Karl-Heinz Günther, Walter
Hövel, Robert Owen
(New) Harmony Schools
Um das Jahr 2000 gab Herbert Hagstedt, Leiter der Lernwerkstatt der Uni Kassel, mir einen Aufsatz, Er war von 1955 aus der Deutschen Demokratischen Republik. Er wurde von Robert Owen und über ihn von Karl-Heinz Günther über die Gründung der Harmony Schools in der Reihe „Pädagogische Schriften“ geschrieben.
Robert Owen war ein „utopischer Sozialist“ des 19. Jahrhundert, der von 1771 bis 1858 lebte. „Viele Ideen, die Owen in New Lanark hatte und umsetzte, sind heute in den Industrieländern selbstverständlich. Dazu zählen unter anderem: Abschaffung der Kinderarbeit, Schulbildung der Kinder, Arbeitszeitbeschränkung, effiziente Organisation der Betriebsabläufe, Motivation der Mitarbeiter, saubere Arbeitsplätze, Gewerkschaftsbildung, Genossenschaftswesen etc.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Owen) Neben Friedrich Engels war er der wohl bekannteste sozialistischen Unternehmer des frühen Kapitalismus.
Als britischer Unternehmer, geboren in Wales, 'seine' Fabrik stand in Schottland, gründete er die Genossenschaft als Kooperative. In Deutschland tat das später, 1847, der Christ und als Bürgermeister eingesetzte Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 - 1888) in Weyerbusch, das keine 10 km von Eitorf entfernt liegt. Er gründete den 'Brodverein'. Dies war in Deutschland der Beginn der Genossenschaftsidee.
In fast 200 Jahren hat sich viel getan. Damals sprach man bei Kindern vom 'Menschen im Menschen'. Die Erwachsenen waren noch die, die immer wussten, was richtig war, nicht die Kinder. Heute werden Kinder wichtiger, sie können die Welt verbessern. Erwachsene beginnen Kindern Rechte wie Erwachsenen zuzugestehen. Viele lassen Kindern die Freiheit zum eigenen Lernen und Handeln. Damals kämpfte man noch um eine staatliche Schule, heute um eine 'freie Schule'. Damals kämpfte man für die gleiche Erziehung aller Mädchen und Jungen, heute für die gleiche Bildung aller Menschen. Bald wird die Forderung die konkrete Umsetzung der Gültigkeit der Menschrechte auch für Kinder sein. Kinder sollen nicht der Meinung der besseren Menschen, der Erwachsenen sein, sie sollen ihre eigene Meinung haben, die Welt neu und anders konstituiert. Damals wird noch zwischen großen Menschen (Erwachsenen) und kleinen Menschen (Kinder) unterschieden. Es gibt noch keine Menschenrechte als Kinderrechte. Das sollte erst in den 1920er Jahren, also 100 Jahre später mit der 'Magna Charta Libertatis' von Janusz Korcsak oder Ellen Key, Alexander Neill und Eglantyne Jebb entdeckt werden. Nochmals 100 Jahre später, um 2020, werden Kinder von immer mehr Menschen als volle, kompetente Menschen gesehen.
Robert Owen hatte viel Geld, ich keins. Damals waren gesellschaftliche Experimente noch die Initiative reicher Leute. Heute ist es ein Geist der durch Lehrpläne und (Hoch)schulen geht. Robert Owen gründete die Harmony und New Harmony Schools. Ich leitete die Grundschule Harmonie.
Als Leiter der letzteren nahm ich Kontakte zu den immer noch bestehenden (New) Harmony Schools in den USA (Indiana, Texas, California) und Australien (Perth) auf. Mindestens zwei von ihnen antworteten (siehe Chronik der Grundschule Harmonie).
Alleine im Namen, aber erst Recht in den Programmen, wird deutlich, dass Harmonie oder Harmony immer ein Arbeitername für Fabriken, Gruben, Stadtteile und ihre visionären Projekte ist und war.
