Walter Hövel
Lernen und Lehren

 

 

„Erziehung besteht darin, dass der Mensch seine Fähigkeiten selbst lernt um sich als menschliches Lebewesen zu organisieren“ (Célestin Freinet)

Ich habe nach dem ersten Kontakt zur Freinetpädagogik und anderen demokratischen Strömungen und Menschen, insbesondere zu Paul le Bohec, nach sieben Jahren Tätigkeit an der Hauptschule Wupperthaler Straße in Köln, klar gehabt, was ich nicht will.

 

Ich mochte keinen Unterricht von Lerner*innen in einer staatliche Zwangs-Selektion-Schule. Ich lernte die Macht der Lehrpersonen auch bei mir selbst zu sehen und abzubauen. Ich verabscheute den Zwang der Vorgabe zu lernenden Inhalten durch den Unterricht. Ich suchte die Würdigung des Lernens jedes Menschen gegen die Bewertung durch Noten, Tests und Prüfungen. Ich wurde - mitten in einem System, dass selektierte, belehrte, Lernende unterordnete und bewertete - zum eifrigen Vertreter der Gültigkeit der Menschenrechte für Kinder und Jugendliche.

 

Zu meinem Glück habe ich eine Persönlichkeit, die Schüler*innen beindruckt. Ich komme aus den Unterschichten und habe dies nicht vergessen. Kinder, Jugendliche und Studies „tanzen mir nicht auf der Nase rum“, sondern hören zu, wenn ich etwas sage. Ich war glaubwürdig, kritisch gegenüber dem „Üblichen“ und setzte alles um, was umsetzbar war. Ich war empfindlich, ja sogar verletzbar und somit sensibel für Situationen, Chancen, Lernende und Freunde.

 

Ich lernte die Dinge situativ und nachhaltig konkret zu verändern oder zumindest anders zu machen. Ich lernte, dass die ärgsten Verteidiger des Systems Schule, jene Lehrer*innen, Verwaltungsmenschen und Politiker*innen sind, die genau dieses System wollen und propagieren.

 

 

„Dass ein selbstgesteuertes autonomes Lernen nicht nur Zielperspektive, sondern Grundvoraussetzung ist.“ (Falko Peschel)

Zwanzig Jahre Grundschule Harmonie folgten. Die tägliche Infragestellung der „Regel“schule und des eigenen Tuns, der Kontakt zu Falko Peschel und zahlreiche Begegnungen mit anderen Pädagog*innen des In- und Auslands an und in „meiner“ Schule,  prägte meine Vorstellung von dem was ich will. Hinzu kam mein Wirken in der Welt der Universitäten und in zahlreichen Vorträgen und Weiterbildungen.

 

Ich will, dass Menschen ihr gesamtes Leben so früh wie möglich ihr Lernen selbst bestimmen. Immer deutlicher und radikaler kam dies in den Vordergrund meines schulischen Handelns. Das selbstbestimmte Lernen in der Demokratie einer Gemeinschaft gleichwürdiger Menschen wurde mein Leitmotiv.

 

Dieses primäre, immer selbst bestimmte und verantwortete Lernen paarte ich mit der Möglichkeit aus der Welt der Kinder, der Erwachsenen und allem Wissen der uns umgebenden Welt selbst auszusuchen, was Lernende wissen wollen. Dies nannte ich „Kinderuniversität“, weil die Universität einmal die Gemeinschaft der gleichberechtigten Lernenden und Lehrenden sein sollte. Immer war der Ausgangspunkt all dieser Gedanken mein Kampf gegen Armut und Unterdrückung, für das besondere Recht auf Bildung der Unterschichten, Migranten, Behinderten und Flüchtlinge.

 

 

„Auf lange Sicht war eine hierarchisch geordnete Gesellschaft nur auf der Grundlage von Armut und Unbildung möglich.“   (George Orwell)

In diesen Jahren der Grundschule Harmonie lernte ich unter anderem, dass die Lernenden umso mehr lernen, je schneller und besser sie das von ihnen Gelernte an andere weitergaben.
Ich lernte, dass das Lehren ein Unterbegriff des freien Lernens ist.

 

 

„Ich bin immer bereit zu lernen, aber nicht immer, mich belehren zu lassen.“ (Oscar Wilde)

 

 

Suche nach einer passenden Theorie

Immer war ich als „Reformpädagoge“ auf der Suche nach einer passenden Theorie. Meine politische Perspektive der Aufhebung der Armut zerbröselte an der Kleinbürgerlichkeit des „Realen Sozialismus“. Ihr fehlte die Achtung der persönlichen Freiheit jedes Menschen.

 

Eine psychologische Einbettung scheiterte an der falschen geschäftlichen Ausrichtung eines unpolitischen Rückzugs in das Private. Nirgendwo ergab sich ein Überbau, in dem ich meine Auffassung von Pädagogik besser beheimaten konnte als es die humanistischen, ja bürgerlichen Gedanken einer Freinetpädagogik schon taten. Ich lernte sie selbst zu definieren.

 

 

„Bildung als selbstbestimmter und aktiver Prozess der Entwicklung der Person ist auf die Freiheit der Person sowie auf die Verhältnisse angewiesen, die Anregungen ermöglichen.“ (Wilhelm von Humboldt)

 

 

Somit fand ich zunehmend meine Heimat im konstruktivistischen, systemischen Denken. Hier finde ich die größtmögliche Anerkennung jedes Kindes, das Verstehen seines Tuns - und die besten Begründungen für meine Weltsicht. Die Kongruenz ist nicht unbegrenzt, weil diese Theorie auch stehenbleibt wie beim Funktionierenmachen der staatlichen und „privaten“ Schule zu beobachten ist. Zu viele Systemiker analysieren gut, wollen aber weiterhin, eben nur verbessert, systemischer erziehen und unterrichten. Der Schluss vieler ist nicht, dass die Menschen das Recht haben ihr Lernen in immer höheren Maße selbst zu bestimmen. Vielmehr wollen sie selbst klüger werden und ein „systemisch“ verbessertes Lernen auch durch verbessertes Lehren anbieten.

