Walter Hövel
Denkt sich Deutschland in die Nacht
Von Hartz-4 und Hartz-44 und der Selektion im deutschen Schulsystem
Wie wurde noch in den 1960er Jahren das gegliederte Bildungs- und Schulsystem begründet:
„Wir brauchen die, die die Befehle und Aufträge ausführen, die die sie geben und die, die sie machen“. So gab und gibt es bis heute Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten. Wir nennen das auch ein „gegliedertes Schulsystem“.
Heute sind es oft Gymnasium und Sekundarschule. Das Volk funktioniert im Gymnasium wie in der Sekundarschule. Man nennt es auch zusammenfassend Sekundarstufe. Sie agiert nämlich „wissenschaftlich“. Das Volk wird mehr in die Verantwortung genommen. Die Schichten-, - auch „Klassen“-Unterschiede genannt, - unterstützen bei der gesamten Erziehung. Sie entstehen bei der Geburt, bei der Arbeit und in den Schulen. Man nennt das auch „das System“. Dieses System wird auch „ein duales“ genannt. (Lesen Sie den entsprechenden Aufsatz!)
Damals, in den 1970er Jahren gingen die Zeiten der „Volkstümelei“ vorbei. Es gab bis dato nämlich neben dem Gymnasium und der Realschule nach der vierten oder fünften Klasse, die Volksschule. In dieser verbrachten wir die ersten 4 oder 5 Jahre und falls frau oder man kein Realschüler oder Gymnasiast wurde, die gesamte Schulzeit. Hier ging die übergroße Mehrheit der Menschen bis zur achten Klasse „zur Schule“ und sie bekamen soviel Bildung wie das Volk zur optimalen Verwertbarkeit braucht. Das wurde eben „volkstümliche Bildung“ genannt.
Entstanden "als moderne Bildung" war das Ganze bei der Entstehung der heutigen Schule vor den 20iger Jahren der Weimarer Republik: Die militaristischen, deutschnationalen, kaiserlichen, reaktionären und konservativen Kräfte hatten sich gegenüber den „entschiedenen Schulreformern“ durchgesetzt. Die „Schulreformer“ erreichten zwar gesetzlich im Deutschen Reichstag „die Schule für alle Menschen“ im Sinne eines Comenius, Humboldts, Schillers, Goethes oder anderer denkender Menschen, aber nur bis zur vierten Klasse. Das ist das, was wir heute Grundschule nennen. Damals hieß so etwas Einheitsschule, später versuchten Schulreformer so etwas als Gesamtschule zu etablieren. Auch die Nazis übernahmen Schule wie sie war. Sie konnten sie brauchen.
Die Amerikaner hatten ihre Einheitsschulen schon um 1900 eingeführt, alle anderen zivilisierten Länder der Erde spätestens bis in die 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts. In Deutschland, Österreich, Teilen der Schweiz und in Luxemburg scheiterte dies auch weiterhin an den christlichen, rechten und liberalen Konservativen bis hinein ins Lager der mitregierenden Sozialdemokratie.
In England, den USA, Finnland, Russland oder Frankreich käme ein Konservativer noch nicht einmal auf die Idee etwas gegen eine Einheits-, - Gesamt- oder echte Grundschule zu haben, egal ob dies aus Profitgründen oder aus einer demokratischen Grundhaltung heraus abgeleitet wird! Diese Einheitsschulen gehen weltweit mindestens bis zum 6., oft bis zum 9. oder 10. Schuljahr.
Ganz Europa schloss sich auch in Schulfragen den USA, Russland, China oder Indien an. Aber in der Mitte Europas, dort, wo „deutsch“ gesprochen wird, wurde die Beibehaltung der Verhinderung einer äußeren Schulreform durchgesetzt. In den 60iger, 70iger bis in die 80iger Jahre wurde alles, was nur den Hauch von demokratischer, alternativer oder reformierter Erziehung oder Pädagogik hatte politisch bekämpft. In den 20er Jahren des 21.Jahrhunderts geschieht dies wieder.
