Walter Hövel
Manifest der Reformpädagogik
In eine gemeinsame Lernzukunft
Reformpädagogen heute wollen keine staatliche Pflichtschule. Alle brauchen eine vollkommen andere Schule als es sie heute gibt. Reformpädagogen streben ein freies Lernen für alle an. Das Ziel ist und bleibt jeden Menschen zu dem werden zu lassen, was sie oder er ist.
Wir wollen ein Lernen, dass von Familie und Kindergarten bis zur Uni, von der Berufsbildung ins lebenslange Lernen bis ins Alter von jedem Lernenden konsequent selbst bestimmt wird.
Unser Ziel ist die demokratische Entscheidung aller Menschen darüber was, wie, wann, wo und mit wem sie lernen wollen. Wir brauchen keine staatliche oder sonstige Vorgabe darüber was, wie, wann, wo und mit wem gelernt wird. Der Staat und die Gesellschaft haben die Aufgabe die Freiheit der Individuen, ihr Leben und ihr Glück und die Demokratie ohne Armut und Unbildung in voller Teilhabe zu schützen.
Wir brauchen keine Selektion in verschiedene Schulformen, noch in verschiedene arme und reiche Schichten. Wir brauchen keine Schule noch Lehrer*innen, die wissen, was du zu lernen hast.
Wir brauchen keine Erzieher*innen oder Lehrer*innen, die Macht über ihre Lernenden haben. Alle Menschen sollen gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen und Alten deren Lehrplanung, -bestimmung, -organisation und -auswertung begleiten und qualifizieren. Sie sollen Kindern und Jugendlichen helfen zu jedem Wissen der Welt Zugang zu finden. Der Wegweiser hierbei ist alleine die Realisierung der Menschenrechte in demokratischen Lebens- und Lernbedingungen.
Wir brauchen keine Mehrheitsentscheidungen, die die Menschenrechte von Minoritäten ignorieren. Um Minderheiten nicht zu überstimmen, gibt es keine Enthaltung mehr, Lösungen für jeden, Konsenzbeschlüsse. Es gibt das Sagen der eigenen Aktivität auf der Grundlage gemeinsamer permanenter Gespräche. Es gibt das Nebeneinander verschiedener Meinungen und Aktionen oder kluge integrierte Lösungen des Akzeptierens von Verschiedenheit. Individuelle Bedürfnisse und die Kooperation aller dürfen in einem Maximalkonsens nicht zum Gegensatz werden.
Wir brauchen keine Noten und Zensuren, sondern die Selbsteinschätzung der Leistung durch jeden Menschen selbst. Wir brauchen keine Jahrgangsklassen, keine Versetzungen in nachfolgende Klassen, Klassenarbeiten, Tests noch das Lernen nach Noten bei vorgeschriebenen und vorschreibenden Lehrplänen.
Es geht niemals um ein Lernen für Eltern, Beruf und Ökonomie, sondern immer um ein Lernen zur eigenen Menschwerdung und dem Schutz von Natur, Welt und
Menschen. Bei uns bleibt der Mensch im Mittelpunkt des Lernens.
Wir brauchen Erzieher*innen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer die Kindern und Jugendlichen, bei gleicher Ausbildung und Bezahlung, als demokratische
Vorbilder imponieren.
Wir brauchen Menschen, die vermitteln und abwarten können. Wir brauchen Menschen aus allen Teilen der Bevölkerung, die alle Kinder und Jugendliche sozial, sprachlich, intellektuell, emotional und politisch verstehen können und wollen.
Wir brauchen Menschen, die sich hinten anstellen, um junge Menschen zielbewusst in ihre Selbstbestimmung zu begleiten. Sie müssen Schule als Übort der eigenen demokratischen Zukunft und Gegenwart sehen. Sie sollen alle, „das ganze Dorf“, das wir selbst sind, zum Lernen öffnen. Wir wollen Menschen, die jeden Menschen und sich selbst unabhängig von seiner Herkunft oder Fähigkeiten bei seiner eigenen Menschwerdung fordern und fördern.
Wir brauchen starke Menschen, die Lehrerinnen und Lehrer sein können und dabei zu aller erst selbst lernen können. Sie wollen Lernkräfte sein!
Wir brauchen Menschen, die selber Wesentliches sehen und Unwesentliches weglassen können und genau diese Fähigkeit bei anderen durch deren eigenes Lernen generieren.
Wir brauchen Menschen, die selber ein liebevolles, menschliches und demokratisches Weltbild haben und vorleben.
Rassismus, Kinder- und Frauenfeindlichkeit, Nationalismus, Faschismus oder Selektionen halten wir nicht für eine gesuchte Einstellung junger Lehrer*innen. Wir brauchen Umweltschutz, Eintreten für Demokratie, Menschenrechte, Versorgung, Partizipation, Inklusion, Vielfalt und Teilhabe aller.
Wir brauchen Menschen, die unabhängig von Mehrheitsmeinung, Macht, Gier, Geld, falscher Wissenschaft und den Interessen Herrschender zulassen können, dass die Lernenden selber formulieren können was sie brauchen und was nicht.
Unser Ziel ist nicht Menschen zum richtigen Denkenden zu erziehen. Wir können nur ein menschliches und demokratisches Empfinden anbieten.
Menschen, die Lehrerinnen oder Lehrer werden wollen, müssen selbst Kinder und Erwachsene sein. Wir brauchen Menschen, die mit modernsten Techniken und Medien ohne falsche Vorurteile umgehen.
Wir brauchen keine Lehrer*innen, die nachmachen was „gute“ Lehrer*innen ihnen zeigten. Wir brauchen Menschen, die selbst angeregt durch Demokratie und Menschenrechte, durch Weltbilder und menschliche Konstruktion junge Menschen dazu provozieren, selbst zu lernen.
Wir wollen weder Zwang noch Gewalt. Wir wollen die Kunst der Demokratie und die Ästhetik des Menschseins verwirklichen.
Wir wollen interessensgeleitetes, selbstregulierendes, selbstgesteuertes Lernen.
Je höher der Grad der Selbstbestimmung der Lerninhalte und ihrer Methoden ist, desto höher ist die Chance eigener Konstruktion einer demokratischen Welt. Schule muss zum Übort des selbst-konstruierten Lernens gerade der kindlichen Lernenden werden. Jedes Angebot – durch die Lernumgebung, Erwachsene oder Kinder, die Welt oder ihre Wissenschaften muss so gut und demokratisch sein, dass der Grad der Übernahme durch die Lernenden erhöht wird. Der Sinn von Schule muss sein vor allem niedrige Schichten und die Demokratie selbst zu schützen.
Je mehr Einfluss die Lernenden auf den Prozess der Planung, Durchführung, Reflektion und Nachhaltigkeit ihrer eigenen Lernlandschaften erlangen, umso eher werden sie befähigt, bewusst eine menschliche Zukunft zu produzieren.
ie Verwirklichung eines Traums freier Bildung hängt von der Kraft unserer realen Durchsetzungskraft ab.
Peter Guttenhöfer, Waldorf
Claus Kaul, Montessori
Hans-Peter Schröder, Jena-Plan
Walter Hövel, Freinet