Walter Hövel
Klassenraumkommunikation
Gesamtschule, 5. Schuljahr Wir beginnen zu lernen mit einander umzugehen.
Ich bin zum ersten mal in einem 5. und neu an der Gesamtschule. Für die Schülerinnen ist nach 4 Jahren Grundschule alles anders: ein Riesengebäude, Gruppenpädagogik, zwei Klassenlehrer*innen, … und dabei noch ein Freinetpädagoge.
Wir beginnen an unserer Verständigung zu arbeiten,die auch ihrer non-verbalen Zeichen bedarf.
Der erste Schritt ist der Gebrauch des Gongs. Ein Gong bedeutet: "leiser werden", 2 Gongs "beim Arbeiten nur noch flüstern" und 3 Anschläge "nicht mehr reden und zuhören". Der Gong ist (fast) immer in den Händen des "Gongdienstes", also in Händen der Schüler.
Es dauerte einige Zeit bis das Gongen auch akzeptiert wurde (auch bei uns Lehrer*innen).
Manchmal vergesse ich etwas Wichtiges bei einer Arbeitsanweisung und quatsche nochmals in den Arbeitsprozess hinein. Nun muss ich 3mal gongen, was mich zwingt, vorher genauer zu überlegen, was ich sage.
Unser Klassenraum ist verdammt eng, eher ein Loch. Hier eine vernünftige Tischanordnung zu finden war schier unmöglich, bis ich in Karin Dörrs Klasse war, wo ich all das abgeguckt habe, was ich im Folgenden beschreibe.
Schultische lassen sich zu regelrechten Lernend Kommunikationslandschaften verschachtelt. Ich baue jetzt "Windräder". So haben wir jetzt 3 große Tischgruppen und wieder "etwas" Platz in der Klasse.
Hinter diesen Tischgruppen steckt die gesamtschulspezifische Idee der Gruppenpädagogik des Lernens und Ganztagsleben in Gruppen. Bisher kannte ich drei Ebenen der Arbeit: die individuelle, die Themenarbeitsgruppe und die Kooperation der gesamten Klasse. Nun kommt diese der Gruppenpädagogik vierte als große Bereicherung auf dem Weg zur Selbstbestimmung hinzu.
Von Karin habe ich gelernt, darauf zu achten, was ich wo im Klassenraum tue: Wenn ich vor der Tafel stehe, erkläre ich etwas (und nichts anderes !). Wenn ich am Pult sitze, kommt nur eine Schülerin zum mir. Niemand darf uns nun stören. Meine Aufmerksamkeit und Zeit gehören nun alleine dieser Schülerin. Die anderen schreiben sich in eine (Warte-)liste an der Tafel.
Wenn ich aufstehe und in die Klasse gehe entscheide ich mit wem rede und arbeite.
Manchmal bin ich sauer oder betroffen. Bisher äußerte ich mich, wo immer ich gerade war.
Jetzt muß ich in die "Schimpfecke". Nur hier und nirgendwo anders darf ich schimpfen. Dies gilt für alle in der Klasse und alle nutzen diese Ecke. Es wird dann ganz leise und alle hören zu. Es wird aber nicht diskutiert. Dies gehört in die Klassenversammlung.
Hinter einem Regal ist die "Rückzugsecke".
In diesem Abdruck des Artikels fehlt die gesamte mittlere Spalte mit Zeichnungen des Originals.