Die fand aber international gegen die Gunsten der Entwicklung der jeweils nationalen Ökonomie seit fast hundert Jahren statt. (War sie eine Vorahnung (besser ein Nachahmen) des nationalen Rechtsrückens der weltweiten Politik?) Trotzdem wurden in das gegliederte System hinein Gesamtschulen gegründet. Heute findet im Volk eine „Abstimmung mit den Füßen“ statt. Der deutsch-sprechende Mensch will zum Gymnasium oder zur Gesamtschule.
So stehen wir also da. Unser Schulsystem und das gesellschaftliche Leben passen nicht mehr zusammen. Ein paar Jahre passte es ja vielleicht. Da gab es Lehrstellen für einfache Handwerker, Fabrikarbeitsplätze für ungelernte oder angelernte Frauen und Männer, Geschäfte, in denen noch bedient wurde, und Stellen, an denen noch von richtigen Baufirmenangehörigen gebaut wurde. Auch als Hauptschüler bekam man (noch) einen Arbeitsplatz.
Realschüler arbeiteten in Büros, Versicherungen, dem gehobenen Handwerk und wurden sogar Vorsitzende der deutschen Industrie. Gymnasiasten wurden Ärztinnen oder Ärzte, Richterinnen oder Richter, Betriebwirtschaftlerinnen oder Betriebswirtschaftler, Lehrerinnen oder Lehrer. Sie arbeiteten in Wissenschaft und Politik.
All das funktioniert kaum mehr. Außenminister ohne Schulabschluss, unterbezahlte, völlig erschöpfte Ärzte, nicht examinierte Juristen im Parlament, arbeitslose Schreiner, billige Hilfslehrer*innen, Minijobhandlanger, Jugendliche ohne Lebenssinn, aber Fernsehstars, Fußballer, Politiker und Manager, denen es offensichtlich gut geht. Die Wirtschaft unseres Landes lebt in der Gegenwart explodierender Gewinne, immer größeren Teilen des Volkes gehen Arbeitsplatz, Sinn und Bildung verloren. Rechte werden eingeschränkt, was aber die Wirtschaft nur noch reicher macht.
Die Europäische Union und die UNO tadelt öffentlich das deutsche Schulsystem, wir haben zu wenig qualifizierte und flexible Schulabgänger, zu wenig Bildung, ob im 8. Schuljahr oder im 8. Semester. Wir haben eine Erziehung, die entgleist, ein gesellschaftliches Zusammenleben, dem es an allen Ecken an Integration fehlt, zwischen Ali und Hans, zwischen Vater und Sohn, arm und reich, gebildet und ungebildet. Wir haben zu wenig Lehrer, zu wenig öffentliches und qualifiziertes Bewusstsein in eine inklusive Bildungspolitik, zu wenig pflegende Menschen, zu wenige und schlecht bezahlte Menschen im Gesundheitswesen, zu wenig Perspektive.
Und was geschieht in dieser Phase in Deutschland. Da fallen vollkommen inkompetente, im höchsten Maße schlecht, falsch und nicht beratene Bildungspolitiker*innen über die Grundschule her. Sie vergreifen sich am funktionierenden Teil der deutschen Bildungslandschaft! Sie führen wieder Kopfnoten und Noten ein! Sie verbieten jahrgangsübergreifenden Unterricht, sie schicken Inspektoren aus, die Misstrauen und Unverständnis provozieren. Sie wollen genormte Zertifikate, genormte vergleichende Arbeiten in der dritten (!!!) Klasse, wieder genormte Stoffpläne. Sie provozieren Rankinglisten zwischen dem reichen Köln-Hahnfeld und dem armen Köln-Chorweiler. Sie schließen kleine Schule, besetzen frei werdende Lehrer*innenstellen nicht nach. Sie arbeiten mit Vertretungskräften, die zwar billig sind, aber noch nicht mal ihre Lehrerinnenbildung abgeschlossen haben. Es gibt zu wenig Erzieher*innen, zu wenig Kindergärten und Hortplätze, zu wenig Pflege der Alten, Kranken und Bedürftigen.
