle gestoßen. Das in der Schule vorherrschende Verständnis von Lernen impliziert eine Lehrerrolle, die sich von den herkömmlichen Vorstellungen des Lehrerberufs abgrenzt. So liegt die Verantwortung für das Lernen der SchülerInnen nicht mehr ausschließlich bei
Fazit
102
den LehrerInnen, sondern vielmehr in den Händen der Kinder. Gleichwohl ist zu betonen, dass dadurch nicht weniger Arbeit auf die LehrerInnen zukommt, ganz im Gegenteil. Als Beispiel hierfür kann die intensive Betrachtung jedes einzelnen Individuums gesehen werden. Die Untersuchung der Lehrerrolle würde eine neue Richtung der Forschungsarbeit mit sich bringen. Da wir beide das Konzept der Grundschule Harmonie befürworten, wäre es für uns von Bedeutung, sich intensiv mit dieser veränderten Rolle zu befassen.
Dennoch ist diesbezüglich zu erwähnen, dass wir uns bewusst zunächst für die Untersuchung der Kinder entschieden haben. Das begründet sich darin, dass ein Verständnis darüber vorliegen muss, wie die Kinder in der Grundschule Harmonie lernen und wie sie mit Demokratie in der Schule umgehen. Erst nachdem diese Grundlage geschaffen ist, könnten wir die Lehrerrolle in den Blick nehmen.
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Anlagen
106
Anlage
Anlagenn
Anlage 1: Experteninterview mit dem Schulleiter Walter Hövel........................................... 107
Anlage 2: Transkription des Experteninterviews ................................................................... 108
Anlage 3: Beobachtungsprotokolle zur inhaltlichen Partizipation ......................................... 133
Anlage 4: Items zur Beobachtung der inhaltlichen Partizipation ........................................... 144
Anlage 5: Items zur Beobachtung der Demokratisierung sozialer Bedingungen .................. 144
Anlage 6: Beobachtungsprotokoll des Kinderparlaments ...................................................... 145
Anlage 7: Transkription der Kinderparlamentssitzung .......................................................... 147
Anlagen
107
Anlage 1: Experteninterview mit dem Schulleiter Walter Hövel
Anonymität sichern
Einstiegsfrage: Was ist Ihnen in ihrer Schule wichtig?
Demokratie an dieser Schule:
1. Was wird in Ihrer Schule unter Demokratie verstanden?
2. Warum ist Demokratie Ihrer Meinung nach als wichtiger Aspekt in das Schulleben der Kinder zu integrieren?
Demokratische Strukturen an dieser Schule:
3. Wo lassen sich demokratische Strukturen in Ihrer Schule finden in Bezug auf
a. Schulorganisatorische Bedingungen?
b. Inhaltlicher Partizipation der Kinder?
c. Soziale Bedingungen?
4. Welche Schlüsselqualifikationen erwerben die Kinder durch die demokratischen Strukturen an dieser Schule?
Reaktion der Kinder auf demokratische Strukturen:
5. Wie nehmen die Kinder die demokratischen Strukturen an und in wie weit werden sie genutzt?
Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung demokratischer Strukturen:
6. Gibt es Schwierigkeiten in der Umsetzung?
7. Woran möchte die Schule bezüglich darauf noch arbeiten?
Freinet:
8. Was schätzen Sie an der Pädagogik von Freinet?
9. „Den Kindern das Wort geben“
Inwieweit trifft diese Aussage von Freinet auf Ihre Schule zu?
Schlussfrage: Gibt es von Ihrer Seite noch etwas, was Sie sagen möchten?
Anlagen
108
Anlage 2: Transkription des Experteninterviews
Transkription des Interviews
mit Walter Hövel, dem Schulleiter der Grundschule Harmonie
Für die Transkription unseres Interviews mit dem Schulleiter der Grundschule Harmonie haben wir uns dazu entschlossen, das gesprochene Wort in normales Schriftdeutsch zu übertragen, da für unsere Interpretation des Experteninterviews primär die inhaltlich-thematische Ebene im Vordergrund steht. Des Weiteren haben wir die Satzbaufehler oder dialektischen Besonderheiten bereinigt und behoben (vgl. Mayring 2002, S. 91).
Die Transkription unseres Experteninterviews orientiert sich an den vorgeschlagenen Transkriptionsregeln von Bernart & Krapp (vgl. Bernart & Krapp 2005, S. 41).
Interview mit dem Schulleiter der Grundschule Harmonie
vom 29.April 2010, 07:45- 08:50 Uhr
I1 = Interviewerin (Gesa Balke)
I2 = Interviewerin (Antonia Specht)
S = Schulleiter (Walter Hövel; ihm wurde Anonymität zugesichert, aber er legte keinen Wert
darauf)
Transkriptionsregeln:
// = kurze Sprechpause
/// = längere Sprechpause
(xxx) = unverstehbarer Text
(Wort) = schlecht verständliches, gedeutetes Wort/Satzteil
Wort = gleichzeitiges Sprechen
Wort = besonders betont gesprochenes Wort
(lacht) = Nebengeräusche wie Lachen, Räuspern, Hintergrundgeräusche werden kursiv in
Klammern an der Stelle im Text wiedergegeben, an der sie beim Abhören des
Tonbandes auftreten.
Anlagen
109
Setting: Das Interview findet in dem Büro des Schulleiters statt. Neben dem Schulleiter und uns (A. Specht und G. Balke) ist ein Kind anwesend, das im Hintergrund ruhig arbeitet. Wir sitzen gemeinsam mit Herrn Hövel an seinem Schreibtisch.
I1: Start. Unsere Einstiegsfrage wäre jetzt erst einmal, was Ihnen hier in der Schule wichtig ist.
S: Ah, was mir wichtig ist, ah schön //. Ich neige natürlich dann immer erst zu unernsten Antworten.
I2: (lacht). 5
S: Ahm, mir ist total wichtig, dass wir es schaffen, die Kinder nicht zum Lernen zu zwingen, sondern dass wir so was aufbauen, was in der Wissenschaft intrinsische Motivation lautet.
I1: Hm.
S: Dass Kinder also den Eigenantrieb, den sie haben, lernen zu wollen, dass sie den 10 trotz Schule behalten. Also, ich bin mir schon im Klaren darüber, dass Schule eine Zwangsinstitution ist, auch bei uns, weil die werden nicht morgens gefragt, ob sie zur Schule gehen wollen oder nicht, die müssen.
I1: Ja.
S: Halte ich für im Grunde genommen unmöglich so was, dass man also Menschen die 15 ersten Jahre ihres Lebens über die Hälfte des Tages, fast schon den ganzen Tag, in ein Gebäude einsperrt und sagt, da müsst ihr hingehen. Halte ich für eine postindustrielle schulische Auffassung. So hat Fabrik funktioniert, daher sehen auch ganz viele Schulen wie Fabriken aus, weil es das gleiche Denken ist und menschliches Lernen darf eigentlich so überhaupt nicht ablaufen. So, und was mir also am wichtigsten ist, ist das 20 wohlwissend, dass ich in einer staatlichen Institution arbeite, aber von dort aus ein Lernen anzubieten, was die Grundideen von Lernen umsetzt. Dass es eben das eigene Lernen ist, um das es geht, und dass Erwachsene dabei eben den Kindern die Verantwortung für ihr Lernen zurückgeben, aber dass wir Erwachsene für das verantwortlich sind, was wir können. Dass wir also in einem optimalen Rahmen den 25 täglichen Versuch haben, den Kindern so viel zum Lernen anzubieten, dass es ihnen nicht langweilig wird. // Ja, soweit erst mal.
Anlagen
110
I1: Hm.
S: Da gibt es noch andere Dinge die wichtig sind, aber das ist so das Zentrale, glaube ich. 30
I1: Ähm, wir wollen das Interview im Rahmen unserer Bachelorarbeit verwenden und das Oberthema ist Demokratie und deswegen jetzt die nächste Frage: „Was wird in Ihrer Schule unter Demokratie verstanden?“
S: Also Demokratie ist bei uns nicht, wir erziehen jetzt zu Demokratie, wir bringen den Kindern bei, wie Demokratie richtig geht.// Tut es überhaupt nicht, sondern unser Ding 35 ist eher, wir leben mit dem täglichen Versuch, Demokratie zu leben. Und das heißt, wenn man an einer Schule Demokratie leben will, dann muss das mit dem Lernen anfangen. Also, es sind nicht die Äußerlichkeiten, die entscheidend sind, sondern die entscheidende Frage ist, wie kann man Lernen demokratisieren und das fängt damit an, dass wir nicht von offenem Unterricht reden, sondern wir versuchen nicht zu 40 unterrichten, sondern wir reden von offenem Lernen. Das heißt, das allererste, was wir tagtäglich versuchen zu installieren ist, dass die Kinder an die Inhalte rankommen, die sie selber interessieren und das ist der erste Demokratisierungsvorgang.
I2: Hm.
S: Also, wir versuchen mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, nicht mehr zu 45 unterrichten, sondern lernen zu initiieren und zwar so ein Lernen, dass eine Öffnung für die Kinder da ist, dass sie an ihre eigene Weltbildung, an ihre eigene Welt, also ihre direkte Umwelt, bis zu ihrer fernen Umwelt rankommen, um daran zu lernen. Und das Zweite ist und deshalb spielt auch die Freinet-Pädagogik bei uns eine Rolle, dass man dazu Techniken haben muss, Methoden haben muss. Es wird in der Schullandschaft seit 50 vielen Jahren propagiert, dass man Methoden lernt und sie sind jetzt so auf dem Weg, dass sie gerade propagieren, man muss möglichst viele Methoden lernen, um Kompetenzen zu bekommen und es wird schon umgedreht und man sagt, Kompetenzerwerb geht über Methodenlernen. Und wir halten dagegen, dass es nicht einfach um das Einbimsen von Methoden geht, sondern dass die Methoden, die man 55 benutzt, in sich demokratisch sein müssen.
I1: Aha
S: Also zum Beispiel: Ich kann Kindern beibringen, ein Mind-Mapping zu machen, Vorwissen zu klären, ähm, mit allen möglichen Techniken Texte zu erschließen, Texte zu erstellen oder aber ich sage ihnen über eine Freinet-Technik, // „Kinder, drückt bitte 60 aus, was euch beeindruckt, sucht also euren freien Ausdruck im Text“. Das heißt,
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„schreibt eure Texte selbst, schreibt freie Texte“. // Dann ist diese Technik des freien Texte Schreibens eine demokratische Technik und das demokratisiert den Alltag, weil wir nicht mehr die Leute zwingen überhaupt Texte zu schreiben oder in der und der Art Texte zu schreiben, sondern sie finden zu ihrer eigenen Schreibe. 65
I1: Hm.
S: Und dann organisieren wir das weiter durch die wöchentliche Dichterlesung, wo sie sich gegenseitig ihre Texte vorstellen, über die Texte reden und somit lernen, ihr eigenes Schreiben zu verbessern und das der Anderen auch. Also, wir kommen da in kooperativen Vorgang und das ist für mich ein Beispiel dafür, wie es Techniken oder 70 Werkzeuge aus der Freinet-Pädagogik gibt, die das Lernen selber demokratisieren. Und dann kommt zwangsläufig dazu, dass man dazu eine bestimmte Haltung haben muss, auch als Erwachsener, dass man selber also eine demokratische Einstellung haben muss. Also zum Beispiel, wenn diese Woche die Situation auftrat, ein Viertklässler geht nicht zur Rechtsschreibvorlesung, dass ich mich dann damit auseinandersetzen muss, wie ich 75 das eigentlich sehe. Und wir machen das so, dass wir dann einfach drüber reden. Und versuchen das für uns rauszubekommen. Also, dass man eine demokratische Grundhaltung selber hat, dann dass zwangsläufig in so einer Schule die Form, die äußere Organisation so geregelt werden muss, dass man ein Optimum an Beteiligung aller erreicht. Also ich spreche ausdrücklich nicht von Mitbestimmung oder ähnlichen 80 Dingen, weil Mitbestimmung ist schon gepfuscht, denn bestimmen andere und ich bestimme nur mit. Sondern wir versuchen, auf allen Ebenen uns selber, ja in Politikerdeutsch, uns so aufzustellen, dass immer wieder die, die mitmachen, sich selber Fragen können, warum sie das eigentlich machen und was sie für einen Sinn darin finden. Also dieses, ähm, oder wir versuchen demokratische Formen zu machen, nicht 85 weil es demokratische Formen sind, sondern damit sie dem, was wir tun sowohl dem Kind als den Erwachsenen Sinn gibt. Und das ist für uns so das Zentrum für Demokratieauffassung.
I1: Hm. Ja, die nächste Frage wurde jetzt eigentlich auch ein bisschen schon beantwortet, das ist einfach auch noch einmal, ähm, ja, warum das wichtig ist, das als 90 Aspekt in das Schulleben zu integrieren, diese Einstellung?
S: // Ähm, weil es sonst gepfuscht ist, es funktioniert sonst einfach nicht. Ähm, oder umgekehrt, weil wir damit angefangen haben, das demokratisch zu nennen. Das heißt, wenn man irgendwann anfängt und sagt „hey, wir wollen jetzt demokratisch sein“, dann muss sich das erarbeiten. Weil es gibt kein Modell von Schule, dass man übertragen 95
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112
kann. Also selbst wenn wir sagen „hey, Summerhill, unheimlich demokratisches Modell“, dann stimmt das, weil in Summerhill funktioniert das in sich.
I1: Hm.
S: Ähm, aber wir können das gar nicht übertragen, weil das gar nicht unsers ist, weil wir auch ganz andere Bedingungen haben. Wir haben keinen Internatsbetrieb, wo die Kinder 100 morgens entscheiden dürfen, ob sie zum Unterricht gehen oder nicht. Ähm, von daher bleibt einem nichts anderes übrig, wenn man, ähm, eine Self-fulfilling prophecy macht, also wir sind demokratisch, dann muss man das auch anschließend so umsetzen, wie das zu einem selbst passt. War das jetzt die Frage oder hab ich jetzt an der Fragestellung vorbei geantwortet, ich bin mir gerade ein bisschen unsicher? 105
I2: Ja, beziehungsweise warum das auch für die Kinder wichtig ist, dass hier auch zu erleben und zu erfahren?