In dem Aufsatz von 1955 heißt es über Schulgründungen im United Kingdom of Great Britain und in den USA: … „1824 wurde sie (die Schulleitung) ihm (Owen) durch den Quäker Allen, einem der Teilhaber von New Lenark (Harmony) entzogen und einem Londoner Lehrer übergeben, der seinen Unterricht 'im Geiste der Quäkermoral und des britischen Unterrichtssystems' zu führen, veranlaßt war.“ … Danach wollte Robert Owen mit einer genossenschaftlichen Siedlung (in den USA) 1825 – 1827 „der Welt das Beispiel für die Möglichkeit des Zusammenlebens aller Menschen liefern.“ …
Karl-Heinz Guenter schieb weiter „Innerhalb kurzer Zeit strömten zahlreiche Arme, aber auch begeisterte Intellektuelle nach New Harmony...Über den Geist, die Methoden und Unterrichtsfächer des Schulwesens in den Siedlungen möge folgendes Zitat aus einer Schrift Owens Auskunft geben“:
'Nur durch eine auf richtige Kenntnis der menschlichen Natur begründete Handlungsweise kann man den Zweck, den man bei der Erziehung und den Unterricht der Kinder im Auge hat, erreichen, …
Mit dieser Ansicht über die menschliche Natur sollte es der Zweck der Gesellschaft sein, alle Kinder in solche Verhältnisse zu bringen, welche als die schicklichsten zur Bildung eines guten Charakters bekannt sind … Nach dem bei den neuen Gemeinden angenommenen Erziehungs- und Unterrichtsplan wird eine unveränderliche Milde in der Behandlung der Kinder Belohnungen und Strafen der Kinder ersetzen. Kenntnisse werden in der Ordnung mitgeteilt, welche die Natur in der Entwicklung der Geisteskräfte der Kinder vorschreibt; …
- Keine Streitpunkte und bloße Meinungen, für die es nicht Data genug besitzt, um es (das Kind) instand zu setzen, ein richtiges Urteil zu fällen, sollen einem Kind aufgedrungen werden, da es die Absicht ist, ihnen gehaltreiche und unstreitige Tatsachen und deutliche und feste Begriffe zu geben. …
anstatt dem Kind an dem Gange der Erziehung Ekel beizubringen, ihm Vergügen daran zu gewähren, mit einem Wort das Geschäft des Unterrichts gleicher Freude für den Lehrer und den Schüler zu machen.“...
„In Schulen und Übungsplätzen erzogen, wo sie jederzeit unter den Augen und Aufsicht ihrer Eltern sind, wird die Erziehung die Erziehung nach den hier auseinandergeleiteten Grunsätzen geleitet, so wird es leicht sein, einem jedem Kinde zu geben:
Gute Anlagen und gute Gewohnheiten, eine so gesunde Konstitution, als freie Luft, Leibesübungen und Mäßigkeit zu geben imstande sind; Kenntnis der sie umgebenden Naturgegenstände, beginnend mit den einfachen und fortschreitend nach Maßgabe der Entwicklung ihrer Geisteskräfte. Kenntnis der Umrisse von Naturgeschichte und Geographie. Kenntnis von sich selbst und der menschlichen Natur, um barmherzig, freundlich und wohlwollend gegen alle Nebengeschöpfen zu sein und um selbst ein vernünftiges Wesen zu werden.
Fähigkeit im Lesen, Sshreiben, Rechnen, Grammatik und Zeichnen.
Tägliche körperliche Übungen.
Kenntnis von den Umrissen nützlichsten Wissenschaften.
Kenntnisse von der Haushaltung und der Mittel, die Glückseligkeit ihrer Nebenmenschen zu befördern.
Eine praktische Kenntnis vom Ackerbau und zuletzt Kenntnis irgendeiner nützlichen Manufakturarbeit, eines Handwerks oder einer anderen Beschäftigung; diese Arbeit kann öfter verändert werden, um die geistigen und physischen Kräfte immer mehr zu vervollkommenen.“
Diese Gemeinschaftserziehung sollte schon für die Zweijährigen eingeführt werden. Er schlägt vor, „dass erfahrene und verständige Matronen ernannt werden, um die jungen Mütter in der besten Weise, Kinder von ihrer Geburt bis zum zweiten Lebensjahr zu behandeln und aufzuziehen, zu unterrichten, damit ihre Konstitutionen, Gewohnheiten und Anlagen während dieses Zeitraums nicht leiden. Es ist vorgeschlagen, die zweijährigen Kinder in die Schulen und Schlafsäle zu tun.“
Noch heute gilt in Schule und Kindergarten vieles was sich Robert Owen ausdachte. Vieles wurde in der DDR und wird und wurde der BRD verwirklicht, was auch das heute wie selbstverständich vorfindbare Mißtrauen gegen Kinder und ihre Mütter pflegte, produzierte und in die heutige Zeit „herrüber rettete“. Aber für die Zeit vor 200 Jahren war fast alles fortschrittlich was Robert Owen und die Sozialisten forderten. Vieles ist immer noch nicht verwirklicht oder anders zu verwirklichen. Einen sehr weiten Abstand finden wir heute zu Militarismus und Rassismus.
