Walter Hövel
Zu Jesper Juul
Ich halte Jesper Juul für einen der Großen in meiner Generation.
Zu seinem Tode bleibt nicht einfach festzuhalten, was er geschrieben hat, sondern dass er schrieb.
Vivian Breuker1 schleppte mich vor gut 10 Jahren zu einer nicht sonderlich gut besuchten Veranstaltung in Remscheid. Jesper Juul sollte ein Bühneninterview machen.
Ich traf ihn bei seinen Büchern. Keiner war bei ihm. Ich schaute ihn an, er mich. Wir taten es wie zwei einsame Menschen, die sich schon lange kannten. Wir redeten nicht mit einander, vielleicht, weil wir uns nicht kannten.
Er saß auf der Bühne und rauchte eine Zigarette nach der anderen. „Oh Gott, das geht nicht gut“, dachte ich. Die Frau, die ihn auf der Bühne animierend befragte, war – für mich – eine von jenen, die ihn verstanden hatte. Ich verstand ihre Fragen nicht so gut, aber die Antworten Jesper Juuls.
Ich erinnere mich, dass er sagte: „Eltern sind nicht „schuld“ für das was sie taten. Aber ihre „Fehler“ müssen sie nicht fortsetzen. Wir müssen mit einander reden, diskutieren, was wir denken. Wir wissen nicht wie das Neue in der Erziehung 'demokratisch' geht. Niemand hat uns das beigebracht. Früher waren Frauen und Mütter einfach 'hysterisch' und Kinder 'daneben'... Das waren sie nie!“
Zu meiner Beruhigung sagte Vivian: „Ihr wisst, das ihr das Gleiche wollt und das wisst ihr von Kindern.“
Ich las etwas von ihm. Fortan erzähle ich allen meinen Studies, sie müssen ihn lesen, so wie Renz-Polster, die Freinets, Boal, Pina Bausch, die Bauhauspädagogik, Korczak oder Freire. Wir sollten unterdrückten Menschen, vor allem immer den neuen jüngeren, den Kindern zuhören.
Er wusste, dass er als junger Familienvater vieles „falsch“ machte. Er wusste jetzt, dass es anders geht. Er schrieb auf, was er begriff. Er stellte z.B. die Frage „Was hat das Kind davon, dass es sich so verhält, wie es sich verhält“. Er grübelte und diskutierte wie das „Anders“ geht und sagte und schrieb immer wieder auf, was er verstanden hatte. Er suchte vor allem die „Schuld“ nicht mehr bei den Kindern, aber auch nicht bei uns Älteren. Ihn interessierte wie es jetzt "anders" geht.
Er hinterfragte unser aller Handeln und sich selbst immer wieder als Demokrat und Mensch.
Mir fällt ein, was mir jemand sagte:
„Bitte überfordere dich nicht. Sorge für dich. Die Welt hat Millionen Jahre gebraucht und da zu sein wo sie jetzt ist. Da kann auch nicht jemand mit den allerbesten Absichten und den wunderbaren Versionen von einem gleichberechtigten Miteinander auf einmal das Tempo beschleunigen. Komm nach Hause hier sind deine Freunde. Ich liebe dich mein Freund in deinem ungebändigten Willen eine freundliche Welt zu gestalten. Wir haben unendlich viel Zeit dafür und es liegt nicht an der einzelnen Person..“2
Jesper Juul ist es gelungen etwas auszudrücken, was sehr viele verstanden haben. Danke.
1Heute Leiterin der Offenen Schule in Köln. Sie steht für die nächste Generation von Menschen, die radikal für Ernährung, Klimaschutz, Inklusion und Demokratie eintritt
2Jürgen Sellge, Leiter der Firma „Mutabor“