S: Also der entscheidende Grund dabei ist, dass Lernerpersönlichkeit stärkt. Das heißt, wenn du möglichst oft in die Situation gebracht wirst, bei dir selber nachzuchecken, ob du das selber eigentlich willst und darauf zu achten, dass das für andere passt und dass 110 andere mit dir kooperieren können und dass du als Kind auch mitbekommst, ob die Kooperation mit den Erwachsenen, die du ja haben willst als Kind, ob die funktioniert. Dazu brauchst du demokratische Mittel. Aber das ist nicht Mehrheiten bei Abstimmungen machen oder das ist nicht, sich an irgendwelche, ähm, Regeln halten, die einmal gelten, nur weil sie einmal die Mehrheit hatten, sondern das ist eher so das 115 Umgekehrte, Regeln verändern zu können. Das ist das Ding, dass du begreifst, dass Demokratie selber eigentlich ein Lernvorgang ist. Also wir sind an einer Stelle, wo wir uns selber als Schule sehen, die sich ständig verändern muss, wir können heute nicht mehr das machen, was wir gestern gemacht haben. Wir müssen in der Morgenkonferenz jeden Tag neu planen, weil wir diesen Demokratieanspruch haben und der 120 Demokratieanspruch verlangt, dass du selber als Schule lernst. Weil, wir haben ein Stück weit Demokratie als Lernen definiert, für die Kinder und für uns auch und somit gilt das auch für die Institution. Und da bekommt Demokratie und Lernen eine, ah, wie soll ich das ausdrücken, Demokratie und Lernen werden zu einer symbiotischen Einheit.
I2: Hm. 125
S: Ja, jetzt hab ich mich wieder ein Stück von der Frage wegbewegt.
I2: (lacht).
S: Ich mach das immer. Sag mir noch einmal das Original.
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I1: Also im Original steht: Warum ist Demokratie ihrer Meinung nach als wichtiger Aspekt in das Schulleben der Kinder zu integrieren? 130
S: Jaja, ich würde dann also erst die Fragestellung auseinander nehmen. Deshalb antworte ich auch nicht, weil wir integrieren das nicht, sondern wir benutzen das.
I1: Hm.
S: Also es ist keine Integration eines feststehenden Begriffs, sondern Demokratie ist etwas, was man sich erarbeiten muss. Das muss man sich erobern. Wir leben nicht mal 135 im Feudalismus, wo der Landesherr einem Recht schenkt, äh, sondern wir haben eine Geschichte hinter uns, wo man sich Rechte erkämpfen musste. So, und wir müssen die heute nicht mehr in der Form erkämpfen, weil wir ein Grundgesetz haben, was hervorragend ist, was wirklich an den Menschenrechten orientiert ist, ähm, und somit müssen wir das umsetzen lernen. Und, die Kinder und wir lernen eigentlich, unsere 140 Rechte, die wir haben, umzusetzen, zu formulieren. Und, ich glaub das ist der entscheidende Punkt. Wir leben das gerade ganz intensiv bei der Inklusionsfrage: Wie setzten wir für unsere Schule Inklusion um? Machen wir also weiter Verfahren, wo erst der Förderbedarf geprüft werden muss bei Kindern, dass sie also erst einen Stempel kriegen, dass sie behindert wären oder förderungswürdig wären oder gehen wir einen 145 Weg, wo wir sagen „ne, alle Menschen sind behindert oder alle sind es nicht und jeder braucht seine eigenen Bedingungen“? Ähm, also versuchen wir eine Schule aufzubauen, ohne dass wir Kinder erst abstempeln und versuchen mit allen Problemen fertig zu werden, die dann da sind, auch aus einem Bewusstsein heraus, dass wenn man Probleme erkennt, dass das eigentlich schon die Lösungen sind. Man muss eben nur lernen, dass 150 Problem so zu sehen, dass es dir auch gleichzeitig die Lösung verrät.
I1: Ja.
S: Aber dahin zu kommen ist ungeheuer schwierig. Die Behörde tut gerade alles, um das zu verhindern, dass wir so an Inklusion drangehen. Man bekommt also keine Lehrer, wenn man keine AO-SF-Verfahren macht, ähm, man muss Sonderschullehrer, die an 155 den Schulen sind, als Klassenlehrer einsetzen. Sie werden nicht extra gezählt, es sei denn man macht weiterhin die Stempelchen auf die Kinder und hat ein möglicht dickes Packet an Kindern, die gefördert werden müssen und dann nur bekommt man extra Stunden. Wir führen gerade diese Auseinandersetzung mit den Behörden und es ist ungeheuer schwierig, weil in den Behörden sitzen Leute, die im Prinzip so denken wie 160 wir. Das sind die Klügeren. Das sind die pädagogisch denkenden Leute. Also meine
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Schulrätin ist so eine und die da drüber sitzt, beim Regierungspräsidenten, auch. Aber sie sind in ihr System eingebunden.
I2: Ja.
S: Das heißt, sie müssen nach bestimmten Spielregeln funktionieren und zu den 165 Spielregeln gehört, dass es eben keine Extragelder für Extrastellen gibt für so ne (xxx) Schule, die jetzt Inklusion so machen will. Sondern man muss den alten Weg gehen. Man muss also das eigene System austricksen, um an Lehrerstellen zu kommen. Also wenn ich mich jetzt zu sehr im Gespräch mit der vorgesetzten Behörde begebe, werden die mich dazu auffordern „ja, dann machen sie doch diese Verfahren, damit sie 170 wenigstens Lehrer kriegen“. Und das ist die Stelle, wo unser Demokratieverständnis im Kreis tanzt und sagt „wollen wir doch gar nicht, wir wollen doch gerade genau das Gegenteil machen. Denn wenn wir die UNO-Resolution richtig verstanden haben, ist Inklusion was anderes. Und nicht dieses verdammte System, was wir in Deutschland haben. 175
I2: Ja.
S: Oder andere europäische Länder sind an der Stelle auch nicht viel besser. //.
I2: Ok, also wir möchten gerne den Blick auf die demokratische Strukturen dieser Schule lenken und, ähm, ja daher wäre die Frage, wo lassen sich demokratische Strukturen in dieser Schule finden. Und zwar einmal in Bezug auf die 180 schulorganisatorischen Bedingungen, dann auf die inhaltliche Partizipation der Kinder und auf die sozialen Bedingungen?
S: Also demokratische Organisation, das wäre Struktur. Was war das Zweite?
S1: Genau, das Erste war schulorganisatorische Bedingungen, das Zweite war die inhaltliche Partizipation der Kinder und das Dritte sind dann die sozialen Bedingungen. 185 //.
S: Habt ihr das Ding noch laufen?
I1: Ja.
S: Dann ist ok. Weil das eben klickte.
I1: Ja. 190
S: Ja, ne dann ist ok.
I2: Wir haben zur Sicherheit zwei. (lacht).
S: Alles klar. Ähm…
I2: Genau, die demokratischen Strukturen an dieser Schule.
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S: Ja. Ich fange mal an der Stelle an, wie es mir als Schulleitung geht. Ich kann als 195 Schulleitung oder ich muss als Schulleitung immer zwei Aspekte sehen. Ich habe eine Schule zu verwalten, ich muss also Schulverwaltung machen.
I2: Hm.
S: Und, ich muss gleichzeitig Schulentwicklung machen. Jetzt gibt es ganz viele Kollegen, die versuchen, über Schulverwaltung die Schule zu entwickeln. Also, dass sie 200 versuchen, dass ihre Schule möglichst gut funktioniert, dadurch dass sie sich sauber an so Systeme halten wie, man muss diagnostizieren, evaluieren, ähm, Beschlüsse fassen, Transparenz schaffen und dann überprüfen, ob man das umgesetzt hat. Ähm, sie benutzen Vorgaben von Seiten des Staates, veränderte Lehrpläne etcetera, etcetera dazu, um Schule nach vorne zu bringen. Dieses Spiel funktioniert nur ein Stück weit. Ähm, es 205 wird immer wieder aufgehalten von den Menschen, mit denen man das machen muss, weil die Einsicht bei denen verschieden schnell oder stark da ist, warum man das tut und ob man da mitmachen will und man fühlt sich dann doch von den Vorgesetzten wieder gedrängelt, irgendetwas tun zu müssen. Und das gibt diese vielen Widerstände in Schulen, und bei Kindern übrigens ähnlich. Und wenn ich mich also exakt an meine 210 Verwaltung halte, dann würde ich Klassenarbeiten schreiben, wie andere Schulen auch. Und somit hätte ich eine ganz andere Stimmung in der Schule.
I2: Hm.
S: //. Ich (xxx) jetzt nicht gegen die Schulverwaltung, Schulverwaltung ist ziemlich wichtig, wenn das Ding nicht gut verwaltet ist, nicht gut in sich durchorganisiert ist, 215 funktioniert das nicht, von daher muss das sein. Es darf aber nicht das Hauptschiff von Schule sein, sondern die Hauptfrage muss immer sein, wie entwickelt sich Schule? Und mit wem entwickle ich das? Und die Grundstruktur für mich ist dabei, dass ich Schule mit Kindern entwickeln muss.
I2: Hm. 220
S: Also nicht gegen Lehrer, sondern natürlich mit den Lehrern und Lehrerinnen, mit den Erwachsenen, aber ich muss immer auch gleichzeitig mit den Kindern Schule entwickeln. So, und das ist genau die Stelle, von der ich eben gesprochen habe, dass das das tägliche Lernen als allererstes ist. Somit ist unsere allererste Struktur, die wir haben und damit auch in Punkt eins und zwei gleichzeitig anspricht, die Partizipation der 225 Kinder und die schulische Struktur. Das allererste ist, dass unsere Kinder jeden Morgen im Kreis sitzen und miteinander darüber reden, was sie tun.
I2: Ja.
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S: Und wir tun es übrigens genauso, das heißt, diese Frühkonferenz der Lehrer und Lehrerinnen ist im Grunde genommen das Gleiche wie der Klassenrat. Wir haben jeden 230 Morgen Klassenrat für die Schule als Erwachsener.
I2: Hm.
S: Es sitzen normalerweise übrigens Kinder dabei. Heute war keiner da, ne? Ne! Ja, heut war kein Kind da. Ähm, ///, dieses täglich drüber Bestimmen müssen, was man tut, ich nenne es auch extra müssen, weil ich denke gerade an einen Portugiesenkollegen, (xxx) 235 heißt der, der hat in einem Vortrag einmal direkt zu Anfang gesagt, „wir zügeln die Kinder frei zu sein“. //. Und ein Stück weit stimmt das, für uns auch. Wir zwingen im Grunde genommen unsere Kinder in der Zwangsanstalt Schule, jeden Morgen zu entscheiden, was sie eigentlich tun wollen. Und wenn sie das nicht tun, reagieren wir sehr sehr verschieden, wir lassen sie hängen, wir fangen an, sie zu belabern, äh, wir 240 machen denen Vorschläge, wir bringen sie wieder in den Kreis rein und fragen, „wie kann man dem helfen?“ „Wer hilft dem?“ „Wer ist bereit, mit dem zusammenzuarbeiten?“ „Wer hat eine Idee, wo das Thema ist, wo derjenige welche arbeitet?“, also es ist eine hochgradige Einbindung, aber es ist gleichzeitig unsere Struktur oder unser Strukturkern. Unser Strukturkern ist, eine Demokratisierung dieser 245 Schule funktioniert immer in dem Maße, wie es uns gelingt, dass möglichst viele Kinder wissen, was sie da eigentlich tun, wenn sie lernen und somit auch lernen.
I2: Hm.
S: Und genau an der Stelle können wir jeden Tag ablesen, wie gut wir gerade drauf sind und wie demokratisch wir gerade sind. Und es gibt Tage bei uns, wo das runter geht, wo 250 du also auch spürst, dass die Stimmung aggressiver wird oder schlechter wird. Dann lernen wir schlechter. So, dann sind die nächsten Organisationsformen bei uns, die da sind, dieses ständige Präsentieren von dem, was wir tun, dass die Kinder sich gegenseitig zeigen, was sie machen, immer weiter dann auch im Kreis im Klassenrat drüber reden, „wie die Arbeit eigentlich funktioniert?“ „Warum man hier auch 255 ausgeschlossen werden kann?“ „Warum man nicht richtig an bestimmte Informationen dran kommt? “Warum es, ähm, ob man mehr als eine beste Freundin haben darf beim Arbeiten?“ Äh, bis rüber wieder zu der Frage „ob ich mich in der Grundschule mit der Frage auseinandersetzen darf, was mit Blut geschieht, wenn ein Mensch stirbt?“ Ne, wie das diese Woche die Frage der Woche war. 260
I1: Hm.
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S: Also, //, wie weit demokratische Grundorganisation die Frage beinhaltet, was ist lernen? Also nicht, wie wird gelernt, sondern was ist lernen? Immer wieder die Frage „was ist lernen, was ist lernen?“, die jedes Kind sich stellt, jeder Erwachsene stellt. Ähm, //, das Ganze // mündet dann darin, dass jede Klasse für sich immer wieder eine 265 eigene Struktur beschließt. Die Klassen sehen sich unheimlich ähnlich. Die sitzen alle in dem Kreis morgens, die machen alle Dichterlesung, die haben mehr oder weniger alles so was wie Mathezeiten oder die Mathematik irgendwie organisiert, ähm, sie machen fast alle so was wie Wochenabschlusskreis, sie machen immer wieder die Selbsteinschätzungen und diese Dinge sind alle nie beschlossen worden. Wir sind also 270 als Schule nie hingegangen und haben ein pädagogisches Konzept beschlossen. Wir haben also nie gesagt, „wir sind jetzt ne Montessori-Schule oder wir werden jetzt eine Freinetschule oder wir schreiben jetzt erstmal ein riesen großes Konzept, nach dem wir arbeiten. Sondern das sind alles Dinge, die nach und nach übernommen worden sind aus einer Einstellung heraus. Eben aus der Einstellung heraus, dass wir den Unterricht 275 abschaffen wollen und die Kinder lernen dürfen. Was brauchst du dazu? Immer wieder diese Frage gestellt. Und dann entstehen Strukturen in den Klassen, die sich ähnlich sind, weil auch die Klassen voneinander lernen. Aber im Endeffekt entscheidet jede Klasse jeden Tag selbst, wie sie sich strukturiert, wie sie sich organisiert. Und da treten auch Probleme auf, zum Beispiel eine unserer Klassen, das war gestern im 280 Kinderparlament, ich hab also die Lösung herausbekommen von der Frage, warum die Blumen das Gefühl haben, dass das Verhältnis von Angebot und Selbstarbeit nicht stimmt.
I2: Ja, wir waren auch in der Klasse.
