Walter Hövel
Kinder sind kompetente Lerner
„Jedes Kind will lernen“
Aron (4.) hat heute alle Zugangscodes zu den Lernwerkstätten im Netzwerk der Schule
verändert, - ärgern oder staunen? Laura und Lisa (2. und 1.) spielen vor der Dichterlesung
eine Partie Schach im Schulleiterzimmer. Die Schulversammlung beschließt, „dass heute
alle Kinder nett zu Phillipp sind“. Er soll mitbekommen, dass alle ihn mögen. Andreas (3.)
programmiert gerade ein eigenes Spiel mit Microsoft-Powerpoint. Kristina (2.) sitzt mit vier
Kindern im Gesprächskreis.
Kristina ist sauer... Vera (frisch examinierte Lehramtsanwärterin), sitzt gerade mit einer
Klasse zusammen und sie üben ein Lied für ein Theaterstück, dass sie aus dem Buch „Du
bist einmalig“ entwickeln. Isabell (4.) arbeitet im Mathebuch, Till-Joscha (4.) hält heute
einen Vortrag über Emissionswerte, Georgina über „Harry Potter“, Max (3.) über die Götter
Ägyptens. Michel (1.) will nähen, weiß aber nicht was. Zeynep (3.) hat gerade den
Gottesdienst des evangelischen Pfarrers im Forum der Schule besucht.
Tom (2.) hat beim Experimentieren die Anleitung nicht richtig gelesen, ihm ist die
Mischung aus Essig und Backpulver ins Gesicht geflogen. Perla (4.) und Jan (9.
ehemaliger Schüler und Praktikant, Hauptschule) schreiben eine Geschichte, in der sich
Momo und der kleine Prinz begegnen. Jakob (3.) und Gizem (4.) schreiben am Drehbuch
für den neuen Piratenfilm. Kelvin (1.) sitzt im Förderraum und schreibt mit der Hilfe der
Anlauttabelle und der Lehrerin eigene Wörter. Elisabeth redet mit Jonathan (beide 4.), sie
ist jetzt Chefredakteurin der Schulzeitung, die nur von Kindern gemacht wird. Daniel (1.)
steht rum und weiß nicht was er tun will.
Reyhan (3.) geht gerade durch den Flur und rezitiert Goethe: „Walle, walle, manche
Strecke, dass, zum...“, Leon (4.) spielte schon im zweiten Schuljahr die E-Gitarre in der
Schulband und ist überhaupt nicht mit dem neuen Stück einverstanden,… so und noch auf
viele andere Arten und Weisen arbeiten 180 Kinder an vollkommen verschiedenen Enden
und Ecken, Zielen und Problemen.
Lennart(4.) erklärt einer Professorin über das Selbstentscheiden der Kinder beim eigenen
Lernen: „Es darf erst gar nicht dazu kommen, dass ein Kind sich dazu entscheidet nicht
lernen zu wollen. Man muss den Hintergrund so attraktiv machen, dass jedes Kind lernen will.“
„Wir begriffen, den Kindern die Verantwortung für ihr Lernen zurückzugeben“
Vor zwölf Jahren begann unsere Schule mit der heutigen Form ihrer Arbeit. Wir begannen
damit, dass wir nicht mehr die Lehrinhalte der Lehrpläne und Lehrpersonen lehrten. Die
Kinder begannen zu lernen ihre Lerninhalte in ihre Lernpläne selbst zu organisieren. Wir,
die Lehrkräfte begannen zu lernen wie wir lehren ohne zu zwingen. Wir begriffen, den
Kindern die Verantwortung für ihr Lernen zurückzugeben und die Verantwortung für das
eigene Können und die eigene Bildung, zu übernehmen. Wir begannen dem eigenem
Anspruch einer demokratischen Lehrerin gerecht zu werden und einen Lernort zu pflegen,
der auf einem hohen Gesamtniveau jedes Kind auf seinem Niveau erreicht, mitnimmt und
selbst zum Gestalter des Lernorts werden lässt.