 

 

„Man kann nicht etwas ändern, ohne alles zu ändern“ (Martin Buber)

 

 

Ich habe mit dieser Theorie gelernt, in großen Netzen der Inklusion, der Diversität, der Heterogenität, der bürgerlichen Freiheit, der Kinderrechte, der Demokratie, der Weiterentwicklung (selbst mit Fachdidaktikern) oder der Menschlichkeit zu kooperieren. Ich habe gelernt andere Meinungen zu akzeptieren. Ich lernte so, die eigene Meinung sehr klar zu sagen und zu verhandeln.

 

“My education was limited to the knowledge of my teachers” (Orlan Lulja, Albanien)

 

Der Konstruktivismus schildert in allen seinen Publikationen warum eine Belehrung von Menschen spätestens am individuellen Wollen der neuralen und eigenen Steuerung des Menschen scheitert. Systemik schildert sehr genau, warum Menschen selbst entscheiden welche Weltanschauung, welche Vorbilder oder Lebensweisheiten sie annehmen. Am klarsten und einfachsten drücken das der Hirnforscher Gerhard Hüther: „Man kann niemandem etwas beibringen“ oder der Neurobiologe Gerhard Roth „Wissen kann nicht übertragen werden, sondern muss im Gehirn jedes Lernenden neu geschaffen werden“ aus.

 

 

 „… denn man begreift nur was man selbst machen kann, und man fasst nur was man selbst hervorbringen kann.“ (Goethe 1804)

 

 

Argumentationen für das eigene Lernen

 

 

„Die Grundlage einer echten Demokratie besteht nicht darin, dass die Leute ihre Regierung wählen können. Echte Demokratie besteht, wenn die Leute ihre Lehrer auswählen können.“, sagte Dayal Chandra Soni, ein indischer Pädagoge. Der nächste Schritt ist, dass die Lernenden sich aussuchen, was sie lernen. Zumindest war das an der Grundschule Harmonie so. Je höher der Grad der Selbstbestimmung der Lerninhalte und ihrer Methoden ist, desto höher ist die Chance eigener Konstruktion einer demokratischen Welt.

 

 

Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. (Regula Aurea)

 

 

Ich wollte immer eine Schule für „die kleinen Leute“. Sonst bestimmen die großen Leute und ihre Anhänger. Und sie bestimmen, wenn sie als Lehrpersonen lehren und leiten. Wenn Lehrer*innen so die Bildungsziele vorgeben, schaffen es viele Lerner*innen diese zu erreichen, die meisten in etwa und viele nicht. Sie schaffen es umso besser, je erkennbarer ihre soziale Bildungsnähe und ihr Zugang zu Macht und Geld sind. Wenn aber Lerner*innen ihre Bildungsziele selbst vorgeben, wie viele Lehrer*innen schaffen es dabei mitzukommen?

 

 

„Einerseits gibt es das Lernen das eines Freien würdig ist. Dies ist das Lernen um seiner selbst willen. Oder für Freunde oder für die Tugend. Andererseits gibt es das sklavische Lernen, von welchem immer dann zu sprechen ist, wenn auf Veranlassung anderer gelernt wird.“ (Aristoteles)

 

 

Demokratisches Zusammenleben ist kein abstrakter Unterrichtsinhalt. Demokratie ist nicht Form und Spielregeln, sondern täglich zu realisierende Menschenrechte aller Kinder. Die Techniken des Lernens selbst müssen demokratisch sein. Sie sollten so von den Lernenden einsetzbar und benutzbar sein, dass die Kinder selbst ihr Lernen bestimmen und nicht mehr die allgewaltigen Lehrer oder Erzieher, die Lehrpläne oder das Material.

 

 

„Wenn wir Kinder nicht lassen, erfahren wir nie, was sie täten, wenn wir sie ließen.“
Lothar Klein, deutscher Pädagoge

 

 

Es geht nicht nur darum nur die eigenen Lernziele zu bestimmen. Als Freinetpädagoge habe ich den Anspruch, dass Demokratie die Leitkultur des eigenen Lernens wird. Demokratie ist kein schmückendes Beiwerk einer guten Schule, nicht Lernziel zur Kompetenzbereicherung von Kindern. Demokratie verwirklicht sich in der Art und dem Inhalt des freien Lernens selbst. Hier wirken dann das freie Schreiben, das Tasten, Versuchen und Forschen, das Arbeiten mit Material und das weit außerhalb und über die Schule hinaus. Hier wird der freie künstlerische Ausdruck gepflegt, die Selbsteinschätzung, die Präsentation, das eigene Fragen und die Reflexion des eigenen Lernens. Hier wird das eigene Thema behandelt. Die Kooperation mit anderen findet statt in Kreis und Versammlung. Entscheiden, Verantworten, Leiten und das Selbstsein werden geübt.

 

 

Immer wieder „warum?“ fragen …. Selber fragen
Hans Freudenthal, dänischer Mathematiker

 

 

Selbstverwirklichung und die Suche nach Freiheit sind Urbedürfnisse der menschlichen Entwicklung und des menschlichen Lernens. Dabei hatte die Menschheit nie andere Lehrer als die eigenen Lerner. Die Menschheit lernte alles selbst. Sie lernte selbst-verständlich.

 

 

Von Freinet-Pädagogen wurden eine Reihe von Strukturen entwickelt und erprobt, die es zumindest der Mehrzahl der Schüler gestatten, sich von der Bevormundung und Gängelei durch den Lehrer frei zu machen und selbst-ständig und selbsttätig ihren eigenen Lernweg zu finden und zu verfolgen.
Prof. Florian Söll, Uni Paderborn

 

 

Jedes Lernen ist subjektiv! Erst eigenes Lernen macht Bildung. Beweisen Kinder ihre Intelligenz dadurch, dass Erwachsene begreifen, was sie als Lerner*innen aus Lernangeboten machen oder sollen Kinder durch die eigene und die Herausforderungen der Welt zu sich selbst finden? Zeigen Erwachsene den Kindern, wie sie zu sich selbst finden – oder dürfen sie selbst suchen?