„… Dort hielt er (Robert Owen) zum Zweck der Erwachsenenbildung Vorträge über Kindererziehung. Sie wurden 1826 in der 'New Harmony Gazette' veröffentlicht. In diesen Vorträgen unterteile er die Kindheit und Jugendzeit in verschiedene Stufen. … Er wollte die physische und psychische Entwicklung des Kleinkindes ohne Züchtigung nur mit Güte bei Spiel und wahrheitsgemäßen Belehrungen“ lenken. Unterricht setzt im 3. Lebensjahr der Kinder ein. Lesen und Schreiben lernen sie im 8. bis 12. Lebensjahr. „Die drei- bis achtjährigen Kinder werden durch Anschauungsunterricht in die Tier- und Pflanzenwelt sowie in die Grundlagen der Erdkunde eingeführt. Durch Erzählungen sollen sie mit bedeutenden Frauen und Männern aus der Geschichte bekannt gemacht werden, wobei während der Lehrerbildung ständig Anschauungsmaterialien, wie Bilder und Tafeln, zu verwenden sind. … die Altersstufe von 8 bis zu 12 Jahren … zeigt eine stärkere Betonung der naturwissenschaftlichen Fächer.
Außer Lesen, Schreiben und Rechnen enthält der Lehrplan noch die Fächer Botanik, Zoologie, Mineralogie, Zeichnen und Chemie (in Preußen erst 1882 als Unterricht im Gymnasium eingeführt). Geschichte und Erdkunde dagegen sollen lediglich im Rahmen des Leseunterrichts fortgeführt werden. … Hauswirtschaft, Landwirtschaft … Gartenbau. Zugleich sollten die Kinder ein Handwerk erlernen. … 'Diese Kirche war jetzt zu einer Tischler- und Schuhmacherwerkstätte' …“
„Die Körpererziehung und militärische Übungen bis zur Vermittlung der Regeln der Hygiene war ebenfalls mit drei Stunden im Unterrichtsplan vertreten. … 'Militärische Exerzizien machen … einen Teil des Unterrichts der Kinder aus. … Die Knaben arbeiten im Feld und in den Gärten ,,, Die Mädchen lernten weibliche Arbeiten, wurden jedoch ebensowenig wie die Knaben mit Arbeit und mit Lernen übernommen: vielmehr wurden diese glücklichen und interessanten Kinder … ihre Jugend so angenehm wie möglich gemacht.'“
„ ...eine starke Betonung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächern und deutet an, dass Owen auch im Unterricht zur offenen Kritik der bestehenden Gesellschaftsordnung schreiten wollte. Hier sollten gelehrt werden: Astronomie …, Volkswirtschaftslehre … Rechtslehre … Staatsverwaltungs- und Staatsverfassungslehre … und der freigewählte Kunstzweig. ... Man darf annehmen, dass die Methoden des Unterrichts in New Harmony stärker von den Grundsätzen Pestalozzis beherrscht waren als von denen Owens.“
Robert Owens war ein progressiver und demokratischer Vertreter der Industrie. Vieles wollte er anders machen, vieles bewirkt er heute noch. 200 Jahre später war die Grundschule Harmonie eine staatliche Schule, die sich konsequenter der Demokratie, einem Kinder eigenen Lernen und den Kindern verschrieben hatte.
Es ist es wichtig zu wissen, in welch hervorragender Position und Tradition eine andere, immer erneuernde, kinderfreundliche und menschenrechtliche Pädagogik steht.