Wir gebrauchten Begriffe wie Selbstorganisation des Lernens, Selbstbestimmung der
Lerninhalte, Selbstbewusstsein als Lerner, Selbstwertgefühl als lernender Mensch.
Wie dachten mit den lernenden Kinder über Selbstdisziplin, sich selbst verantwortende
Schule, Verbindlichkeit der Kooperation und demokratische Kommunikation in der
Zusammenarbeit der ganzen Schulgemeinde nach. In den letzten Jahren kommen unsere
Gespräche und unsere Arbeit immer wieder beim Begriff der „Kompetenz“ an. Es ist kein
neues Wort für Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern es ist die integrierte Gesamtheit der
individuellen Persönlichkeitsentwicklung, der Entwicklung der Lernerpersönlichkeit und
einer demokratisch sich entwickelnden Gemeinschaft von Lernern, die unter Einschluss
von Kindern, LehrerInnen, Eltern, Schulträgern und anderen gesellschaftlichen Partnern,
wiederum Schule genannt wird.
„Die Kinder lernen in einem von ihnen gestalteten Spiralcurriculum“
Wie funktioniert nun eine Schule, die auf Kompetenzbildung auf allen Ebenen aus ist? Es
gibt keine Lehrer gemachten Wochenpläne, Schulbücher oder Arbeitsblätter für alle, keine
Lehrer gemachten schriftlichen oder mündlichen Vorgaben oder Pensenbücher.
Jeden Morgen trifft sich jede „Klasse“, es sind eigentlich Lerngruppen vom ersten bis zum
vierten Schuljahr, oft auch 0-Klässler, die in ihren Kindergarten zurückgehen können, im
Kreis. Dieser Klassenrat, beschließt jeden Tag, was jeder Einzelne, die gesamte Klasse,
oder Gruppen oder Teams, oft auch mit Kindern anderer Klassen gebildet, arbeiten werden.
Jeden Morgen stellt jedes Kind die selbst gewählten Themen, Materialien vor, mit welchen
Problemen es mit welchen Zielen, in welcher Zeit, mit welchen Partnern zu tun haben wird.
Nach dem Kreis lernen sie in der Regel den ganzen Tag in allen (!) Räumen der Schule,
bei warmem Wetter auch draußen in einem entsprechend gestalteten Schulgelände. Die
Schule öffnet am Morgen um 7 Uhr, die Lehrerinnen und Lehrer starten um 7.15 Uhr mit
einer halbstündigen Morgenkonferenz. Um 8 Uhr sitzen alle in ihren Kreisen. Die einzige
Pause am Morgen ist um 10
Uhr und dauert bis 10.45 Uhr. (Später gibt es um 11 Uhr ein Frühstück für alle umsonst,)
Der zweite Teil des Morgens geht bis 12.30 Uhr. Die Kinder der FLIEG (Feste Langzeit in
einer Gruppe), die in Betreuung zweier Lehrerinnen und einer Betreuerin maximal bis
15.30 Uhr (später 18.00 Uhr) in der Schule bleiben, treffen sich zum Essen; andere gehen in verschiedene Arbeitsgruppen bis 13.15 Uhr, die von Lehrerinnen , Kindern oder Eltern und Großeltern angeboten werden. Danach gibt es täglich mindestens eine Arbeitsgruppe, die zuerst den Kindern der FLIEG, aber auch anderen Kindern offen steht.
Morgens gibt es auch den Sportunterricht, zu dem wir mangels einer eigenen Halle immer
mit zwei Klassen hinfahren, Religionsangebote und immer wieder Arbeitsgruppen mit
geladenen Gästen aus Schulen, Universitäten, Institutionen und dem örtlichen Kultur- und
Vereinsleben.