 

 

Kinder leben nicht für uns. Sie leben ihr Leben und bin ich einverstanden
Prof. Hans-Joachim Maaz, Uni Erfurt

 

 

Elektronische und klassische Unternehmen wollen noch mehr von unserer Zeit, noch mehr Selbstoptimierung und eine effektivere Ausbildung - ohne die bewusst leer gehaltenen öffentlichen Kassen für Bildung und Schulen zu füllen. Unsere Antwort ist das Offene Lernen, die Öffnung der Gehirne und Schulen, damit etwas bei uns reinkommt. Eine zu klärende Grundfrage ist, ob Kinder Menschen mit allen Rechten eines Menschen sind.

 

 

Wenn Sie das Kind etwas lehren, so hindern Sie es daran, es selbst zu entdecken. Sie stiften Schaden   (Jean Piaget)

 

 

An der Grundschule Harmonie war das wichtigste Lernen das eigene. Kinder entschieden was, wann, wie, mit wem und wann sie arbeiteten. Sie lernten den eigenen Arbeitsauftrag im Kreis zu formulieren. Aber alle 14 Tage gingen sie für einen Tag bis zu drei Tagen bei anderen lernen. Dies konnten andere Kinder, Lehrer*innen und andere Erwachsene der Schule, Eltern oder andere Menschen aus der Region oder Gäste, die da waren, sein. Die Kinder suchten sich aus zu welchen Themen und Menschen sie gingen. Andernfalls arbeiteten sie an ihrem eigenen Thema weiter. So erweiterten wir das Lernprogramm um das erreichbare Expertenwissen. Dies war ein Beschluss des Kinderparlaments und somit schulprogrammatisch verpflichtend.

 

 

Adler steigen keine Treppen (Victor Hugo)

 

 

Kinder der Grundschule Harmonie sagen, was für sie demokratisch ist: - Vom ersten Tag an Selbst-Respekt erfahren - Verschiedene Wirklichkeiten zulassen – Persönlichkeiten treffen – anderen Kindern zeigen was Demokratie ist - Sich selbst bilden können - Kooperatives Lernen aus der Erfahrung aller - Lernen mit Kindern reflektieren - Heterogenität leben - Mit den verschiedenen Ansichten über Demokratie leben - Demokratie in der Schule leben - Demokratie in der Klasse.

 

 

Begrenze dein Kind nicht auf das, was du gelernt hast, denn es ist in einer anderen Zeit geboren
Jüdisches Sprichwort

 

 

Das Kind sucht selbst aus im Angebot von Anregungen, Unterstützungen, beispielgebenden Mitmenschen und Beziehungen. Das fördert und erzieht mehr als jede Förderung und Erziehung. Wir brauchen keine neuen Fächer. Schafft die alten ab und lasst die Kinder und Jugendlichen selbst entscheiden, was sie lernen. Lernen ist kein Füttern. Füttern muss zur rechten Zeit aufhören, damit Menschen sich selbst ernähren können. So ist es auch mit dem Lernen!

 

 

… dass wir unter allen Umständen die Forderung der gleichmäßigen Förderung aufgeben müssen, und dass wir an ihre Stelle die Forderung der höchstmöglichen Förderung jeder einzelnen Begabung zu setzen haben.
J. Kühnel 1954

 

 

Wir wollen das eigen-willige und selbstaktive Lernen des Kindes, das Finden eigener innerer Wissenschaftsmodelle, eigener Lernwege und der eigenen Lernerpersönlichkeit. Lernen wird als Prozess anerkannt. Dies geschieht durch eigenes Denken, Tun und Begreifen. Dies geschieht in Projekten und beim eigenen autonomen Lernen. Es braucht keine Belehrung, sondern die Erreichbarkeit aller notwendigen Lehren.

 

 

Das Kind stellt eine neue Frage und beantwortet sie sich selbst. Dabei entdeckt es Wissen, dass den Erwachsenen noch nicht bekannt war. Das ist das höchste Ziel, das Bildung erreichen kann.
Michail Petrowitsch Schetinin

 

 

Bereiche werden vollkommen neu definiert! Wer sagt, dass Arbeit zu bezahlen ist? Wer sagt, wie und dass Mehrheiten entscheiden? Wer sagt, dass Schule bestimmt was du lernst und nicht, die Lerner*innen selbst? Ich bin als Lernkraft für das Kind da und es ist für sich selbst verantwortlich.

 

 

Glaubst du, du bist noch zu klein um große Fragen zu stellen? Dann kriegen die Großen dich klein noch bevor du groß genug bist. (Erich Fried)

 

 

Nicht mehr das lernende Kind hat sich auf die „lehrenden“ Lehrer einzustellen, sondern der Lehrer lernt sich auf den Standpunkt des Kindes zu begeben, um diesem in der Entfaltung seiner eigenen Theorien weiterzuhelfen. Kümmern wir uns um die Kinder und Jugendlichen, anstatt sie zu belehren.

 

 

Aber statt es unsere Wege zu lehren, lasst uns ihm Freiheit geben, sein eigenes kleines Leben nach seiner eigenen Weise zu leben. Dann werden wir, wenn wir gut beobachten, vielleicht etwas über die Wege der Kindheit lernen.
Maria Montessori

 

 

Freinetpädagogik: Das Kind hat das Recht auf seine Umwelt Einfluss zu nehmen. Das Kind hat das Recht weder indoktriniert noch konditioniert zu werden. Das Kind hat das Recht Kritik zu üben. Das Kind hat das Recht am Berufsleben teilzunehmen, bevor es selbst in die Produktion eingespannt wird. Die Kinder haben das Recht sich demokratisch zu organisieren, um für die Respektierung ihrer Rechte und die Verteidigung ihrer Interessen einzutreten.

 

 

Das Kind hat das Recht so zu sein wie es ist. Kinder werden nicht erst zu Menschen – sie sind bereits welche. Die Aufgabe der Pädagogik ist es, das Kind den Erziehern gewachsen zu machen.
Janusz Korczak

 

 

Ich lehre Lehrer*innen, dass Kinder ihr Lernenlernen lernen.