S: Der Grund war ganz ganz einfach! Die Lehrerin wusste ihn sofort, sie wusste ihn 285 sofort. Und zwar weil sie Musik- und Sportunterricht als Unterricht eingebaut haben, in ihren Stundenplan. Und das klaut ihnen so viele Stunden von der Arbeitszeit der Kinder, dass sie das Gefühl haben, sie haben zu wenig Zeit. Das heißt also die müssen jetzt genau dieses Problem selber wieder lösen, wie sie damit umgehen. Andererseits sind die Blumen diese festen Musikzeiten, die die haben, ein Goldstück in dieser Klasse, weil 290 keine Klasse macht so viel Musik, wie die Blumen. Also wir werden richtig gut überlegen müssen, wie sie diese Strukturfrage für sich klären. //. Das nächste ist, dass es natürlich die Schulversammlungen sind und da verbinden wir dann auch die Schulversammlung wieder mit dem Lernen. Unsere Schulversammlungen sind nicht einfach, ähm, Versammlungen, wo über Regeln, äh, Alltagsleben oder sonst etwas 295
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beschlossen wird, sondern unsere Schulversammlungen sind erst immer Präsentationen unserer Arbeit. Die Kinder zeigen immer zuerst, was in der Schule passiert und wenn es dann etwas zu regeln gibt, ist das genauso ein Tagesordnungspunkt, wie die Matheaufgabe, die davor gestellt wird oder der Tanz oder das Theaterstück. Gehört also genau in den gleichen Vorgang rein, machen wir mindestens alle 14 Tage und 300 zwischendurch machen wir Teilversammlungen. Also immer, wenn es irgendwo in einem Detailbereich ein Problem gibt, werden genau die Kinder eingeladen oder es muss gar kein Problem geben. Wenn es etwas zu besprechen gibt, werden Versammlungen einberufen. Also, so machen wir regelmäßig mindestens alle halbe Jahre eine Englischversammlung, die eigentlich eine Vollversammlung ist, aber wird 305 dort nur über Englisch gesprochen. „Wie ist Englisch abgelaufen?“ „Wo habt ihr gut gelernt und warum war das so?“ Also wir evaluieren richtig unseren eigenen Englischunterricht in einer großen Versammlung. Wenn es Probleme bei der Busfahrt gib, versammeln sich die Buskinder. Wenn es Probleme auf der Jungentoilette gibt, gibt es eine Jungenversammlung. Äh, wenn es bei den Fußballern ein Problem gibt, gibt es 310 die Fußballerversammlung. Wenn die Erstklässler sechs, sieben Wochen in der Schule sind und die sind ja alle aufgeteilt auf Klassen, gibt es eine Versammlung der Erstklässler, damit sie mal gemeinsam, ohne die anderen, artikulieren können, wie es ihnen geht und ob sie auch Forderungen an die anderen haben. Und so lassen wir uns ständig Teilversammlungen einfallen. Oder heute Morgen zum Beispiel haben die 315 Genies und die Fledermäuse, die beiden Klassen, sich verabredet, dass sie einen gemeinsamen Kreis machen, weil sie irgendwas gemeinsam aushecken wollen, ob sie gemeinsam Themen machen wollen oder, äh, ob es um irgendwas anderes geht, weiß ich nicht. Aber dann treffen sich auch zwei Klassen, weil sie etwas miteinander zu tun haben. Also diese Selbstverständlichkeit des sich Treffens, des sich treffen können und 320 zu wissen, da fällt kein Unterricht aus oder so etwas, sondern das ist das Lernen. Genau das ist das Entscheidende, was mir nachher möglich macht, viel viel optimaler für mich selbst zu lernen.
I2: Ja.
S: Ähm, Kinderparlament, dann auch eine Konsequenz daraus. Kinderparlament ist eben 325 auch keine SV, ist keine Schülervertretung, die gegen jemanden anders die Interessen der Schüler vertritt, sondern, äh, das Kinderparlament ist beschlussfassendes Gremium der Schule. Was die beschließen, gilt! Und wenn die etwas Anderes beschließen als die Lehrerinnenkonferenz oder die Elternpflegschaft, dann muss das ausgetragen werden.
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Dann haben wir verschiedene Beschlüsse. Kommt aber so gut wie nicht vor. Ähm, 330 warum weiß ich nicht. Es passiert einfach nicht. Und selbst wenn es passieren würde, wäre es vollkommen ok. Also, es gibt zwei Beschlüsse, die für mich symptomatisch sind für Kinderparlamentsarbeit. Das Eine war, vor vielen Jahren ist das geschehen, und ist kürzlich wiederholt worden. Es war auf den Gängen zu laut geworden.
I1: Das Rückwärtsgehen. 335
S: Das Rückwärtsgehen, ne. Also, der Viktor Franke hätte das eine paradoxe Intervention genannt, ähm, also man macht etwas, was eigentlich unsinnig ist, aber sehr wohl mit dem Vorgang zu tun hat. So, und sie gehen rückwärts und haben wieder vollkommen klar, wie sie sich auf dem Gang bewegen.
I2: (lacht). 340
S: Es funktioniert einfach. Und der zweite Beschluss, der ist etwa zwei Jahre her, anderthalb Jahre her, den ich nur beeindruckend fand, war, dass sie auf einer, ähm, Kinderparlamentssitzung gesagt haben „wir wollen länger Pause und länger Schule haben“. Und wir haben das umsetzen können. Wir haben dann die Schulzeiten so verändert, dass es am Vormittag nur noch eine große Pause gibt und dass Schule länger 345 dauert, für alle. //. Und, für mich ebenso beeindruckend, weil du mitbekommst, dass Kinder wirklich über sich selbst nachdenken. Sie kapieren, dass sie selber das machen. So und ihr habt ja gestern auch eine Kinderparlamentssitzung erlebt, wo das eigentlich sehr sehr deutlich war, dass die //, dass man Kinder nicht unterschätzen darf.
I2: Ja. 350
S: Es ist das Gefährlichste, was du tun kannst. Sie analysieren im Grunde genommen die Situation viel schneller als Erwachsene es tun. Sie wissen genau, um was es geht. Und, was sie lernen müssen, sind Lösungen zu finden. Aber ich wette, das, was ihr gestern gesehen habt, in vier Wochen ist das absolut selbstverständlich, dann machen die Lösungen ohne Ende, dann dann müssen wir schon wieder drüber nachdenken, ob man 355 so schnell und so viele Lösungen produzieren darf, wie Kinder es tun werden.
I2: (lacht). Ja.
S: Also auch dieses Kinderparlament ist eigentlich wie die Lehrerinnenkonferenz, äh, ein Lernorgan. Also das Entscheidende ist da auch wieder, wir sitzen da zusammen, um über Schule zu lernen, um unsere Schule so zu bauen, so zu stricken, wie wir sie haben 360 wollen oder wie wir sie brauchen können. Ne, da geht also noch nicht einmal oder es geht eben ausdrücklich nicht darum, so einem Idealgebäude zu folgen, wir wollen jetzt, äh, als Schule so und so werden, sondern die Veränderungen, die ständig beschlossen
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werden, ausprobiert werden, gemacht werden, dienen alle dazu, dieses Lernen zu demokratisieren. 365
I1 / I2: Hm.
S: Also eine Umgebung zu schaffen, in der ich optimal lernen kann. Es geht immer um diese Frage. Und das macht das Ding dann demokratisch. Unsere Eltern müssen ähnlich damit umgehen. Ne, die lernen also auch über die Jahre in ihren Gremien aus der Ecke herauszukommen, dass sie die Forderer an Schule sind und wie das in vielen Schulen so 370 gehandhabt wird, dass Eltern von Schule fordern, dass Schule bitte schön oder gefälligst oder vielleicht, äh, das so und so machen könnte und damit ihre Kinder möglichst gute Abschlüsse bekommen und unsere Eltern haben über die vielen Jahre gelernt, über Schule so nachzudenken, dass sie besser funktioniert.
I2: Hm. 375
S: Und dass das auch ihr Job ist. Und das kriegt man auch mit, wenn man sieht, dass die Eltern sich hier durch bewegen. Sie sind also nicht die Kontrolleure oder die Forderer an Schule, sondern sie wissen, dass sie Teil der Schule sind.
I1: Hm. Ja, das spürt man auch, finde ich.
S: Soziale Bedingungen, ///, puh, ich weiß nicht, ob es uns gelingt, die Sozialstruktur der 380 Gesellschaft, die die Gesellschaft selbst vermasselt, zu verbessern. //. Ich weiß nur, dass wir immer auch Probleme an den Stellen haben, wo Gesellschaft gerade Probleme hat, das heißt Sprachlernen von so genannten Migrantenkindern ist natürlich auch unser Problem. Und immer da, wo sich in Gesellschaft was bewegt, können wir uns mit bewegen. Also zum Beispiel kriegen wir mit, dass es zurzeit so ist, dass türkische Jungs 385 sich unheimlich schwer tun, in Bildungsgesellschaft einzusteigen, in Schule als lernende Schüler aufzutreten, dass aber türkische Mädchen zunehmend begreifen, dass sie sich bilden wollen und selber aktiv werden im Sprachlernen, in allen anderen Bereichen und wir greifen das auf. Also wir können das dann verstärken, wir sorgen dann eben dafür, dass wir eine ehemalige Mutter von uns hier haben, die türkischen Unterricht macht, wir 390 haben eine ehemalige Lehrerin, die pensioniert ist, die mit den türkischen Mädchen Deutsch lernt und zwar hervorragend, ganz ganz klassisch, altmodisch, aber die Kids lernen wie die Teufel da drin und sind stolz drauf dann, Steigerungen bei Adjektiven zu finden, äh, weil die das gerade beigebracht bekommen haben und lernen, also, lernen so Deutsch, wie mein alter Gymnasiallehrer sich das immer gewünscht hat., dass gelernt 395 würde. Also dann auch mit Methoden, ähm, die wir möglicherweise anders machen in Grundschule, viel handlungsorientierter, viel, äh, ganzheitlicher, zusammenhängender,
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aber denen macht das nichts. Die wollen dann Deutsch lernen und die wimsen sich das rein und machen es wirklich. Aber die türkischen Jungs nicht so.
I2: Hm. 400
S: Die türkischen Jungs sind an der Stelle, dass sie Autoritätsprobleme haben. Und sich jede Sekunde damit auseinandersetzen müssen, wie sie sich gerade benehmen wollen. Äh, und das schaffen wir nicht für Gesellschaft aus dem Weg, sondern, mhm, wir wissen, dass wir uns damit zu beschäftigen haben, aber wir können nicht die Probleme der türkischen Familien lösen, wie wir auch nicht die Probleme von deutschen Familien 405 oder von der Familie Schmidts oder Müller lösen können, sondern wir können immer nur überlegen, was wir in unserer Schule anbieten, an Lernprogrammen. Das heißt, alles, was sich in Lernprogrammen, in Lernangebot, in Lernumgang umsetzen lässt, das können wir machen, aber wir sind uns darüber im Klaren, dass wir weder Therapeuten sind, noch Sozialarbeiter, noch Psychologen, noch irgendetwas. Sondern unser Ding ist 410 immer, // uns ist egal, mit welcher sozialen Herkunft die Kinder hier hinkommen, in soweit, dass wir sie deshalb nicht diskriminieren und auch nicht laissez-faire diskriminieren, also versehentlich diskriminieren, sondern wir analysieren schon die Situation (Interview wird unterbrochen (36:25))…
Ah, da hab ich mich gerade so verstrickt, weil das so schwierig zu beschreiben ist. 415 Mhm, was war der letzte Satzteil. Ich weiß noch, dass ich soweit war, dass ich drüber nachgedacht habe, dass wir keine Therapeuten, Sozialarbeiter etcetera sind und danach das, das ist mir abhanden gekommen, durch Andrea10 gerade. //. Sonst streichen wir das einfach. Oder war es spannend, ich weiß es nicht.
I1 / I2: (lachen). 420
S: (lacht). Mit diesem Diskriminieren, ne? Ich hab mich da so verstrickt. Ähm, also egal ist, ähm, // ein reinischer Begriff in dem Moment. (xxx) ist egal etwas Anderes, nicht egal, lasse mal, kümmern wir uns nicht drum, sondern egal eher im wörtlichen französischen Sinne, äh…
I1: Es spielt keine Rolle. 425
S: Äh, es ist eine Gleichheit. Ähm, mit den anderen Problemen. Es ist eher, dass égalité.
I1: Hm.
S: Ähm, es ist uns total wichtig, das zu kapieren, was soziale Herkunft mit dem Lernen zu tun hat, aber wir wissen, dass wir die Probleme der Gesellschaft nicht lösen, wenn die Gesellschaft sie nicht löst. Das heißt, wir sind keine 430
10 Der Name wurde auf Grund der Anonymität geändert.
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Gesellschaftsverbesserungsanstalt. Wir bilden ja auch keine Revolutionäre aus oder oder Jungmanager oder oder Jupis oder sonst irgendetwas, sondern wir sind nur für das verantwortlich, was wir in den vier Jahren Grundschule mit den Kindern tun und sind nur dafür verantwortlich, dass sie optimal lernen. Für alles andere, das können wir sehen, damit können wir uns beschäftigen, aber, äh, das ist es nicht, sondern unser Teil 435 ist das mit dem Lernen. Und gestern war VERA-Arbeit „Lesen“, so, wenn ich mir die Ergebnisse angucke, ja, es ist hoch lächerlich, diesen Test hätte ich nicht machen müssen. Das weiß ich, was ich da gesehen habe. Unsere Mittelschichtenkinder machen keinen einzigen Fehler, sie kapieren jedes Wort, das in dem Text steht. Dann kommen zwei Kinder in der Gruppe, die ich hatte, von denen wir wissen, dass sie mit 440 Wahrnehmungsproblemen zu tun haben. So, genau das kam raus, aber genau die kennen wir auch. Dann kamen die beiden Kinder, wo wir wissen, dass sie aus der Unterschicht sind. Die hatten ihre Probleme. Nicht, dass sie nicht beobachten können, aber dass sie sich unheimlich schwer tun, ihre Beobachtungsfähigkeiten, die sie haben, auf selbst gelesenen Texte zu übertragen. So, und dass wir daran arbeiten müssen und daran 445 arbeiten, weiß ich doch. Dazu brauch ich
so einen verdammten, blöden VERA-Test nicht.
I1 / I2: Hm.
