Walter Hövel

 

# Auch ohne Lehrer lernen können

 

 

 

Das Grundgefüge unserer Schule funktioniert so, dass jedes Kind täglich entscheidet, in wie weit es alleine arbeitet oder Angeboten folgt. Selbst lernen und arbeiten bedeutet, dass die Kinder im morgendlichen Kreis des Klassenrates vorstellen, woran sie wann mit wem arbeiten werden. Da wir auf „Unterrichtsstunden, Lehrer gemachte Wochenpläne, Arbeitsblätter oder Schulbücher als Instrument des gleichschrittigen Lernens oder dem von der Lehrerausbildung gelehrten „Arbeitsauftrags“wesen verzichten, lernen unsere Kinder ihr Lernen täglich selbst zu bestimmen, zu organisieren, es auszuwerten und sich selbst einzuschätzen. Diese vollständige Individualisierung in kooperativem Lernen der Klasse und der ganzen Schule ist das Standbein unseres Lernens. Das Spielbein unserer sich selbst bewegenden Schule sind die Angebote, die über den gesamten Schultag verteilt sind. Dies beginnt in den Klassen mit den täglichen kleinen Angeboten der Lehrerinnen, Assistentinnen und anderer Erwachsenen an Einzelne oder Gruppen von Kindern. Hier wird beraten, ausgewertet, einge-schätzt oder Mathematik, Schreiben oder etwas anderes für das indivi-duelle Vorankommen der Kinder angeboten. Die Kinder entscheiden, ob sie diese wie alle anderen Angebote der Schule annehmen. Diese Angebote vermischen sich mit Projekten, Unterrichtseinheiten und Angeboten der Lehramtsanwärter, unserer Studentinnen und Studenten, Praktikanten, Eltern und anderen Anbietern, aber auch solchen von Lehrerinnen und Lehrern oder den Kindern selbst. Unsere Lehramtsanwärter bieten Lerngänge an, die thematisch festgelegt sind und in den berühmten Vorführstunden für das Seminar enden. Wiederum entscheiden die Kinder, ob sie an diesen Veranstaltungen teilnehmen. Die Planung und Begleitung dieser Ausbildungsreihen, geschieht in der Regel in gemeinsamen Sitzungen

 

von Lehramtsanwärtern und Lehrern im Rahmen unseresVerständnisses vonBildungsschule für alle“. Unsere Assistenten, die bis zu einem Jahr bei uns bleiben, sind fähige arbeitslose Menschen, die wir nach dem Vorbild der englischenTeaching Assistance“ als Assistenten unserer Lehrkräfte einsetzen. Unter ihnen befinden sich Menschen, die das Spielen von Instrumenten vermitteln können, Türkisch oder Romanes sprechen können, einer spricht nur Englisch mit den Kindern, andere assistieren bei ausgesuchten Förderangeboten (wie beim BlickMobil) oder helfen einzelnen Kindern bei ihrem Lernen. Ähnlich agieren unsere Praktikanten, die dann aber auch einwöchig so etwas anbieten wie „Wiener Walzer und Disco Fox“,Handballspielen“ oder „Harry-Potter-Theaterspiel“.Studentinnen und Studenten bieten im Rahmen von Seminaren, die in Kooperation mit der Universität Siegen und anderen Unis stattfinden, unseren Kindern eintägige Kurse an. Hier werden Fernrohre gebaut, viele naturwissenschaftliche Experimente, englische oder andere Highlights des Lernens verwirklicht. Auch besuchen uns immer wieder Doktoranden oder Schreiber anderer Examensarbeiten, die unsere Kinder interviewen, mit ihnen Fragebögen ausfüllen oder in anderer Form befragen. Dies ist ein wichtiger Teil des Lernens von Selbsteinschätzung und Selbst(be)wertung. Eltern bieten neben dem Drucken, Kochen, Yoga, Entspannungsmöglichkeiten und AGs wie Lesen, Stricken oder Karnevalskostüme schneidern an. Die Studentinnen des Studiengangs „Entwicklung und Inklusion“der Uni Siegen haben „Patenschaften“ mit Kindern und bieten an den beiden Tagen der Wochen, an denen sie da sind, immer wieder verschiedene Dinge an. Es gelang uns Atelier ähnliche Räume aufzubauen und anzubieten. Die Kinder entscheiden, ob sie in die Druckerei, den Musik- und Theaterraum, den Matheraum (der Teil des Lehrerinnenzimmers ist) oder den Kunstraum gehen. In der Druckerei sind jeden Tag Eltern, die diese Arbeit begleiten, den Matheraum betreuen unsere fünf Lehramtsanwärterinnen, der Musik- und Theaterraum kennt nur gelegentliche Besuche von Erwachsenen. Im Kunstraum sind täglich von 9 bis 15 Uhr zwei Künstler, die wir über unser Ganztagsangebot in Kooperation mit der ARGE finanzieren. Hier wird kein „Klassen weiser“ Unterricht angeboten,

