Melanie Moskopp

Mitentscheiden in der Schule

Eine Befragung von Kindern

 

Anlass des Gesprächs an der Grundschule Harmonie war eine Anfrage im Vorfeld der Tagung »Demokratische Grundschule«, die Kinder zu folgenden Fragen arbeiten zu lassen:

Was, meinst du, sollten Kinder in der Schule selbst entscheiden können?

Warum wärst du gerne in einer Schule, in der Kinder mehr entscheiden können?

Was wäre, wenn Kinder in der Schule alles selbst entscheiden könnten?


Rahmenbedingungen der Befragung

Die folgende Mitschrift und Zusammenfassung ist von mir als Teilnehmerin an der Diskussion im Nachhinein erstellt worden. Schriftliche Statements der Kinder werden korrigiert abgedruckt, mündliche Änderungen werden möglichst exakt wiedergegeben. Als Zitat gekennzeichnete Passagen sind von mir in der Diskussion wörtlich notiert worden

Aus jeder Klasse der Schule waren zwei Kinder vertreten. 6 Kinder waren dabei, die vorher bereits eine andere Schule besucht hatte, also zwei Perspektiven mitbrachten. Wir haben den Kindern die Fragestellung wortwörtlich vorgelegt.

Sie war ihnen während der ganzen Diskussion vor Augen. 14 Kinder waren beteiligt. Sie haben die jeweiligen Fragestellungen aufgegriffen und mit ihren eigenen Erfahrungen und Ansichten verknüpft.

Dadurch kam eine Diskussion zustande, die sich im Kern um die in der Schule gelebte Demokratie drehte, in der aber auch auf die Aussagen der Vorgänger Bezug genommen wurde. In unseren Notizen haben wir versucht, die Aussagen festzuhalten. Die folgenden Punkte sind ausschließlich Aussagen der Kinder. Wir haben nur sehr selten Denkanstöße gegeben (kenntlich an den hervorgehobenen Fragestellungen). Vor allem im Mitentscheiden in der Schule. Neben mir war als Erwachsener Walter Hövel an der Diskussion beteiligt. Im ersten Teil des Gesprächs beziehen die Kinder die eigenen Entscheidungen auf ihre Lernprozesse.

 

Zusammenfassung des Gesprächs
Kinder sollten versuchen selbst zu entscheiden, was sie lernen wollen.
Einzelne Kinder finden es gut, dass sie selbst entscheiden können, wann sie was tun oder lernen, weil sie die Materie dann viel besser verstehen, viel besser reinkommen.
Aber Kinder sind unterschiedlich, deswegen gehen sie auch unterschiedlich mit diesbezüglicher Entscheidungsfreiheit um.
Manche Kinder können Entscheidungen treffen, also ihr Lernen selbst in die Hand nehmen, andere können das nicht. Das zeigt sich darin, dass diese Kinder kaum arbeiten, nur Blödsinn machen und Techniken perfektionieren um sich vor dem Lernen zu drücken. Sie sind mit der Freiheit überfordert und können keine eigenen (Lern-)Entscheidungen treffen. Für diese Kinder wäre eine andere Schule besser, weil da immer der Lehrer entscheidet – wie ein König.
Es wird aber vermutet, dass diese Kinder an anderen Schulen auch nur Mist bauen.
Allerdings ist es hier viel anstrengender, sich selbst zu entscheiden, verglichen mit anderen Schulen, wo es keine Mitbestimmung gibt. Dort ist alles durchorganisiert.
Ja, aber der Nachteil ist, dass alle immer im selben Tempo alles machen müssen. Das ist langweilig für die, die das schon können.
Selbst entscheiden zu können ist die beste Möglichkeit.
Allerdings besteht die Gefahr, dass man immer nur das macht, was man gerne tun möchte. Daher ist es notwendig, dass es Lernberater gibt, die einem sagen, dass man auch die anderen Dinge nicht vergessen sollte. Man kann ja nicht ein Jahr lang nur malen, sondern muss auch andere Dinge tun.
An unserer Schule fehlt, dass man auch mal zum Arbeiten/Lernen gezwungen wird.
Die Lehrer sollten Kinder nicht zum Lernen zwingen, „weil dann hat man noch weniger Bock“. Außerdem ist selbst entscheiden gar nicht so schwer, schließlich können andere Kinder ja „auch Ideen geben“.
Problematisch wird es, wenn Kinder gar nichts tun. Diese Kinder sollte man antreiben. Es geht nicht, dass Kinder gar nichts tun.
Legitim ist, wenn Kinder vielleicht eine Pause machen, um danach weiter zu arbeiten. Den untätigen Kindern muss man helfen, beispielsweise indem größere Kinder kleineren Kindern helfen.
Lernen ist eigentlich notwendig, also... wenn ein Kind nicht lernen will, dann muss man die Umstände so verändern, dass es lernen will!
Ja, manche Kinder haben aber zu Hause Stress mit ihren Eltern, also keinen Bock zum Arbeiten.