S: So, und wer ist the winner of all? Das ist das Kind aus der Unterschicht mit Migrationshintergrund. Der hat die meisten Fehler gemacht. Und männlich. Ne, also 450 diese drei Kriterien: männlich, Migration und Unterschicht. So, der hat die meisten Probleme. Ja, weiß ich doch! Und ich weiß, dass wir das nicht produziert haben, sondern ich weiß, dass mein Kollegium, bei der dieser Junge in der Klasse ist, genau daran jeden Tag arbeitet und richtig gut arbeitet und das auch sieht, und den auch aufbaut. Der hätte sonst Millionen mehr Fehler, als er da schon hatte. Also, der hat den 455 Test einigermaßen geschafft, er hat mehr gekonnt, als er nicht gekonnt hat. Aber das Ergebnis ist genau der soziale Hintergrund. Danke, aber weiß ich doch! Wozu gibt es eine PISA-Studie. Nur, das will hier keiner hören. Da kommt der (xxx) aus Costa Rika, als Sonderberichterstatter der UNO, erzählt das hier auf allen Versammlungen, dass wir das Spiel in Deutschland spielen, dass wir sozial benachteiligen durch Schule // , aber 460 ich kann das nicht lösen dieses Problem. Ich kann nur dem einzelnen Kind helfen, ich kann dem einzelnen Kind helfen, dass es mit sich selbst so weit kommt, dass es lernt, damit umzugehen, seine eigene Lernstärke zu finden und möglicherweise danach einen Weg über Gymnasium oder Gesamtschule zu gehen, sodass das einzelne Kind weiter
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kommt. Das schaffen wir! Das haben wir in Zahlen uns selbst nachgewiesen, dass wir 465 einen höheren Übergang zu den höheren weiterführenden Schulen haben und dass (husten) unsere ehemaligen Schülerinnen und Schüler das auch schaffen danach. Aber (räuspern) wir verändern nicht die Gesellschaft. (Husten). Wir können nur einzelnen Kindern helfen. Aber hochbedingt, hochbegrenzt. Da muss noch ganz anderes geschehen. Da müssen vielmehr Mittel und Lehrer zur Verfügung gestellt werden, um 470 Schule zu verändern. Da müsste eine ganz andere Einstellung von Politikern und anderen verantwortlichen Menschen in der Gesellschaft geschaffen werden, damit ganz anders mit Schule umgegangen wird, dass Schule eben nicht dieser Konsumbetrieb ist, von dem Eltern erwarten können, dass sie gefälligst, äh, optimal ausbilden, sondern es müsste ein Bewusstsein propagiert werden, dass Lernen alle angeht. Und dass Schule 475 eben nur die Kristallisationsstufe der Gesellschaft ist, wo lernen organisiert wird, wo lernen dann vermittelt wird. Aber die Verantwortung für Lernen darf man nicht auf Schule abgeben. Das ist eines der Hauptprobleme, mit denen wir zu tun haben. Lernen wird auf Schule abgeschoben. Das ist unmöglich.
I2: Hm. 480
S: // Ja, jetzt habe ich es rund mit der sozialen Frage.
I2: (lacht). Gut ok, also jetzt wieder vertiefend dazu ist wieder die Frage, wie die Kinder von diesen sehr umfassenden demokratischen Strukturen an dieser Schule wieder profitieren. Also, welche Schlüsselqualifikationen erwerben sie dadurch?
S: // Das sind die Unterbereiche des Lernens wieder. Äh, also ich zähl die jetzt nicht auf. 485
I2: Hm.
S: Wir können jetzt alle Schlüsselqualifikationen nehmen, die in Schule verlangt werden und rückkoppeln und sagen, ja, diese demokratische Grundhaltung verstärkt jede einzelne Schlüsselqualifikation, die verlang wird.
I2: Hm. 490
S: Äh, einfach, dadurch, dass diese Demokratiefrage verbunden wird mit der Selbststeuerung, mit der Selbsttätigkeit von Kindern.
I1 / I2: Hm.
S: Dass sie also selber aktiv sich und ihren Lernprozess gestalten und somit können sie an alle Bereiche von Kompetenz und Schlüsselqualifikation herankommen. 495
I2: Ja.
S: Und dann, also nennt mir mal eine Schlüsselqualifikation, die für euch wichtig ist.
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I1: Also ich glaube die Frage dahinter war eigentlich, was haben Kinder hier in der Grundschule Harmonie, was vielleicht Kinder in der traditionellen Grundschule nicht haben? Also was werden hier für Schlüsselqualifikationen erworben, die (S unterbricht 500 I1)
S: Die Gleichen!
I1: ok.
S: Also, äh äh, bin sogar ziemlich schroff.
I1: Hm. 505
S: Äh, // Es gibt andere Schulen, die anders strukturiert sind, die andere Schwerpunkte haben, die hervorragende Arbeit machen.
I2: Hm.
S: Und es gibt an allen Schulen hervorragende Lehrer und Lehrerinnen, die in ihrem Klassenraum und in ihren Kursen eine tolle Arbeit machen und die gleichen Sachen 510 vermitteln wie wir. Im Grunde genommen sind wir Lehrer und Lehrerinnen und im Grunde genommen ist alles das, was wir tun, dieses Handwerkszeug, diese Einstellung, die gute Grundschule hat.
I2: Ok.
S: Von daher vermitteln wir nicht mehr. 515
I1 / I2: Hm.
S: Was wir vielleicht tun, ist, dass wir es bewusster vermitteln und dass wir es breiter vermitteln.
I1: Hm.
S: Und eben auf eine sehr konsequente Art und Weise. Also, das einzige, das einzige, 520 was man uns vielleicht nachsagen könnte, wäre, dass wir mehr Kinder zu einer Selbstständigkeit führen.
I2: Hm.
S: Dass wir mehr Kinder haben, die in der Lage sind, ihr eigenes Lernen zu steuern.
I1: Hm. 525
S: Aber auch das ist relativ, weil es, weil wieder an der Schule nebenan und sie mag noch so konservativ sein, es die Kollegin X gibt, die genau das auch kann. Ne, also von daher, kein Stolz auf irgendetwas, sondern das unsere Art, wie wir Schule anbieten. Wir können gar nicht anders. Und ob das besser oder schlechter ist, spielt keine Rolle.
I1: Hm. 530
I2: Ok.
Anlagen
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I1: Der nächste Themenbereich, da geht es eigentlich so ein bisschen um die Reaktion der Kinder. Also, wie nehmen die Kinder diese demokratischen Strukturen hier an der Schule an und, ja, in wie weit werden sie dann auch von den Kindern genutzt?
S: Die Frage müsst ihr den Kindern stellen. 535
I2: Hm.
S: Meine ich jetzt ernst.
I1: Hm.
S: Fragt ihr bitte Kinder.
I1: Ok, und dann wäre der nächste Block dann, in wie weit es Schwierigkeiten in der 540 praktischen Umsetzung dieser demokratischen Strukturen gibt? Also wo treten, ähm ja, Schwierigkeiten in der Umsetzung auf?
S: Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde, // indem nicht jeder mitmacht auf Kinderseite, äh, die wollen aber dann nicht selbstständig lernen, die wollen in dem Augenblick gar nicht lernen, äh, die wollen gerade etwas ganz anderes machen. Der will jetzt nicht zu 545 einer Rechtsschreibvorlesung, sondern der will gerade lernen, äh, wie perspektivisches Zeichnen geht und dass geht in dem Augenblick vor und die Mama ist andere Meinung und da muss man sich drüber streiten. Ähm, wir haben Kinder, die stark traumatisiert sind durch familiäre Erlebnisse, ähm, die Verhaltensweisen haben, die sie nicht lernen lassen, die sie am Lernen hindern und sie begreifen gar nicht, wo das her kommt. 550
I1: Hm.
S: Ähm, sie mögen sich selber nicht für das, was sie tun, aber haben keine Ahnung, wie man da heraus kommt. Und wir müssen das mit denen aufbauen, wie das anders geht. Und das hat uns keiner beigebracht. Und, das unterbricht uns ja in der Arbeit und wir müssen dann plötzlich mit dem Schüler X uns beschäftigen, weil er gerade austickt. Und 555 dann können wir uns mit den anderen 26 nicht beschäftigen.
I1: Hm.
S: Ähm, wir selber sind ein unheimliches Problem als Erwachsene, weil wir ja auch in uns drin haben, so ein inneres Bild, was ein guter Lehrer ist.
I2: Oder was Schüler nachher können müssen. 560
S: Ne, es ist ja alles drin. Man hat uns ja genauso erzogen und wenn man dann doch mal ein Diktat schreiben lässt und da sind zwei, drei Kinder, die ungeheuer viel falsch geschrieben haben, dann denkt man eben nicht mehr drüber nach, das Richtige zu zählen, sondern dann geht der Lehrer an und man sagt „boa hab ich da nicht doch falsch gearbeitet?“ 565
Anlagen
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I2: Hm.
S: „Boa, hätte ich das denen doch besser beibringen müssen?“ Also Selbstzweifel über Selbstzweifel. Dann ständig die Situation, Probleme erkennen zu müssen, die man nicht gekannt hat, die vollkommen neu sind, dieses, wenn man einmal angefangen hat und will // für jedes Kind einen Lernplan haben und dann noch mit dem Anspruch, dass 570 dieses Kind selber diesen Lernplan steuert.
I1: Hm.
S: Äh, den Tag zu erleben, wo du zu Hause eine Auseinandersetzung in der Beziehung hattest oder wo du einfach Zahnschmerzen hast oder sonst wie daneben bist.
I1: Hm. 575
S: Dass der Tag danach in der Schule dann ungeheuer schwer ist und auf einmal wird es zu laut und du denkst nur noch, „die wollen dir doch alle was“, ne. Die hören dir nicht zu, das ist nicht höflich gerade von den Kleinen. Oder, die finden das alle doof, die finden das alles doof, was du gerade machst. Also du // du musst dich als Erwachsener ständig damit auseinandersetzen (Geräusche im Hintergrund durch Schüler und 580 Lehrerin werden lauter), dass du, wenn du willst, dein tägliches Lehrerinnen- oder Lehrerdasein so erfrierst, dass es eine Aneinanderreihung von Fehlern ist. Das geht, das kannst du machen, auch hier, locker. Und es gibt natürlich die anderen Tage, wo man sich bewusst macht, wie gut das funktioniert und was alles da ist, ganz egal, da sieht es besser aus, aber // es ist schon so, dass dieser Job wahrscheinlich mit das Anstrengste 585 ist, was es in dieser Gesellschaft gibt. Und es zerrt an Persönlichkeitssubstanz.
I1: Hm.
S: Es baut dich ungeheuer auf und die Art und Weise, wie wir arbeiten, führt auch dazu, dass wir weniger frustriert sind, als ein paar andere Leute, die wir im Schuldienst kennen, äh, aber es ist nicht weniger anstrengend. Noch einmal, wie war die Frage? 590
I1: Es ging darum, ob es Schwierigkeiten gibt in der Umsetzung der demokratischen Strukturen auch?
S: Hm. Jetzt hab ich das nicht so genau ausgedrückt, aber das ist es.
I1: Hm.
S: Ne. Das heißt, du musst (husten), du musst täglich daran arbeiten, // die Einstellung 595 zu anderen Menschen zu finden, dass sie demokratisch bleibt.
I1: Hm.
S: Sowohl zu den Schülern als auch zu den Kolleginnen und Kollegen. Du musst ja immer die Vertrauensebene aufbauen, du kannst so offen nur arbeiten, wenn du dem
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Anderen traust, der neben dir ist, wenn du dem Anderen auch Vertrauen in seine 600 Fähigkeiten gibst und die dürfen auch anders sein. Und, du musst auch immer mit den Eltern arbeiten und du darfst nicht in Gegnerschaft zu den Eltern kommen. Wenn du anfängst, dich zu verteidigen mit dem, was du tust, hast du verloren. Du musst also erklären können, wie du arbeitest, das Vertrauen gewinnen, auch die intellektuelle Einsicht bei Eltern, ganz oft musst du mit Ängsten umgehen können, die da sind auf 605 Grund eigner Schulkarrieren, auf Grund von der gesellschaftlichen Situation. Das musst du demokratisch halten. Das heißt, du musst ihn zu Wort kommen lassen und du musst also nicht nur Kindern das Wort geben, sondern auch den Eltern. Und dann muss du noch im demokratischen Gesamtspiel mitspielen können. Du brauchst ja auch Gelder, für das, was du tust. Du brauchst Zustimmung von Politikern, du brauchst Zustimmung 610 von Industrie, Handwerk, Organisationen, du musst an Projektmittel kommen und und und. Das ist dann manchmal auch ein anderes demokratisches Spiel als das demokratische Spiel, das du intern spielst.
I1: Hm.
S: Also du musst auch auf andere demokratische Ebenen gehen können. 615
I1: Ja, die nächste Frage wäre dann, woran möchte die Schule bezüglich dieser Schwierigkeiten, die eventuell auftreten können, zukünftig noch arbeiten und gibt’s da vielleicht Schwerpunkte, wo jetzt gerade noch dran gearbeitet wird?
S: Wo habt ihr die Reihenfolge dieser Fragen her? So hört jede Befragung auf zurzeit, jede, egal, von wem die kommt (lacht). 620
I1 / I2: (lachen).
S: Das muss im Moment unheimlich chic sein, zu wissen, an was man noch arbeiten will. Ähm, also wir reden viel zu wenig Kölsch an der Schule, obwohl wir hier im Rheinland sind. Es ist eine riesen Sauerei. Unser russisch ist noch unheimlich schlecht.
I1 / I2: (lachen). 625
S: Ähm, dann haben wir zu wenig Schaukeln. Ähm, wir machen eigentlich viel zu wenig Bewegung. Nicht, dass wir dick wären alle, äh, aber es würde noch viel mehr Spaß machen, sich zu bewegen. Wir arbeiten noch viel zu viel mit dem Kopf, mit uns und den Kindern. Ähm, wir feiern noch viel zu wenig.
I1 /I2: (lachen). 630
S: Und ich glaub auch der Anteil des Lachens könnte noch weiter gesteigert werden bei uns. Ähm.
I2: Och nö. (lacht).
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I1: (lacht).
S: Wir müssen noch lernen, dass einmal im Jahr der Kinderprinz auch zu uns kommt 635 und Karneval, das kriegen wir auch nicht immer hin. Ähm.
I2: Aber es gibt ja schon, wenn jetzt auch ein Kind sagt, „ich möchte nicht lernen, ich möchte auch zwei Wochen nicht lernen und das sind ja schon Schwierigkeiten, die in dieser demokratischen Struktur auftreten und da ist dann ja auch halt die Frage, wie geht man damit um und das ist ja (S unterbricht) 640
S: Indem ich vorher nicht weiß, wie ich damit umgehe.
I2: Das hat sich ja auch gestern so ein bisschen herauskristallisiert.
S: Es gibt keine Antwort vorher, sondern es gibt die Antworten nur, wenn es uns gelingt, das Problem zu begreifen. Nur, wenn uns gelingt, zu begreifen, was das Kind da hat, warum es sich nicht wohl fühlt. Also wie man Wohlbefinden wieder herstellen 645 kann, wie das Kind Wohlbefinden wieder herstellen kann, um überhaupt lernen zu können. Und es müssen wir in dem Moment herausbekommen, wo das Kind da ist und wir wissen das vorher nicht, weil es gibt keine, keinen großen Topf, wo jetzt der Zaubertrank drin ist und wie wir gehen mit der Kelle einmal durch den Zaubertrank und lassen das Kind trinken und sagen „das ist es, siehst du, merkst du wieder, wie schön 650 deine Kräfte da sind“. Es tut es nicht, sondern wir müssen es in jeden einzelnen Fall herauskriegen. Also es gibt überhaupt keine Regeln dafür.
I1 / I2: Hm.
S: Sondern es ist harte Arbeit an sich selbst für das Kind und unser Teil, dass wir dem Kind nicht das Problem abnehmen, indem wir das lösen, weil wir das nicht lösen 655 können, sondern dass (räuspern) es uns gelingt, dem Kind das an die Hand zu geben, was es selber braucht.
I2: Hm.