 

sondern die Kinder sprechen die Künstler an, um bei ihnen die Kompetenzen abzuholen, die sie brauchen. Regelmäßig bieten die Künstler Kurse für kleinere Gruppen interessierter Kinder an. Hinzu kommen Veranstaltungen außerschulischer Anbieter wie derRollenden Waldschule“, „Skills for Life“, „Spieleparcour“, Verkehrstheater, Bustraining, Miniphänomenta und viele viele Angebote mehr, die zu uns kommen oder wir aufsuchen. Es gibt feste Angebote im wöchentlichen Zeitplan unserer Schule. Hierzu gehören das Kinderparlament, die Schulversammlung, der Schulchor, der Adam-Riese-Kreis, die wöchentliche Vorlesung und die mittwöchlichen zweistündigen Englischseminare. Dabei ist die Schule nicht in zwei morgendliche Blöcke des selbstständigen und des Angebotslernens aufgeteilt, sondern jeder Tag hat einen anderen Rhythmus. Die Kinder entscheiden über dieDosierung“ von Selbstlernzeit und der Inanspruchnahme von Angeboten. Eine Untersuchung zeigte, dass wir Kinder haben, die fast keine Angebote besuchen, weil sie ihr gesamtes Lernangebot selbst arrangieren bis hin zu Kindern, die versuchen, kein Angebot auszulassen. Ansonsten zeigte sich das Bild der Gaußchen Normalverteilungskurve. Uns ist dabei wichtig die Realisierung unseres Verständnisses von Lernen auszubalancieren: Es muss uns gelingen allen Kindern genügend Zeit zum eigenen selbstbestimmten Lernen als Kern des Aufbaus der eigenen Lernerpersönlichkeit zu lassen und gleichzeitig eine solche Vielfalt an Angeboten zu schaffen, die den Geschmack aller treffen und den Lernhunger aller stillen kann. Um zu verstehen wie wir an dieserBalancierung“ arbeiten, muss nochmals ein Teil unsere Arbeit, der der „Kinderuniversität“ beschrieben werden. Alle ein bis zwei Monate bieten wir eine ein- bis dreitägigeKinderuniversität“ an. Wir gehen davon aus, dass wir den Kindern unserer Schule im Sinne der Hirn-, der soziologischen und psychologischen Forschung und der demokratischen Traditionen von Bildung und Erziehung die Verantwortung für ihr Lernen zurückgeben. Wir stoppten die Lern- und Leistungsgängelung durch Schulbücher, Klassenarbeiten und frontalem Zwangsunterricht. Wir lernen seit unserer Gründung 1996 wie Kinder und Erwachsene selber Lernen lernen. Unsere Arbeit begann daher mit der individuellen und kooperativen Planung des

 