Alle 14 Tage ist Schulversammlung, die immer von Kindern vorbereitet wird. Sie ist eine
Kombination aus der Präsentation der Arbeit der Kinder und der Beschlussfassung über
das Zusammenleben und –lernen in der Grundschule Harmonie. Die Woche beginnt am
Montag um 8 Uhr mit einer Versammlung aller, in der u.a. alle über die Klassen hinaurelevanten Ereignisse der Schule von Kindern und Erwachsenen vorgestellt werden.
So lernen unsere Kinder an Montagen, Dienstagen , Donnerstagen und Freitagen ihr
eigenes Lernenlernen. Dieser Weg ist auch, oder gerade in einer staatlichen Schule, in einer teilweise auch schwierigen sozialen Umgebung, unter nicht privilegierten Bedingungen erfolgreich. Die Kinder lernen in einem von ihnen selbst gestalteten Spiralcurriculum:
Lernkompetenzspirale des selbst organisierten Lernens
(Die folgenden Worte stehen im Original in einer Spirale)10:
Lebenskompetenz
Lernenlernkompetenz
demokratische Kompetenz – Sprachkompetenz
Medienkompetenz - schulische Kompetenz - Arbeitskompetenz
personale Kompetenzen – soziale Kompetenz - kulturelle Kompetenz
ästhetische Kompetenz - Beziehungskompetenz – emotionale Kompetenzen
fachliche Kompetenz – Konfliktkompetenz – Methodenkompetenz - Wissenskompetenz
Kommunikationskompetenz,Teamkompetenz,Leistungskompetenz,Wahrnehmungskompetenz
„Es geht darum, dass Kinder Erwachsenen begegnen können“
Der Mittwoch ist ein anderer Tag. Wir nennen ihn „Kinderuniversität“. Dieser Tag beginnt
mit einem halbstündigen Treffen im Kreis der Klasse. Um 8.30 bis 10 Uhr sind Seminare
und Vorlesungen. Von 10.45 Uhr bis 12.30 sind Englischseminare für alle und danach
findet außer FLIEG nur noch das Kinderparlament statt.
Diese „Kinderuniversität“ hat zumindest drei Ursprünge. Erst einmal ist es der Ärger
darüber, dass jährlich das „beste Kinder“ jeder Schule von Banken, Industrie und
Schulamt zu einer „Kinderuni für Hochbegabte“ eingeladen wird. Jürgen Reichen sagte
einmal „In jeder Klasse sind mindestens zwei Kinder, die intelligenter sind als ich!“ Also
muss es mehr „Hoch“intelligente geben und wenn, man intelligent darüber nachdenkt,
müsste klar werden, dass jeder Mensch intelligent ist, nur eben anders! Und damit kommt
man da an, wo auch der Hochbegabungsfilm „Homo sapiens sapiens“ von BMW
ankommt, nämlich bei der „Hochbegabtenförderung auf Verdacht“ Und damit ist man bei
der Freinetpädagogik oder beim Landesschulgesetz in NRW, das jedem Schüler das
Recht auf individuelle Förderung gibt. Da wir keine Universität fanden, die über ein
Seminar oder eine andere Einrichtung an unserer Schule einmal in der Woche eine Uni für
Kinder anbieten wollte, haben wir es selbst getan.
Das offene Lernen, wie wir es pflegen, braucht das Öffnen der Tore des Wissens der Welt,
der Natur, der Gesellschaft und seiner Medien, wie auch die Strategien der Lernenden, die
ihnen das Öffnen der richtigen Türen erlaubt. Das offene Lernen soll sie befähigen,Informationen zu finden, zu sammeln, zu unterscheiden, zu relativieren, zu bewerten, sie für ihre Zwecke zusammenzusetzen und zu sinnvollen Handlungs- und Entscheidungsaktivitäten nutzen.