Überlegungen zu besonderen Fragen aus der Sicht von Kindern
Man könnte auch Kompromisse aushandeln, nach dem Motto: „Wenn du dies machst, dann darfst du das“.
Aber man lernt doch für sich selber und nicht für Belohnungen.
Kinder sollen von sich aus arbeiten/lernen.
Was man machen muss, macht keinen Spaß, aber was man machen will, macht Spaß.
Hinter der Arbeit/dem Lernen muss etwas Attraktives stecken, beispielsweise die Perspektiven Beruf, oder Geldverdienen.
Probleme müssen geklärt werden.
Es macht glücklich, wenn man etwas machen will.
Mich interessieren Probleme, die geklärt werden können, Kompromisse und Belohnung sind nicht nötig.
Man kann erreichen, dass Kinder lernen/arbeiten wollen, indem man ihre Interessen ernst nimmt und zulässt, oder bedeutsame Projekte mit einem gemeinsamen Ziel anregt (bspw. eine CD mit Texten als Weihnachtsgeschenk für die Eltern erstellen)
Ich schreibe gerne Texte. Das macht mir Spaß, weil ich so viel schreibe. Andere Kinder stellen mir dann Fragen dazu.
Mathe macht Spaß. Man knobelt das Ergebnis. Ich mag das so und kann auch andere Sachen machen.
Man kann sich hier selbst entscheiden, was man machen kann.
Ich finde Deutsch wichtig und es macht mir Spaß.
Ich mache alles gern.
Ich mag gern Musik und möchte später Sängerin werden.
Ich will es und will es nicht – Rechtschreiben – weil ich weiß, dass es wichtig ist und ich es brauche, also mach ich’s.
Ich schreibe für mein Leben gerne. Ich bringe meine Ideen aufs Blatt, weil ich sie sonst in meinem Kopf nicht behalten kann. Ich möchte Schriftsteller werden und dann auf meine Notizen zurückgreifen können.
Kunst, weil freier Ausdruck.

Alle Kinder finden es okay, dass sie selbst entscheiden können und sollen.

Die Hälfte der Kinder ist der Meinung, dass untätige Kinder zum Arbeiten gezwungen werden sollten.

Zwei Drittel der Kinder ist der Ansicht, dass man Kinder eher antreiben als zwingen sollte.

Knapp die Hälfte der Kinder glaubt, dass sie auch dann lernen würden, wenn sie zum Lernen gezwungen würden.

Zwei Drittel der Kinder empfindet es als leicht, gelegentlich auch mal als schwierig, sich selbst zu entscheiden.

Keinem Kind fallen Entscheidungen richtig schwer.

Wenn Kinder in der Schule alles selbst entscheiden könnten, würde das reinste Chaos ausbrechen. Die Schule würde sich in eine Disco verwandeln und die meisten Kinder würden nicht mehr lernen. ¼ bis ½ der Kinder würde nur noch draußen rum rennen und tun, wozu sie Lust haben.
Man ist sich einig, dass diese Freiheit auch Grenzen haben muss. Das zeigt die Äußerung: „alles selbst entscheiden ist nicht immer gut“.
Eine Bedrohung des Lernens wird gefürchtet, schließlich ist Lernen wichtig und es gibt Kinder, die nichts anderes als Blödsinn im Kopf haben und nicht lernen wollen.
Den Kindern an der Schule, die sich noch nicht richtig entscheiden können muss geholfen werden. Andererseits hat kein Kind nur Blödsinn im Kopf.
Wenn sie sehen würden, dass andere Kinder lernen, könnten sie sich ein Beispiel daran nehmen.
An dieser Stelle überlegen die lernwilligen Kinder, wie sie lernunwillige Kinder auf ihre Seite ziehen können.
Wenn das funktionieren würde, also eine Schule, an der alle Kinder lernen wollten und Kinder alle Entscheidungen träfen, das wäre der Himmel.
Die Überzeugung wird immer stärker, dass Schule auch in Kinderhand funktionieren kann, schließlich ist es ja selten, dass alle etwas Falsches denken.
Die Kinder werden sich ihrer Institutionen und Foren wie Kinderparlament, Schulversammlung, Klassenrat, etc. bewusst und erkennen die Chance, die in der Gemeinsamkeit liegt.
Schließlich sind sie überzeugt, dass eine Schule auch funktionieren kann, wenn Kinder alle Entscheidungen treffen.