Lernens aller aus dem Klassenrat heraus, was auch heute der wichtigste Motor unseres Lernens ist. Mit den Jahren lernten wir immer mehr, unsere Verantwortung als Erwachsene gegenüber den Kindern wahrzunehmen. Wir sind verantwortlich für das, was wir können. Unsere Aufgabe ist es, unsere Erkenntnisse und Kenntnisse selbstkritisch, reflektiert und demokratisch durchdrungen den Kinder ohne Zwang, Gängelung, Erpressung (etwa durch „Leistungsnoten“), geheime Lehrpläne oder subtiles Überreden den Kindern anzubieten. Wir lernten Wege zu gehen, die es als Lehr-Alltag ansahen, die Kinder von der Annahme von Angeboten Erwachsener durch Qualität, Authentizität und Relevanz1 zu überzeugen. So entwickelte sich der Gedanke der eigenen Kinderuniversität. Irgendwann wurde entdeckt, dass unsere Schule ein Refugium für begabte Kinder2 ist, die vom normierten Schulsystem auf diese oderjene Art ausgeschlossen werden. Wir lernten ihnen im Rahmen besonderer Angebote z.B. Teamverhalten in Kursen erfolgreich durch Trainingsformen beizubringen. So kamen wir auf den Gedanken allen Kindern Techniken anzubieten, die sie in der täglichen Lernarbeit intellektuell und sozial brauchen könnten. Seit Jahren wird versucht Schulleitungen – mit wechselndem Erfolg - eineLeadershipausbildung“ angedeihen zu lassen. Hier sollen grundlegende Methoden und Einstellungen zur Optimierung der Aufgaben von Schulen vermittelt werden. Also boten wir solche Methoden und Einstellungen in den ersten mehrtägigen Lehrgängen unseren Kindern an. Je zwei Kinder einer Klasse besuchten einen Kursus, so dass die Erfahrungen von über zehn Leadership-ausbildungen in jeder Klasse wieder zusammenkommen mussten. Es gab „Teamtraining“, „Medienkurse von Powerpoint bis Filme-schneiden“, „Ordnungen entwickeln“, „Forumtheater zur Veränderung von Strukturen“ „Kooperations- und Kommunikationstraining“ und vieles anderes mehr. Das Resultat war verblüffend. Unsere Kinder gaben in den anschließenden Reflektionsrunden der Klassen als Haupterkenntnis an, dass sie begriffen hatten, dass sie für ihr Lernen selbst zuständig waren. Unsere Absicht, der Transfer von Methoden und Kompetenzen, war nur noch zweitrangig!

 

1 Das beste historisch-pädagogische Vorbild liefert hier die „Bauhauspädagogik“: Rainer K. Wick, Bauhauspädagogik, Köln 1985. 2 Vergleiche „Alle Kinder sind begabt“ in W. Hövel,Begabtenförderung“, www.grundschule-harmonie.de/Artikel

 

 

 

Wir ahnten dass die Sache ausbaufähig war und ärgerten uns gerade darüber, dass es diese jährliche Schauveranstaltung von Banken und Schulämter gibt, „Kinderuniversität“ genannt. Hier durften wir ein (!) hoch(!)begabtes Kind unserer Schule hinschicken, damit es eine Woche Japanisch, Chemie oder „echte“ Mathematik lernte. Wir gehen als Schule, die sich am „Index für Inklusion“ orientiert davon aus, dass jedes Kind begabt ist und Menschen auch „auf Verdacht“ gefördert werden sollten. Also beschlossen wir selbst eine Kinderuniversität im ursprünglichen Sinne von Universität alsGemeinschaft von Lernenden und Lehrenden“3 einzurichten. Wir führten den Gedanken und die Organisation der „Leadershipausbildung“ als „Kompetenzvermittlung fort. Jede Lehrerin und jeder Lehrer der Schule bot Seminare zu einem Oberthema wie „Natur-wissenschaftliche Experimente“ oder „Techniken des Erzählens“ an4. Mit den Kindern wurde dies vorab in Klassenräten und dem Kinderparlament besprochen. Auch unser komplett altersgemischtes Englischlernen finden in halbjährlichen Angebotsseminaren, für die sich jedes Kind entscheidet, statt5. Hinzu kam bald eine wöchentliche Vorlesung von 50 bis 70 Minuten6. Hier wird ein Überblick über die „Regeln der Grammatik und Semantik“ gegeben, „Techniken zum Schreiben Freier Texte“ oderWahlen und Demokratiemodelle“ vorgestellt, „geschichtliche Zeitleisten“ oder ein theologischer Fachmann stellt die „Geschichte und den Aufbau der Bibel“ vor. Jede Woche kommen 30 bis 70 Kinder zu diesen Veranstaltungen. Für Januar 2010 planten wir eine „Kinderuni“ unter dem TitelKompetenztransfer“. Es ging uns darum, die bei Kindern vorhandenen Kompetenzen deutlicher herauszuarbeiten. Zudem sollten sie die Grundlage der (leadership-universitären) Vermittlung der Kinder sein, wenn sie selbst Lehrerinnen und Lehrer in unseren Kinderuniversitätsseminaren sein würden. In der Woche vor der Kinderuni wurde in allen Klassenräten an der Offenlegung der Kompetenzen gearbeitet. Jedes Kind stellte sich und seine Kompetenzen vor. Die anderen Kinder konnten ihre Beobachtungen der anderen Kinder hinzugeben. Die Kinder durften

