Walter Hövel
Unser Besuch bei Rebeca und Mauricio Wild in Ecuador
Bevor wir Anfang April 2012 Rebeca und Mauricio Wild in Ecuador besuchten, bekam die Grundschule Harmonie Hospitationsbesuch von einer jungen Lehrerin namens Vivian Breucker. Heute arbeitet sie an einer Gesamtschule in Bonn. Bis heute hält diese Freundschaft und pädagogische Zusammenarbeit.
Sie war Lehrerin an der Deutschen Schule in Quito. Als sie hörte, dass wir Max Resch in Ecuador besuchen wollten, bot sie uns ihr Haus und Auto in Quito an. Beiläufig sagte sie, sie wäre gar nicht da und zu der Zeit auf einer IDEC-Konferenz, aber das wäre sicherlich kein Problem für uns.
Weil sie die Wilds kannte, organisierte sie uns einen Freundschaftsbesuch.
Uschi Resch hatte als junge Lehrerin Mauricio Wild in einem Vortrag in Wien gehört. Eines für sie entscheidendes Motto blieb immer sein Ausspruch: „Welches Kind benimmt sich daneben, wenn es sich wohl fühlt.“ Zudem war es so, dass in Österreich das Beispiel guter Schulen und Lehrer*innen seit langem eine große Rolle spielen. Die Wilds sind dort bekannter sind als in Deutschland.
Ich hatte von ihnen gehört. Geprägt von der Pädagogik Heinrich Pestalozzis und Maria Montessoris hatten sie eine eigene Schule aufgebaut, die durch mehrere Dinge auffiel.
Im Sommer machten sie als m. W. erste Schule ein Programm „der Herausforderungen“. Sie fuhren mit den Kindern der Schule für drei Monate auf den Fahrrädern über die Anden. So lernten sie, während und durch die Fahrt – das war Schule. Sie entwickelten eine „nondirektive Pädagogik“, die den Kindern viel mehr Raum zum eigenen qualifizierten Lernen gab als dies staatliche Schulen bis dato geschafft hätten. Sie kombinierten die Erfahrungen der fortschrittlichen Reformpädagogik, den Konstruktivismus, Demokratie und eigenes Denken. Sie traten sehr konsequent für die Eigenständigkeit der Menschen und ihr eigenes Lernen ein.
Als wir bei ihnen ankamen, wurden wir von ihnen mit einer überraschenden Tatsache konfrontiert. Sie sagten, dass „sie keine Schule mehr machen wollten“. Ihre alte Schule, „La Pesta“, hatten die Wilds geschlossen und das Gebäude verkauft.
Sie gründeten Lebensgemeinschaften, die sich zum Austausch trafen. Sie hatten sogar eine eigene Währung, die sie „Suenos“, also „Träume“ nannten. Ihre Lebensgemeinschaften kannten „Schule“ in unserem Sinne nicht mehr.
Stattdessen gab es kleinere, mehrstöckige Häuser zum Lernen. Sie waren mit viel Holz, Licht und Lerngelegenheiten gebaut. Das entscheidende war, dass die Grundschulkinder diese nur mit einem ihrer Elternteile betreten durften. Mütter und Väter lernten mit ihren Kindern.
Wenn sie älter wurden, änderte sich dies. Jugendliche gingen meist ohne Erwachsene in ihre Lerngebäude. Die Rolle von Lehrern war nun die von Ansprechpartnern, die halfen.
Ich konnte mich lange mit Mauricio Wild unterhalten, während Uschi sich von Rebeca Wild mathematische Montessorimaterialien erklären ließ. Sie ließ keinerlei Eigengebrauch der Materialien zu und bemerkte nicht, dass Uschi ausgebildete Montessorilehrerin ist.
Mauricio Wild hielt Vorträge, die mich sofort an die Diskussionen mit und um Hoimar von Ditfurth, Frederic Vester oder Wolfgang Mützelfeld beginnend in den 1970er Jahren erinnerten. Der damals noch junge Konstruktivismus mit Maturana, Bateson, von Foerster oder Watzlawick war sofort wieder lebendig. Die Wilds setzten ihre eigene Systemik im fernen Ecuador um.
Dieser Besuch hatte mich schon beeindruckt, bevor er stattfand.