10 Lanthaler, Meraner
Um es weniger prosaisch zu sagen: Offen arbeitende Kinder, können, vor allem, wenn sie
oft hospitiert werden, anfangen „Schule zu spielen“. Sie beschäftigen sich so, wie es gerne
gesehen wird, Inhalte können verflachen und Kinder aus „bildungsfernen Elternhäusern“, die wir in größerer Zahl haben, gehen auch schon einmal die Ideen aus oder haben andere Interessen, die die Gesellschaft nicht so gerne sieht, da sie Schule nach Mittelschichteninhalten und angepassten Verhaltensformen einrichtet. Kinder aller Schichten sind zu allererst in der Lage, dieses Öffnen …
Also müssen wir auch hier eine doppelte Rolle der Kompetenzbildung … wir müssen mit
inhaltlich hochwertigen, für Kinder spannenden Bildungs-Angeboten überzeugen und den
Kindern Kompetenzen des Selbstlernens präsentieren.
Es geht nicht darum durch eine „Universität“ dann schulische Inhalte doch wieder in die Kinder zu zwingen. Es geht darum, dass Kinder Erwachsenen begegnen, die selber Freude an Wissen, Bildung, Erkennen und Lernen vorleben können, die ihrer Kompetenzen als Lehrer so sicher sind, dass sie sich wie „ganz normale Menschen“ verhalten und die Aufmerksamkeit nicht durch Hintertürchen, Noten oder Tests erzwingen müssen, sondern dass sie Kinder vom Spaß am anspruchsvollen Lernen überzeugen können. So entsteht über 6 Wochen das Angebot der Matheseminare mit den Themen:
Magische Quadrate, ANNA-Zahlen, 1x1-Werkstatt, x-y-z-Gleichungen, Die Geschichte der Zahlen Text- und Kernideenaufgaben ,Teilen, Zahlenräume entdecken, Messen – schätzen- wiegen und Körper-Flächen-Figuren oder der 4-wöchigen Literaturseminare:
„Der kleine Lord, Kinderkrimis, Momo und die Zeit, Goethe und Schiller, Onkel Toms
Hütte, Astrid Lindgren, griechische Sagen, Der kleine Prinz, Wie der Löwe lesen lernte,
Don Quichotte, Der kleine Hobbit und Die kleinen Leute von Swabedu.
Die Seminare werden immer bei der Schulversammlung im Forum von den Anbietern vorgestellt. Im Klassenrat entscheiden sich die Kinder dann für das Seminar ihrer Wahl.
Bisher hat es drei anderthalbstündige Vorlesungen gegeben: „Die Grundbegriffe der Mathematik“, „Grundbegriffe der Grammatik und Semantik“ und „Was ist Kombinatorik“.
Bisher waren die Vorlesungen für ältere Schüler, jüngere konnten aber auch teilnehmen.
Wir werden zukünftige Angebote auch hier so gestalten, dass es verschiedene Vorlesungen parallel bis hin zu wörtlichen „Vorles“ungen gibt. In Vorbereitung sind: „Wie funktioniert Lernen aus der Sicht der Hirnforschung“, „Literaturgeschichte für Kinder“, „Die Klassifizierung von Pflanzen und Tieren“, „Die Entstehung der Rechtschreibung“ und „Grundbegriffe der Biologie“. Weitere geplante Seminarserien sind: „Vom Wahrnehmen, Fragen und Philosophieren“, „Überleben in der Sekundarstufe I“, „Rechtschreiben“, Dichterwerkstätten, Themen des Sachunterrichts“, „Kinderwunschthemen, „Künstler und ihre Techniken“,…
„Leadership für Kinder“
Eine weitere Seminarserie „Leadershipausbildung für Kinder“ ist als Vorgängerform der
Kinderuniversität, gleichzeitig ein weiterer Grund für die Kinderuni. Wir konnten seit Jahren
beobachten wie Kinder sich durch das selbst verantwortete Lernen auf bestimmten
Gebieten zu echten Spezialisten entwickelten. Sie geben diese Fähigkeiten an einzelne
weiter, aber nicht an alle und- oft war die Entwicklung in verschiedenen Klassen weiter
vorangeschritten als in anderen. So waren z.B. unsere “Genies“ wahre Meister im Umgang
mit den Computern, die „Blumen“ konnten selbstständig Musikmachen, die Kichererbsen
experimentieren auffallend am häufigsten, die Fledermäuse beherrschen das Theaterspiel.
