Aysel Gürer, Walter Hövel, Demet Yilmaz
EIN PROJEKT IN EINER 10. KLASSE 'MEINER' HAUPTSCHULE ZUM THEMA ZUKUNFT, IM 6. JAHR FREINET
Heute 50 Jahre später
ISCHEN UNTERRICHTS, MIT 3 WOCHEN ARBEITSZEIT NUR UM EINEN FREIEN TEXT ZU SCHREIBEN
Walter Hövel
Im Jahresplan hatte die Klassenversammlung eigentlich beschlossen, als letztes Projekt der Abschlussklasse einmal alle zugänglichen Ergebnisse der "Zukunftsforschung" zu sammeln und darzustellen. Dann beschlossen wir aber, selbst zu forschen, wir konzipierten einen eigenen Lernweg. Wir stellten uns eine dreifache Frage, um an die Zukunft "heranzukommen": "Was gab es vor 50 Jahren,was es heute nicht mehr gibt?", "Was gab es damals nicht,was es heute gibt?" und "Was gab es damals und heute?". So wollten wir eine Ahnung davon bekommen, wie es in 50 Jahren aussehen konnte. An den ersten drei Tagen des Jahres 1989 luden wir Gäste ein, die jeweils 3 Stunden lang intensiv befragt wurden. Dann bildeten die Schülerinnen Kleingruppen, die sich ihr weiteres Vorgehen überlegten, die meiste Zeit der folgenden zwei Wochen außerhalb der Schule verbrachten oder über Bücher oder in Gesprächsgruppen zusammen hockten.
Ich weiß nicht viel über die Dinge, die sie gearbeitet oder besprochen haben, da die Schülerinnen seit Jahren in selbstorganisierten und selbstbestimmten Lernwegen geübt waren. Ich wusste nur, das sie arbeiteten. Als gemeinsames Ziel ihrer Arbeit hatten sie formuliert, das sie am letzten Tag des Projekts Texte schreiben wollten. Nicht, um in ihnen ihr angesammeltes Wissen zu, "bestätigen", sondern um das zu machen, was sie über Freie Texte gewohnt waren, sich selbst auszudrücken.
Im folgenden gebe ich nur zwei Texte wieder, weil die FuV zu dick würde. Ich weiß nur zwei Dinge über die Entstehung der Texte, bzw. die Arbeit der Schülerinnen: Demet hat die Befragung von Menschen mit ihrer Gruppe außerhalb der Schule fortgesetzt, und sie haben stundenlang zusammengesessen um zu reden. Aysel ist irgendwann aus der Gruppe ausgeschert, weil sie auf surrealistische Denker und Künstler gestoßen ist, die ihr wohl Antworten auf ihre Fragestellung lieferten.
Demet Yilmaz
und denken wie die Menschen
Wie grau es ist.
Es hat sich alles verändert. Die Hochhäuser. Von den Einfamilienhäusern, die damals
standen, ist keine Spur mehr übrig. Nur noch diese Stahl- und Aluminiumhäuser. Sie
sehen grauenhaft und ängstlich aus. Ich frage mich, wie man nur darin wohnen kann.
Die Familien, die darin wohnen, sind auch nicht mehr die alten. Das sind keine Familien
mehr, das ist ein Leben wie in einem Hotel. Die Mutter weiß nicht, wo ihre Tochter
ist und der Mann weiß nicht, wo seine Frau ist.
Es gibt Autos, die in der Luft fahren. Alles ist wie verhext. Es gibt zwar keine Hexen
und keine Chefs mehr, aber es gibt die Atombomben, sie führen die Erde.
Die Menschen sehen auch schon anders aus, sie werden sich in ihrem Tun und Aussehen immer
ähnlicher. Sie sind wie Roboter und haben alle die gleiche blasse Hautfarbe.
Es gibt jetzt Kaufhäuser, wo man alles mit einem Knopfdruck erledigen kann. Die Kleidung
von heute ist genau so grau wie die Menschen, sie ziehen alle grau an, weil alles in
Ihnen gestorben ist, sie haben keine Hoffnung mehr. Der Stress hat alles in ihnen aussterben
lassen, sie sind praktisch tot.
Sie leben, um zu arbeiten. Überall sind Fabriken, die Leute arbeiten Tag und Nacht.
Sie haben vergessen, was Freizeit heißt. Auch Feiertage zur Erholung gibt es nicht mehr.
Sie haben vergessen, was Religion, was Kultur ist.
Ich habe gehört, das es im Fernen Osten noch Menschen gibt, die an eine Art Kultur haben und noch an Gott glauben. Sie haben ihre Seele noch nicht verloren.
Die Menschen, die man nicht mal mehr als Menschen bezeichnen kann, glauben an Atomwaffen.
Wir leben mit der Angst, das jeden Augenblick eine Atombombe über uns fällt.
