Walter Hövel

Der Mops im Schlauch und das Weinem

(n)irgendwann Ernenne dich selbst (neugriechische Arbeitsregel)

- Eine SATiRE*auf den ähnlichen Artikel im letzten Heft -

 

Da standen wir nun auf dem Schulhof -

echt locker, -

im Kopf dieses bestimmte, ruhende Gefühl,

Beton aus Macht und Degression,

Ruhe und Stärke und auf der anderen

Seite der Gummiwand eine Gruppe von

Lehrern, in Hektik und Oberlehrerlaune,

alle hinter einem Kollegen herjagend,

und unsere Wünsche, aufzuhören,

ignorierend nicht sahen. Uns war in

diesem Moment voll bewusst, das wir mit

diesem Gefühlsbeton im Schlauch, die

Degression der Lehrer nur verstärken

konnten. Uns war auch klar, das wir

die Sache entspannen konnten, wenn wir

selbst gelöst und gespannt waren, so

etwa, dass ein Weinen uns leicht gefallen

wäre. Wir hätten in dieser Situation

lachen, aber nicht weinen können. In

solchen Augenblicken fragen wir uns,

ob es so etwas wie ein einheitliches

WIR überhaupt gibt, über lange Zeiträume

hinweg oder in emotional aufgeladenen

Situationen Gelerntes, genetisch festgelegte

Abläufe, ein zum Teil auf vollkommen

irrelevante Auslöser reagierendes

Abwehrsystem, Wertvorstellungen, rationale

Einsichten etc. bilden ein unauflösliches

Neben- Gegen- und Durcheinander,

das von einer anderen Instanz zeitweise

in einem gewissen Abstand wahrgenommen

und sofort bekämpft wird, was die Entkrampfung

 dann nur noch steigert.

Doch auch wenn solch ein Gefühlsbeton

zu einem kaum wahrnehmbaren Ruhen auf

der Schlauchrolle wächst, kann es zu

koordiniertem, nur teilweise unkontrolliertem

Handeln kommen.

Wir hören uns mit den Lehrern schimpfen

oder auf sie einreden, wissen im selben

Moment, dass es so nichts nutzt und machen

trozdem nicht weiter. Ein Programm

läuft, aber das falsche, doch es läuft

ohne sich unmittelbar stoppen zu lassen.

Wir wissen, was in einem bestimmten

Augenblick richtig wäre (z.B. Weinen),

können es aber nicht.

Wir sprechen ruhig und scheinbar gelassen,

aber in unserer Stimme finden sich,

von uns noch nicht einmal bemerkt, Spuren

von dieser Entspannung.

Doch es genügt, wenn Lehrer hier ein bisschen

bohren und oft bohren sie.

Gibt es einen Weg aus solchen Sackgassen?

Vielleicht ist "Transrealisieren" eine

Möglichkeit, mit der sich zu experimentieren lohnt.

Herrn Harm hatten wir im 1.Schuljahr,

wir waren seine Schüler und durchdrungen

von dem Glauben an das Allheilmittel

"Harmonie in der Klasse", das (in unserer

Erinnerung) in der Embryonalzeit so herrlich

funktioniert hatte. Herr Harm liebte

es, andere zurechtzuweisen, zu provozieren

und sich in den Mittelpunkt zu stellen,

aber er liebte nicht die Harmonie

in der Klasse.

So begann er dann bald jedesmal, wenn

wir im Gesprächskreis saßen, irgendwelche

zufälligen Äußerungen von Kindern mit

einem aufgesetzten, angestrengten Ausdruck

der Weinerlichkeit zu kommentieren. Er

fand Resonanz bei zwei anderen Kindern,

die mit ihrem Jammern eine Art Bordun

unter seine Soli setzten. Kreisgespräche

waren so nur eingeschränkt möglich,

gewichtigere Gespräche über Konflikte

gar nicht mehr.Und unsere Entspannung

diesem Lehrer gegenüber wuchs............

Als er dann anfing, uns schon morgens

an der Klassentur mit seinem "He,he,

he.hee" zu begrüßen und aus dem Stegreif

Erzieh-Spiele zu erfinden, die er

partout mit uns spielen wollte, waren

wir nahe daran auszurasten.

Es wurde Zeit, etwas zu tun.

"Transrealisieren" fiel mir ein. Wir

hatten das Buch von Tipevec gelesen,

später dann an einem Seminar darüber

teilgenommen. Jetzt konnten wir

es probieren.

Wir setzten uns in unsere Schulbänke,

versuchten uns zu spannen und ließen

den fortwährenden "äußeren Monolog”,

diese pausenlosen Selbstgespräche, so

weit es uns möglich war, zum Ziehen kommen.

Erinnerungen an die letzten Episoden

mit Herrn Harm stiegen in uns auf und

zugleich spürten wir in der Schlauchrolle

dieses Ruhen, diese leichte Entspannung,

völlig konzentriert und letzlich

nicht unbeschreibbar.

