Walter Hövel
Alleine nachts im Bett
30.12.1999 in St. Pölten
In letzter Zeit bekomme ich immer öfter von dir zu hören
wie scheiße doch alles ist diesem Deutschland
die Schulen hier, die Kinder
Du greifst mich immer öfter an
"Du hast keine Zeit für mich!"
Wie keine Freunde und Freudinnen da sind
wie stressig doch alles ist
wie schwierig es mit den Kindern ist
"Du verstehst mich nicht!"
"Du äffst mich nach"
Wozu mache ich das alles noch mit?
Zunehmend reagiere ich wie ein Roboter
Spülen, Geschirr wegräumen, kochen, Tisch decken, Kinder erziehen,
regeln, regeln. regeln
hinfahren. herfahren
Des öfteren wurde ich in letzter Zeit von dir angeschrieen
Ich höre des öfteren im Scherz mit etwas Ernst
dass ich es ja war, der dich und deine Kinder aus Wien geholt hat
Werde ich bald für Stimmungen, Krankheiten und sonstiges verantwortlich gemacht
Kein Wort sagtest du eben zu mir als ich zu Bett ging
nicht schnell genug kamst du zum Rauchen
ließt mich stehen mit dem Koffer, den Handschuhen und der Hose in der Hand
Ich bin jetzt 51 Jahre alt
bald 52
bis ich 78 bin
Ist das viel oder wenig Zeit?
Oder warum verbringe ich jetzt diese Minuten alleine?
Soll ich wieder runtergehen?
"Oh, was machst du denn hier"
oder eine andere Frage, oder keine Antwort oder mein Problem
Warum siehst du das Problem
Ich = Du machst das Problem
Oder gar kein Problem
wenn ich nicht wäre
und ein Infekt
und ich bin traurig
und sage es,
aber wieder mal keine Zeit
51, 52, 53, 54, 55, 56
alleine nachts im Bett
Michi geht durch das Zimmer
Kein Wort
Sie hat kein Wort zu sagen
Warum auch
Ich bin es der dafür sorgte
dass sie nicht in Wien lebt
dass sie nicht das zu essen bekommt was sie will
dass sie spülen muss
dass sie ihre Mutter anbrüllt
dass sie meinen Sohn Jakob ertragen muss
dass sie sich langweilt
dass sie nicht wirklich leben kann
weil sie nicht da ist wo sie leben will
Sie ist unglücklich
ihre Mutter ist unglücklich und wird krank
und warum gibt es mich?
Wozu strenge ich mich an?
Wenn es nur ein Stämmen gegen das Chaos ist
das so wie so kommt
"Ich verliere immer die Lust an Leuten, die ich zu lange kenne"
Warum bin ich so wenig Egoist?
Warum ziehe ich nicht einfach meine Dinge durch?
Stattdessen werde ich dick
Es ist wirklich so
dass man unglücklich werden kann.
Warum hatte (habe) ich den unverschämten Anspruch
glücklich bleiben zu wollen mit dir
Dummerweise reagiere ich auf die kleinste Bewegung deiner Gedanken und Gefühle
"Ich glaube du verstehst mich nicht"
Dummerweise leidet dann ein Teil von mir
In deinen Küssen verschwindet ein Teil meines Leids
Wirst du mich noch küssen
oder das Leid nicht in deinen Küssen verschwinden
Du sagst ich würde immer leiden, wenn du leidest
Jetzt kommst du mit geschäftsmäßigen Ton und Schritt rein
So will ich nicht - leiden