Sie betrügen ihre Beamtinnen und Beamten, indem sie ihnen Urlaubs- und Weihnachtsgelder wegnehmen, sie erhöhen die Stundenzahlen, kurz, sie spielen „die Herren“. Sie schaffen es auch nach Jahrzehnten nur schlecht oder nicht ihren Unterricht zu elektronisieren. PISA-Kritik ist lange Alltag geworden.
Im Rausch ihres Herrenstandpunktes gehen sie gegen alles vor, um das es geht: gegen die eigene politische Wählerklientel, indem sie die Schulbezirksgrenzen abschaffen, gegen die Eltern, indem sie ihnen ihre Entscheidung über den weiteren schulischen Weg ihrer Kinder wegnehmen, gegen die Lehrerinnenschaft, indem sie sich bis zur Unerträglichkeit in die Angelegenheiten ihres Arbeitsplatzes einmischen, sie pädagogisch und als Verantwortliche für die eigen geschaffene (Miss-)Bildung entmündigen.
Sie gehen gegen die Kinder und Jugendlichen vor. Sie setzen Testen, Überprüfen und Benoten über die Entwicklung frei sich entwickelnder und mit Freude leistender Menschen. Sie zwingen Kinder sich in ihrem 10. Lebensjahr entscheiden zu müssen, in welcher Form sie selektiert werden sollen. Sie fordern von den Lehrer*innen, dass sie jedes Kind fördern und fördern gleichzeitig die Forderung nach noch mehr Selektion!
Sie verteidigen mit Zähnen und Klauen, gegen jede wirtschaftliche Vernunft, gegen jede europäische Politik, gegen jede demokratische Moral ihr gegliedertes Schulsystem. Parteien schließen Verträge zum Erhalt des Gymnasiums und nennen es „Erhalt des Schulfriedens".
Da haben sie in Jahrzehnten aus einer volkstümlichen Volksschule ein Monster geschaffen, dass sie noch zynisch „Hauptschule“, jetzt Sekundarschule nennen. Diese Schule ist nicht nur Restschule für soziale Unterschichten, für Menschen mit ausländischer Herkunft, für Flüchtlinge, für jene, die geistige oder andere Handicaps haben, nein, sie muss auch noch jene Menschen auffangen, die am gegliederten Schulwesen gescheitert sind.
Jedes Jahr strömen sie aus den Realschulen und Gymnasien zurück, gescheitert an der Selektion, ohne Lebensmut, ohne Perspektive für die Zukunft, für die „Arbeitswelt“. Sie nennen das Viertel oder Drittel dieser Menschen, ihre Arbeitslosen „Arbeitsplatzreserve“.
Wenn in diesen „Hauptschulen“ überhaupt noch etwas klappt, dann ist dies dem unermüdlichen, ja heldenhaften Arbeiten der Kolleginnen und Kollegen in jeder Klasse überall in diesem Land zu verdanken. Nur kommt mir dies mehr und mehr wie eine Arbeit am Reaktor von Tschernobyl vor.
Und wenn dann ein Mitglied einer der schwarzen, rötlichen, der gelben, blauen oder grünen Parteien in meinem Schulausschuss sagt, er wolle sich für die Hauptschule einsetzen und sagt, das sei die Politik seiner Partei, so mag er das ehrlich meinen. Aber die Realität der Lobbys in jeder Kommune schafft Beschlüsse, die die Gymnasien bevorteilen und erhalten.
Aber warum ist dies so in Deutschland?
Ich glaube, dass mein Land dabei ist, seine politische Moral zu verlieren. (Oder diese hatte sie nie.)