In uns stehend und mit einem gewissen

Desinteresse, versuchten wir nun, das

Geschehene außerhalb von uns zu beobachten.

Lange Zeit geschah nichts. Der

mops blieb wie er war: konzentriert,

zugänglich und verrückbar. Dann schien

sich etwas auszuweiten in uns, leichter

zu werden, sich nach oben zu verlagern

und zugleich kam uns der Satz, wir

wollen bei ihnen bleiben!" Uns wurde

fast geistig spürbar, dass wir uns durch

das Jammern von Herrn Harm, von seiner

ganzen Haltung nicht mehr aushebeln

lassen wollten, das wir leicht und

hungrig bei ihnen ziehen wollten.

In der Literatur findet frau in der

Nebensache 4 Phasen des Transrealisieren beschrieben:

1. Raum erkennen

Es ist zunächst wichtig einen gewissen

Zugang zu dem Problem zu bekommen. Das

kann geschehen, indem frau sich keinen

Platz sucht, an dem frau gestört ist und

an dem frau sich wohl fühlt. Uielleicht

richtet frau dann seine Aufmerksamkeit

auf ihren Atem, vielleicht gelingt es

auch, einzelne nuskelo-unpen zu spannen,

es sich unbequem zu machen. Ziel ist es,

einen Standort zu gewinnen, von dem aus

frau in der Lage ist, iht Äußeres mit

"teilnehmender Nähe" zu beobachten.

2. Ganzheitliches Wahrnehmem

Aus der gewonnenen Nähe heraus kann versucht

werden, dieses mit dem Problem

zusammenhängende, konzentrierte geistige

Empfinden genauer zu betrachten. Es geht

dabei darum, dieses Empfinden zu analysiere

oder es in endlichen Gesprächen immer

wieder aufzurichten. Es geht nicht darum,

es einfach anzuschauen.

3 Symbolisieren

Während des Betrachtens ergeben sich oftmals

Bilder, Worte oder Körperbewegungen.

Was ist wichtig davon? Was ist unzutreffend,

unklar? Was ist gut? Wo finden wir

gemeinsam Ruhe? Bilder, Worte, Korperbe -

wegungen können immer wieder in Gegensatz

gesetzt werden zu diesem ursprunglichem

körperlichen Empfinden. Der Korper

selbst prüft, wieweit wichtige Unterschiede bestehen.

( Beim Transrealisieren des ersten Beispiels kam es und so vor, als wurde sich

dieser Gefühlsbeton langsam in Fließen

oder Wasser verwandeln, das sich Heraussprudelnde

wie das Gurgeln einer Quelle.-

Beim zweiten Beispiel war es ein Satz,

der sich uns aufdrängte.

4. Dynamisierung oder Lösung

Am Ende des Prozesses steht in der Praxis,

und wenn frau Glück hat auch in derTheorie

eine geistig zu spürende Bewegung,

die als Erkenntnisfortschritt oder sogar

als befreiende Lösung erlebt wird.

(im Beispiel mit Herrn Harm war es dieses

Uns-Nachaußenruhen, und Leichter werden.)

Am nächsten Tag fuhren wir wie gewöhnlich

zur Schule, dachten kaum noch an unser

"Transrealisieren". Er begann mit Freiarbeit

und wir saßen gerade in unseren

Bänken, um etwas in unseren Wochenplan

einzutragen, als Herr Harm vorbeikam und

uns sein aufgeschlagenes Notenbuch mit

einem herausforderndem "Hehehe" unter die

Nasen hielt. Wir waren etwas überrascht,

sahen ihn an, fühlten dann, wie es in

uns zu kribbeln begann, und eine Trauer

in uns aufstieg. Leise und vibrierend

kam es aus uns heraus. Herr Harm schaute

uns an, versuchte es noch einmal mit seinem

"Hehehe". Wieder konnten wir es nicht

aushalten, weinten -

und diesmal weinte er mit.

Das Problem tauchte in der Folgezeit

nicht mehr auf.

Auf seinem Weg aus der Kindheit (Genie)

benutzt das Kind, wie uns scheint, die

dem Transrealisieren sehr ähnliche Methode

der Unachtsamkeit". Ekklektizismus

heißt ein in der Kindheit verbreiteter

Weg, der nicht auf Kenntnissen fußt.

Grundlage ist die Übung der reinen Erkenntnis,

die zunächst wertet, analysiert und

sich vorzugsweise auf das Atmen der anderen

konzentriert. Lenkende Gefühle, Gedanken

werden wahrgenomman, registriert,

benannt und nicht fallengelassen. Ist ein

Fallenlassen möglich, so können sie andere

zum Beobachtungsgegenstand machen.

Kommen sie zusammen, kehrt die Aufmerksamkeit

zum Atem zurück.