S: Und das rüber zu bringen oder Situationen herzustellen, die das möglich machen. Oder überhaupt Raum und Zeit, um das ausleben zu können. Manchmal muss man gar 660 nicht Lösungen haben, sondern manchmal brauchen Kinder auch einfach Zeit und Zutrauen und Zuwendung. Manchmal braucht ein Kind auch, äh, die Auseinandersetzung, das was vor ein paar Jahren noch hieß, man muss auch Grenzen zeigen können als Erwachsener. Drücken wir es besser aus, ähm, ich muss mich auseinandersetzen können, das Kind muss auch da merken, dass ich es ernst nehme, 665 dass ich auch bereit bin, mich mit ihm anzulegen, wenn mir das nicht gefällt, ohne ihn nieder zu machen oder zu erpressen oder sonst was. Aber ihm zeigen, hey, ich bin
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anderer Meinung als du. Ähm, aber die Frage, was nehmt ihr euch als nächstes als Schule vor, äh,
I1: Also das war eigentlich auch echt nur bezogen auf diese praktische Umsetzung der 670 demokratischen Strukturen, also es kann ja sein, dass es irgendwie (S unterbricht I1)
S: Jaja, eure Fragen sind total toll.
I1 / I2: (lachen).
S: Es sind super Fragen. Ich sag das jetzt nicht, um bei der letzten Fragestellung freundlich zu sein, sondern ihr stellt wirklich total gute Fragen und man merkt, dass ihr 675 euch gut vorbereitet habt, weil diese letzte Frage genau diese Standardfrage ist, die up to date im Moment sofort gestellt wird, also sofort am Schluss gestellt wird. Es ist sie genau. Ähm //, ich weiß nicht, warum ich so reagiere jetzt, dass ich sie nicht beantworten will, ich müsste mich wahrscheinlich nur einmal am Riemen reißen, dann könnte ich sie sehr wohl beantworten. Ha, was wollen wir? Also ganz konkret ist unser 680 Hauptwunsch zurzeit, dass es uns gelingen würde, Grundschule zu verlängern, über das vierte Schuljahr hinaus und dass wir dabei unsere Art der pädagogischen Arbeit erhalten können. Also das wäre für uns das Projekt, was als nächstes anstehen würde, wo wir sagen, „boa daran wollen wir arbeiten“ und zwar auch richtig hart arbeiten. Wenn uns das gelingen würde, Grundschule zu verlängern und das mit der Pädagogik, die wir 685 haben. Das wär so das Ziel. Das zweite Ziel ist, dass es uns gelingt, wirklich Inklusionsschule zu werden, dass es uns in einem ganz ganz hohen Maße gelingt, mit allen Kindern klar zu kommen, die zur Schule kommen, wobei ich glaube, dass nicht so sehr das Problem im Bereich von körperlichen Behinderungen liegt, auch noch nicht mal vom Psychischen oder geistigen Behinderungen, ähm, sondern ich glaube das 690 Hauptproblem sind Kinder, die beim Lernen und im Verhalten auffallen, dass es uns gelingt, mit denen so zu arbeiten, dass sie das gleiche Recht zu lernen haben, wie alle anderen auch. Das heißt, also nicht mehr so dran zu gehen, „ja, die haben ihr Verhalten zu verändern und ihr Lernverhalten zu verändern und die müssen sich integrieren“, sondern dass wir denen die Chance geben, das selbst zu machen. Sich, mit sich selbst zu 695 Recht zu kommen, mit sich selbst klar zu kommen und das Gemeinschaft lernt, so etwas auch mal auszuhalten oder so etwas zu akzeptieren, dass es so ist. Also dass der Schüler X bei uns Aspergerautist ist. Das haben sie schon klar. Der darf das so. Der darf mit uns lernen.
I1: Hm. 700
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130
S: Und das es uns so gelingt, wirklich eine Inklusionsschule zu werden. So jetzt habe ich das (xxx) beantwortet.
I2: (lacht). Ja. Unser Abschluss ist so ein bisschen, ja, bezieht sich jetzt noch auf Freinet. Also, das haben sie ja eigentlich auch schon am Anfang gesagt. Die Frage wäre, was sie jetzt an der Pädagogik von Freinet schätzen? 705
S: Also, das entscheidende Ding in der Freinet-Pädagogik ist diese Einstellung. Es ist eine demokratische Einstellung und für mich war das die erste, die eine Antwort darauf gegeben hat, wie ich mit Individualisierung von Unterricht umgehe. Das also Individualisierung nicht heißt, dass ich zum Ellenbogenwesen ausgebildet werde, dass sich nur um sein eigenes Lernen kümmert und das optimal irgendwie umsetzt, sondern 710 dass Freinet-Pädagogik Techniken, Werkzeuge, Strukturen, Grundgedanken, Grundhaltungen anbietet, wo ich lerne, mit anderen zusammen, mich zu verwirklichen, wo also so was eigentlich so eine Grundforderung humanistischer Bildung im Mittelpunkt steht. Ich bin ein menschliches Wesen, der ein Mensch werden will und ich werd das mit anderen Menschen zusammen. Und das lerne ich. Also, ich, es ist noch 715 nicht einmal so von Freinet der Gedanke, dass Menschen, die Menschen werden dürfen, die sie sind. Aber steckt für mich im Kern da drin und das Entscheidende ist, dass die Freinet-Pädagogik ganz ganz ganz viele Mittel einem an die Hand gibt, das nicht nur zu wollen, sondern das dann auch im alltäglichen Geschäft zu verwirklichen.
I2: Hm. 720
S: Und das ist die Stärke von Freinet-Pädagogik. Eben zu wissen, wie ein Klassenrat funktioniert.
I1: Ja.
S: Zu wissen, dass es da eine Präsidentin und einen Präsidenten gibt. Zu wissen, dass es den Grundgedanken von Diensten gibt. Wenn man das weiter denkt, ist man ganz 725 schnell von Diensten weg zur Verantwortungsübernahme und wenn man es dann wieder richtig denkt, ist das nicht Verantwortungsübernahme für die Blümchen, äh oder Tafelputzen, sondern es ist die Verantwortungsübernahme für das eigene Lernen.
I2: Ja.
S: Dann alle die Bereiche, die mit freiem Ausdruck zu tun haben, die Dinge, die mit der 730 Methode naturell zu tun haben, wir orientieren uns genau daran, bei der Art und Weise, wie wir Englisch vermitteln an die Kinder. Das also auch ein eigenverantworteter, strategischer Bereich des Lernens geworden ist. Wo unsere Kinder sich mehr und mehr dessen bewusst werden, was ihre Strategie beim Englischlernen ist. Das ist „Methode
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naturell“. Ne, also diese Einzelbereiche der Freinet-Pädagogik sind eigentlich 735 fantastisch. Ähm, wir propagieren das aber gar nicht so (Telefon klingelt im Hintergrund).
I2: Hm, stimmt.
S: Sondern wir haben das übernommen ähm //und eigentlich haben wir das für uns übernommen. Der (xxx) ein unheimlich toller französischer Kollege, der vor kurzem 740 gestorben ist, der hat mal gesagt: „Gute Leute intravisieren die Gedanken, die sie von anderen kennengelernt haben“. Also man hat irgendwas gemacht, erklärt das den anderen und die anderen gehen dann hin, nehmen das mit nach Hause und machen was vollkommen anderes daraus. Und man ärgert sich dann, die haben ja was anderes daraus gemacht, als ich das vorher gesagt habe oder die haben das anders interpretiert. Und er 745 sagt, genau das ist das Spannende. Dass man also was begreift bei einem Anderen, das für sich selber mitnimmt und das sich so zu eigen macht, dass es wieder was Anderes, was Neues wird und so versuchen wir mit Freinet umzugehen.
I1: Ok. Ja, abschließend das Zitat: „Den Kindern das Wort geben“.
S: Ich hab es ja einmal benutzt (lacht), ich hab es nur auf die Eltern übertragen (lacht). 750
I1/I2: (lachen)
I1: Können sie dazu noch kurz etwas erläutern?
S: Ja, mit großer Freude, weil es ist so leicht zu verwechseln mit der Frage von autoritärem Verhalten oder antiautoritärem Verhalten oder äh kann so leicht missverstanden werden in die Richtung „Freie Texte Schreiben“ ist „den Kindern das 755 Wort geben“. Ähm, ich glaube, dass das viel viel mehr ist.
I1: Hm.
S: Ich glaube, dass es um Sprache geht und // das Sprache eben das Mittel ist, das es uns möglich macht, zusammen zu arbeiten und überhaupt in Gemeinschaft zu leben und somit in Gemeinschaft zu arbeiten und zu lernen und // ich glaube, dass die zentrale 760 Aufgabe von Schule und auch von Erziehung überhaupt ist, dass Menschen sich ihrer eigenen Sprache bemächtigen, indem sie sie lernen. Das heißt, dass sie sich selbst begreifen und diese Welt begreifen, in dem Maße wie sie das ausdrücken können, was sie da tun wollen, was ihnen passiert, dass also die Entwicklung von Sprache, das Entscheidende ist. Was dann anfällt bei der Frage, ob kleine Kinder // es im Umgang mit 765 ihren Erwachsenen gelernt haben, ihre Gefühle ausdrücken, sich überhaupt auszudrücken, weil Sprache auch in einem Klassenrat, wird ganz schnell zu einer technografische Angelegenheit Das heißt, sie lernen eben ihre Dinge zu regeln und sie
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lernen dann auch bestimmte Floskeln zu übernehmen: „Wir machen das jetzt, weil äh das ist gerecht“, „weil äh dann ist mir nicht langweilig“ oder äh „ich mache jetzt Mathe, 770 weil ich als nächstes ähm die schriftliche Multiplikation lernen muss“.Also sie benutzen dann Wörter, die sie adoptiert haben, um dafür zu sorgen, dass der Alltag ja auch funktioniert.
I2: Hm
S: Und das Funktionieren ist sowieso zum Hauptschlager von Schule geworden, früher 775 haben Kinder in Schule gelernt grausam zu sein, als Bürger, als Soldaten, als sonst was und heute lernst du in Schule zu funktionieren und möglichst kreativ funktionieren, das ist noch viel viel besser und eigenständig zu funktionieren. Und unsere Kinder sind natürlich verführt Sprache, Eigensprache auch so auszubilden, so zu benutzen, dass sie zeigen zu funktionieren, weil das versuchen sie auch in einem demokratischen System, 780 aber das Entscheidende ist, dass sie sich Sprache zu eigen machen. Das sie wirklich lernen sich selbst auszudrücken, sich selbst zu verständigen, und deshalb ist „den Kindern das Wort geben“ für mich ein Synonym dazu zu sagen, dass wir den Kindern die Verantwortung für ihr Lernen zurückgeben und dass das nicht funktioniert, ohne dass sie es ausdrücken können. Also sie müssen eine Sprache entwickeln können in 785 Schule, die ihre Eigene ist, in der sie sich selber wohlfühlen und zurechtfinden und damit sich auch entwickeln können, das ist für mich „den Kindern das Wort geben“.
I2: Schöner Abschluss. Gibt es denn von Ihrer Seite noch etwas, was sie sagen möchten?
S: Ich hätte jetzt zum Schluss gesagt, dass eure Fragen ziemlich gut waren (lacht). 790
I1/ I2: (lachen)
I1: Ok, das war es nämlich.
I2: Dann vielen Dank.
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Anlage 3: Beobachtungsprotokolle zur inhaltlichen Partizipation
Beobachtungsprotokoll von Dienstag, den 27.04.2010:
Morgenkreis (Wer macht was?):
o Abdel: Schreib- und Leseheft, Mandala-Angebot von einer Mutter (selber Mandala mit einem Zirkel entwerfen)
o Jan: Lesen, Mandala-Angebot
o Kevin: Mandala-Angebot, Schreiben, Tipp von Referendarin:
Wörterbuchübung
o Julia: Thema, Mandala-Angebot
 alle vier Kinder haben das Mandala-Angebot in der Klasse gewählt.
Beobachtungsphase 1:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 08:20- 08:30 Uhr
Wo: Blumenklasse
Wen: Abdel, Jan, Kevin und Julia
Was:
o Abdel: arbeitet im Schreibheft; hohe Konzentration; kein Kontakt zu
anderen Kindern; große Eigenständigkeit; lässt sich nicht
ablenken
o Jan: nutzt Angebot Mandalas; er braucht Anleitung und wünscht
sich Unterstützung; arbeitet ohne Unterstützung nicht weiter,
sondern wartet
o Kevin: Wörter nach Alphabet ordnen (fällt ihm schwer, versteht er
nicht gleich, braucht Unterstützung); Zuhören beim Erklären
des Mandala-Angebots
o Julia: eigenständiges Anfangen der Gestaltung der Mandala (eigene
und selbstständige Erprobung des Zirkels)
Anlagen
134
Beobachtungsphase 2:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 08:35- 08:45 Uhr
Wo: Blumenklasse
Wen: Abdel, Jan, Kevin und Julia
Was:
o Abdel: sucht sich selbstständig einen Arbeitsplatz: Fußboden;
Aktivität: Zeichnen
o Jan: schaut bei seinem Sitznachbar, wie ein Zirkel funktioniert (er
versucht durch das Gucken und Fragen voranzukommen); fragt die Mutter, ob das so richtig sei (Absicherung); hat Schwierigkeiten mit dem Angebot; ist auf die Mutter fixiert
o Kevin: ist „genervt“ von der Aufgabe des Mandala; kommt schlecht
voran; durch fehlende Bestätigung verliert er das Interesse
o Julia: kommt gut und schnell mit dem Angebot zurecht; ist den
anderen Kindern gegenüber hilfsbereit
Beobachtungsphase 3:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 08:50- 09:00 Uhr
Wo: Blumenklasse
Wen: Abdel, Jan, Kevin und Julia
Was:
o Abdel: holt sich Rat bei einem Mitschüler bezüglich seiner zwei
Zeichnungen auf einem Blatt: „Welche findest du besser?“; danach weiter zeichnen; geht aus dem Klassenraum und kommt mit zwei Schülern aus den anderen Klassen wieder und stellt erneut die Frage und kommentiert sein Bild; hängt sein Bild an die Tafel
o Jan: ist mit der Aufgabe leicht überfordert; sucht sich Hilfe;
bekommt aber nicht die, die er braucht
o Kevin: ist immer noch nicht weit gekommen mit seinem Mandala;
lässt sich helfen
o Julia: ist fertig mit der Zeichnung und fängt an anzumalen
Anlagen
135
Fazit der Beobachtungsphasen 1-3
im Hinblick auf das geäußerte Vorhaben:
o Abdel: hat sich im Morgenkreis eigenständig gemeldet, um
Vorhaben mitzuteilen; hat Schreib- und Leseheft gemacht; nimmt nicht das Mandala-Angebot wahr (entgegen seiner Planung im Morgenkreis); stattdessen zeichnen; tritt sehr selbstständig auf und arbeitet eigenständig; holt sich Tipps von anderen Kindern
o Jan: nimmt Mandala-Angebot wahr; ist überfordert und deshalb in
der Situation nicht eigenständig; ist nicht mehr zum Lesen gekommen und hat deshalb eigenes Vorhaben nicht erreicht (Grund: Überforderung bei dem Mandala-Angebot)
o Kevin: nimmt Tipp der Referendarin bezüglich der
Wörterbuchübung an; Mandala-Angebot wird durchgeführt;
sein Vorhaben zu schreiben, hat er nicht geschafft (Mandala-
Angebot hat ihn zu viel Zeit gekostet)
o Julia: hat das Mandala-Angebot gemacht; ist fertig geworden; hat
allerdings nicht am Thema gearbeitet, so wie sie es sich vorgenommen hat
Beobachtungsphase 4:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 11:00- 11:10 Uhr
Wo: Forum (Kinderuniversität)
Wen: Kevin und Julia
Was:
o Kevin: hat Schreibzeug und Klemmbrett dabei; ist gut vorbereitet;
macht sich Notizen; verfolgt Vorlesung konzentriert
o Julia: hat Schreibzeug und Klemmbrett dabei; ist gut vorbereitet;
macht sich umfassende Notizen; verfolgt die Vorlesung konzentriert
Anlagen
136
Beobachtungsphase 5:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 11:15- 11:25 Uhr
Wo: Forum (Kinderuniversität)
Wen: Kevin und Julia
Was:
o Kevin: hat Schreibzeug und Klemmbrett weggelegt; wirkt müde
o Julia: macht sich immer noch Notizen; wirkt konzentriert
Beobachtungsphase 6:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 11:30- 11:40 Uhr
Wo: Forum (Kinderuniversität)
Wen: Kevin und Julia
Was:
o Kevin: wirkt abwesend, indem er nicht mehr mitschreibt und sein
Blick nicht mehr in Richtung Tafel geht; verlässt ca. 10 Min. nach Julia die Vorlesung, Grund auf Nachfrage unsererseits: „Ich konnte einfach nicht mehr.“
o Julia: hat die Vorlesung verlassen, Grund auf Nachfrage
unsererseits: „Mir war langweilig“.