Die Grauen aus Stahl gemachten widerlichen Bomben, werden uns irgendwann vernichten.
Das Grüne auf der Erde ist für immer und ewig gestorben.
Es gibt keine Bäume mehr, die unsere Erde retten konnten und keine Blumen, die die Welt schmückten.
Man hat alles vergessen, was rot,rosa oder orange ist. Es gibt kein Gemüse und Obst mehr,
sie essen jetzt diese künstliche Nahrung.
Die Schulen, die die Schüler besuchen, haben keine Lehrer mehr, die sie belehren.
Es gibt nur noch Computer, die man, wenn man etwas nicht verstanden hat, zurückspulen kann.
Es gibt auch keine Liebe mehr. Jeder hat seine eigenen Probleme. Sie haben noch nicht
mal mehr Zeit und Lust für Sex.
Die Jugendlichen hocken überall herum und denken an gar nichts, sie wissen überhaupt nicht mehr, was Denken ist. Sie hören manchmal Großeltern, wie schön es damals war.
Manche Wissenschaftler sagen schon "Wenn es so weiter geht, werden die Menschen aussterben".
Die Fernseher, die in jeder Ecke auf der Straße stehen, sind von morgens bis abends an.
Sie belagern uns mit Nachrichten, die wir überhaupt nicht verstehen. Es sind die da oben,
die das Recht haben. Alle Menschen stehen unter Befehlen.
Plastik, überall Plastik, sogar die Luft riecht nach Kunststoff.
Alles ist ausgestorben. Das Leben lebt nicht mehr. Vielleicht lebt es, aber die Menschen können es nicht leben. Sie wollen es nicht leben, weil sie keine Zeit haben. Sie sind immer gestresst. Sie sind krank, verseucht. Seuchen wie AIDS haben jeden zweiten Menschen befallen.
Und jetzt, was nun? Was ist jetzt, heute?
Ein Leben ohne Spass. Viele Menschen sitzen vor dem Fernseher und gucken ohne zu verstehen.
Sie haben vergessen, was sie selbst tun können. Sie wachen früh auf, frühstücken, gehen zur Arbeit, kommen spät abends nachhause, essen was und gehen schlafen. Jeder das gleiche, wie ein Akkordarbeiter.
Die Menschen sind nur noch nachts glücklich, wenn sie ihre Träume haben und frei sind. Sie träumen von einer warmen, sauberen Welt. Sie träumen von Menschen, die glücklich sind oder sie bekommen Alpträume, wenn sie von sich selber träumen.
Bei Tage denken sie darüber nach - wenn sie Zeit haben - und sie sagen: "Sind wir schon so weit gekommen".
Die Umwelt ist nicht mehr dieselbe, die sie einmal war. Die Flüsse,Meer und Seen sind grau, - sie sind schmutzig. Sie stinken und überall sind giftige Stoffe.
Bald gibt es keine Fische mehr, die darin leben. Bald gibt es keine Frösche mehr, die darin schwimmen.
Alles stirb aus oder ist ausgestorben. Wenn man Zeit hat und aus dem Fenster schaut, erinnert
einen das an einen Ameisenstaat. Jeder hat etwas zu tun und ist in Bewegung.
Die Menschen von heute kann man mit den Ameisen vergleichen; Sie sind so fleißig wie die
Ameisen und denken wie die Menschen.
Aysel Gürer
Das Sichtbare verbirgt Sichtbares
ZUKUNFTSFORSCHUNG EINFÜHRUNG
BESCHREIBUNG EINES MENSCHLICHEN GEDANKENS
Der menschliche Gedanke ist wie gepflückt
und getrost,
er ist wie getragen,
traumhaft zu finden,
wie ein Wunsch, Geheimnis oder Rätsel.
Tagsüber ist er geöffnet und garantiert
belegt von phantastischen Geschöpfen.
Sie schaffen das Unmögliche,
sie denken sich was aus.
Die Einbildungskraft befriedigt das Verlangen,
es entspringt dem Wunderbaren,
sie sprengen und weiten die Realität
mit ausgedachten Unmöglichkeiten.
Die Gedanken begehren auf sture Nüchternheit.
Die Phantasie ist traurig,
heiter, gefühlsselig, ernst,
komisch, poetisch und
gefühlsselig.
"TRAUM"
Träume sind wie eine blaue Luft,
es ist immer ein Zeichen der Zeit.
Er ist tausendmeilen vertieft.
Dennoch ist es still und dunkel.
Der Zustand ist ungestört,
aber es ist gefährlich, einsam
und ist auf der Suche nach einem Gegenstand,
Du bist allein und vertraut.
Hast aber dabei Angst und sogar Tränen.
Du fluchst in einen Himmel,
und irgendwo findest du
deine scharfe Weltecke.