 

 

Man lernt am schnellsten und besten, indem man andere lehrt. (Rosa Luxemburg)

 

 

Eine 16jährige Schülerin aus Hamburg antwortet auf die Frage „Warum ihre Lehrer*innen so oft überanstrengt seien: „Das ist doch klar! Wenn’s ums Lernen geht trauen sie uns Schülern nichts zu. Sie lassen uns nicht selbst lernen, obwohl wir genau das können. Haben wir aber einmal Ärger mit unseren Freunden, sagen sie zu uns ‚Regelt das selbst‘. Mit einer solchen Einstellung hast du Stress!

 

 

Argumentationen gegen das Lehren

 

 

Das Schlimme ist nicht, dass sich nicht jeder Lehrer auf jeden Lernenden einstellen kann, sondern dass die Lernenden sich auf jeden Lehrer einstellen müssen. Viele, die verstehen, dass die jetzige Schule zu wenig bringt, fordern gerne, dass es „wieder Bildung“ gäbe. Es hat sie aber nie für alle Menschen gegeben! Es wurde zu Gehorsam, Konversation und Funktionieren ausgebildet. Menschen aber bilden sich selbst in Unfreiheit selbst!

 

 

Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen,
es in sich selbst zu entdecken (Galileo Galilei)

 

 

Der gegenwärtige autoritäre Backlash unserer Gesellschaft zu einem nationalistisch, rassistischen Denken hängt auch damit zusammen, dass nicht Kinder mit Kindern lernen und leben, sondern Erwachsene und ihre Schulen in ihrem alten Denken erziehen. Der Staat erlaubt es sich, sich von denen wählen zu lassen, die über 10 Jahre ihrer Kindheit und Jugend verpflichtet waren von ihm erzogen zu werden. Wer, wenn nicht die Gymnasial- und andere Lehrer haben jene Eltern gebildet, auf die sie sich berufen, wenn sie Veränderungen nicht wollen. Versuchen wir Kinder zu erziehen und zu belehren, weil wir uns als Erwachsene überlegen oder klüger vorkommen? Zumindest würde ich vom Staat in Schule und Bildung erwarten, dass er mehr Demokratie wagt.

 

 

Die Schule ist jenes Exil, in dem der Erwachsene das Kind solange hält, bis es imstande ist, in der Erwachsenenwelt zu leben, ohne zu stören (Maria Montessori)

 

 

Ich bleibe nach über 60 Jahren eigener Erfahrung mit Schule dabei: Anfang der 1970er Jahre arbeitete ich in der Lehrplankommission Englisch des Landes Nordrhein-Westfalen für Hauptschulen. Dort wurde ich mit dem Vorwurf belächelt, dass ich Englisch situativ in Eigenhandlung individualisiert, also „planlos“ lernen lassen wollte. Schulisches, fremd geplantes Unterrichten behindert das Lernen. Das ist so geblieben.

 

 

Ich unterrichte meine Schüler nie; ich versuche nur, Bedingungen zu schaffen, unter denen sie lernen können (Albert Einstein)

 

 

Erziehung durch Lehren ist das Mittel der Erwachsenen die Rasanz der eigenen Entwicklung zu verlangsamen. Viele Erwachsene können kaum mit Kindern reden. Es gibt für viele Lehrer*innen zwei Wege: „Ich entscheide immer noch was die Schüler*innen lernen, und die Noten helfen mir dabei.“ oder „Die Schüler*innen entscheiden, was sie lernen und ich helfe ihnen, wenn sie wollen.“ Es ist eine Frage Ihrer Entscheidung.

 

 

Anstatt die Kinder in das Denken der Lehrer zu drängen, ist es besser, sie ihre Eigenes erforschen zu lassen, da dies ihrer Realität mehr entspricht.
Paul le Bohec, französischer Pädagoge

 

 

Warum versuchen Erwachsene immer wieder offen, verdeckt, trickreich oder systemisch zu erziehen? Warum lassen sie Kinder nicht sich selbst erziehen? Warum sind sie nicht sie selbst in der Begegnung mit ihnen? Nicht lehren was man für wichtig hält. Mit den Fragen und Bedürfnissen der kooperierenden Menschen lernen, was ihnen und dir wichtig ist. Zu viele Lehrer*innen zwingen ihre Schüler*innen zum Lernen, weil sie es „gut mit ihnen“ meinen.

 

 

Menschen verhalten sich systemintelligent. Kinderverhalten durchblickt Erwachsene Rainer Schmidt, deutscher Pfarrer, Entertainer, Contergan geschädigt und Tischtennisspieler

 

 

An der Grundschule Harmonie haben wir Kinder gefragt wie Erwachsene sein sollen. Sie sagten kein Wort über lehrende Lehrer, sondern: Einfach nett sein - Vorbild sein - Liebe zeigen können - Zeit haben – Beschützen – Spielen -  „Mama sein“ – Geduld – Fürsorge - Lustig sein - Loslassen können – Mitfühlen – Trösten - Sport - Hilfsbereitschaft – Knuddeln - die Welt zeigen – Verstehen – Beachten – Helfen – Mittoben - Trennung vermeiden - „Papa sein“ - ernst nehmen - Ideen haben.

 

 

Gründe für Langeweile: 62% Unterrichtsgestaltung, 45% Inhalte und Themen, 57% Kinder unterfordert, 31% überfordert, 50% mangelnde Bedeutsamkeit, fehlendes Sinnverständnis des Lehrstoffs. Langeweile nimmt im Laufe der Schulzeit zu! (Götz, Frenzel, Haag, Grunder, Lohrmann, …)

 

 

Der alte Lehrer wusste, was er lehrte. Der neue weiß, dass Schüler lernen. Gewöhnliche Lehrer* innenbildung von 1955 bis heute, geht nicht vom Lernen des Kindes aus. Sie lehrt Kinder zu belehren. Die Modernisierung ist immerhin, dass Fachdidaktiken begannen, die Wege der Kinder beim Zugang zum gewünschten Lernen einzubeziehen. An sehr wenigen Schulen ermutigen Lehrer*innen Kinder das eigene Lernen zu lernen, um mit allen gemeinsam zu lernen wie Lernen geht. Solange „Lehrer -Ausbildung“ stattfindet, lernen Lehrer*innen Kinder für die Schule beherrschen zu wollen.

