Walter Hövel
Inklusion ‐ eine Grundhaltung des christlichen Menschenbilds?
CDU
„... und Inklusion ist eine Frage der Grundhaltung aller Menschen“, so begann und endete nach anderthalb Stunden Gespräch die Bundestagsabgeordnete Lisa Winkelmeier-Becker.
Der Arbeitskreis Inklusion hatte zum zweiten „Gespräch über Inklusion“ eingeladen. In der Bibliothek der Grundschule Eitorf begrüßten die acht anwesenden Mitglieder des Arbeitskreises mit Lisa Winkelmeier-Becker, Mitglied des deutschen Bundestages, den Vorsitzenden der CDU Eitorf, Andreas Finke, den Fraktionsvorsitzenden Andreas Sontag, weitere vier Vorstandsmitglieder aus Eitorf. Bürgermeister Dr. Storch hieß als Schulträger alle willkommen.
Den Gästen wurde die bisher zweijährige Geschichte des Arbeitskreises als eine „niederschwellige“ Arbeit von Menschen nachvollziehbar vorgestellt. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Gedanken der Inklusion zu verbreiten. Es gelang ihnen davon zu überzeugen, dass Aktivität und Engagement der Arbeitskreismitglieder auch etwas mit Spaß und einem etwas anderen Verständnis von „Politik“ als „eigenes Erleben“ zu tun haben.
Sie erzählten den Gästen viele Beispiele aus der täglichen Arbeit in Eitorf. Sie stimmten kein „übliches Klagelied“ an, sondern berichteten von Menschen. Von Menschen in Werkstätten, in den Grundschulen Eitorf und Harmonie, in der Arbeitslosigkeit, von Menschen mit psychischen Problemen. Von den Erfahrungen freier Träger in der Jugendhilfe, von Begabten und den vielfältigen Wünschen und Bedürfnissen junger oder alter Menschen vom Kindergarten bis in die Berufe oder den Ruhestand.
Auch von Mitbürgern, deren Vorfahren vor mehr als 50 Jahren aus der Türkei kamen oder vor 600 Jahren als Sinti und Roma einwanderten, war die Rede. Und die Politikerinnen und Politiker machten keinen Wahlkampf, sondern hörten voller Aufmerksamkeit und beeindruckt zu.
Es gab keine kontroverse Diskussionen über ein Ja oder Nein der Inklusion. Niemand erörterte, Inklusion an Finanzen, Vorschriften oder Zuständigkeiten scheitern zu lassen. Es ging um das „Wie“ und das Ziel als „Menschen dafür zu sorgen, dass alle Menschen als Menschen leben können“.
„Es geht nicht darum, immer mehr Defizite bei Menschen herauszufinden, sondern die Fähigkeiten und Kompetenzen jedes einzelnen Menschen sehen zu lernen.“, sagte ein Teilnehmer. Eine andere Teilnehmerin fuhr fort: „Jeder hat Stärken, die es gilt individuell zu fördern. Wir schauen nicht nach den Schwächen, sondern nach den Stärken. Dieser Satz gilt sowohl für die Schulen als auch für die Behindertenwerkstatt als auch für die Ein-Euro-Jobber und, bestimmt auch in vielen anderen Bereichen.“
Einig waren sich alle, dass die Mittel für alle dort gebündelt werden müssen, wo sie gebraucht werden und nicht auf so viele Träger und Behörden, wie heute üblich, verteilt sein dürfen.
Bei unseren Nachbarn, z.B. im Kanton Basel, wird dies bereits gelebt: Die Gelder gehen direkt an die Schulen und dort wird - unter Einbeziehung aller Fachmenschen - entschieden, wer wie gefördert werden kann.
Auch war allen klar, dass die von unserer Regierung international eingegangene Verpflichtung zur Inklusion von unten anfangen muss. Inklusion ist keine Kampagne und kein „Projekt“. Inklusion ist ein zu verwirklichender Alltag. Und das braucht nicht nur Geld, sondern zu allererst Menschen, die sie, wie Demokratie und Menschenrechte, jeden Tag verwirklichen und mit Leben füllen.
Die Mitglieder des „Arbeitskreises Inklusion“ luden die CDU ein, die Inklusionsarbeit in Eitorf durch Mitwirkende aus ihren Reihen zu verstärken. Diese Einladung gilt natürlich allen Organisationen, Vereinen und Menschen, die in Eitorf leben und arbeiten.