 

Schriftliches Fazit der beteiligten Kinder
„Mir ist wehtig geworden das Leher kaum gebraucht werden. Kinder können auch alein Schule machen.
Mein Papa darf nicht üba mich beztüm weil ich selba entzeiden wiel.  Aua ich das kleine 1*1 lernen 66+33=99
Kinder dörfen sachen selber entscheiden aber nicht alles.
Kinder dörfen nicht alles selber entscheiden dörfen es muß auch Grenzen geben.
Kinder sollten nicht selbst enscheiden.
 Man sollte selbst inscheiden was sie Arbeiten in der Schule.

 

Überlegungen zu besonderen Fragen aus der Sicht von Kindern
Einrad fahren,
das man frei lernd,
das aur Kinder in Scheidungen drefen döfen.
Also das der oder die Lerher nich der Könik ist
die Sebst enscheidun ist mir wichtig das nicht alle über mich bestümmen weil bei abeiten ist die selbstenscheidung was du schreibst oder machst sehr wichtig
Man soll frei lernen und die meinung sagen durfen
meine Lererin kann manchmal für mich entscheiden. Meine Elter könen imer für mich Entscheiden.
Ich finde es wichti das alle Kinder ein paar sachen selbst entscheiden können z.b. was sie machen, und das sie nicht immer das selbe tun.
Für mich ist es wichtig das Kinder nicht alles entscheiden können, weil sonst vergessen sie das Lernen und wenn die Klasse einen Aufsats schreibt kapirt es nicht worum es geht.
Ich mag es wenn ich Lernen kann egal was hauptsache ich kann etwas lernen und es macht mir spaß.

 

Sollten Kinder in der Schule selbst entscheiden?
Kinder sollten versuchen selbst zu entscheiden.
Manche Kinder brauchen so eine Schule (damit ist eine Schule gemeint, an der man was das Lernen betrifft freie Entscheidungen treffen kann und den Lernweg und Lerninhalt selbst bestimmen kann)
Es gibt aber auch Kinder, die in solch einer (demokratischen) Schule nicht zurechtkommen, Kinder, die kaum arbeiten. Für die wäre eine andere Schule besser.
Ich finde es gut, dass ich selber entscheiden kann, wann ich Mathe oder Deutsch mache, dann versteht man es besser, bekommt es besser rein.
Das ist die beste Möglichkeit, wenn man selbst entscheiden kann. Aber wenn ich nur selbst entscheiden könnte, würde ich immer lesen, deswegen ist es besser, wenn der Lehrer einen berät: „es wäre besser, wenn du auch das und das machen würdest, weil...“
Man kann ja nicht ein Jahr lang nur malen...man muss auch andere Dinge machen.

Sich selbst entscheiden ist schwierig und viel anstrengender, als in der alten Schule. Da war alles durchorganisiert.
(Kind, das ebenfalls auf einer anderen Schule war): Ja, aber der Nachteil ist, dass alle immer im selben Tempo alles machen müssen. Das ist langweilig für die, die das schon können.
Aber selbst entscheiden ist gar nicht schwer, weil andere Kinder ja auch Ideen geben können.
An anderen Schulen entscheidet immer der Lehrer – wie ein König.
Aber einige Kinder können keine eigenen (Lern-)Entscheidungen treffen (das äußert sich ihrer Ansicht nach darin, dass die Betroffenen nur Blödsinn machen und Techniken perfektionieren um sich vor der Arbeit drücken, oft in dieser Beziehung auch nicht verlässlich sind).
Manchmal fehlt es an der Schule, dass man gezwungen wird.
An anderen Schulen bauen die auch nur Mist!
Die Lehrer sollten Kinder nicht zum Lernen zwingen, weil dann hat man noch weniger Bock.