 

3universitas magistrorum et scholarium“ 4 Vergleiche www.grundschule-harmonie.de/Unterricht/Kinderunis 5 Ebenfalls auf der Homepage unter Unterricht/Englisch/Seminare6 Diese sind auf der Homepage in der wöchentliche Chronik enthalten

 

 

 

entscheiden, ob sie die Kompetenzbeschreibungen annahmen oder nicht. Die Kinder entschieden sich dann für einen Kompetenzbereich, um sich mit anderen Kindern des gleichen Bereichs zu treffen. Wir entschieden uns für das Treffen in 23 verschiedenen Kleinstgruppen bis hin zu einer Gruppe von 18 Kindern. Hier übernahmen nicht einzelne Kinder eine klassische Lehrerrolle, sondern wir überließen die Organisation des zweitägigen Lernens der jeweiligen Gruppe. Die Oberthemen waren aus den Bereichen Theater, Kunst, Musik, Handarbeit, Film, Lesen, Lesen, Bauen, Experimente, Schach, Phantasiespiele, Tanzen, Eigene Themen, Werken/ Laubsägen, Mathe, Schreiben, Türkische Märchen, Band und Spiele. Für die 180 Kinder unserer Schule sind täglich bis zu 20 Erwachsene da, in Spitzenzeiten über 30. Daran haben wir gearbeitet und sind froh, solche eine Dichte der Betreuung den Kindern anbieten zu können. Die Gefahr dieses „Erwachsenen(über)angebots“ ist die, dass Kinder gerne – wie andere Menschen auch - das Angebot der Versorgung und Beratung annehmen, um nicht selbst entscheiden und verantworten zu müssen. Sie können sich anhängen, damit „mit ihnen“ gelernt wird. Wir müssen also immer wieder darauf drängen, dass die Kinder zuerst ihre Lernwege selbst planen und bestimmen. Welch’ eine Gelegenheit war also diese Kinderuniversität! Hinzu kam, dass wir einige Kinder an der Schule haben, die nicht den Weg über die Eigeninitiative und den Klassenrat in Konfliktfällen gehen wollen. Sie suchen lieber den nächsten Erwachsenen, der ihren Konflikt zu lösen hat. (Was ja Erwachsene auch gut können!) Also beschlossen wir Lehrerinnen und Lehrer, dass die Erwachsenen nicht in die Arbeitsgruppen der Kinder gingen! Sie regelten für zwei Tage ihr Lernen und Verhalten selbst. Der Unterschied zum Harmoniealltag war also der,dass sie sich bewusst in eigenen Interessensgruppen und nicht in Klassen trafen unddass kein Erwachsener bei der Planung und Ausführung der Arbeit im Raum anwesend war. Jeden Tag ging einer der Erwachsenen in der letzten halben Stunde der Arbeitszeit in je eine Arbeitsgruppe, um das Feedback der Kinder zu notieren. An den drei folgenden Tagen wurde die Arbeit mit den Kindern in den Klassen und der Schulversammlung ausgewertet. Es gab keinerlei Skandale oder Katastrophen. Es war eher ruhiger als an sonstigen Arbeitstagen. Überall wurde viel Zeit auf das Lösen von Problemen verwendet, aber immer etwas geschafft.

