Lied, keine wissenschaftliche E-Musik, eher zur „Unterhaltung“ gehörend, ein „Blues“

„That school“ oder  „That’s cool“
oder
Der Mensch in der staatlichen Bildung

 

Erste Strophe

In Thüringen begegnete mir um 2012 bei einer staatlichen Fortbildungsveranstaltung eine „Aufstellung“. Diese sollte das unterschiedliche Denken von Lehrer*innen an den Sekundarstufen, z.B. an Gymnasien, und solchen in der Primarstufe darstellen.

Es sollten sich drei Personen aus der jeweiligen Schulform so aufstellen, wie sie sich selbst als Lehrperson, das Kind oder die Schüler*innen und das Fach in ihren Schulformen sehen.
Die „Gymnasialen“ stellen sich zum Fach und der Schüler*innen mussten zu ihnen kommen.
Bei den Grundschulleuten stellten sich die Lehrperson zum Kind und schauten sich „das Fach“ in geringer Entfernung gemeinsam an.

Die gymnasiale Selbstaufstellung kannte ich noch aus eigenen Schülererfahrungen meiner Gymnasialzeit der 1960iger Jahre. Ich kannte sie über meine Studienzeit der Entstehung der „Fachdidaktiken“ in den 1970iger Jahren bis hin zur anstudierten Haltung „meiner“ gymnasialen Student*innen in den Universitätsseminaren meiner Lehraufträge in Köln, Bremen oder Siegen von 1992 bis heute.

Die Erfahrungen in weit über 20 Jahren Grundschularbeit hinterließen auch das zweite Aufstellungsbild als bestätigt.

In einem Seminar im Studiengang „Kindheitspädagogik“ bat ich 2016 Erzieher*innen sich ebenfalls zuzuordnen. Als erstes nannten sie, Praktikanten aus Kindergärten, das für sie nicht vorhandene „Fach“ in „Bildungsauftrag“ um. Dann schauten sie sich an und setzten sich - nur mit dem Satz „Wie machen, was wir immer machen“ – in einem dreieckigen Kreis auf den Fußboden, - um „wie immer mit einander zu reden“.

Zweite Strophe

In einem Buch aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts[1] wurden die Bildungsreformen der französischen Republik im besetzten Rheinland des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts beschrieben.

Diese kannte nur noch drei Schulformen: Die „Primarschule“, beginnend mit dem 3.Lebensjahr, die „Sekundarschule“(In den letzten Jahren „wiedererfunden“!) und die „Volksschule“, was die für jeden Menschen zugängige Universität war. Das deutsche Bürgertum und die preußischen Feudalherren schafften diese Neuerungen schnell wieder ab. Noch heute scheint sich das deutsche Bürgertum die adligen Privilegien in der späteren Zeit ihrer Bildung zu Eigen machen zu wollen. So weit wie das französische Bürgertum um 1800 kam noch nicht einmal das sozialistische Bürgertum in der DDR von 1949 bis 1989.

Dritte Strophe

In diesem und einigen anderen Ländern gab und gibt es nur ein einziges Ministerium für Kindergärten, Schulen und Hochschulen. In Finnland etwa, gibt es eine einheitliche Ausbildung und Bezahlung vom Kindergarten bis zur Oberstufe. In Schweden gibt es eine gemeinsame Sicht auf die Lernentwicklung der 3 bis 16jährigen. In Dänemark oder Italien gibt es die Inklusion von den Kinderkrippen bis in die Altenbildung.


In Deutschland und Österreich gibt es heute noch weit mehr als 30 verschiedene Formen der staatlichen und privaten Kindergärten, Schulen und Hochschulen mit verschiedenen Ministerien. Vor allem die Formen der Sekundarstufe1 mit den Gymnasien, Gesamtschulen, Sekundarschulen, Realschulen und Hauptschulen, den Schulen der Erwachsenenbildung von Volkshochschule über Fachschulen, Fachhochschulen, Technischen Hochschulen, Fernunis und Universitäten, dazu die 16 förderpädagogischen Richtungen, sind exklusiv, sozial selektiv und „bildungsvererbend“. Für Kindergärten, Schule, Ganztagsschule und Hochschulen gibt es Lehrkräfte als verschiedene Berufe mit verschiedenen Ausbildungen, sehr verschiedenen Bezahlungen und noch verschiedeneren pädagogischen Haltungen. Auch Letzteres ist deutlich in den selbst gewählten Aufstellungen (s.o.) zu sehen.

