Walter Hövel
FRAGEN UND VERSUCHE...

"Lernen bedeutet herausfinden, was du schon weist.

Tun bedeutet vormachen, dass du es weißt.

Lehren bedeutet andere daran erinnern, das sie es gerade so gut

wissen wie du." Richard Bach

und schwerpunktthemen

Seit nun 6 Jahren lese ich unsere "Fragen und Versuche". Der obige Satz ist vielleicht ein Schlüssel für mein Lesen dieser Zeitung: Wenn Artikel meine gerade aktuelle Erkenntnislage meinen Wissensstand, mein derzeitiges Interesse treffen, haben sie für mich einen großen Wert, ich be"werte" sie positiv. Habe ich bei einem Artikel das Gefühl, dass ich das Geschriebene schon lange kenne, über"fliege" ich ihn. So gibt es

dann auch Artikel, die mich nicht interessieren, weil ich über das Geschriebene noch nichts oder nichts weiß weil ich mich für ein anderes Wissen entschieden habe, weil ich über das Geschriebene aufgrund anderer eigener Erfahrungen kein Vergleichswissen parat habe. Manchmal treffe ich auch auf "Lehrer/innen", weil bei mir ein Groschen fällt, weil ich das Geschriebene genau so wissen kann, wie der Mensen, der es schrieb.

 

"Es war schon da, jetzt ist es formuliert".

 

Die "FuV's der Redaktion des Jahres 1987 haben mich arg strapaziert.

Nicht in dem Sinne,dass ich ihre Arbeit schlecht fand, sondern durch die Grundsatz-entscheidung der Redaktion die FuV zu Themenschwerpunkten zu machen.

 

Ein ganzes Heft zum Thema "Grundschule" ist für mich als Sek-I-Lehrer schwer zu lesen, ein ganzes Heft zum Thema "Mathematik" ist für mich als "Schon als Kind mit Mathe gequälter Mensch" schwer zu lesen.

 

Ich habe die alte Form der FuV lebendiger,kommunikativer, kooperativer im Sinne fruchtbarer Auseinandersetzung,authentischer für die Vielfalt der Freinetbewegung empfunden.

 

In der alten Form der FuV haben Menschen das geschrieben, was sie gerade beschäftig-te,hier konnte ich besser erkennen,was sich gerade in unserer Bewegung tut.

 

Themenschwerpunkthefte erscheinen mir etwas "bestellter". Grundschullehrer, die Mathematik im Wochenplan unterrichten,mögen vielleicht anders denken, ich aber bevorzuge eine offenere,freiere Fragen und Versuche.

 

Eine FuV mit vielen verschiedenen Aspekten und Themen, mit vielen Fragen und Versuchen, ist für mich effektiver für's Lernen,Tun und Lehren.

 

Gleichzeitig halte ich den Grundgedanken der Berliner Redaktion für ausgezeichnet.

Auch ich will mich mit Themenschwerpunkten auseinandersetzen, wie etwa "Fortbildung", "Freie Arbeit", "ganzheitliches vernetztes Denken und Lernen" oder etwa "Theater-techniken in der Freinetbewegung".

 

Ich gebe den Berlinern bei ihrer Beobachtung recht, das es für solche genaueren, grundsätzlichen Auseinandersetzungen mit der Freinetpädagogik innerhalb und außerhalb der Freinetbewegung sowohl pädagogischen als auch politischen Bedarf gibt.

 

Nur sollte dies nicht in der Fragen und Versuche geschehen, da wir uns selbst etwas wegnehmen, was sich meines Erachtens bewährt hat.

 

Die Behandlung von Schwerpunktthemen sollte in speziellen Readern geschehen, ob als Extranummer der FuV, als Dossiers oder in einer anderen Form. Hier konnten sich regional oder zentral (etwa über den Bundesvor-stand) Redaktionen finden, die solche Reader erarbeiten.

 

Solche Reader sollten dann aber wirklich "grundsätzlicher" erarbeitet werden,weil m.E. dies zum Beispiel in der FuV zum Thema "Mathematik" nicht geleistet worden ist. In dieser Nummer der FuV wird das Schulfach "Mathematik", das Hilfsmittel und Produkt "Mathematik" unserer "modernen" Wissenschaften nirgendwo grundsätzlich in Frage gestellt. Der inhaltliche Aspekt wird außen vorgelassen.

 

Diese "Wissenschaft von den Zahlen- und Raumgrößen", die aus"geht von einigen als richtig angenommenen, nicht beweisbaren Grundsätzen" (Volks-Brockhaus), erfahrt keine grundsätzliche Kritik, diese Mathematik wird einfach attraktiviert durch die Herein-nahme einiger freinetischer Aspekte, wie den "Alltag der Kinder", "Naturbeobachtung" oder "handelndes Lernen".

 

Macht das Freinetpädagogik aus???

 

Sind wir denn nicht in der Lage, die Mathematik unter historischen und gesellschaft-lichen Aspekten zu sehen? Gibt es da nicht die Bestandteile der "bürgerlichen Rechen-arten" in der Mathematik?

 

Gibt es da nicht die "neuen Technologien", die etwas mit der ökologischen und öko-nomischen Lage unserer heutigen Welt und vielleicht auch der Mathematik zu tun haben? Gibt es da nicht die Form des linearen,nicht ganzheitlichen Denkens in unserer Philo-sophie, Politik, Moral, Ethik und Wirtschaft, die vielleicht etwas mit unserer Mathe-matik zu tun hat? Und gibt es da nicht die Schulmathematik, die den Menschen an unseren Schulen aufgezwungen wird, damit sie sie als Arbeitslose nicht anwenden können?

 

Wenn Angela in ihrem Artikel fragt: "Was fehlt diesen Kindern: Fehlen ihnen bestimmte Erfahrungen... und ist unser Anteil in der Schule "nur" der, das wir nicht erkennen oder nicht nachholen können oder liegt es an unserer Art Mathematik zu vermitteln?", wäre hier ein Ansatzpunkt gewesen, weiter zu denken.

 

Resümee:

Macht die "Fragen und Versuche" wieder zu Fragen und Versuchen.

Last uns Themenschwerpunkthefte gründlich, grundsätzlich und inhaltlich machen.