 

Einige Berichte aus verschiedenen Gruppen: 7Die Kinder sagten mit geringen Ausnahmen, dass sie in diesen Tagen viel gelernt haben, was mit den sichtbaren Produkten übereinstimmte. Auf die Frage, ob sie häufiger ohne Erwachsene lernen wollten, stimmte weit über die Hälfte zu, einige sahen dies nicht als Problem, kaum jemand verneinte dies. Wenn sie allerdings das Lernen alleine und das Lernen mit Erwachsenen an den anderen Tagen vergleichen sollten, sagten sie, dass sie mit Erwachsenen mehr lernen. Hierfür hätten sie keine Begründungen, es wäre eher ein Gefühl. Auf die Frage, wo dieses Gefühl ist, sagten sie ‚im Kopf’.“Bei der Band gaben die Jungs folgenden Bericht: ‚Nach der Pause war’s okay. Vorher haben wir uns gezofft. Dann haben wir mit einander gesprochen und geklärt, dass der Text zum Song geschrieben wird, die Melodie war schon da, ... und wie wir den Takt halten sollten. Wir haben geklärt, dass der Text lauter rüberkommen muss und der Text muss wirklich gesungen werden, der muss an die Musik angepasst werden’.S. hat geweint, hatte Angst bekommen. Ich weiß nicht warum wir uns eigentlich gezofft haben. Alle waren traurig, weil wir Quatsch gemacht haben, dann haben wir geredet und rausbekommen die richtige Frage zu stellen: Was willst du von wem was er besser machen soll!’Ich habe eine kleine Geschichte erzählt, wegen der Angst. Beim Übernachten kürzlich hatte auch einer Angst. Und wenn man drüber redet, geht das weg. Und das hab ich jetzt noch mal erzählt.’Keiner wollte eine Verlängerungsschnur besorgen, dann ging doch einer. Und wir haben den Raum vergrößert und eingerichtet.’Die Frage ist, ob Kinder auf Kinder hören. Wir lernen, bei großen Problemen zu einem Lehrer zu gehen und nicht bei jedem Pipifax.’Kinder sollen selber denken, es selber versuchen. Wir können sagen: so will ich das nicht! Und dann klären und erklären!’ Aus einer anderen Gruppe: „Ich habe viel geschafft bzw. viele Bauwerke erstellt...Ich habe Konzentration und Ruhe für meine Arbeit gebraucht...Ich habe keine Erwachsenenhilfe gebraucht... Es gab keine Situation, die nicht in der Gruppe untereinander lösbar war...Ich würde gerne wieder so eine Kinderuni machen...Ich würde gerne eine Woche so machen. (9 von 10 stimmen zu)...Gestört hat das Rein- und Rauslaufen wegen Essen und Trinken holen und J.s Lautstärke und sein Nicht-Arbeiten...L. hat sich davon anstecken lassen...Ich habe meine Freundin vermisst“...

 

 

 

7 Die folgenden Berichte wurden u.a. von Alessia Wielpütz, Julia Klein, Ulli Schulte, Gitte Haane, Annette Käshammer protokolliert

 

 

 

In einer anderen Gruppe gab es „das gleiche Problem wie mit Erwachsenen. Einige Mädchen zelebrieren ihren ‚Zickenkrieg’. Florian sagte, “Ich hatte Zeit und Ruhe zum Lesen, Unruhe habe ich ausgeblendet“. Aus einer Klasse: „Ich habe viel von anderen gelernt!“ (Schach) „Ich hatte eigene Ideen!“ „Ich hatte vorher keinen Plan, dann schon!“ „Ich habe für mich das Richtige gewählt!“ „Habe für mich gearbeitet, aber weniger geschafft als in ‚normaler’ Schulzeit!“In einer Schreibgruppe mit 13 Kindern aus sechs verschiedenen Klassen kam ich rein, um das Feedback-Protokoll zu machen. Sie saßen in großer Ruhe und Zufriedenheit im Kreis und machten gerade Dichterlesung: ‚Wir haben auch gestern schon Dichterlesung gemacht.’ Alle waren total mit sich und ihrer Arbeit zufrieden, sagten sie. Alle waren sich sicher viel gearbeitet zu haben...Die Arbeit als solche war kein Problem, nur das Verhalten...Als es unruhig war, habe ich einfach weitergearbeitet und dann wurde es wieder ruhig... Luna hat aufgeteilt, wer alleine und wer in welcher Gruppe arbeitet. Luna hat aber nicht die Kreisleitung gemacht!...Bei Lehrern hören sie direkt auf, wenn sie unruhig werden.’“ Ein Bericht aus der Theatergruppe: „Am Ende des ersten Tag haben alle Kinder erklärt, dass sie den Tag nicht erfolgreich fanden, weil sich M. und E. aus der Gruppe ́rausgezogen haben, viel "Quatsch" gemacht wurde und kein Theaterstück zustande gekommen ist. Gemeinsam haben sie überlegt, wie sie den nächsten Tag besser gestalten können. Nach einem intensiven Gespräch der Kinder sind sie zu dem Entschluss gekommen, dass sie den nächsten Tag mit einem Kreis beginnen, um dort alles Nötige zu planen. Zudem beschlossen sie, dass das Theaterstück nur gut sein kann, wenn die Ideen von allen Kindern miteinbezogen werden und sie sich deshalb darum bemühen wollen, Kompromisse zu schließen. Am Ende des zweiten Tages haben alle Kinder einstimmig erklärt, dass es ein super Tag war. Alle Kinder haben gemeinsam ein Theaterstück entwickelt und dabei die Ideen aller Kinder berücksichtigt und Kompromisse geschlossen. Sie erklärten, dass es ein tolles Gefühl ist, wenn man ein Projekt gemeinsam, ohne Lehrer, mit vielen Hindernissen meistert! Es wurde weiter geplant, dass sich die Gruppe nun öfter zum Theaterspielen treffen möchte.“ Aus der Experimentiergruppe: „Unsere Tage waren richtig gut. Wir hatten selber eine Vorstellung und einen Plan davon, was wir an den Tagen machen wollten. Wir haben auch Experimente in der jeweiligen Situation erfunden. Das war dann besonders interessant, weil wir vorher nicht wussten, was heraus kommt. Manchmal haben wir auch Quatsch gemacht, aber weil wir ja experimentieren wollten,