Vierte Strophe

Schon in der Weimarer Republik gab es eine Vierteilung der Erziehungsberufe. Die Erzieher*innen in Kindergärten und Horten sind als der am schlechtesten ausgebildete und schlecht bezahlteste pädagogische Rand kaum erwähnt.

Es folgte die „Volksschule“ mit ihrer volkstümelnden Gehorsams-Minimalausbildung. Ihre „Lehrer*innen“ organisierten sich im „Deutschen Lehrerverein“, der zunächst für eine demokratische Bildung eintrat, dann aber „das Haupt vor der Unmenschlichkeit und ihrer Ideologie bis zur eigenen Enthauptung senkte“[2].

90% aller Angehörigen der akademisch bildenden Schulen waren im „Deutschen Philologenverband“ organisiert. Dieser war strikt anti-demokratisch, republikfeindlich und rechtsradikal. Er unterstützte jene Erziehung der Menschen, die durch den Nationalsozialismus unmenschlicher nicht sein konnte.

Heute haben sich die pädagogische und soziale Stellung der Vorschulerziehung und der Grundschule zugunsten von Lernern, Menschen und Demokratie verstärkt. Größer werdende Teile dieser Einrichtungen wenden sich dem Kind und seinem Lernen zu. Die Sekundarstufe 1 diffundiert in einheitsschulorientierte und selektierende, die eigene Klientel bevorteilende Bildungseinrichtungen. Nur allmählich wächst in der Bevölkerung und Politik ein Verstehen der Notwendigkeit von Veränderung des Systems und der Qualität von Lernen.

Heute gibt es einerseits die, die Bildung, das Lernen und die Kinder favorisieren. Kindergärten und Grundschulen sind als Lernstätten für alle im Gedankengut der Menschen als richtig anerkannt. Andererseits wird die Ausbildungen in belehrenden, „Fächer“-orientierten, selektiven Systemen mit Zähnen und Klauen mit zunehmenden Infragestellungen verteidigt.

Geschichte wiederholt sich nicht. Aber die Zahl der Verunsicherten, Verängstigten und von der Bildung Ausgeschlossenen sucht auch heute wieder Lösungen in der Vergangenheit.

Refrain

Eine äußere Schulreform wurde entscheidend zuletzt 1919/20 mit der Einführung einer Primarstufe bis zum vierten Schuljahr als Schule für alle, also Einheitsschule durchgeführt. Die selektive „weiter“führende Schule, in den USA schon vor 1900 abgeschafft, besteht in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Österreich, wie im Dritten Reich, der Weimarer Republik, der deutschösterreichischen Republik, und dem preußischen und k. u. k.-Kaiserreichen im Gegensatz zur gesamten Welt (!) nach 100 Jahren immer noch. Dies wird „äußere Schulreform“ genannt. 

In der „inneren Schulreform“ gibt es hervorragende europäische, süd- und nordamerikanische und australische Ergebnisse. Die weltweite Umsetzung aber, lässt den Lehrer in seiner dominierenden Machtfülle und zwingt die Lernenden staatliche Vorgaben zu „erlernen“. Die offizielle innere Schulreform beschäftigt sich gerade mit dem Wechsel von der Erziehung zum Gehorsam hin zur Ausbildung zum Funktionieren. Das Ziel zu einer jeden Menschen würdigenden Bildung mit selbst bestimmtem Lernen, wie schon lange erfolgreich erprobt, ist in allen Ländern der Welt Zukunftsmusik.

Fade out

Die Melodien der Zukunftsmusik sind in vielen Kindergärten und Grundschulen, neuerdings in Ganztagsschulen und Projektinitiativen, manchmal sogar in Sekundarstufenschulen, Berufskollegien und den Universitäten schon lange, weiterhin, den Gesamtklang verändernd, zu hören.

Der Umgang des Menschen mit sich selbst verbessert sich durch eigenes Lernen. Die Entwicklung des Lernens kennt Rhythmus, Bewegung und Musikalität.

Walter Hövel

 

 



[1] Wilhelm Zimmermann. Lehrerbildung und Primarschulen am Rhein zur Französischen Zeit (1794-1814). Ein Beitrag zur Geschichte des Rheinischen Schulwesens, Balduin Pick Verlag, Köln 1957

[2] Zitiert nach Doron Rabinovici, Träger des Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln 2015