Darf man sich entscheiden nichts zu machen?
Eigentlich nicht.
Wenn Kinder gar nichts tun/lernen sollte man sie antreiben.
Aber wie?
Man sollte den Kindern helfen, die Größeren helfen den Kleineren.
Wenn das Kind nur eine Pause macht und danach arbeitet, dann ist es akzeptabel.
„Lernen ist eigentlich notwendig, also...wenn ein Kind nicht lernen will, dann muss man die Umstände so verändern, dass es lernen will!“.
Ja, manche Kinder haben aber zu Hause stress mit ihren Eltern, also keinen Bock zum Arbeiten.
L. fordert Kompromisse. Bonbon-Pädagogik à la: „wenn du das machst, dann darfst du...“
Es ist aber doch für einen selber und nicht für Belohnungen. Kinder sollen von sich aus arbeiten/lernen.
Was man machen muss, macht keinen Spaß, aber was man machen will, macht Spaß
Hinter der Arbeit/dem Lernen muss etwas Attraktives stecken, beispielsweise die Perspektiven Beruf, oder Geld
Probleme müssen geklärt werden.
Es macht glücklich, wenn man etwas machen will.
Mich interessieren Probleme, die geklärt werden können.
Kompromisse und Belohnung sind nicht nötig.

Frage von uns: wie schafft man Umstände, dass Kinder lernen wollen?
Interesse.
Z. B. eine CD machen, die man den Eltern dann zu Weihnachten schenkt.
Dann schreibt man gerne Texte dafür und korrigiert so lange, bis sie richtig sind.

Frage von uns: Wo kommt dein Wille her, wenn du keine Belohnung haben willst? (Schwierige Formulierung, daher: Was machst du gerne und warum?)
Ich schreibe gerne Texte. Das macht mir Spaß, weil ich so viel schreibe.
Andere Kinder stellen mir dann Fragen dazu.
Mathe macht Spaß. Man knobelt das Ergebnis. Ich mag das so und kann auch andere Sachen machen. Man kann sich hier selbst entscheiden, was man machen kann.
Ich finde Deutsch wichtig und es macht mir Spaß.
Ich mache alles gern.
Ich mag gern Musik und möchte später Sängerin werden.
Ich will es und will es nicht – Rechtschreiben – weil ich weiß, dass es wichtig ist und ich es brauche, also mach ich’s.
Ich schreibe für mein Leben gerne. Ich bringe meine Ideen aufs Blatt, weil ich sie sonst in meinem Kopf nicht behalten kann. Ich möchte Schriftsteller werden und dann auf meine Notizen zurückgreifen können.
Kunst, weil freier Ausdruck.

Wer findet okay, dass Kinder selbst entscheiden können und sollen? - Alle

Wenn ein Kind nichts tut, darf es zum Arbeiten gezwungen werden? - 7 von 14 Kindern sagen ja

Man sollte Kinder antreiben, nicht zwingen! - 9 Kinder ja

Wer würde auch lernen, wenn er gezwungen wird? - 6 Kinder

Wem fällt es leicht sich zu entscheiden? - 9 Kindern

Wem fällt es mal leicht, mal schwer? - 9 Kinder

Wem fällt es schwer sich zu entscheiden? - Keinem Kind

Was wäre, wenn Kinder in der Schule alles selbst entscheiden?
Das wäre das reinste Chaos. Man kann nicht immer dasselbe machen.
Die Schule würde sich in eine Disco verwandeln, die meisten würden nicht mehr lernen.
¼ bis ½ der Kinder würde nur noch draußen rum rennen und tun, wozu sie Lust haben.
Es muss eine Grenze geben – alles selbst entscheiden ist nicht immer gut.
Lernen ist aber wichtig.
Kinder, die nichts anderes als Blödsinn im Kopf haben, wollen nichts lernen.
Es gibt welche, die sich noch nicht richtig entscheiden können, denen muss geholfen werden.
Kein Kind hat nur Blödsinn im Kopf.
Kinder könnten sich ein Beispiel daran nehmen, wenn andere lernen.
„Dann wär’s wie im Himmel“.
Wenn man alles selbst entscheiden kann, macht man nur das, was Spaß macht, aber man muss ja auch irgendwann was anderes machen.
Ich versuche Sachen, die ich hasse, und die machen nachher Spaß.

 

Ihr habt gesagt, es muss Grenzen geben. Wer setzt denn die Grenzen bei Euch an der Schule?
Eigentlich wir selber.
Außerdem ist es ja selten, dass alle etwas Falsches denken (Schule könnte also vielleicht doch gelingen, auch wenn Kinder alle Entscheidungen träfen).
„Man braucht Lehrer, aber es müssen keine Lehrer sein“.
Aber man braucht Dinge wie das Kinderparlament, Grenzen, Schulversammlung etc. als eine Art Versicherung.