Walter Hövel
Kinder XX
Zeit – Zwang – Ziele – Zukunft - Zweifel
Zeit
„Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran
teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die
Zeit.“
Michael Ende
Leben wird in Zeiten eingeteilt, Kindergartenzeit, Schulzeit, Lehrzeit, Beziehungszeit, Berufszeit, Freizeit, Pensionärszeit, … Wer bestimmt, wann man etwas zu sagen hat?
Nur unsere Gehirne produzieren „Zeit“. Daher leben wir schon lange mit der Beschleunigung, die wir Menschen erfinden. Nur der Mensch kann wieder entschleunigen.
„Immer noch der Zeit voraus“ hieß der Titel eines Freinetbuchs 1996. Gilt das noch?
Lerne ich in der Schule Zeitmanagement von der 45-Minuten-Stunde zur Lernbürobearbeitung oder erhalte ich Zeit zum Lernen? Werde ich zum Zeitverkauf, zur Zeiteinhaltung und Zeitabrechnung erzogen?
Wir verkaufen unsere Arbeitskraft als Zeit. Die Schulzeit hieß schon immer so. Und wehe das Kind „vergeudet“ Lernzeit. Oder, ist sie deshalb umsonst?
Bis in die 1950er Jahre wurde für das Gymnasium noch bezahlt. Heute werden noch „private“ Ausbildungen, teilweise staatliche Studien, Kindergärten je nach Kinderzahl und Geldbeutel, Examensarbeiten von anderen geschrieben und „eigene“ Fort- und Weiterbildungen bezahlt. Entweder werden Kinder jetzt für ihre Arbeit im Schulzwang bezahlt oder jede Bildung wird „kostenfrei“ für ihre Nutzer.
Der anatolische Bauer gewann Zeit, wenn er einen Bus verpasste.
Vergangenheit das, wo wir bereits hingehen. Gegenwart, das Warten darauf, dass wir uns sehen. Die Zukunft die Ankunft bei uns selbst? Oder sitzen wir auf einer Insel und sind die Zeiten um uns herum?
Zeitlos
„Es gibt kein „Der Zeit voraus“. Wir wollen eine zeitlose
Pädagogik.
Ben Schreiner
Zeit und
Kind
„We are all human beings who suffer under the same
system in which people do not have time for each other anymore. So that is education for me: Not only teaching subjects, but teaching the importance of relationship, respect and
love“
Samuel Xavier, Student aus
Brasili
„…die Zeit in der der Erwachsene sich absichtslos dem Kind
widmet…“
Wilhelm Rotthaus
„Der Zwang, zehn Jahre lang, 32 Stunden in der Woche*, die Schule zu besuchen, ist die
größte Beschränkung persönlicher Freiheit, die ein demokratischer Rechtsstaat kennt.“
Rudolf
Ahlberg, schwedischer Pädagoge 1996
*Heute sind es oft schon über 40 Stunden
Kinder haben jedenfalls nicht die Zeitauffassung der Erwachsenen.
"Nur bemerkt es offenbar niemand, weil dieser Krieg nicht territorial, sondern
zeitlich geführt wird. Wir haben einen erbarmungslosen Krieg gegen unsere eigenen Kinder und Enkel, gegen die kommenden Generationen, entfesselt. Wir werden ihnen eine verwüstete Welt
hinterlassen, auf der das Leben für sie sehr schwer sein wird."
Michael Ende
Kinder leben und Denken in Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig. Sie denken nicht im zeitlichen Gegenwartskonstrukt von Erwachsenen.
Zeit zum Lernen
Gebt den Kindern ihre Zeit zum eigenen
Lernen, damit sie ihre Zeit nicht so verkaufen wie wir.
„Müsste ich nicht zur Schule gehen, hätte ich Zeit zum Lernen“
Marius, 4. Klasse
Zensuren
Die Tatsache, dass ein und die selbe Arbeit, egal in welchem Fach, wissenschaftlich nachgewiesen mit allen Zensuren von sehr gut bis ungenügend benotet wird und selbst
unterschiedlich bei gleichen Lehrern, beurteilt wird, wird einfach ignoriert. Lehrer*innen glauben, das individuell besser zu können. Und das müssen sie, weil sie das falsche System als gute
Lehrer*innen auszugleichen versuchen.
Ziele
„Freies Lernen ist willkürlich, beliebig, nicht
steuerbar oder planbar. Es ist ohne vorgegebenes Lernziel. Die Ziele finden sich in der Begegnung der Lernenden mit den Inhalten. Die freie Begegnung bestimmt den Moment der Zielfindung.“
Die 17 Global Goals der Agenda 2030 der UNO sind hervorragende Ziele für jede Schule! (Hier zu finden: http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/2030_agenda/17_ziele/index.html)
Keine Armut – Kein Hunger – Gesundheit und Wohlbefinden – Hochwertige Bildung – Gleichheit der Geschlechter – Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen – Bezahlbare und saubere Energie –
Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum – Industrie, Innovation und Infrastruktur – Weniger Ungleichheiten – Nachhaltige Städte und Gemeinden – Nachhaltige/r Konsum und Produktion –
Maßnahmen zum Klimaschutz – Leben unter Wasser – Leben an Land – Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen – Partnerschaften zur Erreichung der Ziele.