Da stehen deutsche Soldaten in Ländern, die von anderen Ländern besetzt worden sind. Da stehen Soldaten in Ländern, wo die Menschen für „unsere“ Wirtschaft arbeiten. Da werden Soldaten für Mord gelobt, für den sie als Zivilisten eingesperrt würden.
Das Grundgesetz sagt dazu etwas anderes. Aber es gibt keine moralische Kraft in diesem Land, die hörbar aufsteht.
Da werden Menschen zu Hartz-4-Empfängern gemacht. Die angekündigte neue Armut ist da! Arbeitswillige Menschen werden zu unbezahlter Arbeit entwürdigt. Aber es gibt keine moralische Kraft, die hörbar für diese Leute aus dem In- und Ausland aufsteht.
Ein Kanzler Schröder und ein Manager namens Hartz, der Wagen für das Volk produzieren sollte, hatten mit dieser Maßnahme die Halbierung der Arbeitslosenzahl versprochen. Wie wir sehen ein unmoralisches Versprechen!
Und was sind das für Leute, Herr Hartz und Herr Schröder? Andere Vertreter der Autoindustrie oder anderen Geldes lügen und betrügen.
Der eine wird in 44 Fällen angeklagt, Veruntreuung, Betrug, so wie es eine ungenannte Zahl von Managern und Politikern in diesem Land tun. Sie greifen ungeniert in Steuerkassen, in die Kassen der Firmen und entlassen abertausende von Menschen, die ihnen ihre Milliardengewinne, mehr als je zuvor in der Geschichte unseres Landes erarbeitet haben. Wir haben Hartz-44-Empfänger und keine moralischen Kraft in diesem Land steht hörbar auf.
Ein Herr Schröder wird Manager in einer russischen staatlichen mafiotischen Firma. Da wird von Influenzlern nachgewiesen, dass die Reichen durch die regierenden Parteien bevorteilt werden. Es wird verschwiegen. Und keiner steht auf.
Und die anderen in den vielen Regierungen Europas, des Bundes, des Landes und der Bezirke, in den Parlamenten und den Stadträten, in den Ministerien und Vorständen, in den Chefetagen und Stiftungen? Ist irgendjemand aufgestanden?
Nein, man bleibt sitzen. Im ganzen Bildungsministerium Nordrhein-Westfalens sind eigentlich nur zwei Leute ausgewechselt worden, die Ministerin und der Staatssekretär. Alle anderen sind geblieben. Sie sind auf ihren Posten sitzen geblieben. Und diese Leute sorgen in allen Bundesländern mit ihrer jetzigen Bildungs- und Schulpolitik dafür, dass die deutsche Schule sitzen bleibt, so oder so.
Und dann werden sie eines Tages die Grundschule verlängern, die „europäische Verbundschule“, oder wie immer sie heißen wird. So als wären sie immer dafür gewesen, so, wie plötzlich überall in ganz Deutschland Kreisverkehrsinseln entstanden. Kreisverkehr, - Quatsch haben sie immer gesagt, wir kennen Leute, die Ampeln bauen, - sagten die Herren von den Parteien, - aber jetzt gab es ja Geld für den Bau von Kreisverkehren.
Fazit: Bleibt sitzen, regt euch nicht wieder auf, haltet euch aus der Bildung wie bisher raus. Lasst die Menschen diskutieren. Entscheiden tun andere. Zur Zeit rückt europäisches oder deutsches Geld nach. Kinder haben dann eine Zukunft, wenn es der Wirtschaft nutzt. Es wird nicht zuerst für die Kinder, die Menschen entschieden. Auch, wenn alle Kinder es verdient hätten!
Oder müssten wir selbst aufstehen? …weil es wie in den USA kommen könnte. Dann gibt es zwar überall staatliche Einheitsschulen, aber die private Schule ist der Renner der Reichen, vom Kindergarten bis Harved. In der Schule der Armen patrouillieren die rassistischen Sheriffs auf dem Gang … und das Fernsehen zeigt Filme von engagierten Lehrer*innen im Getto…
Wie geht selber aufstehen?