Und wir hatten eine Phase der Arbeit, wo einigen Kindern die Arbeit langweilig wurde (s.o.). Wir wollten die Kompetenzen der Einzelnen für die Arbeit aller erreichbarer machen und gleichzeitig die Verantwortungsübernahme aller für das eigene und das Lernen der anderen steigern. Wir stellten uns also ähnliche Fragen, die Schley stellt, wenn er Schulleitungen zur Leadershipaus-bildung einlädt.
Da wir unsere Schulentwicklung aber nicht zuerst in der Schulleitung, sondern direkt mit den Kindern durch-führen, richteten wir „Leadershipkurse für Kinder“ in zweimal in einem Jahr über ein paar Tage ein, an denen aus jeder Klasse ein bis zwei Kinder teilnahmen:
„Computer“, Spiele beim Lernen und in der Pause“, „Präsentieren und dokumentieren“,
Kreise und Versammlungen leiten“ Teamtraining“, Experimente durchführen“ Zeitung machen“, Theaterinszenierungen leiten“ „selbst musizieren“, Umgang mit Material“, „Sinnvoll mit Mathe arbeiten“, „Lösung von Konflikten“, „Lernen und Benehmen“, hießen die bisherigen Seminare.
Die Kinder suchten wiederum ihre Seminare, um das Selbst-Anleiten, das Gestalten von
Lern- und Arbeitsprozessen, das Teilhaben an kooperativen Prozessen, demokratische
Verantwortungsübernahme, Konzeptentwicklung, Teambildung und -steuerung, das
Überwachen der eigenen Prozesse und des eigenen Verhaltens, das „Scannen“ von
Abläufen auch als Beteiligter, Techniken und Methoden des Lernens, Umgänge, Pre-
Thought, Evaluation, sich selbst erziehen zu lernen.
Nach den mittwöchlichen Seminaren versammeln sich alle Kinder und Lehrer im Forum,
um gemeinsam mit Englisch zu beginnen. Es wird gesungen oder interaktiv mit der
Großgruppe etwas Sprachliches gemacht. Dann gehen alle in das von ihnen ausgewählte
Englisch-Angebot. Diese sind altersgemischt, aber durchaus im Leistungsniveau verschieden. Alle Lehrerinnen bieten Englischseminare an. In diesem Halbjahr: „At home“, „Shopping“, School is cool“,“animals“, English picture books“,” role plays“, “theatre-group”, E-mail group -2nd year with voice-mails and videos”, “e-mail-group for 3rd class children”.
Danach findet nur noch das Kinderparlament statt. Dies ist keine SV-Einrichtung oder
ähnliches, sondern der Lehrinnenkonferenz und der Eltern-Schulpflegschaft gleichgestellt.
„Ich weiß, welche Bedeutung das Gelernte für mich hat“
Nichts geschieht bei uns mehr ohne Evaluation. Jeder Vortrag, jedes Klassenprojekt, jedes Seminar, jede Projektwoche, jede Leadershipausbildung wird mündlich oder schriftlich in die Nachbetrachtung von Kindern und Lehrern geschickt. Dies geschieht im Klassenrat, im Kinder-parlament, auf der Schulversammlung oder in besonderen Gruppen.
Jedes halbe Jahr arbeitet jedes Kind eine 15-seitigeSelbsteinschätzung mit allen
Kompetenzbereichen der Arbeit durch. Die Lehrerin gibt jedem Kind ein Feedback zur
Selbsteinschätzung. Die Eltern nehmen auf eigenen, aber im Inhalt und Aufbau
identischen Bögen, ihre Einschätzung ihres Kindes vor.
