Walter Hövel
Liebe Ingrid!
Es war 1982: „Die hat Streit mit dem Hans
Jörg", waren so ziemlich die ersten Worte,
die ich über Ingrid Dietrich hörte. Ich begriff
bald, dass die junge Privatdozentin aus
Duisburg, die ich genau so wenig kannte wie
Hans Jörg aus dem Saarland, Célestin und
Dossier
Elise Freinet politisch sah. Sympathisch,
dachte ich. Als ich sie das erste Mal traf,
hatte sie eine Auseinandersetzung mit einem
jungen Kollegen aus Waltrop, der mir
eigentlich sehr sympathisch begegnete und
später an einer Hochschule arbeitete. Und
auch der sehr politisch denkende junge
Kollege aus Dortmund, der später auch an
der Uni arbeiten sollte, geriet in meiner
Anwesenheit mit ihr an einander. Es ging um
„Praxisbezug" und die „konkrete eigene
Umsetzung" von Freinet, oder so... Ich war
irritiert. Mit dem einen habe ich später
gemalt und er hat mich mal für ne Stunde
seinen Kontrabass bei einer Freinettreffen-
Session spielen lassen, obwohl ich das gar
nicht konnte und durch ihn dann irgendwie
doch. Dafür hat Ingrid einmal mit Uschi,
tollen Kolleginnen und Kollegen und mir,
bei einem Bremer Symposion gemalt und
selbst freie Texte geschrieben. Musizieren
kann sie auch, was sie aber nicht mit mir
probiert hat. Sie hat mich aber dafür immer
wieder mal ne Stunde mit ihren Studentinnen
arbeiten lassen. Mit dem anderen habe ich
ein Buch gemacht, und manche Stundenuhr
bei einem guten Gespräch geleert. Dafür
waren es bei Ingrid weniger die Gläser, aber
doch die Gespräche und sie hat mich in
ihrem Freinetbuch in der damals berühmtem
Grünen Reihe mitschreiben lassen. Und, sie
hat jenes Buch veröffentlicht, das Hans Jörg
weniger, mir aber nur gefiel, das Buch über
die politischen Ziele der Freinetpädagogik.
Alle vier erwähnten Menschen haben viel für
die Freinetpädagogik geleistet. Andere auch.
Bei Ingrid Dietrich bin ich mir immer noch
sicher, dass sie die Freinetpädagogik auch
heute noch persönlich und politisch sieht.
Ingrids Bücher, ihr europäischer Kongress in
Heidelberg zum 100.Geburtstag von Freinet,
die Studentinnen, die sie nach Eitorf zur
Grundschule Harmonie schickte, die
Gespräche, die ich mit ihr führen konnte, das
Gefühl, die gleiche Menschlichkeit wie sie
zu wollen, und Ingrid selbst, helfen mir
weiterhin in einem hohen Maße durch mein
eigenes Leben. Vor Freude darüber schrieb
ich zu ihrem öOsten Geburtstag in dieser
Zeitung einen längeren Aufsatz. Und, ihre
Erzählungen aus ihrem ganz persönlichen,
eigenen, privaten Leben, helfen mir auch
heute noch beim Verstehen dieser Welt.
Ingrid ist etwas Eigenes. Ingrid ist etwas
Besonderes. Ingrid ist vielleicht nie
rumgetanzt, wie Florian, Jochen und ich es
taten, aber sie tanzt heute noch in der ersten
Reihe der Freinetpädagogik, und der
Erziehungswissenschaften.
Bei mir und uns, Ingrid, bist du auch in
Zukunft immer willkommen!
Viele liebe Grüße an die streitbare, junge
Emeritierte aus Heidelberg! Fühle dich
umarmt!