Andreas Finke, der Vorsitzende der CDU Eitorf betonte zum Schluss: „Nicht Menschen sind behindert, sondern Strukturen der Gesellschaft behindern Menschen. Wenn wir diesen Blickwechsel einnehmen, lernen wir aus den Ansätzen der Inklusion, eine wirklich menschenwürdige Gesellschaft zu gestalten.“
Frau Winkelmeier-Becker formulierte in ihrem Schlusswort: „ Ich werde einiges über Eitorf und ihre beeindruckenden Aktivitäten zu erzählen haben.
SPD
Von der SPD kamen im ersten Gespräch Vizelandrat Dietmar Tendler und die Inklusionsverantwortliche der Kreis-SPD Veronika Herchenbach-Herwig zu Gast. Martina Schneider, Leiterin des Schulamtes
der Gemeinde Eitorf, die Leiter der Grundschulen Eitorf und Harmonie, Walter Hövel und Boris Kocea, Lilli Selge von Mutabor und Ulli Schulte von der Grundschule Harmonie, als Gastgeberin, waren
die Gesprächspartner.
Die Politiker überraschten, weil sie nicht versuchten mit Allgemeinplätzen oder Statements aufzutreten, sondern sie tauschten sich mit Sachverstand und sehr entwickelten Inhalten mit den Gastgebern aus.
Einigkeit herrschte darin, dass es nicht um die Frage geht, ob es Inklusion geben soll oder nicht, sondern, dass es nur um das Wie der Umsetzung geht. Klar war auch, dass es nicht um behinderte und nicht-behinderte Menschen geht, sondern um uns alle und um jeden.
Auf beiden Seiten gab es viel Lob für die von der Gemeinde Eitorf umgesetzte Einrichtung von Schulsozialarbeiterstellen. Hier wird unter anderem deutlich, dass gerade ärmeren und oft „bildungsfernen“ Familien dabei geholfen werden kann. So kann mehr für ihre Kinder auf dem Weg des Lernens, in Leben und Beruf, getan werden kann.
Es wurde von allen betont, von anderen Ländern lernen zu wollen. Im Schweizer Kanton Basel werden alle Mittel für Inklusion vor Ort gebündelt. Dort zerreibt man sich nicht an komplizierten föderalen Vorgaben und an in verschiedenen Haushalten gebundenen Finanzen. Dort kann direkt vor Ort für Betroffene entschieden werden. Ebenfalls will Eitorf von den Südtirolern lernen, mit deren Universität in Bozen gerade ein europäisches Projekt vorbereitet wird. Dort kennt man die Inklusion seit über 40 Jahren.
Das Gespräch zeigte, dass Inklusion aktuell in vier Punkten eine Chance braucht.
• Sie darf nicht mit dem Argument der Geldknappheit der Gemeinden und den Problemen der Ressourcenverteilung zum Scheitern gebracht werden.
• Sie braucht nicht nur landesweit, sondern auch im Kreis einen gemeinsamen Plan, der alle Kräfte mitnimmt, die an diesem Prozess beteiligt sein müssen. •Sie braucht ein verbessertes modernes Bildungssystem, in dem Schulen befähigt werden, den Ansprüchen aller Eltern und Kinder gerecht zu werden.
In diesem Prozess könnten dann auch bisherige Förderschulen zu „Schulen für Alle“ werden.
• Inklusion braucht Freiräume für die vielen engagierten Menschen in Ämtern, Initiativen und Ehrenämtern, die durch ihre Arbeit Inklusion schon hier und heute möglich machen.Und sie braucht eine positive Unterstützung in der Öffentlich-keit, durch die Medien und die Politik.
CDU, FDP, Grüne und SPD in Eitorf
Der Arbeitskreis Inklusion war Jahre später nochmals bei den Fraktionen von CDU und SPD, zudem bei Grünen und FDP. Zwei Mitarbeiter*innen aus den zwei zuerst genannten Parteien sahen wir je einmal in den über zehn Jahren unserer Existen bei einer unserer monatlichen Sitzungen. Unter kontinuierlicher - oder Arbeit für eine Sache - verstehen Parteien wohl etwas anderes. Auch Lernen im Allgemeinen oder von anderen scheint ein Fremdwort.