Es folgt ein Beratungsgespräch von Eltern, Kind und Lehrern immer auf der Grundlage der Selbsteinschätzung der Kinder statt. Hier wird mit dem Kind besprochen wie und woran es in nächster Zeit in der Schule, aber auch Zuhause weiter arbeitet. Dies geschieht in mündlichen oder schriftlichen Verträgen.
Zurzeit arbeiten wir an einer weiteren Seite der Selbsteinschätzung. Hier soll die vom Kind erreichte Kompetenzstufe der Entwicklung seiner Lernerpersönlichkeit eingeschätzt werden. Vorstellbar ist z.B. eine „höchste“ Stufe, diebeschreibt: Ich kann selbst gewählte Themen gründlich so bearbeiten, dass andere Kinder meine Dokumentation oder meinen Vortrag gut verstehen. Ich weiß, was ich Neues gelernt habe und wie ich das neue Wissen benutzen kann. Ich kann meine Rolle in der Lernkooperation beschreiben. Ich weiß, welche Bedeutung das Gelernte für mich und meine schulische Entwicklung hat und kann meine Lernerfahrungen an andere weitergeben.
Die einfachste Ebene könnte z.B. lauten: Ich habe mich von Mitschülern oder einem Erwachsenen so beraten lassen, dass ich einen Plan zur Arbeit erstellen konnte und die vereinbarte Aufgabe zu Ende gebracht und den anderen vorgestellt habe.
Wir arbeiten also nicht mit Zeugnissen, Tests und Klassenarbeiten zum Zwecke der Überprüfung und Bewertung von Leistungen. Kinder müssen nicht lernen für Kontrollen und Aufträge zu funktionieren. Sie sind bereits kompetente vollständige Menschen, die wie alle Menschen lernfähig sind. Und wahrscheinlich lernfähiger, weil sie noch nicht so viel „Falsches“ gelernt haben. Schule kann nur dazu da sein, dass Kinder sich alle Kompetenzen aneignen können, die es ihnen möglich machen, das wieder an Kinder weiterzugeben. Aber auch das tun sie schon jetzt.
Kompetenzstufenmodell
In unserem Unterrichtsalltag zeigen sich in der Beobachtung und in der Arbeit mit den Kindern sehr verschiedene Kompetenzstufen hinsichtlich ihrer Selbstständigkeit im Lernen.
Es gibt Kinder, die bereits weit entwickelte Fähigkeiten, Ideen und Kompetenzen mitbringen, und Kinder, die mit sich nichts anzufangen wissen.
Kinder, die die nach unserer Ansicht die höchste Kompetenzstufe erreichen, können
selektiv arbeiten, (und das Ziel heißt alle. Jetzt sind es bis zu 95 - 98%), indem sie
• ihre Lerninhalte und Themen alleine aussuchen
• die für sie relevanten Inhalte wählen
• für sich konzepthaft arbeiten
• sich Zugang zu den Inhalten verschaffen
• sich Materialien beschaffen
• einen passenden Arbeitspartner oder ein Team finden
• dokumentieren, präsentieren, ihr Wissen weitergeben
• im Kreisgespräch benennen, was sie gelernt haben, d.h. ihr Lernen reflektieren.
Die Kinder der nächsten Kompetenzstufe brauchen Beratung und Unterstützung durch die Lehrer. Sie sind in der Lage, die Beratung, die Hilfe des Lehrers anzunehmen und sie umzusetzen.
Dies betrifft
• die Inhalte
• den Zugang zu den Inhalten
• die Materialbeschaffung
• die Zusammenarbeit mit anderen Kindern
• die Vorbereitung der Präsentation
• die Präsentation selbst
• sie hören bei den Reflexionsgesprächen der Mitschüler*innen zu/denken mit.
Die Kinder dieser Kompetenzstufe benötigen vorgegebene Aufgaben durch die Lehrperson. Meist brauchen sie bei der Bearbeitung Begleitung und Hilfe. Manche wissen nicht, dass sie sich beraten lassen können.