Stefan Schlockermann, interviewt von Walter Hövel
Auch Sachsen mach(t)en Eitorf
Stefan und seine Frau leben mit ihren zwei Töchtern in einem der vielen Orte von Eitorf. Seit über 20 Jahren arbeitet er für die gleiche Firma. Bei uns wohnt er seit dem Jahr 2000. Vorher war er schon 5 Jahre in Windeck-Werfen, also fast in Eitorf. Aufgewachsen ist er in der Ville zwischen Gruben und der Macht der Vergangenheit.
Er interessierte sich schon lange für Geschichte. Nie reichten ihm die eher trockenen Geschichtsstunden der Schule mit Daten und Jahreszahlen. Er wollte das Warum wissen. Begonnen hat das alles, als er als Kind alte Fotos fand. Er wollte von seinen Eltern wissen, wer das auf den Fotos war und was mit ihnen geschehen ist. Ihn faszinierten die Geschichten seiner Elterrn und wollte immer mehr erfahren. Er fragte sich warum Menschen das tun was sie tun. Er wusste immer, dass die Geschichte die Geschichten der Gewinner sind, womit er sich nie zufrieden gab. Er gab sich nie mit dem Gegebenen ab, ohne zu fragen wie er selbst etwas dazu stellen kann.
Er war immer ein Grübler, der nicht nur nach mehr Antworten suchte, sondern noch mehr Fragen hatte.
Er traf andere, die sich Fragen stellten. Sie kamen auf die Wikinger, die Spuren der Römer, die Franken und die Sachsen. Er kam auf das Mittelalter, erforschten Religionen, die eigenen Sprachen und stellten immer wieder die Frage nach dem heutigen Wieso.
Besonders das Leben und Denken der Sachsen, ihr Freiheitsbegriff oder die Weigerung der Unterordnung faszinierten ihn. Ihn interessierte deren Stimmrecht (nur für erwachsene Männer), den Verlust desgleichen, die Sklavenformen, gesellschaftlichen Grade oder die Gesetzgebung. Er befasste sich mit Frisuren und Kleidung. Warum waren die Bauern freie sächsische Landbesitzer.?
„Germanen“ waren sehr reinliche Leute. Sie badeten in Flüssen, erfanden die Seife, benutzten Kämme, Fingersäuberer, Ohrreiniger und trugen diese Dinge immer in Etuis mit sich. Sicherlich wurde in Eitorf mancher Siefen und die Sieg zum Baden benutzt. Viele germanische Stämme orientierten an der römischen Kultur, während die Sachsen diese ablehnten und römische Städte verfallen ließen.
Die Franken, seit Chlodwigs Christen Herrschende in Eitorf, lehnten sich eher an die römische Kultlur und das Christentum an. Die sächsischen Stämme blieben länger ihrem Freiheitsgedanken und der alten Religion treu. Doch Sachsen und Franken verstanden sich, weil sie eine ähnliche Sprache – nur durch Dialekte zu unterscheiden – sprachen. Sie verstanden „Briten“ eher als Hessen oder Bayern. Auch hier war Eitorf immer „Grenz- und Begegnungsland“.
Orte und Namen, die auf „-hausen“ enden, sind in der Regel sächsischen Ursprungs, dagegen solche auf „-ingen“ fränkischen. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich in den verschiedenen Sprachen verschiedene Wörter heraus. Das Wort „Motte“ für das eigene Haus, das später durch Wände und Mauern geschützt wurde, verschwand in unserer Sprache. Es kehrte aber als „mota“ in das Kalabrisch/Italienische oder als „en mingem mott“ ins Rheinische ein.
Das Wort „Windauge“ für den glaslosen Rauchabzug in der Hauswand wurde im Englichen das Wort „window“. Die deutsche Hochsprache übernahm - wie andere europäische Sprachen (,und vielleicht sogar das Türkische mit „pencere“,) - das lateinische Wort „fenestram“. Es ist unser heutiges Wort „Fenster“. Die Buchstaben “w“(das doppelte u), das „u“ selbst, das „v“ und das „f“ sind nicht nur in europäischen Sprachen sehr verwandt.
Er fand viel über ihr Leben vor allem in Westfalen, dem Sauerland, Niedersachsen, bei den britischen Angelsachsen, heraus. Er befasste sich mit dem Leben der Franken, die unserer Gebiet besiedelten, beherrschten und prägten.
„Karl der Große“ wird heute auch noch der „Sachsenschlächter“ genannrt. Seine Vorgehensweise war vor mehr als 1000 Jahren sogar der Kirche zu viel, obwohl die eigene nicht zimperlich war. Als „nette Form“ war die Zwangsumsiedlungen an der Tagesordnung.
Eitorf erschien mir auch hier wie „der Ort der Begegnung“, wo germanische, keltische und später römische Lebensweisen und Sprachen immer aufeinander stießen. Religionen der Katholiken, der Reformierten, der Lutherischen und heute des Islamischen treffen hier Jahrhunderte später zusammen. Fortschrittliches Verändern der Römer oder Franzosen stießen mit konservativem Beibehaltenwollen auf einander. Stadt und Land waren immer ein Gegensatz. Eitorf, der Grenzort, war immer ein Limes und Schmelztigel zugleich. Hier wird Neues und Altes immer wieder erprobt.
So wollte Stefan immer mit jungen Menschen erproben, was er selber herausfand.
Eine Zeitlang zeigte er sich bei Mittelalterveranstaltungen, auch im Freilichtmuseum „Archor“ in den Niederlanden, interessierten Besuchern sein Handwerk. Er machte Vorführungen und Ausstellungen an Kitas und Schulen in Hennef und Eitorf. Er wollte immer selber Dinge „wie früher“ machen. Er wollte mit anderen Altes – und Neues – erforschen. Ein anderes Mal sorgte seine Gruppe dafür, dasss Kinder einer Eitorfer Grundschule in „Wikingerzelten“ draußen auf dem Schulgelände übernachteten.
Bilder Grundschule Harmonie
Selber baute er Essen aus Pferdemist, Lehm, Stroh und Wasser. Er baute selbst Blasebälge um Temperaturen um die 1000 Grad zu erreichen
Er formte Schwert- und Messergriffe, machte Schnallen und Schilder. Er bastelte Fruchtbarkeitsanhänger aus Gebein. Er schnitzte mit Holz und Geweih. Er erfand - aus Büchern nachempfunden - Einsätze für Öfen, in denen er - auch mit Kindern alte Emaliertechniken - zum Beispiel für Fibeln, also Gewandverschlüsse, - baute und erprobte.
Es ist nicht nur das Erlernen und Begegnen mit alten Techniken. Es ist die Begegnung mit diesen geschichtlich denkenden Menschen, für jung und alt. Es ist das Spüren der eigenen, unzähligen diversen Wurzeln und Einflüssen.
Bilder (zur Auswahl) von selbst gemachten Dingen: 1 Schild 2 Kleidung 3 Broschen 4 Schwert 5 Messer 6 Fruchrbarkeitsanhänger 7 Speer 8 Fingerrsäuberer