 

 

Meine Rolle in der Gesellschaft besteht wie die eines jeden Künstlers oder Poeten darin, das auszuleben, was wir alle fühlen, und nicht etwa darin, den Leuten vorzuschreiben, was sie zu fühlen haben – nicht als Prediger, nicht als Führer, sondern als Spiegelbild von uns allen. (John Lennon)

 

 

Früher und auch heute bedeutet Lernen in der Schule das Gelehrte gelernt zu haben.

 

 

Schule ist im Wesentlichen damit beschäftigt Kinder zu trivialisieren
Heinz von Foerster

 

 

Lehrer*innen jammern über die heutigen Schulen und die Gesellschaft. Dabei ist es ihre Gesellschaft, ihre Schule, werden ihre Kinder sagen! Junge Lehrer*innen jammern über einen Beruf, den sie ergriffen, obwohl sie ihn seit Jahrzehnten kannten! Sie müssen selbst lernen, wie Schule veränderbar ist. Niemand hat es sie gelehrt.

 

 

Der Mensch mag für sich selbst und für Beobachter als Einheit erscheinen, aber er ist kein System (Niklas Luhmann)

 

 

Nicht die Struktur der Schule den Kindern oder die Struktur ihrer selbst lehren, sondern die Struktur des Lernens jedes Kindes finden.

 

 

Wer ein Kind ständig mit Kursen füttert, gibt ihm das Signal: Du bist dazu da, unsere Erwartungen zu erfüllen“. Damit demütigen Sie das Kind. (Remo Largo)

 

 

Früher wehrten sich Lehrkräfte dagegen, dass die Grundschule nur auf das Gymnasium vorbereitete. Heute werden Kinder von Anfang an auf Unterricht vorbereitet. Aber schon als Kind solltest du kein Untergebener sein. Wenn Freinet einst sagte „Schafft die Schulbücher ab! “ So müssen wir heute sagen: „Schafft das Unterrichten ab“! Das gewöhnliche Unterrichten ist die konsequente Fortführung des gleichschrittigen Eintrichterns von Lehrstoff. Hört auf zu unterrichten! Vermeidet die Strukturen des Unterrichtens, damit die Kinder Strukturen ihres eigenen Könnens finden können.

 

 

 Der Unterricht tötet unsere Fähigkeit, uns zu wundern. Nur ein Genie kann davon unverdorben bleiben. (Albert Einstein)

 

 

Schulsysteme sind zu allererst selbstherrlich hierarchisch. Sie arbeiten nach der Regel: Lernende passen sich dem System an. Ein gutes System aber passt sich den Regeln der Lernenden an.

 

 

Argumente für gemeinsames Entscheiden

 

 

Es gibt kein Lernen ohne Gemeinschaft und keine Gemeinschaft ohne die lernenden Individuen. Lernen ist ein ganzheitlicher individueller und immer gemeinschaftlicher Vorgang.

 

 

Nicht das Kind, sondern die Beziehung von Kind und einem Erwachsenen, der sich selbst verändert, steht im Mittelpunkt (Prof. Ursula Svoboda, PH Linz)

 

 

Lass Kinder entscheiden was sie angeht. Oder fragt sie, ob sie mit dir gemeinsam entscheiden wollen. Aber mache es nicht ohne sie. In der Geschichte der Schule haben immer Erwachsene entschieden, was Kinder lernen, nie die Kinder. Nur kluge Pädagog*innen haben mit den Kindern gemeinsam entschieden. Das autonome, kooperative und  demokratische Lernen mit Selbsteinschätzung und gegenseitiger Beratungskultur von Eltern, Schule und Kindern befähigt die Kinder zunehmend das eigene Lernen zu gestalten, zu beherrschen, beschreiben und erklären zu können.

 

 

Wie bei Erwachsenen geht es bei Kindern nicht um Alles-Erlauben, sondern um gegenseitiges Aushandeln und Abgrenzen. Es geht nicht um Erziehung, sondern um liebevolle Beziehung. Die Kinder werden immer besser! Sie werden immer reflektierter, sprachgewandter. Sie sind gewohnt von Erwachsenen einbezogen zu werden. (Dr. Michael Schulte-Markwart, 2016,  ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Uni Hamburg)

 

 

Unser pädagogisches Denken hat sich in den letzten Jahren so weiter entwickelt, dass wir zum Beispiel auch von gut gemeinter Erziehung wissen, dass sie nicht so greift wie wir Erwachsenen es wollen. Es ist nicht der Ausgleich zwischen Arbeitsstress, Gesundheit, Sport und Freizeit; es ist das Gleichgewicht zwischen einer selbst verantworteten, selbst bestimmten schöpferischen Arbeit und meiner Muße.

 Das Individuum selbst muss die festen Grundlagen seines Lernens schaffen, wobei es die Möglichkeit von Erwachsenen und einer Umgebung hätte, die ihm hilfreich zur Seite stehen. In diesem Fall sprechen wir von Erziehung. Wenn man von außen dem Kind einen Rahmen von Verhaltensregeln auferlegt, die seinen natürlichen Bedürfnissen fremd sind, sprechen wir von Dressur. (Elise Freinet)

 

 

Gemeinsam lernen ist etwas anderes als Belehren.

 

 

Statt für die Kinder zu handeln, wird es darum gehen mit den Kindern zu handeln Wilhelm Rotthaus

 

 

Klassenrat ist das Herz, die Seele, die Mitte. Der Klassenrat ist kein Mittel zur Konfliktlösung, wenn Lehrern nichts mehr einfällt. Er organisiert nicht zuerst Klassenfahrten oder Schulhöfe. Der Klassenrat plant, organisiert und bestimmt das eigene und das gemeinsame Lernen.

 

 

Wenn Kinder aufhören zu kooperieren, dann wurde entweder ihre Kooperationsbereitschaft überstrapaziert oder ihre Integrität verletzt. Es geschieht niemals, weil sie nicht kooperieren wollen. (Jesper Juul)

 

 

Lernen ist ein Prozess der menschlichen Gemeinschaft. Haltung braucht das Gespräch, den Austausch, das Reden in der menschlichen Gruppe. Die geschlossene Tür des Klassenraumes, das falsche Team, die Vereinsamung im Beruf, lassen die Öffnung zu den Menschen, die demokratische Praxis und die Verbesserung des Lernens weniger werden. Suchen Sie ein Kollegium, das mit ihnen denkt, mit ihnen fühlt, ihre Handlung unterstützt und eine Schule anstrebt, die das autonome eigene Lernen der Menschen provoziert.