 Julia nimmt Mitschriften mit nach Hause und will diese
noch einmal sauber abschreiben und abheften
 auch ein Aspekt von inhaltlicher Partizipation, mitten in der Vorlesung zu gehen!!!
Anlagen
137
Beobachtungsprotokoll von Mittwoch, den 28.04.2010:
Morgenkreis (Wer macht was?)
o Abdel: er meldet sich freiwillig und teilt sein Vorhaben für die
Freiarbeit mit;
Vorhaben: Geschichte schreiben, lesen
o Jan: er meldet sich freiwillig, wird dann aber von einer Lehrerin
herausgenommen;
geht in die AG Religion, für die er sich im Vorfeld freiwillig
entschieden hat
o Kevin: hat nicht am Morgenkreis teilgenommen; musste zu VERA
o Julia: meldet sich gleich, um ihr Vorhaben mitzuteilen
Vorhaben: Interview mit Referendarin, Thema Bienen als Partnerarbeit mit Judith; Julia hat sich gemeldet, weil sie den Wunsch hatte, ihre gemalten Bilder vorzustellen
Beobachtungsphase 1:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 08:40-08:50 Uhr
Wo: Blumenklasse
Wen: Abdel, Julia
Was:
o Abdel: geht sofort nach dem Morgenkreis in die Leseecke lesen, Bedürfnis zuerst zu lesen (entgegen seines Vorhabens erst
eine Geschichte zu schreiben)
o Julia: geht sofort nach dem Morgenkreis zum Interview mit der
Referendarin, danach kommt sie in den Klassenraum und
arbeitet an ihrem Thema „Bienen“, schreibt schon
geschrieben Text in Schönschrift ab
Beobachtungsphase 2:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 08:55-09:05 Uhr
Wo: Musikraum (Religionsangebot)
Anlagen
138
Wen: Jan
Was:
o Jan: geht während des Morgenkreises zu „Religion“, starker
Lehrerbezug, Unsicherheit äußert sich im ständigen Nachfragen, themenfremde Beschäftigung während der Arbeitsphase, Lehrerin bietet ihm Angebot an (Angebot = Bild von einem Künstler nachmalen) – Lehrerin zeigt ihm ein Bild von vielen, welches er sofort nehmen will
Beobachtungsphase 3:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 09:10-09:20 Uhr
Wo: Blumenklasse
Wen: Abdel, Julia
Was:
o Abdel: arbeitet im Lese- und Schreibheft „Lies und mal“ (am Tisch);
danach schreibt er eine Geschichte; lässt sich nicht ablenken
und arbeitet konzentriert, geht zu seiner Lehrerin, um ihr
seine Geschichte zu zeigen
o Julia: besorgt sich selbstständig Bücher zu ihrem Thema aus dem
Klassenfundus, danach hilft sie die ganze Zeit ihrer Sitznachbarin in Mathe
Fazit der Beobachtungsphasen 1-3
im Hinblick auf das geäußerte Vorhaben:
o Abdel: hat sich zuerst für das Lesen entschieden, anschließend
arbeitet er entgegen seines Vorhabens im Lese- und
Schreibheft, schafft dann aber auch noch sein ursprüngliches
Vorhaben eine Geschichte zu schreiben
o Jan: Beobachtungen vom Vortag haben sich bestätigt und sind
weiterhin zum Ausdruck gekommen; sucht stark
Erwachsenenbezug; geringe inhaltliche Partizipation
ersichtlich
Anlagen
139
 sucht Vorgaben von außen
o Julia: schafft ihr Vorhaben und kann trotzdem noch anderen
Bedürfnissen, wie dem Helfen der MitschülerInnen, nachgehen
Anlagen
140
Beobachtungsprotokoll von Donnerstag, den 29.04.2010:
 Morgenkreis nicht beobachtet wegen des Interviews mit dem Schulleiter Walter Hövel
Beobachtungsphase 1:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 09:15- 09:25 Uhr
Wo: Musikraum
Wen: Abdel, Jan, Kevin und Julia
Was:
o Abdel hat sich gegen das Angebot Chor und für die individuelle
Freiarbeit entschieden
o Kevin befindet sich im Angebot Chor; verlässt um 09:20 im
Anschluss an die Frage, wer noch weiter machen möchte, den Musikraum und entscheidet damit für sich, dass er nicht mehr am Chor teilnehmen möchte; stattdessen bevorzugt er in der Situation die Freiarbeit
o Jan befindet sich im Angebot Chor; verlässt bei der Nachfrage
allerdings nicht das Angebot, sondern bleibt im Musikraum
o Julia befindet sich im Angebot; verlässt ebenfalls den Musikraum
nicht, obwohl die Lehrerin es angeboten hat
Anlagen
141
Beobachtungsprotokoll von Freitag, den 30.04.2010:
Beobachtungsphase 1:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 07:40- 07:50 Uhr (Ankunftsphase)
Wo: Blumenklasse
Wen: Jan
Was:
o Jan war als Erster da; er arbeitet schon um 07:40 Uhr an dem
Fragebogen für eine Referendarin zum Thema Computer; 07:43 packt er ein und geht in die Computerecke, um den Computer hochzufahren; kurz danach: „Ich weiß gar nicht, was ich machen will!“; daraufhin verlässt er die Computerecke und stellt sich in die Mitte des Klassenraums; anschließend geht er zurück zum Computer und recherchiert im Internet zu seinem Thema Flugzeuge
Morgenkreis (Wer macht was?):
o Kevin ist krank
o Abdel lesen, malen, Fußball
o Jan sitzt neben der Lehrperson, Besuch der Vorstellung zum
Thema Katzen; Thema Flugzeuge in Partnerarbeit
o Julia Singen im Musikraum; Thema
Beobachtungsphase 2:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 08:30-08:40 Uhr
Wo: Blumenklasse und Schulflur
Wen: Abdel, Jan, Julia
Was:
o Abdel: fängt direkt nach dem Morgenkreis an zu lesen; nach zwei Minuten bricht er diesen Vorgang ab und verlässt den Klassenraum mit Stiften und einem weißen Blatt, um am
Anlagen
142
Leuchttisch auf dem Nordflur zu zeichnen („Hier kann ich das besser“); dort bleibt er
o Jan geht direkt nach dem Morgenkreis zu der Vorstellung zum
Thema Katzen; sitzt neben Referendarin; hört immer wieder nicht zu; stattdessen schaut er sich im Raum um; schläft; kuschelt sich an Referendarin; trommelt auf Trommel hinter ihm; dreht sich komplett weg; führt Gespräche mit anderen Kindern während der Präsentation; danach arbeitet er an seinem Thema; Themenpartner übernimmt die Arbeitsführung und schreibt am PC während Jan daneben sitzt
o Julia geht gleich nach dem Morgenkreis in den Musikraum zum
Angebot
Beobachtungsphase 3:
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 09:00-09:10 Uhr
Wo: Blumenklasse
Wen: Abdel, Jan, Julia
Was:
o Abdel kommt vom Bildmalen wieder; hängt sein Bild an die Tafel;
holt sich einen Mitschüler und fragt ihn nach seinem Bild; versteckt sich vor dem Mitschüler; geht aus dem Klassenraum; wuselt rum
o Jan hat PC-Probleme; holt Referendarin zur Hilfe; holt mit Referendarin einen USB-Stick, um Informationen zum Thema Flugzeuge zu speichern; anschließend speichern sie gemeinsam die Infos
o Julia kommt um 09:05 vom Musikraum zurück; zeigt ihrer
Partnerin Judith, was sie schon alleine am Thema gearbeitet und geschafft hat; arbeitet gemeinsam mit ihr am Thema Bienen
Anlagen
143
Befragung der Kinder zur inhaltlichen Partizipation:
o Abdel gefällt das freie Arbeiten; ihm gefällt die individuelle Freiarbeit lieber als die Angebote
o Julia gefällt sowohl die individuelle Freiarbeit als auch das Arbeiten im Angebot
o Jan bevorzugt die Angebote
o Kevin war krank- daher keine Befragung möglich
Anlagen
144
Anlage 4: Items zur Beobachtung der inhaltlichen Partizipation
Inhaltliche Partizipation
„Inwieweit kann der Schüler über seine Lerninhalte selbst bestimmen?“ (Peschel 2002,
S. 80)
Items:
1. Welche demokratischen Strukturen werden während der Freiarbeitsphasen von den Kindern genutzt?
2. Inwieweit kennen die SchülerInnen ihre aktuellen Bedürfnisse?
 Im Kreis? (weiß das Kind, was es machen will? Meldet es sich diesbezüglich?)
 Während der Arbeit?
Anlage 5: Items zur Beobachtung der Demokratisierung sozialer Bedingungen
Items:
1. Welche demokratischen Instrumente sind in der Grundschule Harmonie vorhanden?
2. Inwieweit übernimmt der Schüler Verantwortung für sich selbst und auch für die Gemeinschaft?
3. Inwieweit ist der Schüler in der Lage die Rahmenbedingungen der Demokratie einzuhalten?
Anlagen
145
Anlage 6: Beobachtungsprotokoll des Kinderparlaments
Beobachtungsprotokoll vom Kinderparlament
am Mittwoch, den 28.04.2010
Wer: Antonia Specht, Gesa Balke
Wann: 13:00-13:35 Uhr
Wo: Lehrerzimmer der Grundschule Harmonie
Wen: 13 anwesende Kinder (7 Jungen, 5 Mädchen), Kids-Manager Walter Hövel
Was:
 Präsidentin übernimmt die Leitung der Kinderparlamentssitzung
 Themen:
1. Verschmutzung des verbotenen Waldes als Thema in der Schulversammlung
2. Zu wenig Freiarbeit auf Grund eines empfundenen Angebotsüberschusses
3. Zu wenig Mittagessen
4. Unverantwortlichkeit bezüglich der Raumhygiene
 Beteiligung:
o Jeder kann sich beteiligen
o Jeder darf sich mit seinem Meinungsbild inhaltlich einbringen
o Alle Meinungen sind gleichwertig und dürfen geäußert werden (kein Auslachen)
o Generelle Beteiligung gut
 Verantwortung für sich und andere:
o Verantwortung auf allen drei Ebenen:
1. Ich selber: Vorstellung ihrer Bilder wurde dreimal
verschoben, weil dauernd Angebote
wahrgenommen werden
2. Meine Klasse: Die Phönixe kriegen nur die Reste vom
Mittagessen, weil sie als letztes bedient werden
3. Die ganze Schule: Zu viele Angebote; verbotener Wald im
schlechten Zustand
Anlagen
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o Treten wirklich als Vertreter ihrer Klasse auf
 Beschlüsse:
o Ein zusätzlicher Essenswagen wurde angeschafft
o Gespräch mit der Köchin (Walter Hövel und zwei Kinder), dass mehr gekocht werden müsse
 Kinderparlament wird als demokratisches Instrument ernst genommen, keine schnelle Abhandlung; heute: Zeit überzogen
Anlagen
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Anlage 7: Transkription der Kinderparlamentssitzung
Transkription des Kinderparlaments in der Grundschule Harmonie
Für die Transkription des Kinderparlaments in der Grundschule Harmonie haben wir uns dazu entschlossen, das gesprochene Wort in normales Schriftdeutsch zu übertragen, da für unsere Auswertung dieser Daten primär die inhaltlich-thematische Ebene im Vordergrund steht. Des Weiteren haben wir die Satzbaufehler oder dialektischen Besonderheiten bereinigt und behoben (vgl. Mayring 2002, S. 91).
Die Transkription unseres Experteninterviews orientiert sich an den vorgeschlagenen Transkriptionsregeln von Bernart & Krapp (vgl. Bernart & Krapp 2005, S. 41).
Kinderparlament vom 28.April 2010, 13:00- 13:35 Uhr
L = Leiterin der Sitzung (Juliane11)
S = Schulleiter (W. Hövel)
K = anwesende Kinder (da in der Unterscheidung der Kinder bezüglich unseres Forschungsvorhabens keine Relevanz besteht, kürzen wir diese alle mit K. ab.)
G = Gesa Balke
11 Alle Namen bis auf die von Walter Hövel und Gesa Balke wurden auf Grund der Anonymität geändert.
Transkriptionsregeln:
// = kurze Sprechpause
/// = längere Sprechpause
(xxx) = unverstehbarer Text
(Wort) = schlecht verständliches, gedeutetes Wort/Satzteil
Wort = gleichzeitiges Sprechen
Wort = besonders betont gesprochenes Wort
(lacht) = Nebengeräusche wie Lachen, Räuspern, Hintergrundgeräusche werden kursiv in
Klammern an der Stelle im Text wiedergegeben, an der sie beim Abhören des
Tonbandes auftreten.
