Walter Hövel

 

Rechte, Pflichten, Verpflichtungen
Antwort auf eine Frage, um 2011

„Das Problem von 'Rechten, Pflichten und Verpflichtungen' ist eines unserer Hauptthemen!

 

 

 

Angesichts meines Alters fallen mir immer erst Anekdoten ein.

 

Es ist gut 20 Jahre her, meine Zeit vor der Grundschule Harmonie, da arbeitete ich an einer großen Dorf-Grundschule. Ich hatte eine Klasse, mit der ich nach den gleichen Grundsätzen wie meine heutige Schule arbeitete. Mir war es gelungen, die Kinder von einem Projekt „Kinderrechte“ zu überzeugen. Sie schrieben ihre Rechte auf und brachten sie in Verbindung mit selbstgemachten Bilden und Collagen auf tolle Plakate, die wir im gesamten Treppenhaus der Schule aufhingen. Das Tolle an dem Plakaten war ihre Gegensätzlichkeit. Z.B. war eine Kamera zu sehen, aber das Recht der Kinder zu bestimmen, wann sie ins Bett gehen. Auf einem anderen Bild war eine Blume, darunter das Recht des malenden Kindes auf sein Lachen.

 

Der Schulleiter der damaligen Schule, gleichzeitig Bürgermeister im Ort, sah sie und sagte: „Ist ja alles gut und schön, aber wo bleiben denn da die Pflichten?“

 

'Ja', konnte ich antworten, 'das ist wie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Da stehen nur GRUNDRECHTE, aber keine GRUNDPFLICHTEN! Die Väter und wenigen Mütter des Grundgesetzes wollten nicht wie in den alten Verfassungen Deutschlands von den Pflichten der Bürger, sondern von ihren Rechten als Menschen reden.'

 

Der Mann, der gleichzeitig Bürgermeister der Gemeinde war, schwieg.

 

 

 

Es ist das Problem des Verstehens eigener Rechte. Rechte werden nicht von Landesfürsten geschenkt, sondern müssen –je nach historischer Positionierung - erkämpft, erstritten, verstanden, wieder erfunden, selbst kreiert, eigen verantwortet sein.

 

 

 

Das heißt in der Klasse und in der Schule: Nicht die Schule bietet alleine den Rahmen der Menschen- und Kinderrechte, sondern die Kinder müssen sie selbst entwickeln und bestimmen, und – müssen auch die Zeit haben, dies und den Umgang damit lernen zu dürfen! Grundlage unseres Handelns sind, so sind sie „selbstevident“ (Deklaration der Menschenrechte), also „selbst- verständlich“.

 

 

 

Da wir das Problem kennen, dass die Wirklichkeit ihres Alltags und ihrer persönlichen Geschichte, viele Kinder am eigenen Lernen oder positiven Verhaltens hindern kann, haben wir uns nicht dafür entschieden, dann doch wieder 'Verpflichtungen' einzuführen. Wir haben vielmehr gelernt ( zu versuchen), jedes einzelne Kind zu begreifen und alles zu tun, damit jedes einzelne Kind lernt sich selbst zu bestimmen. Wir müssen das Kind begreifen, damit wir es aushalten und auch den anderen vermitteln können. Wir dürfen aber nie versuchen das Problem für das Kind zu lösen, sondern dafür, dass jedes Kind lernt, sich selbst zu lösen!

 

 

 

Wir lernten darüber nachzudenken, wie wir die Langeweile von Schule durch die Eigenaktivität der Kinder und ihr Repertoire des Arbeitens so zu erweitern, dass sie ohne Selbstentfremdung trotz Schule wieder lernen können.

 

 

 

Wir begannen an der 'Selbstverständlichkeit des Lernens' mit den Kindern zu arbeiten, so wie an der 'Selbstverständlichkeit der Menschenrechte'.

 

 

 

Soweit, - danke für deine Anregung!“