 

 

Mein Kind fühlte sich an- und ernst genommen. Seine Ideen und Schlussfolgerungen wurden nicht gewertet, sondern als Grundlage für Austausch betrachtet (Mutter an der Grundschule Harmonie)

 

 

Beeinflussung unseres Denkens und Lehrens

 

 

Systemik ist mir oft zu unvorsichtig. Sie ist politisch zu wenig auf der Hut. Sie sollte verantwortlicher Positionen der Demokratie einnehmen. Denken an und für sich ist noch nicht immer auf der Seite der Menschenrechte positioniert. Jeder Mensch das Recht, das zu lernen, was sie oder er für wichtig hält. Ich glaube, dass die eigene Entscheidung viele Umwege bringt, die wir auch aushalten müssen, weil wir Menschen viele Wege, auch Umwege gehen.

 

 

Unser Gehirn wird schon lange beeinflusst, zum Beispiel durch Bilder in der Werbung oder mit chemischen Substanzen
(Christian Ruff, Schweizer Hirnforscher Mai 2017)

 

 

„Philosophen haben den Traum, dass jeder, der sich auf den Weg des Denkens macht, schon deswegen auf dem richtigen Weg sei… Von dieser schönen Hoffnung ist es nur ein kurzer Schritt zu Nietzsches Verachtung der Ungebildeten…Schon die Frage nach Gut und Böse sei überholt, teilt übrigens Martin Heidegger wie die meisten nationalsozialistischen Denker. Deshalb braucht es eine Ethik des Denkens und mehr Wissen über gefährliche Denkwege. (Bettina Stangneth)

 

 

Ich möchte schwimmen lernen. Möchten Sie einen Vertrag aushandeln? Das ist nicht nötig. Ich muss nur meinen Sack Kohlköpfe mitnehmen können. Was für Kohl-köpfe? Na, das Essen, das ich auf der anderen Seite brauchen werde. Dort gibt es besseres Essen. Wie soll ich das verstehen? Ich kann doch nicht sicher sein. Nein, meine Kohlköpfe muss ich mitnehmen. Aber mit einem Sack Kohlköpfe können Sie nun mal nicht schwimmen. Dann kann ich auch nicht mitkommen. (Humberto R. Maturana)

 

 

Irrtümer


Es gibt Eltern und Lehrer*innen, die unter Hilfe verstehen, die Fragen der anderen selbst zu formulieren und die richtigen Antworten gleich mit zu geben. Versucht weiter das Handeln anderer zu beeinflussen. Sie werden euch enttäuschen. Nicht die Lehrer*innen sollen die demokratischen Antworten auf die Fragen der Kinder geben. Die Kinder lernen selbst ihre „richtigen“ Antworten. Das ist im Alltag der Schule lernbar. Demokratie und Freiheitswille ermöglichen die eigenen Fragen zu formulieren. Wird das in der täglichen Schule gefördert?

 

 

Die Natur lässt sich binden, züchten, schneiden. Es war der schlimmste Irrtum der frühen Erziehungswissenschaft, zwischen Mensch und Natur eine Analogie herzustellen und das Kind für ein Stück Natur zu halten, das man ebenso in jede gewünschte Form zwingen könne, wie man es mit dem Spalierobst und der Rebe macht. (Jakob Augstein)

 

 

Was hat Schule gegen den Moloch Medienindustrie zu bieten? Weder Wissen lehren noch Lernen in qualifizierten Fächern reichen. Sie kann nur die Immunität zum Selberfragen und Hinterfragen lernen lassen. Viele Lehrer*innen glauben ihre Schule für die Kinder dadurch zu verbessern, dass sie Elektronik, Techniken und Methoden finden, die die Kinder brauchen. Dabei braucht jedes Kind nur eine, die eigene!

 

 

Es gibt keinen Menschen, der nicht mehr zu lernen als zu lehren hätte.
Hugo Ball, deutsch-schweizer Autor

 

 

Als Argumentation gegen das offene demokratische Lernen werden gerne Probleme genommen, die ihren Ursprung im frontalen, die Inhalte vorgebenden Unterrichten haben. So wird z.B. zur Legitimation der Sonderschule oder anderer Selektionen gerne behauptet, weniger begabte Menschen bräuchten eine strukturiertere Lernumgebung. Das hat den gleichen unmenschlichen pseudowissenschaftlichen Hintergrund wie „Neger vertragen keine Freiheit“ oder „Vergiss die Peitsche nicht, wenn du zum Weibe gehst.“

 

 

 Wir sind Schüler von heute, die durch Lehrer von gestern in einem System von vorgestern auf die Probleme von übermorgen vorbereitet werden sollen. Die Schule hat keine Veränderungstradition. Sie hat keine Übung darin, mit Wandel umzugehen. Das vertraute Elend ist häufig näher, als das unvertraute Glück. (Wilfried Schley)

 

 

Eltern sollen sich wie früher wieder wie Erwachsene benehmen und Kinder konsequent erziehen. Andere gehen ins Mittelalter zurück und wollen Kinder wie Erwachsene sehen und behandeln. Beide „Lösungen“ ignorieren unsere gesellschaftliche Entwicklung. Kinder und Erwachsene sind heute bereits in ähnlichen Positionen. Beide müssen lernen und sich auf immer Neues einzustellen. Kinder sind dabei in der Doppelrolle „Kind“ sein zu müssen und eine nicht gekannte Verantwortung für sich selbst zu tragen. Kinder werden mehr Rechte haben als jemals zuvor. Erwachsene werden lernen Kinder als Menschen zu respektieren.

 

 

Kinder sind nicht für die Massengesellschaft geschaffen. Wir müssen zurück zu neuen vertrauensvollen Lebensgemeinschaften. (Remo Largo)

 

 

Kinder sind keine Klientel. Es gibt zu viele „Wissenschaftler*innen“, die glauben, dass Kinder zu widersprüchlich sind, um „richtig“ zu lernen. Sie fordern mehr Wissenschaft. Andere glauben, dass Lehrer*innen einfach lernen müssen besser zu erziehen und zu unterrichten. Beide nennen Kinder gerne „ihre Klientel“ und begreifen Menschsein nicht.

