Walter Hövel
Freie Arbeit

 

 

 

Freie Arbeit ist frei. Freie Arbeit ist Arbeit. Freies Arbeiten ist Freie Arbeit. Darum ist sie selbstbestimmt, also muss sie selbstorganisiert sein. Also kann sie nur interessensbezogen sein. Daher ist ihr Ziel und Prinzip die nichtentfremdete Arbeit. Nichtentfremdete Arbeit wiederum kann nur erfahrungsbezogen sein. Und somit kann sie nur ganzheitlich sein, was in der Schule fächerübergreifendes Arbeiten zur Folge hat. Freie Arbeit ist immer kooperativ – nicht als Prinzip der Unterordnung, sondern als ein Arbeits- und Lernvorgang, in dem jeder Mensch seinen Lernstil und seinen Arbeitsrhythmus finden kann. So ist Freie Arbeit auch ein natürliches experimentelles Lernen. Es ist schöpferisch, forschend und kreativ. Die Phantasie ist eine ihrer entscheidenden Produktivkräfte. Somit ist sie vielfältig, in Methoden, Mitteln und Material. Die Freie Arbeit kann nie gebunden sein an Klassenraum, Schulgebäude oder Schulbuch, sie muss Zugang zur gesamten Lebenswirklichkeit in der Natur und der Gesellschaft haben.

 

 

 

 

 

Die Freie Arbeit bedarf einer Lehrerpersönlichkeit, die ihre Macht wirklich an die Lernenden abgibt, die selber lernt und lehrt in der gleichberechtigten Kooperation einer Klassengemeinschaft von Lernenden und Lehrenden. Diese Lern- und Lehrgemeinschaft stellt sich in ihrer Arbeit in voller Verantwortung der Institution Schule, sowie der gesellschaftlichen Wirklichkeit.

 

 

 

Gemeinsam arbeitend, lernen sie, diese Welt zu durchschauen, sie zu verändern und zu erhalten.

 

 

 

Diese Arbeit beginnt in der Klassenkooperative mit einem selbsterstellten und sich ständig weiterentwickelnden Regelwerk, das die Arbeits- und somit sozialen Beziehungen der Menschen in der Klasse bestimmt. Grundpfeiler dieses Regelwerks sind die Achtung gegenüber der Würde jedes Menschen, die Achtung der Arbeit und ihrer Ergebnisse. Sie wenden sich gegen jede Form der Unterdrückung, Ausbeutung, Diskriminierung und Zerstörung der Umwelt.

 

 

 

Freie Arbeit kann nicht die Umorganisation der gewöhnlichen Pädagogik durch einige stundenplantechnische Umstellungen, durch Einführung eines lehrergemachten Wochenplans, durch die zur Verfügungstellung einiger individualisierter Materialien zur Stillarbeit sein. Freie Arbeit ist aber auch keine kopierbare Rezeptur, sie ist ein praktizierbares Prinzip. Sie bedeutet leben lernen.

 

 

 

 

 

 

 

Der gesamte Text schreibt im oberen Teil das Wort „Freie“ und im unteren das Wort „Arbeit“. Es war Anfang 1989 die Rückseite der Fragen und Versuche Nummer 47

 

und 1988 das Titelbild der Materialkatalogseiten des Verlags an der Ruhr.