Zielvereinbarungen
„Zielvereinbarungen ähneln der Kunst,
mit der Gans einvernehmlich, kooperativ und gleichzeitig zielorientiert über den Weihnachtsbraten zu reden“
Roland Staroth
Zölibat
Noch in den 1950ern gabs den Zölibat für Lehrerinnen. Sie hießen deshalb
„Fräulein“
Günther Jauch
Zuhause
Firmen zwingen immer mehr Kinder ohne Zuhause und ohne Eltern
aufzuwachsen.
Zuhören
Lehrer*innen, bei denen es Spaß macht
zuzuhören, müssen die Klappe halten können, damit Kinder ohne sie lernen können.
Zukünftige Erwachsene
Kinder und Jugendliche sind nicht zukünftige Erwachsene, sondern leben
jetzt.
Zukunft
„Ich glaube, dass der Holocaust noch nicht beendet ist. Also in gewisser Weise war er mit dem Zweiten Weltkrieg beendet, aber er taucht immer wieder auf, in den verschiedensten Formen und Masken, an den unterschiedlichsten Orten."
Stanislaw Lem
„Ob wir wollen oder nicht – mit dem Thema
Bildung führen wir ein heimliches Selbstgespräch über unsere Zukunft und darüber wie wir leben wollen. Diese Gespräche sollten offen und öffentlich geführt werden.“
Archiv der Zukunft
Die einen entwickeln die Schule der Zukunft: Die anderen die Zukunft der Schule: Dabei geht es um Kinder, also Menschen.
„Das Kind verkörpert die Zukunft, auf die jedes politische Handeln bezogen sein
muss“
Peter Rehberg, deutsch-amerikanischer Wissenschaftler und Journalis
Zusammenhänge
Niemand bezahlt von Steuerüberschüssen Staatsschulden ab. Dadurch würde der Kapitalismus infrage
gestellt. Genauso wird Schule den Kindern nicht das Recht geben ihre Lehrinhalte selbst zu bestimmen. Dies stellt das System der staatlichen bürgerlichen Bildung infrage.
„Im Vergleich
zu Frauen mit geringem Einkommen leben Frauen mit hohem Einkommen 4,4 Jahre länger. Bei den Männern beträgt der Unterschied sogar 8,6
Jahre.“
Frank Plasberg
Zutrauen
Auf einer Konferenz der Leitungsmitglieder einer
Schule merkte ich, dass sie ihren „normalen“ Kolleg*innen wenig zutrauten. Eine ergriff also vorher schon Position für sie.
Die gleichen Leute trauten Grundschulkindern auch wenig zu. Aber niemand ergriff ihre Position.
Zuverlässigkeit
Gelebte Zuverlässigkeit, die Kinder
brauchen, wird Ritual. Rituale nicht zur Überprüfung von Zuverlässigkeit einführen.
Zuwendung
Konditionierung und Lernwille werden oft
verwechselt. Mittel der Konditionierung sind Zuwendung, Bestätigung, Noten oder Belohnungen. Mittel zur Stärkung des Lernwillens sind Zuwendung, Bestätigung, eigene Erfahrung und Erfolg.
Zwang
„Das Unglück der Menschheit liegt im Zwang von außen, mag er nun vom Papst kommen, vom
Staat, vom Lehrer oder von den Eltern. In seiner Ganzheit ist er Faschismus.“
Alexander Neill
Kindliche „Bösartigkeiten“, „Unwillen“, „Widerborstigkeiten“, „Frechheiten“, „Trotz“, Verträumtheit“, „Desinteresse“ und „Dummheit“ sind Reaktionen auf Erziehung und Zwang von Erwachsenen.
Wir zwingen unsere Kinder so zu werden wie wir erzogen wurden.
Der Zwang zum Lernen, Zwang zur Entwicklung und Zwang zur Belehrung sind Ausdruck einer gesellschaftlichen Zwangsneurose oder Konsequenz unseres Wohlstands-Kapitalismus.
„Hatten wir wirklich erwartet, dass die Kinder jetzt genau das tun, wozu die Schule sie vorher zwang?“
Rudi Nussbaum, Schulrat, um 1990
Von den wichtigeren gesellschaftlichen Institutionen in westlichen Demokratien
zeichnen sich nur drei durch die Anwendung von Zwang aus: die Gefängnisse, das Militär und die Staatsschulen.”
Denis P.
Doyle
Es sind mehr, z.B. die Arbeit, Kindergärten, Versicherung, Ernährung, Umweltschutz, Mehrheits- meinungen, Hochschulen, Gesetzte, das Impf- und Gesundheitswesen, ...
„Das aktive, selbstgesteuerte, postmoderne Kind wird in den praktischen
Umsetzungsvorstel-lungen in ein rezeptives Kind verwandelt, welches das ko-konstruierend nachvollziehen darf, was andere ihm dazu vorsetzten.“
Prof. Gerd Schäfer
Zweifel
„Ich habe stets
starke Zweifel daran gehabt, ob der Mensch durch Erziehung überhaupt irgendwie geändert, gebessert werden könne.“
Hermann
Hesse