 

 

Viel habe ich gelernt von meinen Lehrern, mehr noch von meinen Schulkollegen, am meisten von meinen Schülern (Jüdischer Talmud)

 

 

Lehrkräfte sind nicht dazu da „Kinder glücklich zu machen“. Kinder lernen selbst! Lehrkräfte müssen als Lernkräfte die eigenen Kompetenzen, das eigene Glück der Menschenrechte entwickeln.

 

 

Der Vernünftige verliebt sich leicht in Systeme. Er ist immer geneigt, seinen Instinkten zu misstrauen. (Hermann Hesse)

 

 

Es reicht nicht Kinder statt Fächer zu unterrichten. Es macht genau so arm wie Kinder und Jugend-liche so zu unterrichten, dass sie Fächer folgen wollen. Es reicht nicht sie länger selbst lernen zu las-sen, um sie älterwerdend mehr zu unterrichten. Wir müssen allen Lerner*innen den gesamten Reich-tum des Kennens und Erkennens ausbreiten, damit sie wissen, was sie lernen können und wollen.

 

 

Warum wird auch in offenen Unterrichtsformen auf das alte
Planungsmodell bestanden?
(Falko Peschel)

 

 

Über das Nicht-Lehren

 

 

Er sagt eben nicht, du musst Kindern das „Richtige“ lehren, damit sie das „Richtige“ tun!

 

 

Die beste Alternative zum Schimpfen ist nicht das Lob, sondern eine aufrichtige und ernstgemeinte Rückmeldung (Jesper Juul)

 

 

Die zukünftige Realität wird eh anders als deine heutige Utopie. Also pass dich an, verstehe das Neue und fordere, fordere, fordere! Die eigenen Erfahrungen, die Artikulierung ihrer Emotionen, ihr originäres Handeln, das Erproben eigener Lösungswege in ihrer realen Welt und ihre Sicht der Welt gehören in den Mittelpunkt des Lernens von Kindern. Mehr als ein Viertel der Lernzeit sollte zuerst individuell und kooperativ selbst bestimmtes Lernen sein. Ein Viertel das Versammeln zum Begreifen des eigenen Lernens. Ein Viertel das Lernen von und mit Expert*innen, die die Lernenden sich aussuchen (Kinder-Uni). Mindestens ein Viertel der Zeit zur Verarbeitung des Gelernten.

 

 

Als menschliche Wesen haben wir nur die Welt, die wir zusammen mit anderen hervorbringen - ob wir die anderen mögen oder nicht                            Maturana/Varela

 

 

Nicht autoritäre Erziehung durch verbesserte Beziehung ersetzen, sondern Kind sein dürfen, um er-wachsen zu werden. Kinder wollen Erwachsenen vertrauen - und dann klammern so viele Erwachse-nen. Sie können vertrauen lernen! Schütze mit deiner Professionalität das freie Handeln der Kinder.

 

 

Jeder dumme Mensch kann einen Käfer zertreten, aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen. (Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph)

 

 

Ein Wunder, dass ich lerne! Ich brauche gute Inhalte, eigenen Willen, Ästhetik, Spieletrieb, Formen, Vertrauen, Vorbild, Freunde, Neugierde, Gemeinschaft, Erotik, Intellekt, Lernumgebung, Selbst-Verständnis, Leben, Freiheit, Menschenrechte, Würde, Glück, Anerkennung, Raum, Zeit, Selbst-Struktur, Psychologie, Politik, Distanzierung von Manipulation, meinen Körper, meinen Geist, gute Theorien, Umgang mit mir selbst und eine demokratische Haltung und Umsetzungsfähigkeit …

 

 

Kinder selbst lernen in ,,Als- ob“-Zuständen
Sita Fritz, Studentin

 

 

Während Erwachsene der Frage nachgehen, wie „das Kind“ besser beobachtet werden soll, beobachten die Kinder die Erwachsenen. So lernen Kinder erwachsen zu werden.

 

 

Wir erziehen unsere Kinder nicht, wir assistieren ihnen
Loris Malaguzzi, Reggio-Pädagogik

 

 

Wenn bestimmte Menschen einen besseren Zugang zu anderen Menschen finden, haben sie eine bessere Erinnerung an die eigene Kindheit und eine größere Klarheit über ihr Erwachsensein. Da sie wissen was sie wollen, können sie auch gemeinsam Lösungen finden, mit denen ihr Gegenüber selbst handeln kann, ohne dass sie das eigene Denken erzieherisch aufdrängen.

 

 

 Die Kunst des Lernens hat wenig mit der Übertragung von Wissen zu tun. Ihr grundlegendes Ziel muss darin bestehen die Kunst des Lernens auszubilden.
Ernst von Glaserfels

 

 

Die Kinder bestimmen, organisieren und bewerten ihr Arbeiten, ihre Leistung und ihr Lernen selbst, in dem sie eigene Themen nicht für andere oder die Schule bearbeiten, sondern für sich selbst.

 

 

The self is not something ready-made, but something in continuous formation through choice of action (John Dewey, Philosoph und Pädagoge)

 

 

Das eigene Handeln lernen. Eine innere, zum Kind und Lernen offene Haltung, ist nicht nach der ersten Erkenntnis einfach da. Um Handeln zu lernen, musst du die eigene Haltung mühsam von Verstehen zu Verstehen aufbauen. Sie leitet dein Handeln immer neu an. Walk Your Talk! Das ist pädagogisches Ernstnehmen!

 

 

Jedes Kind hat eine eigene Theorie von Wissen im Kopf. Dieser singulären Welt des Kindes steht die ‚reguläre Welt‘ des Wissens gegenüber. Wenn die beiden Welten sich im gleichberechtigten Dialog gegenüber stehen, bleibt z.B. das mathematische Selbstbewusstsein des Kindes erhalten. Es ist bereit auch andere Theorien anzunehmen und seine Welt immer wieder durch die Sprache umzustrukturieren.
Urs Luft, Peter Gallin, Angela Glänzel-Zlabinger

 

 

Der erste Grund für Teamwork, Working together, Kooperation und Collaboration sollte immer sein, dass jeder Mensch etwas anderes erlebt und weiß. Der zweite, dass jeder Mensch leben und etwas wissen will. Das braucht viele Wege, über sich selbst und andere. Kinder sind immer vollwertige Partner dieses Lernens in der Gemeinschaft. Dies kann nur in Freiheit geschehen. Das braucht freie Kinder, und freie Erwachsene!