Du fühlst deine geringe Tiefe
und deine tollsten Geheimnisse.
ZUKUNFT
Ungewöhnliche Ereignisse in der Kindheit
sind oft Ausschlag gebend für die weitere
Entwicklung. Es gab weder Vergangenheit
noch Zukunft.
Das ganze Leben war wie eine Reise weder
vergnügt noch traurig oder glücklich. Man
hatte den Eindruck, dass man ständig Fehler
machte.
Wie findet man eigentlich den wirklichen
Aufbruch des Lebens.
Doch ein Mann sprach von inspirierten Gedanken.
Das war eine Inspiration, die nicht
durch irgendein äußeres Ereignis geweckt
worden war.
Das war ein Ereignis, das unversehens aus
dem eigenen Geist entspringt.
Das kann aus einem Beispiel der eigenen
gemalten Vorstellung eines Bildes oder eines
gehörten Liedes entstehen.
Der Mensch sucht Elemente, die aus der
Gültigkeit des Lebens sind.
Das kann bedeuten, das es ein unbeschriebenes
Blatt ist, wo der Mensch versucht, Gedanken
zu beschreiben.
Die Menschen hatten Angst, die Realität
in den Gegenständen zu zeigen, aber sie
vergaßen, dass ein sichtbarer Gegenstand
niemals unsichtbar wird, so war die Natur
ein Gegenstand.
Die Menschheit hatte versucht, die Natur,
die schon langst zerstört war, vor der
Wirklichkeit zu verstecken. Aber die Natur
hatte uns immer wieder zu verstehen gegeben,
das sie an uns das eigene Tun rächt.
Es gab genug Symbole,doch wer hörte schon
darauf.
Ist das vielleicht eine Erklärung des
menschlichen Lebens?
Aber die Voraussetzungen der Menschheit
existierten schon lange nicht mehr.
Die Menschen werden jetzt des eigenen Mordes
angeklagt.
Die erwachte Welt schlägt jetzt die Glocken,
denn ihre Zeit ist gekommen.
Der Realismus führt den Sieg.
Die Realität steht vor dem Sieg.
Der Mensch fühlt die eigene Kälte,
sogar die weißen Schneekristalle
erkennen sie nicht mehr.
Immer noch sind ihre Herzen besetzt mit dem
Egoismus.
Wo werden sie in der großen eisigen Welt
wieder einen Platz einnehmen können?
Wie lange führen wir das ungewollte Leben,
mit einem ironischem Lächeln,
das voll mit Verachtung ist, fort.
Es ist schrecklich, denn wir hatten es verlernt,
mit unseren Augen die Zukunft zu
blicken.
Wir konnten nicht einmal etwas mit unseren
Augen ruhen lassen.
Die Zeit ist zu knapp.
Die Menschheit wird von Gegenständen, die
der eigene Mensch erfunden hat,
z.B. Raketen, Roboter , Computer ,
alles was technisch ist, beherrscht.
Mit unserem eigenem Verstand haben wir es
dazu gebracht.
Und der Himmel breitet sich in die unendliche
Zeit aus, und wir sind die kleinen
Männiken.
Das Sichtbare verbirgt Sichtbares.
Es gibt keine Grenzen mehr.
Der Wind weht wie verrückt, das Rauschen
des Windes ist beängstigend. Es ist alles
unglaublich, aber real. Jede Fassade wird
vom Himmel bedeckt.
Die rätselhafte Welt wird immer deutlicher,
die Ungewissheit des Menschen wird um so mehr
erschütternd.
Danach herrscht die dunkle Nacht. Die Reise
des verschwundenen Himmels nimmt kein
Ende, nimmt sogar aus jedem schlaflosen
Körper die Träume.
Wie soll so die Menschheit überleben?
Aus keinem Gesicht oder Körper ist eine
Liebe zu erkennen, alles in ihnen ist verlöschen
Jeder starrt jeden geheimnisvoll an,-
und sucht die Zuflucht der Einsamkeit.
War das vielleicht eine neue Erschaffung
der Welt?
Es war eine Todesstille.
Ein glühendes Rot überströmte jedes der
Gesichter.
Jeder Gedanke wurde zusammen gedrängt,
eine unwiderstehliche Gewalt bedrängte.
Jeder kämpfte mit sich selber. Das eigene
Ich war nun der eigene Feind. Ein menschlicher
Schmerz erschien. Jetzt waren sie
schwach und kraftlos.
Aber die Angst hing immer noch in der Luft.
Es gab weder Gras, Wasser, noch Vogel, kein
Leben mehr. Die Technik herrschte nicht mehr.
Nur diese verwirrten Menschen und ihre Technik.
Es sind nun, 2024, 35 Jahre vorbei. Im Jahr2039 lebe ich nicht mehr. Dann sind 50 Jahre vergangen.