Anlagen
148
Setting: Das Kinderparlament findet im Lehrerzimmer der Grundschule Harmonie statt. Die jeweiligen VertreterInnen der neun Klassen (anfänglich fehlen die Kichererbsen) sind anwesend. Der Schulleiter Walter Hövel ist als Kids-Manager anwesend und führt außerdem Protokoll.(…)
S: Die letzte Sitzung wurde geleitet von Herrn Doktor Lennart. Herr Lennart, ich frage sie hiermit, „welche Dame beauftragen sie mit der Leitung der heutigen Sitzung?“
K: Juliane.
S: Juliane. Juliane, warst du schon sehr oft Leitung?
L: Nein. 5
S: Dann macht Juliane Leitung.
L: (lacht). Ja, Herr Walter, das finde ich auch sehr toll. (Kinder reden im Hintergrund).
S: Juliane, leg los.
L: Okay, sind die Phönixe da
K (mehrere): Ja. 10
L: Kichererbsen?
K: Nein.
S: Ups!
K: Ich hol sie.
L: Die Blümchen? 15
K: Ja.
L: Die // Delphine? /// Nein. Die Eichhörnchen?
K: Eichhörnchen?
K: Ja.
L: Die Mondscheindrachen? 20
K (mehrere): Ja.
L: Die, ja, die //, der gewisse Herr Walter?
S: Ja. Die Genies fehlen hier.
L: Der, äh, die Genies?
K: Ja. Was, ich bin die Einzige. 25 L: Die Fledermäuse?
K: Ja.
L: Waren das alle?
K: Nein. Ja.
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K: Phönixe? Nein. 30
L: Oh, die Phönixe?
K: Ja. Wir waren die ersten.
S: Du hast alle.
L: Also, hat jemand etwas Wichtiges zu sagen? Irgendwas zu sagen? Ich nehme mich mal kurz selbst dran. Wir haben ja, ähm, drei Tage lang den „Verbotenen Wald“ aufgeräumt, ne. 35 Und der ist jetzt schon wieder total verwüstet. Und ich weiß nicht, ob ich das jetzt auf der Schulversammlung sagen soll, dass wir das alle nicht ganz so in Ordnung finden. //. Kristine? (nimmt Kind dran)
K: Vielleicht waren das die Kinder dieser Schule nicht, vielleicht waren das Jugendliche.
L: Einen habe ich schon erwischt. 40
K: Echt?
L: Hm.
K: Cool. //.
L: Achja und da lagen heute früh auch zwei „Magische Baumhaus-Bücher“.
K: Hä? 45
L: Die lagen da einfach offen herum. Ähm.
K: Wer macht denn schon so etwas?
L: Hat noch jemand etwas dazu zu sagen?
S: Also du sagst dazu etwas auf der Schulversammlung? L: Ja, ich glaube, ich sag das auf der Schulversammlung. 50 S: Dann frag, ob da jemand etwas dagegen hat. L: Hat da jemand etwas dagegen? K: Nö. S: Nein. K: Nein. 55 L: Kristine? (nimmt Kind dran) K: Könnten wir das dort beide sagen? L: Von mir aus. K: okay. L: Weiß eh noch nicht so die richtigen Worte, wie ich das ausdrücken soll. 60 K: Ich weiß es auch noch nicht. L: Also, hat jemand noch etwas Wichtiges zu sagen? // Hat jemand noch etwas Wichtiges zu sagen?
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K: Ja, da hinten in der Ecke. L: Julia. (nimmt Kind dran) 65 K: Ähm, die Kichererbsen wollen nicht kommen. /// L: Okay. Zum Mitschreiben, die Kichererbsen wollen nicht kommen. // Ähm… K: Warum wollen die Kirchererbsen nicht kommen? L: Ja, warum? K: Weil sie sagen, andere wären da und sie wären nicht da und sie wollen jetzt in die 70 Vertretung. K: Da kommt doch eine Kichererbse. L: Da kommt eine kichernde Erbse. //. Also, hat jetzt jemand anderes, der jetzt gerade neu gekommen ist, etwas Wichtiges zu sagen? //. Julia. (nimmt Kind dran) K: Äh, ich sollte von meiner Klasse, ähm, ausrichten, dass wir viel zu viel, äh, also Sachen in 75 der Schule haben, sodass wir gar nicht mehr zu unserer eigenen Arbeit kommen. ///. Walter. (nimmt Schulleiter dran) S: Beschreib für die Anderen, was du damit meinst. K: Das so viele Sachen sind wie U-Besuche oder ähm, Vorlesungen und halt so Angebote und ähm das sind viel zu viele. 80 L: Kristine. (nimmt Kind dran) K: ich finde das nicht so viel. Es gibt Vorlesungen, es gibt Chor, es gibt auch Adam Riese und Schwimmen. L: Ich nehme mich selbst dran. Ich finde eigentlich auch, ich komme gut zur Arbeit. Für mich ist das auch eigentlich, finde ich, auch ziemlich richtig, so wie es jetzt ist. //. Also ich habe da 85 kein Problem mit. Ich mache jedes Mal so einmal Geschichte, einmal das und das und einmal das und das. Also ich teile mir das so regelrecht auf. (Husten im Hintergrund). Ähm, Jette. (nimmt Kind dran) K: Ja, dann müssen die Kinder aus deiner Klasse aufpassen, dass sie nicht überall hingehen, sondern auch an die Arbeit kommen. //. Weil wir alle kommen ja eigentlich richtig gut klar 90 mit den Angeboten und den Vorlesungen. L: Ja, Kristine. (nimmt Kind dran) K: Man lernt ja auch bei den Sachen Vieles, vielleicht finden das manche Kinder ja viel, aber manchen finden das auch weniger viel oder ganz normal so viel. //. L: Hat noch jemand etwas dazu zu sagen? Walter. (nimmt Schulleiter dran) 95 S: Würde mich ja schon interessieren, wie das insgesamt ist. Sollen wir mal eben nachgucken, ja, wie das bei den anderen Kindern ist?
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L: Also, wie ist es bei den Mondscheindrachen? K: Ich finde, das geht eigentlich. L: Lennart. (nimmt Kind dran) 100 K: Also ich geh fast nie zum Thema. Ich komme auch mit allem klar. //. L: Okay, ähm, Walter. (nimmt Schulleiter dran) S: Du machst gleich mit den anderen Klassen weiter, aber ich frag die Mondscheindrachen eben etwas. Könnte es sein, dass die Mondscheindrachen zu wenig zu den Angeboten gehen?
L: Nö. 105 S: Das es da genau umgekehrt ist? Oder habt ihr den Eindruck, es gehen welche zu Adam Riese, es gehen welche in die Vorlesung, es gehen welche zu den Angeboten von den Studenten, zu Lehramtsanwärtern. K: Vielleicht gehen ja, ähm, bei den Blumen zu der Vorlesung und zum Schwimmen, zu dem Adam Riese immer die Gleichen. 110 S: Dann frag mal weiter die Klassen ab, wie die Stimmung ist. L: Ich nehme mich mal ganz kurz selbst dran. Ähm, wenn es jetzt so Angebote gibt oder so etwas ähnliches, wie jetzt die Jasmin gemacht hat, das mit dem Tanzen, ne, und wenn es dies dann öfters gibt, dann sag ich auch, weißt du was, jetzt ist auch mal wieder Mathe dran oder Deutsch. Das sag ich mir so. Ich mache mir so einen eigentlich durcheinander Wochenplan. 115 Aber es kommt immer dasselbe dabei heraus. Okay. Wie ist es bei den Kichererbsen? K: Also ich finde es nicht zu viel. K: Ich auch nicht. L: Wie finden es die (Finn unterbricht). K: Ähm. 120 L: Finn. (nimmt Kind dran) K: Ich finde, wir könnten das mal in den Klassen fragen und dann nächste Woche nochmal, ähm, ansprechen und dann könnten die Kinder das dann sagen, finde ich. Weil wir können jetzt ja nur über uns sprechen, wir haben ja nicht das Gehirn von den Anderen. //. L: Das stimmt allerdings. Aber ich mache einfach mal weiter, vielleicht kommt ja trotzdem 125 noch irgendein Grund heraus. Ähm, wie finden das die Phönixe? K: Ganz okay. K: Also ich finde es an sich sehr gut. Ich finde, die Phönixe beschweren sich auch nicht darüber, die freuen sich, wenn ein Antrag kommt. K: Also da haben wir auch immer die ganze Klasse, die sich meldet. Das sind für uns 130 eigentlich fast schon zu wenige Angebote.
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L: Kristine. (nimmt Kind dran) K: Also ich finde das gar nicht so schlecht mit den Angeboten. So viele sind es jetzt auch nicht. L: Daniela. (nimmt Kind dran) 135 K: Wir finden es nicht schlecht, wir finden es gut. L: Okay, ähm, die Eichhörnchen. K: Hier. Also, bei uns ist das eigentlich ganz normal, wir finden das nicht zu viel und auch nicht zu wenig. L: Und die Blumen? 140 K: Sag du auch mal etwas. K: Bei uns ist das eher nicht okay, weil da gehen fast keine schwimmen und so. ///. L: Julia. (nimmt Kind dran) K: Ähm, also ich finde es auch zu viel, weil wir kommen gar nicht mehr zur Bildervorstellung oder so, weil immer irgendwas ist: Rechtschreibung oder VERA //. 145 L: Ach, ich nehme mich selbst dran. Rechtschreibung und so ist ja jetzt auch irgendwann mal vorbei. Also das sind jetzt noch ein paar Mal und dann ist Schluss. Außerdem lernst du bei der Rechtschreibung auch was, zum Beispiel beim Diktat. Kristine. (nimmt Kind dran) K: Wieso findet denn eigentlich deine Klasse die Angebote in der Woche zu viel? L: Walter. (nimmt Schulleiter dran) 150 S: Also ich wollte genau das nächste nochmal nachfragen. Weil ich glaube, dass ihr ein anderes Problem habt. Aber ich habe es noch nicht raus. Weil es ist ja wirklich so, dass sieben Klassen sagen, „nö, für uns stimmt das so einigermaßen“. Aber ihr habt ja wirklich Stress. Also ihr müsst irgendein Problem haben, was ich auch gerne herausbekommen würde. Ihr könnt ja nicht die einzige Klasse sein, die da vollkommen anderer Meinung ist. Äh, ihr 155 könntet das, aber äh, irgendwas stimmt ja nicht. Weil ihr habt ja wirklich Stress. Wo kommt der her? Hat die Annette den Stress? K: Die sagt, wir sollten das mal im Kinderparlament äh sagen, weil wir zu manchen Sachen nicht kommen wie zu Musik in unserer Klasse. S: Und warum sagt sie uns das nicht selbst, warum schickt sie Kinder vor? Und tut noch so, 160 als wenn das ein Kinderproblem wäre. //. Bist du denn wirklich der Meinung oder bist du nur nett zu deiner Lehrerin und für deine Lehrerin? K: Ich find es schon auch ein bisschen viel, aber es geht eigentlich. S: Ich schlage vor, dass wir dem Kinderparlament vorschlagen, äh, dass wir dir vorschlagen, dass du der Annette berichtest, dass im Kinderparlament dem eigentlich niemand gefolgt ist 165
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und alle sagen, „das stimmt so einigermaßen, was wir halten“. Da muss sie drüber nachdenken. K: okay. L: Joa, da muss sie drüber nachdenken. Ähm, hat noch irgendjemand was zu sagen, wenn er etwas zu sagen hat? //. Jannis. (nimmt Kind dran) 170 K: Die Phönixe kriegen oft mehr, äh, weniger Essen als die Anderen. K: Dieses Thema hatten wir letztes (S unterbricht ihn). S: Noch nie! G: In der Klasse, ne. L: Ja, in der Klasse hatten wir das. Ich weiß glaube ich den Grund. Es liegt daran, wir haben 175 ja mehrere Klassen, ne. Es wird zwar aufgeteilt, es gibt zwar zwei Wagen, aber ein Wagen hat eben mehr Klassen. Und dadurch kommt immer erst der Kunstraum dran, die kriegen dann schon was, relativ viel. Dann kommen die Delfine, dann die Blumen. (Walter Hövels Handy klingelt). S: Das bin ich. Das ist mein Sohn Julius, der (Leiterin unterbricht Walter Hövel). 180 L: dann kommt irgendjemand anderes. Auf jeden Fall kommen dann die, ähm, // (Walter Hövels Handy klingelt weiterhin). S: Oh. L: Du bringst mich durcheinander Handy. S: Du bringst das ganze Kinderparlament durcheinander. Du hupst hier herum. 185 (Kinder lachen) S: Das stört alle. L: Dann kommen die Phönixe. S: (Nimmt den Anruf entgegen). Hallo? L: Okay, sind wir jetzt erstmal leise. 190
K: Ich möchte was sagen, weil die Phönixe sind…
L: Psst. (Leiterin unterbricht das Kind, da der Schulleiter telefoniert)
(…)
L: Okay, also und die Phönixe kommen eben als letztes dran und dann ist eben kaum noch
Essen im Wagen. Jeder kriegt ja zweimal was und dadurch kriegen die Phönixe immer das 195
Wenigste. Weil wenn die immer als letztes drankommen, dann ist das ein bisschen blöd.
K: Dann sollte man immer bei den Phönixen anfangen.
L: Stimmt. Aber dann hätten die anderen Klassen nichts oder sie würden einfach den anderen Kindern, die als erstes dran sind, ein bisschen weniger geben, dann hätte man das aufgeteilt.
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L: // Kristine. (nimmt Kind dran) 200
K: Dann sollte jeder nur einen Teller nehmen und nicht zwei.
L: Ja, aber dann werden die Kinder ja wieder nicht satt.
K: Müssen die doch gar nicht.
L: Ja doch denn man kriegt ja zuhause nichts mehr. Okay, ähm, Jannis (nimmt wieder Kind
dran). 205
K: Ähm einmal waren die bei uns als erstes, aber beim zweiten Mal kriegen wir oft nur die
Reste davon. Aber ich möchte noch was sagen, man muss auch darauf achten, wie viel man
nimmt, weil die anderen die dann als letzte dran sind und die dann zuviel genommen haben
und dann nicht aufessen dann sollten die wirklich schon einschätzen, wie viel die essen.
L: Ja ähm ich nehme mich nochmal kurz selbst dran. Aber wie kann das gehen? Mal essen die 210 Kinder mal mehr und mal weniger, mal bleibt viel Rest übrig und mal nicht.
K: Ja, aber … (wird unterbrochen von der Leiterin)
L: Du kannst es aber einfach nicht einschätzen. Wie sollen die das denn einschätzen? Jeden
Tag fragen, „wie viel Kinder essen mit, wer hat großen Hunger?“ Okay, ähm // ach Michael. (nimmt wieder ein Kind dran) 215
K: Aber wir als Kichererbsen beobachten etwas ganz anderes, wir sind nämlich die Letzten.
