Walter Hövel
Das Meer schreibt mich
Die Stelle am Strand ist leer.
Das Wasser schwappt und rollt
Tönt wie gewöhnlich
Eine Möwe spaziert am Strand
Jura, heißt auf Lettisch Meer
Warum treibt es mich ans Meer?
Nur weil mein Urgroßvater mütterlicherseits ein Fischer war?
Sie lebten in Polen
Aber das Meer ist nicht blau
Eher olivgrün, grau, dunkel
Erst gegen den steigenden Horizont lässt sich ein tiefes dunkles Grau ausmachen.
Sand, feinster Sand, diese andere Faszination des Meeres.
Das Meer gibt ein Gefühl der Identifikation.
Als ob was von meinem Inneren auch in der Außenwelt existiert.
Ich muss an Stanislaw Lem denken.
Hier produzierte das Meer reale Scheinwesen.
Die sonst nur die fantasierende Erinnerung als vages Bild in unserem Inneren erahnen lässt.
Das Meer, ein sich immer bewegendes Wesen.
Ein Lebewesen des Lebewesen Erde, die im Meer der Gestirne schwimmt.
All dies schwimmt – beim Anblick des Meeres – in meinem Körper.
Unendlich groß und doch klein – das Meer.
Würde ich es immer so sehen,
Stünde mein Haus am Ufer.
Warum baue ich mein Haus nicht auf den Klippen, auf den Dünen, in den Kiefernwald.
Täte ich es wirklich, wenn ich es bezahlen könnte?
Faszination Meer
Spuren im Sand
Spuren im Verstand
Die Brandung
Schnell sterbend
Sofort wieder neu entstehend
An anderer Stelle
Doch am gleichen Ort
Immer wieder gleich
Doch nie die gleiche Gestalt
Das Geräusch ist eine Komposition
Leise werdend
Aufbrausend
Den Rhythmus ändern
Immer die gleiche Melodie
Mit verschiedenen Tönen, Stimmen und Farben
Es klingt rot
Dann gelb
Ich höre Weißes
Unbenennbare Farben
Ich muss nur die Augen schließen
Dieses Meer ist traurig
Seine Trauer schmerzt nicht
Es beruhigt
Lässt schwingen
Hin und her
Wie die Brandung
Die Seele gluckst hin und wieder
Sie öffnet sich
Wird vom Meer angezogen
Ohne darin zu versinken
Ich tanze mit den Wellen
Ohne mich zu bewegenden
Ich gehe auf dem Wasser
Meine Gedanken gleiten über Untiefen
Und die Gischt
Bis hin zum Horizont
I am an ocean child
John Lennon würde sich freuen
Jetzt ist doch mal ein Gedanke versunken
John Lennon war zu viel.
Ist doch ein anderes Thema.
Ich wechsele lieber zu Jonathan Livingstone Seagull
Und höre den Schrei der Möwe
Es ist verrückt, was meine Hand schreibt
Wenn mein Gehirn sie lässt
Und das Meeresrauschen den Stift führt
Ich übergebe den Stift meinen Augen
Ich übergebe den Stift meiner Nase
Male Bilder in Gedanken