 

 

Der so genannte ‚Lehrplan‘ war nach hundertjähriger Erfahrung sorgsam aus-gearbeitet … ein kalter Lehrplan, der sich nie an dem Individuum regulierte und nur wie ein Automat mit Ziffern ‚gut, genügend und ungenügend‘ auf-zeigte, wie weit man den ‚Anforderungen‘ des Lehrplans entsprochen hatte.
Stefan Zweig

 

 

Wir sind als Lehrerinnen und Lehrer von der eigenen Schulzeit so geprägt, dass eine theoretische Belehrung es anders zu machen, nicht ausreicht. Wir arbeiten „automatisch“ so, wie wir es gelernt haben. Wir müssen in Ausbildung und Weiterbildung eigenes selbst bestimmtes und freies Lernen selbst erfahren, um uns selbst neu prägen zu können. Sonst können wir uns nicht in die Lernenden und ihre neuen Prozesse hineinversetzen.

 

 

Wie gestalte ich eine Atmosphäre? - Wie schaffe ich einen Raum der Re-sonanz? - Einen Ort der Aufmerksamkeit? - Wie erlebe ich mich selbst darin? -
Wie gelingen Lernlandschaften, die den Raum zur Entfaltung der Talente, der Potenziale und Fähigkeiten geben? - Wo ist Raum für das Ungewisse, das Unmittelbare, wo ist die Zeit für das Entdecken, Erkennen und Aufnehmen?
Wilfried Schley

 

 

Niemand hat etwas dagegen, dass Kinder von anderen Menschen, Kindern oder Erwachsenen lernen. Das geht aber nicht über Lehren und Belehrung. Jeder kann selbst Gelerntes dokumentieren, zeigen oder vortragen. Die Lernenden müssen entscheiden können, ob sie überhaupt zum Zuhören kommen und wie lange sie bleiben.

 

 

Gute Pädagogen fragen nicht mehr ob, sondern wie sie offen arbeiten
Uschi Resch

 

 

Lehrer*innen begleiten Kinder zu sich selbst. Sie sind nicht die Tausendsassas, die für jedes Kind die Strategie seines besten Lernens entwickeln. Ihre Aufgabe ist es mit jedem Kind so zu arbeiten, dass jedes Kind die eigene Strategie zum eigenen Lernen findet. Je mehr Einfluss die Lernenden auf den Prozess der Planung, Durchführung, Reflektion und Nachhaltigkeit ihrer eigenen Lernlandschaften erlangen, umso eher werden sie befähigt, bewusst eine menschliche Zukunft zu produzieren.

 

 

Weitergehen – nicht in der Konstruktion stehen bleiben


Es reicht nicht zu begreifen, dass wir unsere Welt erst konstruieren. Wir können eine demokratische Welt von uns selbst fordern. Sonst bekommen wir keine Selbstbestimmung, keine Freiheit, kein Leben in Glück. Es fehlt – immer gerade heute - der kleine Schritt von lernwärts zu Lernerwärts. Wir lassen die Mächtigen und Reichen im Namen der Erwachsenen und eines „Gesamtwohls“ entscheiden. In der Schule nennen wir das Lehrplan, Lehrer, Lehrerinnen und Lehren. Wer Bildung für ideologiefrei hält, hat in seiner Schulzeit nicht aufgepasst

 

 

Schülerorientierter Unterricht ist ein logischer Widerspruch in sich selbst … Die Verwirklichung der Schülerorientierung ist identisch mit der Aufhebung der Schule
Prof. Dr. Hilbert Meyer, Uni Oldenburg

 

 

Wir haben als Erwachsene die heutige Welt geschaffen. Dabei wurden Jahrhunderte lang die Armen und Ungebildeten ausgeschlossen. Es wurden die Frauen, die Fremden und Behinderten ausgeschlossen. Noch heute schließen wir die Kinder und Jugendlichen aus. Wenn zunehmend die ehemaligen Ausgeschlossenen über unsere Zukunft mitentscheiden, dürfen wir nun die Jugendlichen und Kinder nicht vergessen. Sie haben nicht nur ein Recht auf Teilhabe, sondern ein Recht auf eigene Rechte und Entscheidungen. Das beginnt beim Recht auf das eigene Lernen.

 

 

Erziehung kann niemals neutral sein. Entweder sie ist ein Instrument zur Befreiung des Menschen, oder sie ist ein Instrument seiner Domestizierung, seiner Abrichtung für die Unterdrückung. (Paolo Freire)

 

 

Es ist nicht durch die schlechten Erfahrungen mit der existierenden Schule ein „Misstrauen gegenüber dem Lehren“ entstanden. Das Misstrauen entstand umgekehrt:
Aber viel später erst wurde mir bewusst, dass diese lieblose und seelenlose Methode unserer Jugenderziehung nicht etwa der Nachlässigkeit der staatlichen Instanzen zur Last fiel, sondern dass sich darin eine bestimmte, allerdings sorgfältig geheim gehaltene Absicht aussprach. Die Welt vor uns und über uns, die alle ihre Gedanken einzig dem Fetisch der Sicherheit einstellte, liebte die Jugend nicht oder vielmehr: Sie hatte ein ständiges Misstrauen gegen sie.
Stefan Zweig

 

 

Ich weiß, dass Schule noch einige Zeit lehren lässt. Aber muss ich es deshalb propagieren? Ich komme nicht umhin, die Verhältnisse verbessern zu wollen.

 

Es geht immer darum den Zugang zum eigenen Handeln und Lernen vom Kind selbst finden zu lassen. Wir können nur beraten, begleiten und äußerst zurückhaltend den Kindern das eigene Gehen auf eigenen Lernwegen in eigenen Zeit-Räumen lassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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