 

haben wir immer die Kurve gekriegt. Das Quatschmachen hat also nicht gestört.“ Der Bericht aus einer Klasse: „Gut Dreiviertel der Kinder hatten für die zwei Seminartage genau das Richtige für sich ausgewählt. Sogar etwas mehr Kinder sagen aus, dass sie von den beiden Tagen viel gehabt haben. Die Hälfte der Kinder hat entweder von anderen Kindern oder durch sein eigenes Tun etwas Neues gelernt oder herausgefunden. Einige Aussagen der Kinder: ‚Ich kenne jetzt andere Kinder zum Schach spielen und habe gemerkt, dass ich noch neue Strategien brauche.’Ich weiß jetzt, wie ich beim Theaterspielen über die Stelle, an der es Ärger gibt, hinwegkomme. Wir haben es geschafft, unsere Ideen zusammenzutun.’ Und wie das immer so ist, die Hälfte der Kinder arbeitet lieber ohne Erwachsene, die andere Hälfte lieber mit Erwachsenen. Ihre Aussagen dazu:Die Erwachsenen kümmern sich zu viel um unsere Dinge.,Sie unterbrechen uns mitten in der Arbeit’, ‚Sie reden einfach drauf los, wenn sie reinkommen. Und dann bin ich völlig aus meinen Ideen und Gedanken raus.’ Und: ‚Die Erwachsenen können gut helfen, wenn ich selber etwas noch nicht kann., ‚Sie können gut erklären.’Sie haben auch neue Ideen, wenn mir nichts einfällt.’ ‚Sie helfen bei Kindern, die auf uns nicht reagieren.’ Die ‚Kichererbsen’ haben, - aus der Erfahrung mit der Kinderuni - im Klassenrat nun damit begonnen sich gegenseitig mit der Fragestellung zu beraten „Was muss ich im Blick behalten? Womit muss ich mich mehr auseinandersetzen?“ Die ersten Kinder haben Lerngruppen gebildet, um an diese Arbeiten und Inhalte heranzugehen. Wir wissen heute noch nicht, wie sich die Erfahrungen der Kinder und Erwachsenen umsetzen werden. Für uns ist entscheidend, dass wir in unserer Gemeinschaft von Lernenden und Lehrenden Erfahrungen für das Lernen jedes Einzelnen, ob Kind oder Erwachsener, sammeln, dass wir lernen unser Gelerntes zu begreifen, egal ob wir das demnächst in Schule umsetzen müssen, in der wir als Schülerin und Schüler bezeichnet werden oder als Lehrerin und Lehrer. Lernen ist nicht nur ein lebenslanger Lernprozess, sondern wir können die Gestaltung des Prozess unseres Lebens, also unserer eigenen Entwicklung, selbst verantworten und erlernen.