Weil die Phönixe haben mal gesagt, dass sie früher drankommen wollen und dann sehen wir nämlich den Wagen immer vorbeifahren und die gehen dann immer zu den Phönixen und dann erst zu uns.
L: Hä? 220
K: Ja.
L: Ach so Kichererbsen. Die kriegen jetzt also das wenigste Essen.
K: Ne, wir kriegen nicht das wenigste Essen, das verstehe ich auch nicht. Also ich weiß es
zumindest nicht.
L: Jette. (nimmt Kind dran) 225
K: Das war jetzt erst zweimal, dass wir uns richtig beschwert haben, dass wir das kalte Essen bekommen und das Wenigste, dass wir zweimal vor den Kichererbsen waren.
L: Auch nur zweimal?// Jannis. (nimmt Kind dran)
K: Viele essen schnell den Teller auf, dass sie dann noch etwas kriegen.
K: Oh blöd. 230
K: Dann kommt der Essenswagen nicht weiter.
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S: Also ich muss das jetzt genau wissen, also falls das so ist, dass es zu wenig zu Essen gibt und das Essen kalt ist, muss das sofort verändert werden. Weil es überhaupt kein Problem ist, mehr Essen zu kochen. Von daher muss ich wissen, ob du (Jette) das so empfindest, ob das
dein Problem ist oder ob das wirklich so ist. Wenn es so ist, müssen wir es sofort ändern. Ein, 235 zwei Kinder in die Küche schicken, als Delegation und die müssen mit Tanja und Marte sofort reden. Aber erst müssen wir wissen, ob das stimmt. Wenn ihr in die Küche geht und Marte sagt dann, das stimmt überhaupt nicht, wir schmeißen danach Essen weg, dann wäre das aber genau die Antwort die wir nicht brauchen könnten. Also sagt mir, ob es so ist, wie das hier dargestellt wird. 240
L: Jette. (nimmt Kind dran)
K: Es ist so. Wir Phönixe ähm kriegen immer die Reste und da reicht es für manche überhaupt nicht. Man bezahlt soviel Geld und kriegt dann nur wenig.
L: Ich nehme mich mal ganz kurz selbst dran. Das mit dem „alle essen schnell den Teller auf“, das stimmt nicht. 245
K: Aber manche.
L: Ne.
K: Doch.
L: Aber ich sehe das nie. Wir sind ja direkt gegenüber und fast gegenüber von den Blumen
und von den Delfinen äh von denen aus dem Kunstraum. Die essen nicht schnell ihren Teller 250 auf. Der Wagen bleibt nie stehen, der braucht genauso lange wie bei uns. Niemand ist so schnell einen Teller auf, weil wir die Ordnung haben, dass jeder wartet bis der andere, bis alle etwas haben und deswegen kann man so schnell nicht seinen Teller aufessen. Walter. (nimmt Schulleiter dran)
S: So jetzt kommt ein Problem, was vorherige Woche auch bei der Fußballversammlung war. 255 Ihr könnt total gut darstellen, was das Problem ist. Das ist jetzt klar.
K: (unterbricht Schulleiter) Nur man hat keine Lösung.
S: Genau das. Woher weißt du das?
K: Ich war auch bei der Fußballvollversammlung (lacht).
S: Ja, ist genau das gleiche Problem. Das heißt die Versammlungsleitung, egal, wer es gerade 260 ist, muss jetzt sagen, „Stopp mit Diskussionen, wir haben das Problem, es gibt wirklich zu wenig zu essen. Wie geht jetzt die Lösung?“ Und jetzt musst du nur noch zur Lösung diskutieren lassen Juliane (Leiterin) und dann darüber abstimmen, welche Lösungswege ihr geht. Könntet ihr das jetzt einmal machen? Das gilt übrigens nochmal nicht nur für das Essen, sondern das passiert auch in vielen Klassenräten so. 265
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L: Okay, hat irgendjemand eine Lösung für dieses Problem?
S: Welche Lösungen gibt es?
L: Ja, welche Lösungen gibt es? Wenn es denn eine gibt. Jette. (nimmt Kind dran)
K: Das wir in die Küche gehen und sagen, „Wir brauchen für den Flur mit den fünf Gruppen, also Klassen, mehr Essen als auf dem anderen Flur. Da sind nur drei Klassen und da sollen sie 270 bei uns etwas mehr besorgen.
L: Ich nehme mich mal kurz selbst dran, aber ähm Tanja und Marte werfen auch oft was weg. Deswegen. Walter. (nimmt Schulleiter dran)
S: Du tust jetzt genau das andere, um das es nicht geht. Du sollst jetzt als Versammlungsleiterin dafür sorgen, dass es eine Lösung gibt. Du machst aber wie 275 Erwachsene das Superding aber, ja aber. Ja aber führt überhaupt nicht zur Lösung. Ja aber führt nur zu, „wir schwätzen weiter und es passiert eh nichts“. Benimm dich also nicht wie ein Erwachsener, sondern wie eine Versammlungsleiterin. Der Vorschlag von Jette war, „es gehen welche in die Küche und sagen, dass es zu wenig zu essen gibt“. Dräng jetzt weiter auf die Lösung, ob das die einzige Lösung ist, ob es eine andere gibt und wenn es die einzige ist, 280 wie die Lösung gemacht wird. Okay?
L: Ja. Gibt es noch andere Lösungen? Ähm Lennart. (nimmt Kind dran)
K: Wir können doch dasselbe machen wie beim Fußball. Wir machen eine Essensversammlung, für die, die zu wenig Essen bekommen.
L: Ähm Jannis. (nimmt Kind dran) 285
K: Ja ähm ich wollte, vielleicht könnte man das so machen, dass der andere Flur noch einen Essenswagen bekommt.
L: Ich nehme mich mal kurz selbst dran. Ähm wir könnten, stimmt, noch ein Essenswagen wäre nicht schlecht. Das wir es so ein bisschen überkreuz machen. Hätte jeder gleich viel Essen. Okay. 290
K: Was bedeutet überkreuz?
L: Das der eine von oben kommt und der andere von unten.
S: Denke daran, dass du eine Lösung haben willst. Du hast jetzt schon drei Vorschläge, hast du jetzt noch alle drei im Kopf?
L: Ja. 295
S: Frag, ob es noch einen gibt und dann gehst du gleich in die Abstimmung rein und dann siehst du welche Vorschläge angenommen werden. Okay?
L: Ja.
S: Frag, ob es noch welche gibt.
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L: Hat jemand noch Vorschläge. 300
K (mehrere): Nö.
S: Okay, dann müssen drei Sachen abgestimmt werden.
L: Gut. Ne, vier, Jettes Vorschlag.
S: Ich habe in die Küche gehen, um zu sagen, dass es mehr Essen geben muss, dass es eine Essensversammlung geben soll und dass noch ein Essenswagen angeschafft werden soll. 305
K: Da ist noch eine Köchin.
S: Der Vorschlag ist nicht gekommen, die Köchin reinzuholen.
K: Oh.
S: Ne, der ist einfach nicht gekommen.
L: Jette. (nimmt Kind dran) 310
K: Die Köchin reinzuholen.
S: Wie bist du denn jetzt darauf gekommen? (alle lachen)
K: Abstimmung!
L: Also… (wird vom Schulleiter unterbrochen)
S: Reicht euch das schon oder müsst ihr da nochmal drüber reden, über die einzelnen 315
Vorschläge? Wisst ihr schon, was das Beste wäre für euch?
K: Zuerst die Köchin holen (lacht), dann sind direkt alle Kinder dabei und dann müssen gar nicht so zwei oder drei Kinder direkt reingehen.
S: Dann sage ich zu einem Vorschlag was. Ich hätte mich sonst raus gehalten.
L: Walter (nimmt Schuleiter dran). 320
S: Ähm holt die Köchin nicht rein, die ist beleidigt. Es ist besser, zu ihr zu gehen und mit ihr zu reden.
K: Da mach ich mit (lacht).
S: Weil ich denke, die versteht das erst miss. Die meint, das wäre ein Vorwurf und das ist überhaupt kein Vorwurf, sondern es muss einfach mehr gekocht werden, das ist alles. Und das 325 kapiert die so und so sofort. Aber wenn die reingeholt wird und muss sich hier hinsetzen, findet die das komisch. Holt sie nicht rein.
L: Ähm. //Also, Abstimmung. Wer ist dafür, dass wir eine Essensversammlung machen mit den Kindern, die nicht satt werden?
S: Drei Stimmen dafür, weiter. 330
L: Wer ist dafür, dass es noch einen Wagen mehr gibt und es wird überkreuzt gegangen im
Flur, wo nichts ist?
S: Zwölf dafür.
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L: Wer ist dafür, dass Kinder in die Küche gehen und mit denen reden und ganz klar sagen,
dass sie mehr Essen haben möchten? 335
K: Vier.
S: Vier nur?
K: Ja, vier.
L: Wer will, dass die Köchin reingeholt wird? (niemand meldet sich)
S: Okay (lacht). Und jetzt hat Jannis noch einen anderen Vorschlag. 340
K: Vielleicht wir könnten ja erstmal mit denen reden, dass es mehr Essen gibt und dann erst einen Essenswagen bestellen. Weil wenn man jetzt einen neuen Essenswagen kauft, dann muss man ja auch mehr kochen. Von daher…
L: Walter. (nimmt Schulleiter dran)
S: Also einen neuen Essenswagen gibt es auf jeden Fall. Jetzt müsst ihr nur noch ein bisschen 345 weiter denken, was der Jannis schon gedacht hat. Da die Kinder ja nicht da rein wollen. Ihr bräuchtet eigentlich nur zu sagen, „Herr Walter Hövel, kannst du das nicht Ihnen erklären, dass sie ein bisschen mehr kochen sollen?“
K: Genau, du!
S: Weil mir macht das auch nichts. Ich erzähle denen das gerne. 350
K: Weil wir kriegen sonst Anschiss.
S: Also ihr musst in dem Fall nicht in die Küche, damit die das nicht als Anschiss
missverstehen, weil ich denen auf keinen Fall einen Anschiss gebe. Sondern ich gehe zu den rein und sag, „hey, das Kinderparlament hat beschlossen, es wird noch ein Essenswagen gekauft, ich finanzier das und lasst uns bitte das so machen, dass auch die letzten Kinder auf 355 jeden Fall genug zu Essen haben. Selbst wenn wir wissen, dass Essen weggeworfen wird. Es wird aber so wenig Essen bei uns weggeworfen, dass wir da im grünen Bereich sind. Wir werden also jetzt nicht das Doppelte kochen, sondern ein bisschen mehr als vorher. Da werde ich sie drum bitten. Wäre das für das Kinderparlament so okay?
L: Okay, ich nehme mich mal eben kurz selbst dran. Wer ist dafür, dass wir das so machen? 360
S: Stopp!
L: Kristine (nimmt Kind dran)
K: Kann ich mitkommen?
K: Gleich will das ganze Parlament mit.
L: Ähm ich möchte auch noch was sagen, es wäre eigentlich gar nicht so schlecht, wenn das 365 ganze Kinderparlament mitkommen würde (alle Kinder lachen). Nein, jetzt nicht das Ganze, aber jedenfalls ein paar Kinder die wollen.
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K: Au ja (lacht).
K: Aber dann nur zwei.
K: Och man. 370
L: Wieso?
K: Ein Mädchen und ein Junge.
S: Du und Kerstin.
L: Also, wer ist nun dafür das der Walter da mit den beiden hingeht?
S: Wie viele sind dafür? 375
L: 1,2,3,4,5,6,7,8 was ist das Jannis? 9,10,11.
S: Okay, es reicht. Die beiden Beschlüsse gelten, also neuer Essenswagen und ich gehe mit
den beiden rein und wir erklären das den Küchenfeen.
L: Also // hat noch jemand was zu sagen? Jette. (nimmt Kind dran)
K: Das nicht aufgeräumt wird, wenn man einen Raum verlässt. Ihr könnt unter den Tisch 380
gucken und allem. Selbst hier könnt ihr euch schon einen Einblick verpassen und das geht in anderen Räumen genauso zu. //
L: Ähm hat sonst noch jemand was zu sagen?
K: Ja, Donnerstag nach Englisch lagen hier überall Mäppchen auf dem Tisch und der Tisch
war vollgekrizelt. 385
L: Ja. Die Tische waren alle voll mit schwarz. Jette. (nimmt Kind dran)
K: Bei uns ähm werden auch Tische angekritzelt mit Farbe, die nicht mehr abgeht. Wir haben einen Tisch, der ist voll.
L: Ich nehme mich mal kurz selbst dran. Unser Tisch es war ähm ein Stift, der war nicht wasserlösbar, wir wissen aber immer noch nicht, wer es war. Wir haben aber auch noch einen 390 kleinen Tisch für Jano, weil der sonst abgelenkt wird, wenn er so mit ganz vielen anderen Kindern zusammen an einem Tisch sitzt.
K: Ja, weil der dann alle ärgert.
L: Jaja auch so. Und ähm, der war schwarz von oben bis unten. Ich weiß nicht, ob das jetzt
schon ab ist. 395
K: Das ist ab.
L: Okay, ähm hat noch jemand was dazu zu sagen? Jannis. (nimmt Kind dran)
K: Ich sag jetzt mal was richtig Fieses. Die ähm, auf jeden Fall ist es bei uns so, die Kinder
räumen auf, die Tische und so und die Sandra (Klassenlehrerin) hat einen total unordentlichen Tisch. 400
L: Okay Jette. (ruft Kind auf)
Anlagen
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K: Also, das gehört zu den Thema, wir hatten unsere Klassenkasse im Schrank...
S: (unterbricht das Kind) Achtung wir haben ein Problem, ich muss dazwischen gehen, denn wir sind über die Zeit. Die Buskinder müssen gehen. Ich finde das Thema total wichtig, können wir nächste Woche genau an dem Thema weitermachen. Erinnerst du mich? (Richtet 405 sich an das Kind, das er unterbrochen hat) Beendest du das hier? (Richtet sich an die Leiterin)
L: Ja. Damit ist die Sitzung beendet. (alle Kinder sprechen im Chor mit)
Eidesstattliche Erklärung
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Eidesstattliche Erklärung
Eidesstattliche Erklärung
Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich gemäß § 23 (9) AT –BPO meinen Beitrag zur vorliegenden Gruppenarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie die Zitate kenntlich gemacht habe; das gleiche gilt für die von den auf dem Titelblatt der Bachelorarbeit genannten Autorinnen gemeinsam verfassten Teile.
Ort, Datum Unterschrift
Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich gemäß § 23 (9) AT –BPO meinen Beitrag zur vorliegenden Gruppenarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie die Zitate kenntlich gemacht habe; das gleiche gilt für die von den auf dem Titelblatt der Bachelorarbeit genannten Autorinnen gemeinsam verfassten Teile.
Ort, Datum Unterschrift